Die Epistel I,6 gilt als eines der Paradebeispiele der plinianischen Kunstbriefe. Aber auch wenn er ob seiner stilistischen Feinheiten und sorgsam gegliederten Struktur in fast jedem lateinischen Schulbuch zu finden ist, wurde ihm in der Forschung die größte Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit dem Brief IX,10 zuteil.
Beide Episteln richten sich an den Historiker Tacitus, der mit elf Briefen der häufigste Adressat im gesamten Briefcorpus Plinius des Jüngeren ist. Im Zuge dieser literarischen Brieffreundschaft sandten sie sich gegenseitig Entwürfe ihrer Schriftstellerei zur Beurteilung und eventuellen Verbesserung zu. Darüber hinaus berichtet Plinius besonders in I,2, III,18 und VII,17 von dem Brauch, Reden und andere Schriften von rhetorischem Inhalt, die zur Publikation vorgesehen waren, Freunden zur Lektüre zukommen zu lassen. Dieser Hintergrund und die bestechende Ähnlichkeit der Stellen Plin. Epist. IX,10,2 Itaque poemata quiescunt, quae tu inter nemora et lucos commodissime perfici putas und Tac. Dial. 9,6 Adice, quod poetis, si modo dignum aliquid elaborare et efficere velint [...] in nemora et lucos, id est in solitudinem, secedendum est haben dazu geführt, dass sich das Hauptinteresse der Forschungs-diskussion auf den Zusammenhang mit dem taciteischen Dialogus de oratoribus, auf die Chronologie und die Frage nach der Autorschaft der beiden Jagdbillete konzentriert hat.
Die vorliegende Arbeit will sich jedoch detailliert mit einem Teilaspekt der Forschung zu I,6 und IX,10 auseinandersetzen und Untersuchungen zur Authentizität der von Plinius beschriebenen Eberjagd anstellen. Der Schwerpunkt wird folglich auf der Analyse des Briefes I,6 liegen, um mittels einer philologischen Analyse Erkenntnisse über die Einstellung des Plinius zur Jagd zu erlangen, sowie Vermutungen über den Jagdverlauf anstellen zu können. Dabei wird die grundsätzliche Frage, ob literarisches Spiel auch literarische Fiktion mit sich bringt, einen wichtigen Leitfaden bilden.
Im zweiten Teil wird sich das Augenmerk abschließend auf den Konnex mit dem zweiten Eberbrief IX,10 richten, um die inhaltlichen Tendenzen mit den Ergebnissen der Analyse von I,6 zu vergleichen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Übersetzung
- II. 1 Übersetzung: Epist. 1,6
- II. 2 Zur Übersetzung
- III. Analyseteil
- III. 1 Vorbemerkung zur Analyse von 1,6
- III. 2 Prooemium: Provozierte Skepsis
- III. 3 Narratio: Jagd ohne Waffen
- III. 4 Argumentatio: Das Jagdumfeld als Inspiration
- III. 5 Peroratio: Empfehlung zur Nachahmung
- III. 6 Zweigliedrigkeit als konstituierendes Stilmerkmal
- III. 7 Die Frage der Eber: tatsächliches Jagdglück oder literarische Fiktion?
- IV. Der zweite Eberbrief Epist. IX,10: Die Fortsetzung von Epist. 1,6
- IV. 1 Übersetzung: Epist. IX,10
- IV. 2 Die Frage nach den taciteischen praecepta
- IV. 3 Die Entschuldigung des Plinius
- V. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Authentizität der von Plinius des Jüngeren in seinen Briefen 1,6 und IX,10 beschriebenen Eberjagd. Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf eine philologische Analyse von Brief 1,6, um Erkenntnisse über Plinys Einstellung zur Jagd zu gewinnen und Vermutungen über den Jagdverlauf anzustellen. Die grundsätzliche Frage, ob literarisches Spiel auch literarische Fiktion mit sich bringt, spielt dabei eine wichtige Rolle.
- Analyse von Plinius' Brief 1,6 im Hinblick auf die Authentizität der Eberjagd
- Untersuchung der Beziehung zwischen literarischem Spiel und Fiktion in den Briefen
- Erforschung von Plinius' Einstellung zur Jagd
- Vergleich der inhaltlichen Tendenzen in Brief 1,6 mit dem zweiten Eberbrief IX,10
- Beurteilung der Rolle von Plinius' literarischer Brieffreundschaft mit Tacitus
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Forschungsstand zur Authentizität der Eberjagd in den Briefen 1,6 und IX,10 dar und skizziert die Zielsetzung der Arbeit. Kapitel II bietet eine Übersetzung der beiden Briefe. Kapitel III analysiert Brief 1,6, indem es die einzelnen Abschnitte des Briefes (Prooemium, Narratio, Argumentatio, Peroratio) betrachtet und die Frage nach der Authentizität der Eberjagd beleuchtet. Kapitel IV richtet den Blick auf den zweiten Eberbrief IX,10 und untersucht die inhaltlichen Tendenzen im Vergleich zu Brief 1,6.
Schlüsselwörter
Plinius der Jüngere, Eberjagd, Authentizität, literarisches Spiel, Fiktion, Stil, Briefliteratur, Tacitus, Dialogus de oratoribus, philologische Analyse.
- Arbeit zitieren
- Moritz Ahrens (Autor:in), 2005, Authentizität versus literarisches Spiel in den Eberbriefen (I,6 und IX,10) Plinius des Jüngeren, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/74981