Das Problem der Erziehungsmittel, besonders der Strafe, hat seit jeher in der Erziehung eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. Eine absolute Lösung der Problematik kann diese Arbeit genauso wenig bieten wie andere Autoren. Auch die Aufstellung einfacher Regeln, die eine reibungslose Anwendung in der Praxis versprechen, ist nicht zu 100% gegeben. Denn jede Situation ist einzigartig und bedarf immer wieder neuer Reflektion des Interaktionsgefüges und der Vielfalt der dabei mitwirkenden Faktoren. Jede Entscheidung muss dieser Einmaligkeit entsprechen und ihr gerecht werden. Neue und alte Theorien und Auffassungen zur Strafe, aus der Literatur, werden vorgestellt und diskutiert.
Studien von 1996 und 2001 werden mit in die Betrachtung mit einbezogen. Sie bilden die Basis der Studie im Rahmen dieser Staatsarbeit. Die Ergebnisse dieser Vergleichsstudie werden dargestellt und interpretiert. In der Theorie werden diskutierfähige wie auch nicht gebilligte Erscheinungsformen von Strafe aufgeführt.
Der Hintergrund der Empirie ist es, auf zu zeigen, dass sehr wohl noch eine Strafpraxis existiert, in der sich diese Formen wieder finden lassen.
Inhaltsverzeichnis
Tabellen und Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Herleitung
1.2 Ziele der Arbeit
1.3 Struktur der Arbeit
2 Erziehung
2.1 Erziehungsmittel
2.1.1 Mittel-Zweck-Relation
2.1.2 System der Erziehungsmittel
2.2 Geißlers Gedanken zur Einteilung der Erziehungsmittel
2.2.1 Birnbaums Einteilung als Grundlage der Gedanken
2.2.2 Indirekte Erziehungsmittel.
2.2.3 Direkte Erziehungsmittel.
3 Strafe
3.1 Disziplinarstrafe
3.1.1 „Regeln zur Handhabung“
3.1.2 Disziplinarstrafe in ihren Erscheinungen
3.2 Erziehungsstrafe
3.2.1 Analyse der verbleibenden Möglichkeiten von Erziehungsstrafe
3.2.2 Erziehungsstrafe und ihre Erscheinungen
4 Straftheorien
4.1 Vergeltungstheorien
4.2 Abschreckungstheorien/ Abschreckungsstrafe
4.3 Sühne
4.4 Besserungstheorie
5 Strafe in der Erziehung – Ein historischer Abriss
5.1 Die Zeit um Johann Ammos Comenius 14. bis 17. Jahrhundert
5.2 August Hermann Francke und Jean Jacques Rousseau 18. Jahrhundert
5.3 Schleiermacher und die Reformpädagogen 19. bis Mitte 20. Jahrhundert
5.4 Mitte des 20.Jahrhundert bis Gegenwart
6 Wirkung und Legitimation von Strafe in der Erziehung
6.1 Wirkung von Strafe
6.2 Strafe als legitimes Erziehungsmittel?
7 Empirische Untersuchungen zum Thema Strafe in der Erziehung
7.1 „Elternstrafen-Lehrerstrafen“[1]
7.2 „Schwarze“ Disziplinierung[2]
8 Durchführung der Untersuchung
8.1 Untersuchungsdesign
8.2 Untersuchungsteilnehmer/innen
8.3 Methode der Datenerhebung
8.3.1 Gliederung des Beobachtungsbogens
8.3.2 Hypothesen
8.4 Ablauf der Untersuchung
8.5 Darstellung der Ergebnisse
8.5.1 Darstellung der Hypothesen.
8.5.2 Darstellung der Vergleichsstudie zu Krumm
8.6 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse
8.6.1 Hypothese 1.
8.6.2 Hypothese
8.6.3 Hypothese
8.6.4 Hypothese
8.6.5 Hypothese
8.6.6 Vergleichsstudie Krumm
9 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Anhang
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tab. 1: Studie Krumm.
