Terrorismus, Krieg gegen den Terror oder Counterterrorismus - dies sind Schlagworte, welche seit dem 11.September 2001 die politische und mediale Tagesordnung prägen. Diese Arbeit möchte sich mit dem Begriff des Terrorismus näher beschäftigen und wird dies am Beispiel der schiitischen Hisbollah im Libanon tun Doch wer ist diese Hisbollah eigentlich? Eine Terrororganisation, so sagen jedenfalls die Israelis, so steht es in den Terrorismusberichten der US Regierung1. Eine Widerstandsbewegung, so sagt die Hisbollah2selbst, so sagt dies die libanesische Regierung, Syrien und auch der Iran. Ein kontroverses Thema also, dessen nähere Betrachtung lohnt.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Kapitel: Theoretische Grundlagen
1.1 Vorüberlegungen
1.2 Merkmale legitimer Gewaltanwendung
1.3 Was ist Terrorismus? Abgrenzung und Arbeitsdefinition
2. Kapitel: Ursachen für die Entstehung der Hisbollah
2.1 Israelisch – palästinensischer Konflikt
2.2 Innerlibanesischer Konflikt
2.3 Mobilisierung der Schiiten und Gründung der Hisbollah
2.4 Entwicklung der Hisbollah bis Ende der 80er
3. Kapitel: Die Hisbollah bis Ta`if
3.1 Die Aktionen gegen Israel – Terrorismus oder Widerstand?
3.2 Die Aktionen gegen US – und Französische UN-Truppen – Terrorismus oder unkonventionelle Kriegsführung?
3.3 Geiselnahmen/Flugzeugentführungen – Terrorismus, Auftragsarbeit oder kriminelle Machenschaften?
4. Kapitel: Die Entwicklung der Hisbollah nach Ta`if
4.1 Abschied von der Revolution? Hisbollah als politische Partei
4.2 Sieg gegen Israel: die militärische Kapazität der Hisbollah
4.3 Nach dem Sieg: Welchen Weg nimmt die Hisbollah?
Schlussfolgerungen und Bewertung im Hinblick auf die Forschungsfrage
Literaturverzeichnis:
Vorwort
Terrorismus, Krieg gegen den Terror oder Counterterrorismus – dies sind Schlagworte, welche seit dem 11.September 2001 die politische und mediale Tagesordnung prägen. Diese Arbeit möchte sich mit dem Begriff des Terrorismus näher beschäftigen und wird dies am Beispiel der schiitischen Hisbollah im Libanon tun Doch wer ist diese Hisbollah eigentlich? Eine Terrororganisation, so sagen jedenfalls die Israelis, so steht es in den Terrorismusberichten der US Regierung[1]. Eine Widerstandsbewegung, so sagt die Hisbollah[2] selbst, so sagt dies die libanesische Regierung, Syrien und auch der Iran. Ein kontroverses Thema also, dessen nähere Betrachtung lohnt.
In dieser Hausarbeit sollen zwei Sachen geleistet werden. Einerseits soll die Entwicklung der Hisbollah aus den Konflikten des Nahen Ostens heraus erklärt werden, und zum Zweiten wird untersucht, ob das Etikett „Terrorgruppe“ oder „terrorist group“ auf die Hisbollah zutrifft. Die Forschungsfrage, welche am Ende der Hausarbeit beantwortet werden soll, lautet: Ist die Hisbollah eine Terrororganisation?
