Meine Frage, der ich in dieser Arbeit nachgehen möchte, ist gleichzeitig die Frage der Resilienzforschung: Welche Faktoren tragen trotz einer belasteten Kindheit mit zahlreichen Risiken dazu bei, dass Kinder sich zu gesunden Persönlichkeiten entwickeln können? Das Interesse meiner Arbeit gilt speziell der Entwicklung von Resilienz bei Kindern: Kinder, die früh lernen, mit Schwierigkeiten, Krisen und problematischen Lebensumständen umzugehen, haben trotz schwieriger Ausgangsbedingungen die Chance, alle Widrigkeiten zu meistern und sich positiv zu entwickeln. Vor allem diejenigen Kinder, die vielerlei Problemen ausgesetzt sind, wie z.B. Vernachlässigung, Scheidung der Eltern und Gewalterfahrungen, haben Unterstützung besonders nötig, um sich zu belastbaren Persönlichkeiten zu entwickeln, die unter den Widrigkeiten ihrer Kindheit nicht zerbrechen, sondern gestärkt daraus hervorgehen. Eine solche Widerstandsfähigkeit in vorübergehenden oder lang andauernden Krisen wird in der Wissenschaft als Resilienz bezeichnet.
Aufgrund meiner Erfahrungen in der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) scheint mir diese Frage besonders relevant für die pädagogische Arbeit mit Kindern aus sozial benachteiligten Familien.
Die SPFH arbeitet mit Familien, die meist mit Problemen auf mehreren Ebenen zu kämpfen haben. Die Kinder aus solchen Familien sind besonders gefährdet an den schwierigen Lebensbedingungen ihrer Familie zu zerbrechen. SPFH konzentriert sich aber nicht allein auf die Arbeit mit den Kindern. Ihr Anliegen ist es in erster Linie auch, mit den Eltern zu arbeiten, um diese bei der Bewältigung ihrer Probleme zu unterstützen, zu begleiten und sie in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken. Als Resultat sollen gemeinsam mit den Eltern bessere Bedingungen für ein gesundes Aufwachsen der Kinder geschaffen werden. Ursula Nuber schreibt in einem Artikel zum Thema Resilienz: „Resilienz kann man lernen – und das sollte möglichst früh passieren.“ Später fügt sie aber noch hinzu: „Resilienz kann in jedem Lebensalter erlernt werden.“ Ausgehend von diesen beiden Hypothesen möchte ich weiter in meiner Arbeit der Frage nachgehen, in welchen Bereichen die SPFH dazu beitragen kann, dass Eltern und Kinder lernen, mit widrigen Umständen resilient umzugehen. Andererseits werde ich mich aber auch mit den Grenzen der SPFH beschäftigen, Resilienz zu fördern, die beispielsweise bedingt sind durch die Rolle des Familienhelfers und den Kontext, in dem sich SPFH abspielt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Resilienz
- 2.1. Definition von Resilienz
- 2.1.1. Was meint ,,Resilienz"?
- 2.1.2. Wie sieht die Resilienzforschung den Menschen?
- 2.2. Bezugsmodelle
- 2.2.1 Salutogenese
- 2.2.2. Vulnerabilität
- 2.2.3. Selbstwirksamkeit
- 2.2.4. Bindungstheorie
- 2.3. Entwicklung des Resilienzkonzepts
- 2.4. Zentrale Kennzeichen des Resilienzparadigmas
- 2.5. Risiko- und Schutzfaktorenmodell
- 2.5.1. Risikofaktorenmodell
- 2.5.2. Schutzfaktorenmodell
- 2.6. Risiko- und Schutzmechanismen
- 2.6.1. Risikomechanismen
- 2.6.2. Schutzmechanismen
- 2.7. Resilienzmodelle
- 2.7.1. Modell der Kompensation
- 2.7.2. Modell der Herausforderung
- 2.7.3. Modell der Interaktion
- 2.7.4. Modell der Kumulation
- 2.8. Studien der Resilienzforschung
- 2.8.1. Die „Kauai Längsschnittstudie“
- 2.8.2. Die „Mannheimer Risikokinderstudie“
- 2.8.3. Die „Bielefelder Invulnerabilitätsstudie❝
- 2.8.4. Forschungen zu speziellen Risikofaktoren
- 2.9. Ergebnisse der Resilienzforschung
- 2.9.1. Emotional sichere Bindung an eine Bezugsperson
- 2.9.2. Merkmale des Erziehungsklimas
- 2.9.3. Soziale Unterstützung in und außerhalb der Familie
- 2.9.4. Temperamentsmerkmale
- 2.9.5. Kognitive und soziale Kompetenzen
- 2.9.6. Selbstbezogene Kognitionen und Emotionen
- 2.9.7. Erleben von Sinn und Struktur im Leben
- 2.10. Resilienzfaktoren und Resilienzprozesse in der Entwicklung
- 2.10.1. Säuglingsalter und frühe Kindheit
- 2.10.2. Schulalter
- 2.10.3. Adoleszenz
- 2.11. Kritik am Konzept der Resilienz
- 3. Die Sozialpädagogische Familienhilfe
- 3.1. Entstehung der Sozialpädagogischen Familienhilfe
- 3.2. Modelle von Sozialpädagogischer Familienhilfe