Tab. 2: Ranking Vergleich
Abb. 1: Indirekte Erziehungsmittel
Abb. 2: Direkte Erziehungsmittel
Abb. 3: Erziehung
Abb. 4:Hypothese 1.
Abb. 5: Hypothese 1 Schule
Abb. 6: Hypothese 1 Schule
Abb. 7: Hypothese 2 Klasse 1
Abb. 8: Hypothese 3 Klasse 4...
Abb. 9: Hypothese 3 Schulen Vergleich..
Abb.10: Hypothese 4 Schulen
Abb.11: Hypothese 5 m50 / w60
Abb.12: Hypothese 5 w 52 / w33
Abb.13: Hypothese 5 w36 / w56.
Abb.14: Disziplinarmaßnahmen Krumm Vergleich.
Abb.15: Disziplinarmaßnahmen.
Abb.16: Hypothese 3 Ergänzung
Abb.17: Ergänzung Hypothese 5.
1 Einleitung
Im Rahmen der Einleitung werden die Herleitung des Themas, die Ziele der Arbeit sowie ihr Aufbau dargestellt, um der Leserin[3] den Einstieg in die Thematik zu erleichtern und dem roten faden der Arbeit folgen zu können. Aufgrund der Struktur einiger Themen ließ sich die Unterteilung innerhalb der jeweiligen Kapitel in Unterkapitel nicht vermeiden. Diese tauchen zur besseren Übersichtlichkeit jedoch nicht im Inhaltsverzeichnis auf. Da es sich bei dem gestellten Thema, um einen komplexes Feld handelt, ist der Schwerpunkt dieser Arbeit die Diskussion um „Strafe als Erziehungsmittel“ und der Gegenstand der Empirie ist „Einsatz von Strafe in der ersten und vierten Klasse der Grundschule“.
1.1 Herleitung
Das Problem der Erziehungsmittel, besonders der Strafe, hat seit jeher in der Erziehung eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. Eine absolute Lösung der Problematik kann diese Arbeit genauso wenig bieten wie andere Autoren. Auch die Aufstellung einfacher Regeln, die eine reibungslose Anwendung in der Praxis versprechen, ist nicht zu 100% gegeben. Denn jede Situation ist einzigartig und bedarf immer wieder neuer Reflektion des Interaktionsgefüges und der Vielfalt der dabei mitwirkenden Faktoren. Jede Entscheidung muss dieser Einmaligkeit entsprechen und ihr gerecht werden. Neue und alte Theorien und Auffassungen zur Strafe, aus der Literatur, werden vorgestellt und diskutiert. Studien von 1996 und 2001 werden mit in die Betrachtung mit einbezogen. Sie bilden die Basis der Studie im Rahmen dieser Staatsarbeit. Die Ergebnisse dieser Vergleichsstudie werden dargestellt und interpretiert. In der Theorie werden diskutierfähige wie auch nicht gebilligte Erscheinungsformen von Strafe aufgeführt.
Der Hintergrund der Empirie ist es, auf zu zeigen, dass sehr wohl noch eine Strafpraxis existiert, in der sich diese Formen wieder finden lassen.
1.2 Ziele dieser Arbeit
Die Strafthematik rückt immer mehr aus dem Blickpunkt der Diskussionen um Erziehung. Diese Abneigung lässt mutmaßen, dass es keine durchdachte Strafpraxis gibt. Besonders das traditionelle Verständnis von Strafe, welches mit Körperstrafe und Strafleid gleichgesetzt wird, wirft einen Schatten auf neuere Tendenzen zu dieser Angelegenheit. Doch genau die Tabuisierung dieses Themas birgt die Problematik der Verschleierung. Und könnte der Erzieherin ermöglichen, das Machtgefälle zu ihrem Vorteil auszunutzen. Mit Hilfe der entwickelten Studie zur Strafpraxis in der ersten und vierten Klasse der Grundschule soll aufgezeigt werden, dass es eine Strafpraxis vorhanden ist und in welcher Form sie existiert.
