Wenn Sozialarbeiter und Klienten im Rahmen der sozialen Einzelhilfe oder lebensweltorientierten Individualhilfe (Pantucek, 1998, S.25ff) zu einem Erstgespräch zusammentreffen, können auf beiden Seiten unterschiedlichste Vorgaben, Vorstellungen und Anlässe vorliegen.
Insbesondere die mehr oder weniger stark ausgeprägten bürokratischen Strukturen der Einrichtung, in denen sozialarbeiterische Erstgespräche stattfinden, sind hierbei zu berücksichtigen. Berufliches Helfen in Einrichtungen mit arbeitsteiliger Organisation und hierarchisch geordneten Strukturen bringt es mit sich, dass Sozialarbeiter nicht nur dem Wohl ihrer Klienten und ihrer eigenen beruflichen Fachlichkeit, sondern immer auch mit einem Mindestmaß an Loyalität den Trägern und anderen Mitarbeitern ihrer Einrichtung verpflichtet sind. (vgl. Kähler, 1991b, S.156ff)
Um innerhalb dieses organisatorischen Gefüges bestehen zu können, müssen Sozialarbeiter divergierenden Interessen unterschiedlicher Personengruppen Rechnung tragen (vgl. Kähler, 1999, S.3ff), aber auch für die eigene Handlungsfähigkeit und Sicherheit sorgen, was ebenfalls zur Folge haben kann, dass Klientenbelange in ihrer Bedeutung relativiert werden müssen. (Fine, Glasser, 1996, S.10ff)
Im sozialarbeiterischen Erstgespräch begegnen sich also nicht nur einzelne Personen, sondern auch höchst unterschiedliche Voraussetzungen und Interessen. Erstgespräche müssen daher als "sensible Schnittstellen" (Meinhold, 1997, S.20ff) zwischen verschiedenen Systemen bezeichnet werden.
Inhaltsverzeichnis
Erklärungen
1. Der erste Kontakt zwischen zwei Welten
2. Verschiedene Konstellationen an Beteiligten
3. Formen und Grundlagen des Erstgesprächs
4. Ablauf von Erstgesprächen
4.1 Vorbereitung
4.2 Einleitung
4.3 Explorationsphase
4.4 Konstruktionsphase
4.5 Contracting
4.6 Abschluss des Gespräches
5. Die Freiwilligkeit der Klienten
Literatur
Erklärungen
1. Sprachliche Gleichbehandlung
Soweit in dieser Arbeit auf natürliche Personen bezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise.
2. Ich versichere:
- Dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keinen unerlaubten Hilfen bedient habe.
- Dass ich diese Arbeit bisher weder im In- noch im Ausland einem Beurteiler zur Begutachtung in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe.
- Dass diese Arbeit mit der von den Gutachtern beurteilten Arbeit übereinstimmt.
DSA Markus Neuwirth
Sooß, am 6. November 2005
1. Der erste Kontakt zwischen zwei Welten
Wenn Sozialarbeiter und Klienten im Rahmen der sozialen Einzelhilfe oder lebensweltorientierten Individualhilfe (Pantucek, 1998, S.25ff) zu einem Erstgespräch zusammentreffen, können auf beiden Seiten unterschiedlichste Vorgaben, Vorstellungen und Anlässe vorliegen.
Die meist als private Angelegenheit erlebte Problemsituation auf Klientenseite kann als individuelle Ausformung von Entwicklungen gedeutet werden, die in aller Regel auch sozialstrukturelle, somit überindividuelle Anteile haben: in jeder Problemkonstellation von Klienten steckt in einmaliger Ausprägung Individuelles, Umfeldbedingtes sowie Sozialstrukturelles. Diese Hintergründe auszublenden wäre mithin eine Einschränkung, die der Vieldimensionalität und Komplexität der Erscheinungsformen sozialer Probleme im Gewande persönlicher Belastungen nicht genügend Rechnung tragen würde. (vgl. Kähler, 1991, S.135ff; Kähler, 2001, S.187)
Auch auf der Seite des professionellen Helfers liegen Rahmenbedingungen vor, ohne deren Berücksichtigung das berufliche Handeln nicht verstehbar wäre. Soziale Arbeit wird je nach Ansiedlung der Einrichtung im Bereich des Staates, des Marktes, der Gemeinschaft oder im intermediären Bereich durch unterschiedliche Mechanismen reguliert und beeinflusst. Insbesondere die mehr oder weniger stark ausgeprägten bürokratischen Strukturen der Einrichtung, in denen sozialarbeiterische Erstgespräche stattfinden, sind hierbei zu berücksichtigen. Berufliches Helfen in Einrichtungen mit arbeitsteiliger Organisation und hierarchisch geordneten Strukturen bringt es mit sich, dass Sozialarbeiter nicht nur dem Wohl ihrer Klienten und ihrer eigenen beruflichen Fachlichkeit, sondern immer auch mit einem Mindestmaß an Loyalität den Trägern und anderen Mitarbeitern ihrer Einrichtung verpflichtet sind. (vgl. Kähler, 1991b, S.156ff)
Um innerhalb dieses organisatorischen Gefüges bestehen zu können, müssen Sozialarbeiter divergierenden Interessen unterschiedlicher Personengruppen Rechnung tragen (vgl. Kähler, 1999, S.3ff), aber auch für die eigene Handlungsfähigkeit und Sicherheit sorgen, was ebenfalls zur Folge haben kann, dass Klientenbelange in ihrer Bedeutung relativiert werden müssen. (Fine, Glasser, 1996, S.10ff)
Im sozialarbeiterischen Erstgespräch begegnen sich also nicht nur einzelne Personen, sondern auch höchst unterschiedliche Voraussetzungen und Interessen. Erstgespräche müssen daher als "sensible Schnittstellen"(Meinhold, 1997, S.20ff) zwischen verschiedenen Systemen bezeichnet werden.
