Einleitung
Mit seinem 1951 erschienenen Werk ,,Französische Bedeutungslehre" legte Ernst Gamillscheg eine umfangreiche Studie zum Bedeutungswandel im Französischen vor. Gamillschegs Ziel war es zunächst, Gesetzmäßigkeiten des Bedeutungswandels zu erkennen, um daraus eine Basis für die etymologische Forschung zu gewinnen. Im Laufe seiner Untersuchung wurde das ursprüngliche Mittel zum Zweck - die Erforschung und Kategorisierung der verschiedenen Arten des Bedeutungswandels - zum eigentlichen Ziel seiner Arbeit. Gamillscheg steht also in der Tradition der Historischen Semantik, die sich mit der ,,Beschreibung von ,,quasi mechanischen Gesetzen des Bedeutungswandels analog zu den Lautgesetzen (...) mit dem Ziel einer stärkeren Verwissenschaftlichung der Etymologie"(1) befaßte, und bezieht dabei die Erkenntnisse der Strukturellen Semantik nicht mit ein. Er leugnet zwar nicht, daß synchrone Untersuchungen des Wortschatzes die verschiedenen Bedeutungen eines Wortes in einer bestimmten Epoche durchaus vollständig darstellen können, ist aber der Meinung, daß eine sprachwissenschaftliche Untersuchung mehr leisten muß: sie soll ,,die zeitliche(...) Aufeinanderfolge des sprachlichen Geschehens"(2) beobachten, d. h. diachron vorgehen. Die Entwicklung einer Wortbedeutung soll möglichst weit zurückverfolgt werden. Dabei sollen die Gründe für diese Entwicklung erforscht werden, die laut Gamillscheg überwiegend außersprachlicher Natur sind. In dieser Auffassung und in seiner diachronen Vorgehensweise liegt der augenfälligste Gegensatz zur Strukturellen Semantik.
[...]
______
1 Blank S. 17
2 Gamillscheg S. 8
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Benennung, Bedeutung, Bezeichnung
- II.1. Benennung vs. Bedeutung
- II.2. Bedeutung vs. Meinung
- III. Gliederung der Bedeutung: Begrifflicher Kern, Nebensinn, Gefühlswert
- IV. Bedeutungswandel
- IV.1. Veränderungen des Begriffskerns
- IV.1.1. Verengung des Begriffskerns (Erweiterung der Extension)
- IV.1.2. Erweiterung des Begriffskerns
- IV.2. Nebensinn und Bedeutungswandel
- IV.3. Gefühlswert und Nebensinn
- IV.3.1. Pejorativer Bedeutungswandel
- IV.3.2. Bedeutungsaufstieg
- IV.3.3. Bedeutung und Affekt
- IV.3.4. Euphemismus
- IV.1. Veränderungen des Begriffskerns
- Schlußwort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ernst Gamillschegs „Französische Bedeutungslehre“ (1951) untersucht den Bedeutungswandel im Französischen. Das ursprüngliche Ziel war die Identifizierung von Gesetzmäßigkeiten des Bedeutungswandels zur Verbesserung der etymologischen Forschung. Im Laufe der Arbeit entwickelte sich die Erforschung und Kategorisierung der verschiedenen Arten des Bedeutungswandels zum Hauptfokus. Die Studie zeichnet sich durch eine diachrone Perspektive aus, die die historische Entwicklung von Wortbedeutungen verfolgt und deren außersprachliche Ursachen erforscht. Dabei steht Gamillscheg im Kontrast zur Strukturellen Semantik, indem er eine psychologische Perspektive betont.