In der heutigen weltpolitischen Situation ist es von besonderer Bedeutung, eine Antwort auf die gestellte Forschungsfrage zu erhalten. Im Kampf gegen Internationalen Terrorismus, dem sich die Weltgemeinschaft zur Zeit verpflichtet fühlt, wird der Terrorismusbegriff politisch instrumentalisiert. So erklärte zum Beispiel Russland die Tschetschenienfrage als Angelegenheit des (eigenen) Kampfes gegen den Internationalen Terrorismus und sogar die Regierung Schröder, vorher Kritiker der russischen Tschetschenienpolitik, übernahm vorsichtig diese Ansicht. Man erkennt, dass in der aktuellen politischen Weltlage ein neues Instrument hinzugetreten ist, welches es Staatsführungen erlaubt mit größerer Härte gegen Oppositionelle und Widerständler vorzugehen. Dies ist die Titulierung als „Terroristen“. „With us – or with the terrorists“ dieser Satz von Georg Bush bedeutet letztendlich: Gut gegen Böse. Die Definitionsmacht, wer Terrorist ist, liegt bei den Staaten, welche von „Terroristen“ angegriffen werden. Doch gerade dies muss heißen, die so bezeichneten Gruppen und die dahinterstehenden Konflikte genau zu untersuchen. Stimmt der Vorwurf oder verbirgt sich dahinter der Versuch, legitime Arten des Widerstandes zu diskreditieren und ihnen dadurch Unterstützung zu entziehen? Noch interessanter wird diese Frage, wenn man bedenkt, dass es Bestrebungen der israelischen Regierung gibt, den internationalen Kampf gegen den Terrorismus auf die Hisbollah auszuweiten. So reiste Sharon im Juni 2002 nach Washington und warb für einen „Anti-Terrorkampf“ im Südlibanon[3]. Die Hisbollah wird von den Israelis als Terrororganisation betrachtet. Dem klassischen Prinzip folgend, dass sich Terroristen niemals selbst Terroristen nennen, bezeichnet sich die Hisbollah selbst als „Resistance“ und wirft wiederum Israel „Terrorismus“ vor. In dieses Dickicht von gegenseitiger Beschuldigung soll diese Arbeit Licht bringen und versuchen, eine eigene Bewertung zu finden.
Um die Forschungsfrage dieser Arbeit zu beantworten, müssen verschiedene Unterfragen geklärt werden. Um dies in logischer Reihenfolge leisten zu können, wird diese Arbeit in zwei große Teile zergliedert. Das wäre zum Ersten ein Theorieteil. Die Aufgabe dort ist es, eine Arbeitsdefinition des Begriffes „Terrorismus“ zu erarbeiten. Die Schwierigkeit dabei liegt an der Unübersichtlichkeit des Themas, ebenso an der Uneinigkeit innerhalb der Forschungsgemeinschaft. Die grundlegende Problemstellung, neben der Klärung von „technischen“ Merkmalen des „Terrorismus“, liegt in der Frage der Legitimation von Gewalt. Hierüber besteht keine Einigkeit und so zieht man sich häufig auf das wissenschaftliche Ruhekissen der „technischen“ Merkmale von Terrorismus zurück. Dies kann aber nicht befriedigen. Die Frage ob Gewalt legitim ist oder nicht, hat in der heutigen angespannten politischen Situation besonderes Augenmerk verdient und auch praktische Konsequenzen. Der Begriff des Terrorismus ist negativ besetzt und dient der politischen Stigmatisierung. Wie leicht gelingt es gewaltsam angegriffenen Staaten, die Angreifer als Terroristen zu bezeichnen und damit zu delegitimieren? Eine Arbeitsdefinition, die dieses Problem berücksichtigt, soll im ersten Teil der Arbeit entwickelt werden.
Nach dem Theorieteil soll diese Arbeitsdefinition an dem konkreten Beispiel der schiitischen Hisbollah getestet werden. Diese Betrachtung geschieht in einem historischen Längsschnitt. Ziel ist es einerseits, die Bedingungen für das Entstehen der Hisbollah zu erklären und dabei Verwurzelungen in den Konfliktlagen des Nahen Ostens aufzuzeigen. Wichtige Eckpunkte sind hier der israelisch-palästinensische Konflikt und der innerlibanesische Bürgerkrieg. Dies ist der Ausgangspunkt der Betrachtung und er mündet in die Gründungszeit der Hisbollah. Danach erfolgt die Betrachtung der Hisbollah in den 80er Jahren und in den 90er Jahren. Eine Einschätzung der Geschehnisse nach dem israelischen Rückzug rundet den Längsschnitt ab
Als zweiter großer Punkt wird den Geschehnissen nachzugehen sein, welche zum Schluss eine Antwort auf die Forschungsfrage ermöglichen, ob die Hisbollah eine Terrororganisation im Hinblick auf unsere im ersten Teil erarbeitete Definition ist.