1.3 Struktur der Arbeit
In den Kapiteln 2 bis 4 dieser Arbeit soll auf die theoretischen Grundlagen eingegangen werden, die zum Verständnis der durchgeführten Beobachtungen notwendig sind. Darunter fallen die Definition von Erziehungsmitteln, sowie Geißlers (1982) Einteilung in direkte und indirekte Formen. Abgeleitet von dieser Unterteilung folgt die Thematisierung von Strafe in all ihren Erscheinungen und Handhabungen. Im vierten Kapitel werden einzelne Straftheorien und die bereits angesprochenen Aspekte aufgegriffen und vertieft. Im Kapitel 5 wird die historische Entwicklung von Strafe formuliert. Gedanken einzelner Pädagogen der jeweiligen Epoche werden zum Schwerpunkt. Des Weiteren werden die Wirkung von Strafe und ihre Legitimation zum Diskussionspunkt des nächsten Kapitels, um andere Facetten von Strafe aufzuzeigen. Im späteren Verlauf werden diese in die Erörterung miteinbezogen. Das darauf folgende Kapitel behandelt losgelöst von der Theorie die Ergebnisse zweier empirischer Studien. Diese werden zur Grundlage der Entwicklung einer eigenen Beobachtungsreihe, die im Kapitel 7, mit samt ihrem Untersuchungsdesign und den Hypothesen, dargestellt wird. Zum Abschluss werden in der Zusammenfassung die wichtigsten Eckpunkte dieser Arbeit dargestellt.
2 Erziehung
Der Begriff Erziehung ist in der Geschichte der Pädagogik viele Male definiert worden. Verschiedene Intentionen und Interessen der Interpretatoren haben den Begriff in jeglicher Weise geformt. Herbart forderte, dass sich die Pädagogik „so genau als möglich auf ihre einheimischen Begriffe besinnen, und ein selbstständiges Denken mehr kultivieren möchte.“(Geißler, 1967, S.22). Andere, wie Dilthey und Willmann, wollten Erziehung wiederum auf eine Assimilation und eine „angewandte Psychologie“ (Dilthey in Geißler, 1967, S.22) beschränken. Gemeint war eine Anpassung an die gegenwärtigen vorherrschenden Begebenheiten und gesellschaftlichen Anforderungen.
Zur Klärung des Erziehungsphänomens belichtet Oswald (1973) die anthropologische Grundbegebenheit, dass der Mensch ein Werdewesen sei bzw. ist. Demnach folgt die Heranwachsende einem inneren Impuls der den spontanen Selbstaufbauprozess vorantreibt. Dieser Prozess, den wir als Bildung bezeichnen, findet im Inneren einer Gesellschaft statt, die zu jeder Zeit Einfluss auf den Menschen hat. Somit können von außen Anstöße und Beeinflussungen auf die Heranwachsende einwirken, die es ihr erschweren zu einer mündigen Erwachsenen zu werden. In so einem Falle ist dann Beistand von einer „verantwortungsvoller“(Oswald, 1973, S.15) und „fürsorglicher“ (Oswald, 1973, S.15) Person erforderlich.
„Dieser helfende Beistand, der einem Heranwachsenden ausdrücklich geleistet wird, damit das Aufbauwerk seines Menschseins in richtiger Weise gemäß den geltenden Normen seiner gesellschaftlichen Umgebung zu leisten vermag, soll hier Erziehung sein.“ (Oswald, 1973, S.15)
2.1 Die Erziehungsmittel
Menschen, in deren Verantwortung die Erziehung von Kindern fällt, nennen wir je nach Institution Eltern, Lehrerin oder Erzieherin. Im Grunde haben sie alle die gleiche Bestimmung und das gleiche Ziel, die Heranwachsende im Allgemeinen zu einem freiheitlich demokratischen Menschen zu erziehen, und im Speziellen ihre Individualität zu unterstützen. Um diese Ziele zu erreichen, helfen Eltern, Lehrerin und Erzieherin dem Zögling auf die rechte Bahn zu kommen. Hilfen können hierbei die Erziehungsmittel sein. (vgl. Oswald, 1973; Geißler, 1967)
Erziehungsmittel können unter anderem Maßnahmen des Lobes und Tadels, der Erinnerung und Ermahnung, der Strafe, die Situation des Spiels, des Wetteifers und der Arbeit sein. Im weiteren Sinne sollte man das Gespräch, die Gewöhnung, das Beispiel und das Vorbild zu den Erziehungsmitteln zählen.
