Anfänge der wissenschaftlichen Erforschung des Autismus
Die Entdeckung des Autismus begann mit dem austro-amerikanischen Kinderpsychiater Leo Kanner und dem österreichischen Pädiater Hans Asperger, die unhängig voneinander die ersten Berichte über diese Störung veröffentlichten.
Ihre Publikationen - die von Kanner 1943 in Baltimore veröffentlicht und die von Asperger im Jahr 1944 in Wien - enthielten detaillierte Fallbeschreibungen und unterbreiteten auch die ersten theoretischen Erklärungsversuche für die Störung. Beide Fachleute glaubten, dass von Geburt an eine tiefreichende Störung vorliege, die durch eine extreme Isolierung und Beziehungsstörung bzw. Einengung der Person auf sich selbst zu charakterisieren ist. Es scheint ein bemerkenswerter Zufall zu sein, dass beide das Wort ,,autistisch" wählten, um das Wesen der Störung zu kennzeichnen. Im Grunde ist das aber kein Zufall, denn der bedeutende Schweizer Psychiater Ernst Bleuler hatte die Bezeichnung 1911 eingeführt. Ursprünglich bezog sie sich auf ein Symptom bei der Schizophrenie, die Einengung der Beziehungen zu Menschen und zur Außenwelt, die so extrem ist, dass sie alles, außer dem eigenen Ich des Betroffenen, auszuschließen scheint. Diese Einengung konnte als Rückzug aus dem Gefüge des Soziallebens in das eigene Selbst beschrieben werden - daher das Wort ,,autistisch" vom griechischen autos für ,,selbst". Beide diagnostische Bezeichnungen - sowohl Kanners Autismus (,,early infantil autism") als auch Aspergers autistische Psychopathie - sind nicht ganz unproblematisch, da es sich in beiden Fällen nicht um einen aktiven Rückzug von der Außen- in die Innenwelt handelt, sondern um eine primäre Beeinträchtigung bzw. ein Defizit der sozialen Kontaktfähigkeit. Im Gegensatz zu Bleulers Schizophrenie lag zudem die Störung offenbar von Geburt an vor. Leo Kanner beschrieb dies unter dem Titel ,,Autistische Störungen des affektiven Kontakts" 1943 wie folgt: ,,Es handelt sich dabei nicht wie bei schizophrenen Kindern oder Erwachsenen um einen Rückzug von zunächst vorhandenen Beziehungen oder der Teilnahme an zuvor vorhandener Kommunikation. Vielmehr handelt es sich vom Anbeginn an um ein autistisches Alleinsein, welches alles, was von außen auf das Kind einwirkt, nicht beachtet, ignoriert und ausschließt. ...Wir müssen also annehmen, dass diese Kinder zur Welt gekommen sind mit einer angeborenen Unfähigkeit, normale und biologisch vorgesehene affektive Kontakte mit anderen Menschen herzustellen."
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Inhaltsverzeichnis
- Geschichte
- Heutige Unterscheidung zwischen dem Kanner- und Asperger-Syndrom
- Symptomatik
- Ausräumen von Missverständnissen
- Diagnostik nach DSM-IV- und ICD-10-Kriterien
- Klinisches Bild
- Erscheinungsformen autistischer Störungen
- Differentialdiagnostik
- Früherkennung
- Verfahren zur Früherkennung
- Epidemiologie, Verlauf und Nosologie
- Ätiologie Erklärungsansätze
- Genetische Faktoren
- Weitere Biologische Faktoren
- Strukturelle Veränderungen des Zentralnervensystems
- Neurophysiologische Befunde
- Neurochemische Faktoren
- Prä- und Perinatale Risikofaktoren
- Das faktorentheoretische Modell: Informations- und/oder
Wahrnehmungsverarbeitungsstörung - Ein psychologisches Erklärungsmodell
- Therapie
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Text befasst sich mit dem Thema Autismus und bietet einen umfassenden Überblick über die Geschichte, Symptomatik, Diagnostik, Ätiologie und Therapie dieser Störung. Er beleuchtet die Unterschiede zwischen dem Kanner- und Asperger-Syndrom und stellt die verschiedenen Erklärungsansätze für Autismus vor.
- Die Geschichte der Autismusforschung
- Die verschiedenen Symptome und Erscheinungsformen von Autismus
- Die Unterscheidung zwischen dem Kanner- und Asperger-Syndrom
- Die Erklärungsansätze für Autismus, einschließlich genetischer, biologischer und psychologischer Faktoren
- Die Bedeutung der Früherkennung und Therapie von Autismus
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel befasst sich mit der Geschichte der Autismusforschung und den wegweisenden Arbeiten von Leo Kanner und Hans Asperger. Es werden die frühen Definitionen und Beschreibungen der Störung sowie die Entwicklung der heutigen Unterscheidung zwischen dem Kanner- und Asperger-Syndrom beleuchtet. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den verschiedenen Symptomen und Erscheinungsformen von Autismus. Es wird die Diagnostik nach DSM-IV- und ICD-10-Kriterien erläutert und ein Überblick über das klinische Bild autistischer Störungen gegeben. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Differentialdiagnostik von Autismus und stellt die verschiedenen Möglichkeiten dar, die Störung von anderen psychischen Erkrankungen abzugrenzen. Das vierte Kapitel befasst sich mit der Früherkennung von Autismus und stellt verschiedene Verfahren zur Früherkennung vor. Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit der Epidemiologie, dem Verlauf und der Nosologie von Autismus. Das sechste Kapitel beleuchtet die verschiedenen Erklärungsansätze für Autismus, darunter genetische Faktoren, biologische Faktoren (wie strukturelle Veränderungen des Zentralnervensystems, neurophysiologische Befunde und neurochemische Faktoren) sowie prä- und perinatale Risikofaktoren. Es wird auch das faktorentheoretische Modell und ein psychologisches Erklärungsmodell vorgestellt. Das siebte Kapitel beschäftigt sich mit den verschiedenen Therapieansätzen für Autismus.
Schlüsselwörter
Autismus, Kanner-Syndrom, Asperger-Syndrom, Symptomatik, Diagnostik, Ätiologie, Genetische Faktoren, Biologische Faktoren, Prä- und Perinatale Risikofaktoren, Früherkennung, Therapie.
- Arbeit zitieren
- Anonym (Autor:in), 2002, Autismus. Symptomatik, Früherkennung, Verlauf, Äthiologie und Therapie, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/7407