Die Forschungsdiskussion über die Hisbollah dauert schon einige Zeit. Verstärkt setzte sie zu Beginn der 90er Jahre ein, als die Frage nach dem zukünftigen Weg der Hisbollah beantwortet werden sollte. Abgesehen von den politisch motivierten Einschätzungen von Regierungen etc. kann man zwei unterschiedliche Forschungsströme ausmachen. Entzündet hat sich dieser Diskurs an der These von der „Lebanonization“ der Hisbollah, welche Richard Norton aufgestellt hat. Dieser wohl profilierteste Hisbollahkenner vertrat die These, dass die Hisbollah den Weg der Integration in das politische System des Libanons angetreten hat. Die Gegenthese lautet, dass die Hisbollah den Weg der Integration nur scheinbar geht und so quasi unter dem Schutz des Systems ihre terroristischen und radikalen Ziele weiter verfolgt. Beide Thesen und Meinungsrichtungen müssen in der Arbeit berücksichtigt werden
Die Literatursuche zum Thema Hisbollah ist nach kurzer Orientierungsphase sehr ergiebig. Neben den einschlägigen Monographien über die Hisbollah, zu nennen ist hier beispielsweise Jabers Werk „ Hezbullah. Born with a vegenance“, finden sich besonders viele Aufsätze zum Thema Hisbollah in den einschlägigen Fachzeitschriften. Zu nennen wären hier ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben zum Beispiel: Journal of Palestinian Studies, Middle East Journal oder The Middle East Insight. Mit Hilfe dieser Fachzeitschriften gelingt es, ein umfassendes Bild über die Hisbollah aufzubauen. Neben Monographien und Artikeln in Fachzeitschriften spielte bei der Recherche zum Thema das Internet eine herausragende Rolle. Zum Einen hält die Hisbollah als Organisation eine Reihe eigener Internetseiten auch in englischer Sprache präsent – diese stellen somit eine wichtige Quelle dar. Hier kann man herausfinden, wie sich die Hisbollah selbst versteht und auch selbst verstanden werden möchte. Außerdem finden sich dort einige Reden von Führungskadern und andere Veröffentlichungen der Hisbollah. Weiterhin bekommt man über das Internet auch problemlos eine Reihe anderer relevanter Dokumente. So zum Beispiel die Terrorismusberichte der US Regierung, aber auch UN Resolutionen etc.
Das Internet besitzt so bei der Behandlung dieses Themas eine besondere Wichtigkeit, da der untersuchte Gegenstand nicht aus eigener Anschauung bekannt. Allerdings muss dabei beachtet werden, welche Zweck die Internetangebote verfolgen. Vor allem die Internetseiten der Hisbollah dienen dem Zweck der Propaganda für deren Organisationsziele und sind somit höchst einseitig. Dies muss bei der Verwendung von Materialien, welche die Hisbollah selbst bereitstellt, immer mit bedacht werden.
1. Kapitel: Theoretische Grundlagen
1.1 Vorüberlegungen
Gleich vornweg: Es gibt keine allgemein anerkannte Definition von Terrorismus[4]. Zu unterschiedlich sind die Ziele, die jeweils mit diesen Definitionen verfolgt wurden, denn Terrorismus ist ebenso ein politischer Kampfbegriff, wie auch ein wissenschaftliches Arbeitswort. Daase schreibt „ schon im Begriff des „Terrorismus“ schwingt eine moralische Verurteilung mit. Mit der Bezeichnung einer politischen Handlung als „Terrorismus“ wird diese Tat nicht nur rechtlich als illegal, sondern auch politisch als illegitim dargestellt “[5] Diese negative Deutung des Begriffes „Terrorismus“ hat Auswirkungen auf den wissenschaftlichen Gebrauch des Wortes. Auch eine wissenschaftliche Definition muss sich der negativen Deutung des Begriffes stellen und diese berücksichtigen und verarbeiten, wenn sie ernsthaft Wirkung erzielen will und außerhalb des Wissenschaftsbetriebes praktikabel sein soll. Der negativen Bedeutung des Begriffes wird man mit der Einführung eines Legitimitätskriteriums gerecht. „Terrorismus“ ist demnach eine illegitime Form der Gewalt.