In der Fachliteratur findet man die unterschiedlichsten Systematisierungen, Kategorisierungen von Erziehungsmittel. Schon alleine in der Schreibweise sind die Literaten sich nicht einig. Oswald (1973) zum Beispiel wählt eine Schreibweise in Anführungszeichen, um den Begriff als „Angebot an die Freiheit“ verständlich zu machen. Er distanziert sich in seinen Ausführungen von dem damaligen Verständnis von Erziehungsmittel und verdeutlicht somit seine freiheitliche und demokratische Einstellung zur Erziehung, denn „wo es sichere Erziehungsmittel gibt, da wird manipuliert und nicht erzogen“(Oswald, 1973, S.20). In den nachfolgenden Kapiteln werde ich den Begriff Erziehungsmittel für meine Arbeit schärfen und die Kontroversen in der Literatur darstellen.
2.1.1 Mittel-Zweck-Relation
In der Diskussion über den Begriff des Erziehungsmittels steht die Mittel-Zweck-Relation, oder auch Verhältnis genannt, im Blickpunktpunkt. Grund dafür ist der Trugschluss, dass das Wort Mittel hier gleichzusetzen sei, wie bei Worten wie Arznei- oder Nahrungsmittel.
„Das Wort Mittel hängt zusammen mit dem Wort Mitte und zeigt an, dass ein Mittel etwas Mittleres ist, das zwischen zwei anderen steht: einer Ausgangslage und einer damit bewirkten Endlage. Ein Mittel ist ein Mittel zu etwas, was es selbst nicht ist, zu einem Ziel oder Zweck.“ ( Oswald, 1973, S.17)
Ein Beispiel ist das, schon oben aufgeführte Wort Nahrungsmittel. Es ist da, um uns zu sättigen, wenn wir hungrig sind. Wir greifen zum Nahrungsmittel, um unseren Hunger zu stillen.
„Mittel sind nicht um ihrer selbst Willen da. Ihr Sinn ist, einem außer ihnen liegenden Zweck zu dienen“ (Geißler, 1967, S.17).
Nur können wir bei einem Nahrungsmittel an uns selbst überprüfen, ob es seinen Zweck und somit auch unser verfolgtes Ziel erreicht hat oder nicht.
Bei einem Erziehungsmittel erweist sich das allerdings schwierig. Oswald (1973) äußert seine Bedenken in Bezug auf den Begriff Mittel, der einem eine Vorstellung suggeriert, es würde zwangsläufig seinen Zweck erfüllen, gerade weil man es mit einer Mittel-Zweck-Relation vergleicht, die für Nahrungsmittel, Putzmittel und weiteres bestimmt ist.
Wir können, laut Oswald (1973) nicht mit der gleichen Sicherheit die Wirkung voraussagen, wie wir es bei Nahrungs- und Putzmitteln können. Grund dafür könnte das Kind selbst sein, denn wenn wir uns noch einmal das spezielle Erziehungsziel vor Augen halten, handelt es sich hierbei um „spontan aktiven Selbstwerk der Bildung“ (Oswald, 1973, S.19) einer Heranwachsenden, und somit keiner vorgeschriebenen Laufbahn. Diesem Grundgedanken von einer aktiven Heranwachsen schließt sich Geißler (1967) in seinem Werk „Erziehungsmittel“ an. Er beschreibt zwei Formen von Aktivität. Zum einen die ursprüngliche Aktivität, die den Erziehungsprozess erschweren oder förderlich sein kann, und zum anderen eine reagierende Aktivität, die sich als Interesse oder Desinteresse widerspiegeln kann.