- 3.3. Rechtliche Grundlagen
- 3.4. Rahmenbedingungen
- 3.4.1. Rahmenbedingungen für die Arbeit in den Familien
- 3.4.2. Rahmenbedingungen für die Arbeit der Familienhelfer
- 3.5. Zielgruppe
- 3.5.1. Lebenswelt
- 3.5.2. Problemlagen
- 3.6. Aufgaben und Ziele
- 3.7. Methoden der Sozialpädagogischen Familienhilfe
- 3.7.1. Hilfeplangespräch
- 3.7.2. Lebenswelt- oder Alltagsorientierung
- 3.7.3. Empowerment und Ressourcenorientierung
- 3.7.4. Systemischer Ansatz
- 3.8. Ablauf einer Betreuung durch die Sozialpädagogische Familienhilfe
- 4. Möglichkeiten der Sozialpädagogischen Familienhilfe, Resilienz zu stärken bzw. zu fördern
- 4.1. Minderung der Risikofaktoren
- 4.2. Stärkung und Förderung von Schutzfaktoren
- 4.3. Konkrete Handlungsmöglichkeiten
- 4.3.1. Stärkung des Selbstbewusstseins und der Selbstwirksamkeit
- 4.3.2. Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern
- 4.3.3. Vernetzung der Familie im sozialen Umfeld
- 4.3.4. Stärkung der Beziehungen in der Familie
- 4.3.5. Stärkung der Problemlösungskompetenzen
- 5. Grenzen der Sozialpädagogischen Familienhilfe in Bezug auf das Konzept der Resilienz
- 5.1. Der Familienhelfer als Bezugsperson
- 5.2. Erwartungen der Familie
- 5.3. Kooperation der Familie
- 5.4. Präventive Ansätze zur Förderung von Resilienz
- 5.5. Exkurs: „Opstapje“ – ein sekundär-präventives Förderprogramm
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit dem Konzept der Resilienz und untersucht seine Möglichkeiten und Grenzen im Kontext der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH). Ziel ist es, ein Verständnis für die Bedeutung von Resilienz in der Familienhilfe zu entwickeln und konkrete Handlungsmöglichkeiten für die Stärkung von Resilienzfaktoren aufzuzeigen.
- Die Definition und Entwicklung des Resilienzkonzepts
- Die relevanten Bezugsmodelle und Studien der Resilienzforschung
- Die Funktionsweise und Einsatzmöglichkeiten der Sozialpädagogischen Familienhilfe
- Die Potenziale der SPFH zur Förderung von Resilienz
- Die Grenzen der SPFH im Hinblick auf die Stärkung von Resilienz
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 2 beleuchtet das Konzept der Resilienz aus verschiedenen Perspektiven. Es werden zentrale Kennzeichen des Resilienzparadigmas, Risiko- und Schutzfaktoren sowie relevante Modelle und Studien der Resilienzforschung vorgestellt. Die Ergebnisse der Resilienzforschung werden ebenfalls zusammengefasst, wobei der Fokus auf Schlüsselfaktoren für Resilienz in verschiedenen Entwicklungsphasen liegt. Kapitel 3 widmet sich der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH), indem es die Entstehung, Modelle, rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen dieser Form der Hilfe beleuchtet. Die Zielgruppe der SPFH, ihre Aufgaben und Ziele sowie gängige Methoden werden ausführlich dargestellt.
Kapitel 4 geht auf die Möglichkeiten der SPFH zur Stärkung von Resilienzfaktoren ein. Es werden konkrete Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, die Familienhelfer im Alltag nutzen können, um das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit von Familienmitgliedern zu fördern, die Erziehungskompetenz der Eltern zu stärken und die Familie in ihrem sozialen Umfeld zu vernetzen. Abschließend betrachtet Kapitel 5 die Grenzen der SPFH in Bezug auf das Konzept der Resilienz. Es werden Faktoren wie die Rolle des Familienhelfers als Bezugsperson, die Erwartungen der Familie und die Kooperation der Familie mit der SPFH beleuchtet. Des Weiteren werden präventive Ansätze zur Förderung von Resilienz und das sekundär-präventive Förderprogramm „Opstapje“ als Beispiele vorgestellt.
Schlüsselwörter
Resilienz, Sozialpädagogische Familienhilfe, Risikofaktoren, Schutzfaktoren, Familienhilfe, Familienhelfer, Empowerment, Ressourcenorientierung, Selbstwirksamkeit, Bindungstheorie, Vulnerabilität, Salutogenese, Prävention, sekundär-präventives Förderprogramm, „Opstapje“
- Arbeit zitieren
- Diplom-Sozialarbeiterin / Sozialpädagogin Esther Ruoß (Autor:in), 2007, Das Konzept der Resilienz: Möglichkeiten und Grenzen für die Sozialpädagogische Familienhilfe, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/76763