Weiterhin muss man bei der näheren Bestimmung des Begriffes Terrorismus auch auf die sich dahinter verbergenden Strategien einlassen. Terrorismus ist keine Gewaltanwendung, welche unmittelbar zu einer Änderung der politischen Gegebenheiten führt. Terrorismus ist eher eine längerfristige Kommunikationsstrategie. Dies unterscheidet maßgeblich den Begriff gegenüber der Guerilla. Ebenso sind Unterscheidungen hinsichtlich krimineller Gewalt oder Einzeltätern zu ziehen.
Diese groben Vorüberlegungen sollen nun im Verlauf des Theorieteils der Hausarbeit näher beleuchtet und systematisiert werden. Ziel ist am Ende die Aufstellung einer Arbeitsdefinition des Begriffes „Terrorismus“, welche für diese Arbeit und darüber hinaus Gültigkeit besitzen soll. Zuerst wird nun auf die Frage der Legitimität von Gewalt einzugehen sein. Dabei soll Widerstand von Terrorismus abgegrenzt werden und klare Unterscheidungsmerkmale gefunden werden. Danach folgt in einem zweiten Abschnitt die Charakterisierung von Terrorismus und die weitere Abgrenzung zu anderen Formen der Gewalt. Am Schluss des ersten Kapitels steht dann die Arbeitsdefinition.
1.2 Merkmale legitimer Gewaltanwendung
Wie bereits oben kurz angerissen, muss der Unterschied zwischen Terrorismus und Widerstand in der Legitimationsfrage der Gewalt liegen. Es ist nicht sinnvoll, z.B. einen Bombenanschlag sofort als Terrorismus einzuordnen. Mit einer solchen Einordnung verneint man jegliche Legitimation einer solchen Aktion. Hoffmann schreibt dazu: „ Das Wort Terrorismus stellt einen herabsetzenden Begriff dar. Es ist ein Wort mit durch und durch negativen Untertönen[6] “. Diese negative Bedeutung wird benutzt, um auch legitime Formen des Widerstandes zu diskreditieren. Denn es gibt durchaus Situationen, in denen Gewalt als Mittel gegen staatliche Macht eingesetzt werden darf[7].
Aus diesen Überlegungen ergibt sich aber ein zentrales Problem: Welche Form von Gewalt kann als legitim betrachtet werden und welche Kriterien werden zum Maßstab gemacht. Weiterhin muss es möglich sein, diese Kriterien auf alle bekannten Fälle anzuwenden.