„Deshalb sind Erziehungsmittel, im Gegensatz zu anderen Mitteln, von solcher Art, dass sie nur zum Teil eine pädagogische Funktion erfüllen, darüber hinaus eine Selbständigkeit haben, wie man sie sonst bei ‘Mitteln’ zu finden nicht gewohnt ist.“ (Geißler, 1967, S.18)
Dem zu folge betont Geißler (1967), dass der Begriff Erziehungsmittel falsch gewählt sei, „da es sich der Kausalität des Ursachen-Wirkungsverhältnisses entzieht“ (Geißler, 1967, S.19).
Wir können nun zusammenfassen, dass ein Erziehungsmittel einen Zweck beziehungsweise ein Ziel verfolgt, welches nicht unbedingt erfüllt wird, aber welches intentional angestrebt werden soll.
Nicht nur in die Bedeutung und Eingrenzung des Begriffs Erziehungsmittel lässt in der Literatur einige Fragen offen, sondern auch die Kategorisierung und Systematisierung des Begriffs. Denn jedes „Erziehungsmittel ist einmalig“ (Oswald, 1973, S.25; Trost, 1966, S.68). Auch Trost (1966) ist sich in seiner Ausführung über die Individualität der Erziehungsmaßnahmen bewusst, er schreibt in seiner Vorlesung:
„Die Mittel sind Äußerungen der Erziehungsmächtigkeit derer, die sie einsetzen, sie widerstreben deshalb einer Objektivierung. Sie bleiben immer subjektiv bestimmt, wenn zwei ‘dasselbe’ Mittel einsetzten, dann ist es nicht dasselbe.“ (Trost, 1966, S. 24)
Ein passendes Kriterium zur Einteilung zu finden, ist daher eher schwierig (vgl. Oswald, 1973). Dennoch kann „wissenschaftliches Denken“ (Geißler, 1967, S.19) dem „Zwang zur Systematisierung“ (Geißler, 1967, S.19) nicht entgehen.
2.1.2 System der Erziehungsmittel
Trost (1966) beschreibt in seiner Systematisierung vier Grundformen von Erziehungsmitteln. Zum ersten nennt er erzieherische Sichtweisen, in diese Kategorie gehört zum Beispiel die Aufsicht. Des Weiteren führt er erzieherische Weisung, Urteil und Rückfindungshilfen auf (vgl. Trost, 1966).
Seine Ausführung zur „erzieherischen Weisung“ ist sehr ausführlich und beschäftigt sich mit Gebot, Verbot, Auftrag und Aufgabe, sowie Bitte, Befehl, Ermahnung, Erinnerung und Verweis und als letztes mit den Gegensätzen Lob - Tadel, beziehungsweise Belohnung - Strafe.
Oswald (1973) kritisiert an der Überarbeitung Vorlesung von Trost, dass er sich auf die „Mittel der erzieherischen Führung“ (Oswald, 1973, S.28) beschränkt und sogar die Lehre ausschließt, die als „Grundrichtung erzieherischer Wirksamkeit“ (Oswald, 1973, S.28) bezeichnet wird.
Oswald (1973) versucht ein Kriterium zur Kategorisierung zu verwenden, welches in allen Ausführungen zu dieser Thematik ähnlich oder gleich ist. Hierbei handelt es sich um den Begriff der Funktion von Erziehungsmitteln (vgl. Oswald, 1973).
Seine Einteilung lautet wie folgt:
1. Mittel der Pflege
A. Mittel der Pflege unterstützender Art
B. Mittel der Pflege gegenwirkender Art
2. Mittel der Lehre
A. Mittel der Lehre unterstützender Art
B. Mittel der Lehre gegenwirkender Art
3. Mittel der Führung
A. Mittel der Führung unterstützender Art
B. Mittel der Führung gegenwirkender Art
Innerhalb dieser 3 Kategorien werden sie von Indirekt zu Direkt, und vom schwachen zum starken aufgestuft. Zum ersten Punkt gehören Gewährenlassen, Ermutigung, Spielsachen und Beschäftigungsmittel, Aufgaben stellen und Wettkampf, die Gestaltung der Lebensbedingungen, Vorleben, und auch Mittel der gegenwirkenden Art, wie Grenzen setzen und beispielhaftes Unterlassen. Die Strafe findet man in dieser Einteilung unter dem dritten Punkt. Allerdings sieht Oswald (1973) sie nicht als Erziehungsmittel an. Er bezieht sich unter anderem auf Autoren, wie Schleiermacher oder Scheibe, die die Strafe für nicht pädagogisch halten, oder sie nicht für ein „eigentliches Mittel sittlicher Erziehung“ (Oswald, 1973, S. 121) halten (vgl. Oswald, 1973).
