Über „Demokratiefeindlichkeit“ und „vormoderne“ autokratische Strukturen und Regierungsformen in der arabisch-islamischen Welt ist schon viel und intensiv nachgedacht und geschrieben worden. Speziell die Gruppe der so genannten „arabischen Golfstaaten“ – d.h. Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Bahrain, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) – scheint resistent gegen jede Art von Regimewechsel zu sein: In allen sechs Staaten reicht die Macht der herrschenden Dynastien mindestens 200 Jahre zurück. Der gesellschaftliche Rahmen ist in der Region durchwegs sehr traditionell geprägt, ein konservativ ausgelegter Islam spielt eine große Rolle. Entsprechend eingeschränkt sind die politischen Partizipationsmöglichkeiten der Bevölkerung.
Anderseits verfügen die Anrainerstaaten des Persischen Golfes mit den weltweit größten Reserven des wichtigsten strategischen Rohstoffs Erdöl sowie bedeutenden Reserven an Erdgas über einen unvergleichlichen natürlichen Ressourcenreichtum. Nirgendwo sonst findet sich zudem soviel Öl auf so wenige Köpfe verteilt Die sechs behandelten Staaten sind „das Beispiel par excellence“ für sogenannte „rentier states“: Sie beziehen den überwiegenden Teil ihrer Staatseinkünfte aus der Ausbeutung ihrer natürlichen Ressourcen.
Anscheinend kommt hier eine Variante der „Ressourcenfluch“-Theorie zum tragen, nach der sich überdurchschnittlicher Reichtum an natürlichen Ressourcen in der Praxis für die Entwicklung eines Landes oft eher als hinderlich erweist. Empirische Untersuchungen belegen, dass gerade der Rohstoff Öl nicht nur im Mittleren Osten statistisch gesehen zu einer tendenziell undemokratischeren Regierungsform führt. Die vorliegende Arbeit zeigt die grundlegenden Mechanismen auf, die hierbei wirksam sind. Wie sich Ölrenten in der Geschichte auf die politische Partizipationsmöglichkeiten in den Golfstaaten ausgewirkt haben, wird an den Fallbeispielen Saudi-Arabien und Kuwait genauer untersucht.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Wirkungszusammenhänge: Ölrenten und politische Partizipation am Golf
- 1. Der „autoritäre Gesellschaftsvertrag“ („rentier effect“)
- a. Fiskale Autonomie und „politische Autonomie“ von der Gesellschaft („taxation effect“)
- b. Der „Verteilungsstaat“ als Mittel zur Befestigung von Herrschaft („spending effect“)
- 2. Begünstigung der Repression in Krisenzeiten („repression effect“)
- 3. Sozioökonomische Effekte der Ölrente als Erklärung für mangelnde Partizipation
- a. Der „Modernisierungseffekt“
- b. Die Folgen der Arbeitsimmigration
- III. Die Verwendung der Ölrente und ihre Wirkung am Beispiel Kuwaits und Saudi-Arabiens
- 1. Kuwait
- a. Ein demokratisches Vorbild für die arabische Welt?
- b. Der kuwaitische Wohlfahrtsstaat: Eliten, Bürger und benachteiligte Gruppen
- 2. Saudi-Arabien
- a. Königshaus und wahhabitischer Islam: Die Allianz von „Buch und Schwert“.
- b. Distributionspolitik, Repression und zaghafte Reform „von Oben“
- IV. Resumée und Perspektive
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Beziehung zwischen der Ölrentenwirtschaft und mangelnder politischer Partizipation in den arabischen Golfstaaten. Ziel ist es, die Ursachen für die anhaltende Resistenz dieser Staaten gegenüber demokratischen Reformen zu ergründen. Die Untersuchung konzentriert sich auf die spezifischen Auswirkungen der Ölrente auf die politische und soziale Entwicklung der Region.
- Der „rentier effect“: Wie führt die Abhängigkeit von Öleinkünften zu einer Stärkung der Staatsmacht und einer Depolitisierung der Bevölkerung?
- Der „repression effect“: Wie wird die Ölrente zur Finanzierung repressiver Maßnahmen genutzt und wie beeinflusst dies die politische Landschaft?
- Der „modernisierungseffekt“: Welche Auswirkungen hat die Ölrente auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, insbesondere im Hinblick auf die Arbeitsmigration?
- Fallstudien: Die Analyse von Kuwait und Saudi-Arabien beleuchtet die konkreten Auswirkungen der Ölrente auf die jeweilige politische und soziale Struktur.
- Die Rolle des Islams: Wie beeinflusst der wahhabitische Islam die politische Entwicklung in Saudi-Arabien?
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung liefert einen Überblick über die historische Entwicklung der arabischen Golfstaaten und stellt die spezifischen Herausforderungen für die politische Partizipation in dieser Region heraus. Das zweite Kapitel analysiert die Auswirkungen der Ölrente auf die politische Entwicklung der Golfstaaten, indem es die drei zentralen Effekte - „rentier“, „repression“ und „modernisierung“ - beleuchtet. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Verwendung der Ölrente und ihrer Wirkung am Beispiel von Kuwait und Saudi-Arabien.
Schlüsselwörter
Ölrente, politische Partizipation, arabische Golfstaaten, „rentier effect“, „repression effect“, „modernisierungseffekt“, Kuwait, Saudi-Arabien, wahhabitischer Islam, Staatsmacht, Depolitisierung, Arbeitsmigration.
- Arbeit zitieren
- Stefan Esselborn (Autor:in), 2006, Ölrentenwirtschaft und mangelnde politische Partizipation in den arabischen Golfstaaten, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/76285