Die Frage der legitimen Gewaltanwendung ist eine philosophische und eine rechtliche zugleich. Sie ist sicher eines der schwierigsten Probleme in der Politik überhaupt. Uns geht es hier besonders um die Frage legitimer Gewalt kleiner Gruppen gegen staatliche Macht. Zuerst muss dazu der Gewaltbegriff geklärt werden. Die Gewaltdefinition in Holtmanns „Politiklexikon“ bietet hierzu einen ersten Anhalt. Dort wird Gewalt definiert als „ Anwendung physischen und/oder psychischen Zwanges gegenüber Personen mit dem Ziel, diesen Schaden zuzufügen oder ihnen gegenüber den eigenen Willen durchzusetzen, insbesondere um andere der eigenen Herrschaft zu unterwerfen bzw. sich selbst einem solchen Fremdanspruch zu entziehen. “[8]. Hinsichtlich legitimatorischer Argumentation ist der Begriff des „Schaden zufügen“ zentral. Mader/Micewski/Wieser definieren Gewalt als „ das verletzende Eindringen in die Sphäre der Lebensgestaltung eines Individuums “[9]. Es gibt also eine direkte Beziehung zwischen Täter und Opfer. Daraus ergibt sich, dass die Frage von Recht oder Unrecht der Gewalt aus Sicht des Opfers betrachtet werden muss, da dieses den Schaden erleidet[10]. Daraus ergibt sich aber auch, dass Gewalt dann gerechtfertigt sein kann, wenn die Verantwortung für deren Anwendung beim Opfer selbst liegt: „ Es ist auf dieser Ebener hoher Abstraktion leicht einzusehen, dass eine Gewalthandlung moralisch nur dann legitimiert werden kann, wenn sie reaktiv, also zur Abwehr einer Unrechtshandlung im Sinne der (...) Beeinträchtigung der autonomen Lebensgestaltung erfolgt “[11].
Die Frage, welche sich an diese Feststellung anschließt, ist die der „Unrechtsbehandlung“. Was ist darunter zu verstehen, und wann wird eine Gewaltanwendung zur Abschaffung des Unrechtes legitim? Ein geeigneter Maßstab für Unrecht ist der ungerechtfertigte Eingriff in grundlegende Menschenrechte, wie sie etwa in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgehalten sind. Vor allem ungerechtfertigte Eingriffe in jene Artikel, welche auf die persönliche Freiheit und Unversehrtheit der Person abstellen, können als Maßstab für Unrechtsbehandlung gelten. Exemplarisch seien hier die Artikel 1 (Freiheit und Gleichheit), Art. 2 (Diskriminierungsverbot), Art. 3 (Leben und Freiheit), Art. 4 (Verbot von Sklaverei und Sklavenhandel), Art. 5 (Folterverbot), Art. 6 (Schutz vor Verhaftung und Ausweisung) genannt. Zwar wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte nicht von allen Staaten unterzeichnet, sodass sie keine Allgemeingültigkeit beanspruchen kann, allerdings haben besonders die „Menschenrechte der ersten Generation“ gewohnheitsrechtliche Bedeutung erlangt[12].
Einer legitimen reaktiven Gewaltanwendung muss also eine Unrechtsbehandlung, genauer ein nicht gerechtfertigter Eingriff in grundlegende Menschenrechte vorausgehen. Doch gerade die Reaktion auf erlittenes Unrecht muss sich deshalb an bestimmten Maßstäben messen lassen, um ihre moralische und rechtliche Rechtfertigung nicht zu verlieren. Diese Maßstäbe wären im Anschluss an Mader/Micewski/Wieser[13] die Merkmale der „Unvermeidbarkeit“ der Gewalt und die „Angemessenheit der Mittel“. Daraus resultiert zum Einen die Feststellung, dass Gewalt als Abwehr nur angewendet werden darf, wenn minder schwere Mittel nicht zur Verfügung stehen oder nicht ausreichen, um den Zustand der Unrechtsbehandlung zu überwinden. Zum Zweiten ist die Verhältnismäßigkeit bei der Anwendung der Gewalt selbst zu beachten. Verhältnismäßigkeit bedeutet dabei ebenfalls, dass der Anwender reaktiver Gewalt seinerseits die Menschenrechte der Gegner soweit als möglich achtet. Dazu gehört auch, die Ziele reaktiver Gewalt nach diesen Maßstäben zu bestimmen. Auch hier muss die direkte Täter-Opfer Beziehung beachtet werden. Am begangenen Unrecht Unbeteilige dürfen nicht Opfer reaktiver Gewalt werden, da sich so die Täter-Opfer Beziehung umdrehen würde. „ Abgesehen vom Faktor einer direkten und mehr oder weniger unmittelbaren Täter–Opfer Beziehung steht der Grundsatz eines angemessenen, zur Zielerreichung der Wiederherstellung gerechter Zustände adäquaten Mitteleinsatzes, im Vordergrund der moralisch-ethischen Legitimierung von Gewalthandlungen.“[14]
Fassen wir kurz die Merkmale der legitimen reaktiven Gewaltanwendung zusammen: Gewalt ist legitim, wenn sie der Abwendung eines Angriffs auf grundlegende Menschenrechte dient, kein minder schweres Mittel dieses Ziel erreichen kann, die Verhältnismäßigkeit der Gewaltanwendung beachtet wird und die Täter-Opfer Beziehung gewahrt bleibt.