Geißler lässt die Strafe als Erziehungsmittel zu. In einem Werk die „Erziehungsmittel“ (1963, 1982) geht er systematisch und kritisch darauf ein.
Er betont die Vielzahl von Einteilungsschemata, die die Wirkungsweise der Erziehungsmittel als Systematisierungskriterium verwenden, und beschreibt, dass eben diese immer verschieden sein können (vgl. Geißler, 1963).
„Pädagogische Prinzipien, nach denen Einteilungen vorgenommen werden müssten, gruppieren kaum die Erziehungsmittel selber, sondern gehen vielmehr quer durch sie hindurch.“ (Geißler, 1963, S.20)
Deswegen wählt Geißler (1963) ein Einteilungsschema, das sich nicht aus den unterschiedlichen Intentionen herleitet, sondern geht von den äußeren Einteilungsgesichtspunkten aus. So entsteht seine Systematisierung von indirekten und direkten Erziehungsmitteln.
Auf diese Einteilung möchte ich mich im weiteren Verlauf meiner Staatsarbeit beziehen.
2.2 Geißlers Einteilung als Grundlage der Gedanken
In seiner Ausführung von 1982 erhebt Geißler Einwände gegen eine Systematisierung, denn bis jetzt habe es noch keine Überzeugende gegeben, auf Grund „immer nur situativ bestimmbaren Wirkungstendenzen der einzelnen Erziehungsmittel“ (Geißler, 1982, S.29).
Folgendes Beispiel könnte Aufschluss geben, warum eine Kategorisierung seiner Auffassung widerstrebt:
„ob ein Lob anspornt oder überheblich macht, ob ein Tadel zur Besinnung führt oder Widerstand aktiviert, ob Wettbewerb antreibt oder schließlich erst recht in Resignation zurückfallen lässt, das kann nicht nur von Person zu Person, das wird überdies von Situation zu Situation sehr verschieden sein. Man kann deshalb die verschiedenen Erziehungsmittel nicht direkt nach pädagogischen Intentionen gruppieren, so daß man Erziehungsmittel als Progressionshilfen, ein anderes Mal als eine lenkende Maßnahme betrachten könnte, weil bei einzelnen Erziehungsmitteln die verschiedenen Intentionen situativ in unterschiedlicher Weise auftreten können.“ (Geißler, 1982,S.29)
Auf Grund dieser gewonnen Kenntnis über die „Komplexität möglicher Wirkungen“, sollte man auf eine Einteilung, die die Erziehungsmittel unter dem Gesichtspunkt der erzieherischen Intention „subsumieren möchte“ (Geißler, 1982, S.30) verzichten.
Geißler (1982) erscheint es als wichtigsten Punkt, zu schauen, wann, also unter welchen Umständen, ein Erziehungsmittel Voraussetzungen sichert, lenkt, belastet, bzw. verstärkt. Denn, wie schon in seinem Zitat betont, hängt die Wirkung eines Erziehungsmittels von seinem Kontext und der Situation ab, in der es zum Einsatz kommt.
2.2.1 Birnbaums Unterscheidung der Erziehungsmittel
In seinem Kapitel „Über den systematischen Ort der Erziehungsmittel“ (Geißler, 1982, S.24) führt er gerade zu diesem Gedanken die „brauchbare Unterscheidung“ (Geißler, 1982, S.24) nach Birnbaum (1950) auf.
Hier wird eine Einteilung in Evolutions- und Progressionshilfen sowie Gegenwirkungen und Transformationsmaßnahmen vorgenommen.