Erstgespräche und ihre Verlauf prägen die weitere Zusammenarbeit zwischen Klient und Sozialarbeiter wesentlich. Sie sind meist nicht auf ein einmaliges erstes Zusammentreffen beschränkt.
2. Verschiedene Konstellationen an Beteiligten
Je nach Zahl der Beteiligten lassen sich unterschiedliche Konstellationen unterscheiden.
- Am häufigsten finden Erstgespräche zwischen einer einzelnen Person (Klient) und einem einzelnen Sozialarbeiter statt. Hierbei ist noch zu unterscheiden, ob ein Hauptbetroffener selbst erscheint oder ein nur mittelbar Betroffener. Es empfiehlt sich, den Besucher des Erstgespräches als "Primärklienten" zu behandeln und zunächst offen zu lassen, ob er und/oder jemand anderes aus dem sozialen Netzwerk des Primärklienten als "Klient" anzusehen ist. (vgl. Schütze, 1997, S.39ff)
- Erstgespräche können auch zwischen einem Sozialarbeiter und mehreren Personen (z.B. Paare, Familien) stattfinden. Hierbei ist es wichtig dafür zu sorgen, dass jede Person für sich und nicht für andere spricht und nicht unterbrochen wird. (Fine, Glasser, 1996, S.10ff) Ein wichtiger Faktor ist gerade in diesen Gesprächen auch die Vertraulichkeit dessen, was im Gespräch ans Tageslicht kommt.
- In seltenen Fällen finden Erstgespräche auch zwischen einem Klienten und mehreren Fachkräften statt. Beispielweise wenn ein hospitierender Praktikant teilnimmt. (vgl. Kähler, 1991b, S.156ff)
- Dies gilt auch für Helferkonferenzen, bei denen auch mehrere Klienten (z.B. Familienmitglieder) mit mehreren Helfern zusammenkommen können. Hier ist allerdings damit zu rechnen, dass zumindest zwischen einzelnen Helfern und einzelnen Klienten schon Vorgespräche geführt wurden.
In Konstellationen mit mehr als zwei Parteien ist es notwendig, die beteiligten Personen vorzustellen und ihre Aufgaben transparent zu machen. Diese Art der Erstgespräche kann vor allem bei Konflikten und Spannungen in größeren Gruppen vorkommen. (vgl. Kähler, 1991b, S.156ff)
- Eine besondere Form des Erstgespräches stellt weiters eine Beratung mit Dolmetschern dar. Aus einem zweier Gespräch wird so eine Triade was teilweise andere Methoden der Gesprächsführung erfordert. Gespräche mit Übersetzern können natürlich auch in den anderen drei zuvor genannten Formen der Erstgespräche vorkommen. In allen Fällen ist es von hoher Wichtigkeit, dass der Dolmetscher ganz klar in der Rolle des Übersetzers bleibt und nicht selbst beginnt die Klienten zu beraten.
3. Formen und Grundlagen des Erstgesprächs
Grundsätzlich lassen sich drei Formen unterscheiden, wie und warum es zu Erstkontakten zwischen Klient und Sozialarbeiter kommen kann:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1:
(Quelle: Mitschrift Vortrag Peter Pantucek vom 24.10.2000 an der Bundesakademie für Sozialarbeit in St. Pölten)
In vielen Fällen meint der Klient selbst er benötigt Unterstützung und vereinbart einen Termin für ein Beratungsgespräch. Möglich ist aber auch, dass jemand (Melder) Kontakt mit dem Sozialarbeiter bzw. der Einrichtung aufnimmt und auf das Problem eines Anderen hinweist. Aus Folge daraus oder aus anderen Gründen (z.B. aufsuchende Sozialarbeit) ist es auch möglich, dass der Sozialarbeiter von sich aus Kontakt zur betreffenden Person bzw. zum betreffenden Personenkreis herstellt.
Die Hauptfunktion von Erstgesprächen ist der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen Klienten und Sozialarbeiter. (vgl. Fine, Glasser, 1996, S.10ff) Dazu gehört in erster Linie die Bereitschaft und Fähigkeit, dem Klienten zuzuhören (aktives Zuhören) und die Sichtweise seiner Situation zu akzeptieren, ohne schon Änderungen anzustreben. Diese Akzeptanz erfordert keine persönliche Zustimmung durch den Sozialarbeiter, sondern beinhaltet die Zusicherung an den Klienten, seine Lage unzensiert und unter strengster Vertraulichkeit darstellen zu können.
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- Arbeit zitieren
- DSA Mag. (FH) MSc Markus Neuwirth (Autor:in), 2005, Das sozialarbeiterische Erstgespräch, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/77006