Terrorismus, das wurde oben schon näher besprochen, ist illegitime Gewalt und missachtet die für legitime Gewalt ermittelten Prinzipien. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass von Terrorismus nicht gesprochen werden kann, wenn die Prinzipien für legitime Gewaltanwendung zutreffen. Der folgende Absatz wird sich nun mit Terrorismus und seinen Merkmalen auseinandersetzen.
1.3 Was ist Terrorismus? – Abgrenzung und Arbeitsdefinition
Mit den im oberen Abschnitt festgelegten Merkmalen legitimer Gewaltanwendung haben wir bereits Terrorismus von Widerstand abgegrenzt. Allerdings wird dadurch der Begriff des Terrorismus noch nicht ausreichend erhellt. Zu unterschiedlich ist der öffentliche Gebrauch des Wortes und zu unterschiedlich sind die Phänomene die damit angesprochen werden sollen. Das liegt zum einen an der ideengeschichtlichen Entwicklung des Wortes, wie auch am politsch-instrumentellen Gebrauch und der stigmatisierenden Wirkung des Wortes.
Sinnvoll erscheint in einem ersten Schritt eine Trennung zwischen den Begriffen Terror und Terrorismus vorzunehmen[15]. Beide werden zum Teil für die Bezeichnung des gleichen Phänomens benutzt, zum Teil werden damit aber auch völlig unterschiedliche Geschehnisse gemeint. In Anschluss an Hoffman ist es sinnvoll, Terror als staatliche Erscheinung gegenüber Terrorismus – ausgeübt von substaatlichen Gruppen – zu unterscheiden[16]. Diese Trennung folgt einer Logik auch hinsichtlich der ideengeschichtlichen Bedeutung des Wortes. Terror ist eine Schöpfung der Französischen Revolution und bedeutete dort die Gewalt der, an die Macht gekommenen, Revolutionäre gegen die Vertreter der „alten Ordnung“. Terror wurde vom Staat bzw, den Herrschenden angewendet. In diesem Sinne besaß der Begriff für die Revolutionäre und ihre Anhänger eine positive Bedeutung, welche sich aber später ins Negative verkehrte. So sprach wenige Zeit später Edmund Burke, der berühmte konservative Theoretiker von „ jenen Höllenhunden, die man Terroristen nannte...und auf das Volk losließ.“[17].
Ebenso spricht man in Literatur und Wissenschaft von „Rotem“ oder „Braunem“ Terror, wenn es um die Charakterisierung der kommunistischen oder faschistischen totalitären Systeme handelt. Auch hier bezieht man sich wiederum auf Schreckensherrschaft, welche von staatlicher Seite ausgeübt wird und meint damit keine substaatliche Gruppen. An dieser Trennung soll in dieser Arbeit festgehalten werden. Zwar weist Waldmann darauf hin, dass Terrorismus und staatlicher Terror doch einige Gemeinsamkeiten aufweisen – er nennt das auf die Verbreitung von Furcht und Schrecken zielendes Machtkalkül - , aber die Unterschiede zwischen beiden Formen überwiegen. Waldmann nennt besonders: höhere Opferzahlen staatlichen Terrors im Vergleich zum substaatlichen Terrorismus, das offenere Agieren der staatlichen Machtträger[18]. Im Groben verweist Waldmann wohl zurecht darauf, dass es ein großer Unterschied ist, ob Gewalt von „ Mächtigen oder relativ Machtlosen eingesetzt wird “[19].