Evolutionshilfen sind „ sichernde, unterstützende, fortlenkende Einwirkungen die den Leistungs- und Reifestand einer Heranwachsenden zu verbessern suchen“ (Geißler, 1982, S.24). Das kann sich auf den Bereich des Körperlichen, Geistigen und Psychischen beziehen.
Allen Evolutionshilfen liegt die im Kapitel 2.1 angesprochene anthropologische Voraussetzung zu Grunde, dass die menschliche Entwicklung immer ein Produkt aus Lern- und Reifungsprozessen ist. Somit steht das „Mensch werden“ im Vordergrund dieser Kategorie.
Progressionshilfen beziehen sich, im Gegensatz zu den Evolutionshilfen, die sich mit der menschlichen „Natur“ beschäftigen, auf die menschliche „Kultur“.
Man kann sie auch sinngemäß mit dem Begriff der „Bildung“ umschreiben. Aufgabe dieser Gruppe der Erziehungsmittel ist es, der Lernenden bestimmte Wertverhältnisse des Gesellschaftlichen, Politischen, und des Moralischen zu vermitteln (vgl. Geißler, 1982). Geißler (1982) formuliert eine weitere Aufgabe der Progressionshilfen, wie folgt:
„einen möglichst adäquaten, möglichst sicher haftend und – [...] möglichst unkomplizierten, angenehmen und schnellen Wissens- und Fertigkeitserwerb durch Lernen vorzubreiten“ (Geißler, 1982, S.25).
Evolutions- und Progressionshilfen haben eine lenkende und unterstützende Funktion. Eine weitere Gruppe der Erziehungsmittel, die „Gegenwirkenden Maßnahmen“ (Geißler, 1982, S.25), haben, wie der Name schon vermuten lässt, eine eher hemmende Wirkung (vgl. Geißler, 1982).
Gegenwirkende Maßnahmen wollen Entwicklungen abbremsen, die „nicht toleriert werden können“ (Geißler, 1982, S.25), also von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden. Sie können nach zwei Wirkungsmodellen vollzogen werden. Zum einen nach dem Wirkungsmodell des Entzugs von Vergünstigungen, bei denen bestimmte Lust- und Unlustgefühle, sowie Empfindungen des Angenehmen und Unangenehmen beim Kind hervorgerufen werden. Das Zweite ist ein weit verbreitetes, aber eher kritisch zu betrachtendes Modell. Es bezieht sich auf die Wirkung des Leides und der Furcht, aber vor allem dem Prinzip der „natürlichen Konsequenz (die sogenannte >>natürliche Strafe<<)“ (Geißler, 1982, S.25). Im Rahmen dieser Maßnahmen ist die Strafe anzusiedeln.
Da gegenwirkende Maßnahmen keine Reflexion des Fehlverhaltens beinhalten, um an Stelle des schlechten Verhaltens ein gesellschaftliches Anerkanntes treten zu lassen, bedarf es der Transformationsmaßnahmen.
Sie sollen der Heranwachsenden ermöglichen, die fragwürdigen Verhaltensformen durch gute, sogar bessere abzulösen. Zum Beispiel darf man bei einem Tadel nicht nur den Mangel feststellen, sondern man sollte gleichzeitig versuchen, das Kind zu besseren Verhaltensformen oder qualifizierten Leistungen umzulenken (vgl. Geißler, 1982).
Geißler (1982) betont, dass jedes Erziehungsmittel ein Stück Transformation beinhalten sollte, er stellt sogar die These auf, dass
„alle Erziehungsmittel ihre besondere Qualität letztlich daran messen müssen, in welchem Maße sie transformierende Eigenschaften besitzen. […] Vor allem die gegenwirkenden Erziehungsmittel des Tadels, der Ermahnung, der Strafe müssen solche zusätzlich, auffangende, transformierende Wirkung an sich haben, wenn sie pädagogisch qualifiziert und mehr als disziplinierendes Reglement sein wollen“ (Geißler, 1982, S.28).
Gerade diese vier Kategorien schreiben den Erziehungsmitteln einen „systematischen Ort“ zu und geben ihnen somit durch ihre Aspekte ihre spezifische Intention (vgl. Geißler, 1982).