- Gesetzmäßigkeiten des Bedeutungswandels
- Diachrone Analyse der Wortbedeutung
- Außersprachliche Ursachen des Bedeutungswandels
- Beziehung zwischen Bedeutung, Meinung und Kontext
- Struktur der Bedeutung (Begrifflicher Kern, Nebensinn, Gefühlswert)
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung: Diese Einleitung stellt Ernst Gamillschegs „Französische Bedeutungslehre“ (1951) vor. Sie beschreibt Gamillschegs Zielsetzung, Gesetzmäßigkeiten des Bedeutungswandels zu identifizieren, um die etymologische Forschung zu verbessern. Die Einleitung hebt Gamillschegs diachrone Vorgehensweise hervor, die im Gegensatz zur synchronen Betrachtung der Strukturellen Semantik steht und sich auf die historische Entwicklung von Wortbedeutungen konzentriert. Der Fokus liegt auf der Erforschung der außersprachlichen Ursachen des Bedeutungswandels, wobei die psychologische Perspektive eine zentrale Rolle spielt. Der Gegensatz zu den rein äußerlichen, rhetorischen Prinzipien der Einteilung des Bedeutungswandels wird hervorgehoben, und die Bedeutung einer „Synthese“ aus historischer und psychologischer Perspektive wird betont.
II. Benennung, Bedeutung, Bezeichnung: Dieses Kapitel differenziert zwischen Benennung, Bedeutung und Bezeichnung. Gamillscheg unterscheidet zwei Arten der Benennung, die auf Wundts völkerpsychologischen Erkenntnissen basieren: Benennung nach der dominierenden Eigenschaft und Benennung nach dem Zweck. Die Benennung ist ein "zweckbestimmter Willensakt", der erst dann Bedeutung erlangt, wenn er von der Sprachgemeinschaft übernommen wird. Das Kapitel verdeutlicht, wie die ursprünglich auslösende Eigenschaft bei der Benennung oft verschwindet, und die Bedeutung sich von der etymologischen Bedeutung unterscheidet. Wortentlehnungen werden als Teilgebiet der Bezeichnungs- oder Benennungslehre (Onomasiologie) betrachtet.
II.1. Benennung vs. Bedeutung: Dieser Abschnitt detailliert den Unterschied zwischen Benennung und Bedeutung. Gamillscheg argumentiert, dass die Benennung einer Vorstellung vor ihrer Bedeutung existiert und durch einen "zweckbestimmten Willensakt" des Sprechers entsteht. Die Bedeutung entsteht erst durch die Übernahme durch die Sprachgemeinschaft, wobei die ursprünglich ausschlaggebende Eigenschaft oft verschwimmt. Beispiele wie die unterschiedlichen Benennungen der Erde in verschiedenen Kulturen veranschaulichen dies. Der Abschnitt verdeutlicht, wie die etymologische Bedeutung im Laufe der Zeit in den Hintergrund treten kann.
II.2. Bedeutung vs. Meinung: Dieser Abschnitt grenzt die Bedeutung von der Meinung ab. Bedeutung wird als die Gesamtheit dessen definiert, was der Sprecher einem Begriff zuordnet, während die Meinung die konkrete, im Sprechakt aktualisierte Vorstellung darstellt. Gamillscheg bezieht sich auf Jaberg’s Unterscheidung zwischen usueller und okkasioneller Bedeutung. Die Meinung kann vom kollektiven Bewusstsein der Sprachgemeinschaft abweichen und ist kontextuell abhängig. Der Abschnitt erklärt, wie sich Bedeutungswandel durch die wiederholte Aktualisierung von Meinungen vollzieht. Der syntagmatische Kontext, also die Satzstellung, wird als wichtiger Einflussfaktor auf die Meinung eines Wortes hervorgehoben.
III. Gliederung der Bedeutung: Begrifflicher Kern, Nebensinn, Gefühlswert: In diesem Kapitel analysiert Gamillscheg die Struktur der Bedeutung, indem er sie in Begriffsinhalt, Nebensinn und Gefühlswert gliedert, ähnlich wie Erdmann. Dieser Abschnitt beschreibt die verschiedenen Komponenten, die zusammen die Gesamtbedeutung eines Wortes ausmachen, und legt damit den Grundstein für das Verständnis von Bedeutungswandel in den folgenden Kapiteln. Der Begriffsinhalt stellt den zentralen Bedeutungsaspekt dar, der Nebensinn umfasst zusätzliche Assoziationen, und der Gefühlswert beschreibt die emotionale Konnotation.
Schlüsselwörter
Bedeutungswandel, Französisch, Historische Semantik, Etymologische Forschung, Diachronie, Synchronie, Psychologie, Bedeutung, Benennung, Bezeichnung, Meinung, Begrifflicher Kern, Nebensinn, Gefühlswert, Kontext, Gamillscheg, Wundt, Jaberg.