Der Begriff des Terrorismus bezeichnet also keineswegs gewaltsame Handlungen von Staaten, sondern von nichtstaatlichen Akteuren. Allerdings ist auch hier wieder zwischen verschiedenen Formen nichtstaatlicher Gewaltanwendung zu unterscheiden. Beispielhaft seien organisierte Kriminalität oder Guerillakrieg genannt.
Geht es der organisierten Kriminalität um Maximierung ihres Gewinns an Geld oder anderen Ressourcen, verfolgen Terroristen ein politisches Ziel. Ohne politisches Ziel ist Gewalt nicht als Terrorismus zu bezeichnen. Terrorismus ist politische Gewalt.
Der Unterschied zwischen terroristischen Organisationen und Guerillagruppen[20] besteht in der Stärke der Organisation. Gleich ist beiden das Verfolgen von politischen Zielen. Guerillagruppen sind allerdings in der Lage, dem Feind in relativ offenen Kampfhandlungen zu begegnen und auch selbständig kurz oder dauerhaft ein bestimmtes Territorium zu besetzen. Dies schließt allerdings terroristische Strategien nicht aus, auch Attentate, Bombenanschläge etc. werden von Guerillagruppen verübt. Über die Fähigkeiten des (aussichtsreichen) offenen Gefechtes verfügen die meist zahlenmäßig schwachen Terrororganisationen aber nicht. Terrorismus ist eher eine Strategie der Schwachen bzw. eine Verlegenheitsstrategie.
Die Gewaltaktionen der Terroristen haben eine andere Intension als die der Guerilla. Die Guerilla will vorrangig die Militärkraft des Gegners schwächen, um so eventuell einen Sieg zu erringen. Terroristen benutzen Gewalt dagegen als Kommunikationsstrategie. „Der Guerillero will den Raum, der Terrorist will dagegen das Denken besetzen.“[21]
Die Gewalttaten der Terroristen sind nicht darauf ausgelegt, den Gegner militärisch zu schwächen. Sie sollen Botschaften vermitteln und Reaktionen hervorrufen. Dabei gibt es zwei unterschiedliche Adressatenkreise: zum Einen die Angegriffenen, das ist meist ein Staat bzw. eine Regierung oder ein Kulturkreis, zum Anderen die eigene Zielgruppe, welche für die Ziele der Terroristen gewonnen werden sollen.
[...]
[1] Siehe http://www.state.gov/s/ct/rls/fs/2002/12389.htm , mit einer Liste aller designierten Terrororganisationen der US Regierung
[2] siehe www.hizbullah.org
[3] Vgl: CSMonitor, 14 Juni 2002: War on terror turns eyes to hizbullah. http://www.csmonitor.com/2002/0614/p07s01-wome.html
[4] siehe Hoffman, B. (2001): S 13 ff.
[5] Daase, Ch (2001): S: 55.
[6] Hoffman, B. (2001): S.38.
[7] siehe hierzu Spindelböck, J. (1994): S. 223 ff.
[8] Holtmann, E. (2000): S. 223 (Stichwort Gewalt).
[9] Mader/Micewski/Wieser. (2001): S. 25.
[10] Ebenda: S. 25.
[11] Ebenda: S.26.
[12] Vgl. Herdecken, M; (2000): S. 303ff.
[13] Mader/Micewski/Wieser. (2001): S. 27.
[14] Ebenda: S. 27.
[15] Vgl. Waldmann, P;(1998): S: 14ff.
[16] Vgl Hoffman, B;(2000): S. 15ff.
[17] zitiert nach Hoffman, B;(2000): S. 18.
[18] Waldmann, P. (1998): S. 16.
[19] Ebenda: S. 17.
[20] dazu siehe Waldmann, P. (1998): S. 17 ff.; oder auch Hoffman, B.(2000): S. 52ff.
[21] Waldmann, P.(1998): S: 17.