Häufig gestellte Fragen zu Ernst Gamillschegs "Französische Bedeutungslehre"
Was ist der Gegenstand von Gamillschegs "Französische Bedeutungslehre"?
Gamillschegs Werk untersucht den Bedeutungswandel im Französischen. Das ursprüngliche Ziel war die Identifizierung von Gesetzmäßigkeiten des Bedeutungswandels zur Verbesserung der etymologischen Forschung. Im Laufe der Arbeit entwickelte sich die Erforschung und Kategorisierung der verschiedenen Arten des Bedeutungswandels zum Hauptfokus.
Welche Methode verwendet Gamillscheg?
Gamillscheg verwendet eine diachrone Perspektive, die die historische Entwicklung von Wortbedeutungen verfolgt und deren außersprachliche Ursachen erforscht. Im Gegensatz zur Strukturellen Semantik betont er eine psychologische Perspektive.
Welche zentralen Themen werden behandelt?
Zentrale Themen sind Gesetzmäßigkeiten des Bedeutungswandels, diachrone Analyse der Wortbedeutung, außersprachliche Ursachen des Bedeutungswandels, die Beziehung zwischen Bedeutung, Meinung und Kontext sowie die Struktur der Bedeutung (Begrifflicher Kern, Nebensinn, Gefühlswert).
Wie gliedert Gamillscheg die Bedeutung eines Wortes?
Gamillscheg gliedert die Bedeutung in drei Komponenten: den Begrifflichen Kern (den zentralen Bedeutungsaspekt), den Nebensinn (zusätzliche Assoziationen) und den Gefühlswert (die emotionale Konnotation). Diese Gliederung bildet die Grundlage für seine Analyse des Bedeutungswandels.
Wie unterscheidet Gamillscheg zwischen Benennung, Bedeutung und Bezeichnung?
Gamillscheg unterscheidet zwischen Benennung (einem zweckbestimmten Willensakt), Bedeutung (der von der Sprachgemeinschaft übernommenen Benennung) und Bezeichnung (ein umfassenderer Begriff, der auch Wortentlehnungen umfasst). Er betont, dass die ursprünglich auslösende Eigenschaft bei der Benennung oft verschwindet und sich die Bedeutung von der etymologischen Bedeutung unterscheidet.
Wie unterscheidet Gamillscheg zwischen Bedeutung und Meinung?
Bedeutung wird als die Gesamtheit dessen definiert, was der Sprecher einem Begriff zuordnet, während die Meinung die konkrete, im Sprechakt aktualisierte Vorstellung darstellt. Die Meinung kann vom kollektiven Bewusstsein der Sprachgemeinschaft abweichen und ist kontextuell abhängig. Bedeutungswandel vollzieht sich durch die wiederholte Aktualisierung von Meinungen.
Welche Arten des Bedeutungswandels werden behandelt?
Das Buch behandelt verschiedene Arten des Bedeutungswandels, einschließlich der Verengung und Erweiterung des Begriffkerns, des Einflusses von Nebensinn und Gefühlswert, pejorativen Bedeutungswandels, Bedeutungsaufstiegs und Euphemismen.
Welche Rolle spielt der Kontext in Gamillschegs Analyse?
Der Kontext, sowohl der syntagmatische (Satzstellung) als auch der außersprachliche, spielt eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der Bedeutung und der Entstehung von Bedeutungswandel. Die Meinung eines Wortes ist stark kontextabhängig.
Welche Wissenschaftler beeinflussten Gamillscheg?
Gamillscheg bezieht sich auf Wundt (völkerpsychologische Erkenntnisse zur Benennung) und Jaberg (Unterscheidung zwischen usueller und okkasioneller Bedeutung).
Welches Fazit zieht Gamillscheg?
Gamillscheg betont die Notwendigkeit einer "Synthese" aus historischer und psychologischer Perspektive für ein umfassendes Verständnis des Bedeutungswandels.
- Quote paper
- Anonym (Author), 1999, Ernst Gamillscheg: Französische Bedeutungslehre, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/688