Seine Einwände gegen eine Systematisierung bleiben dennoch weiterhin bestehen. Birnbaums Einteilung ist eine Grundlage für seine Gedanken über „die Komplexität der Wirkungsweisen“ (Geißler, 1982, S.30) eines Erziehungsmittels.
Er beruft sich im Folgenden auf eine „Unterscheidung erzieherischer Wirkungsfaktoren“ (Geißler, 1982, S.32).
„Das ist die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Erziehungsmitteln“ (Geißler, 1982, S.32).
2.2.2 Indirekte Erziehungsmittel
Bei dieser Form der Erziehungsmittel geht der erziehende Impuls von der Lehrerin oder der Erzieherin aus. Sie wirkt durch initiierte Situationen über Umwege auf das Kind ein. Des Weiteren bestimmen mehrere Einflüsse das Verhalten der Heranwachsende (vgl. Kapitel 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Indirekte Erziehungsmittel (Geißler, 1963, S.20)
Bei „allen indirekten Erziehungsmitteln“ (Geißler, 1982, S.22) arrangieren Erzieherinnen absichtlich Situationen funktionaler Erziehung (vgl. Geißler, 1982).
Den indirekten Erziehungsmitteln kommen somit eine besondere pädagogische Bedeutung zu, denn „vielfältige Erfahrungen zeigen, dass funktionale Erziehung größere Erfolge aufweist als intentionale“ (Geißler, 1982, S.22). Mit funktionaler Erziehung wird ein wirkungsorientierter Erziehungsbegriff angesprochen. Die Wirkung liegt vor, aber die Ursache muss erst noch gesucht werden. Ein Kritikpunkt dieses Erziehungsstiles könnte die direkte fehlende Absicht sein (vgl. Geißler, 1982), aber wir sprechen hier ja auch von indirekten Erziehungsmitteln und nicht von Direkten.
Im Folgenden möchte ich kurz auf die einzelnen Erscheinungsformen, die Geißler aufführt, eingehen. Diese Auflistung ist nicht vollständig, bedarf aber einer Aufführung, da die einzelnen indirekten Erziehungsmittel für meine empirische Erhebung mit von Bedeutung sind.
Spiel
Es gibt Sport als Spiel, Regelspiele, planlose Gruppenspiel (Fangen, Raufen), Konstruktionsspiele (kneten, zeichnen, erzählen), Rollenspiele (Fiktionsspiele), Rezeptionsspiele (Lieder mitsingen, vorlesen lassen) Funktionsspiele (Umfüllen von Material in andere Formen) und ihre Erweiterung (Ballspiele, auf einem Schaukelpferd reiten). Jede dieser Formen ist zeitlich in der Entwicklung des Kindes verankert. Sie können nicht nur, wie aufgeführt, nach Phasen menschlicher Entwicklung eingeteilt werden, auch nach der Art der Regeln, sowie Spieleranzahl und nach Art der geförderten Fähigkeit (vgl. Geißler, 1982).
Reformpädagogen, wie Berthold Otto und Peter Petersen, haben Spiel mit in ihren Unterricht eingebaut, denn sie sahen Spielformen als einen wichtigen Bildungsinhalt an. In einem Spiel finden Kinder Vorformen der Gesellschaft wieder. Sie stellen so genannte Vorübungen dar, Kinder können Wagnisse eingehen und Abenteuer erleben, die sie sonst nie bestritten hätten.
Dies soll nur einen kleinen Einblick in den umfassenden Begriff „Spiel“ geben. Ich möchte es bei dieser Aufzählung der Aspekte von Spiel belassen, um auf den nächsten Bereich der indirekten Erziehungsmittel einzugehen.
Arbeit
Arbeit und Bildung gehören zusammen, denn Bildung als Ziel kommt nur über Arbeit als Weg zustande. Diese Methode nennt man Erziehung durch Arbeit. Damit sich eine erzieherische Wirkung auf die Arbeitende einstellt, sollten folgenden Aspekte in jeder Form von Arbeit enthalten sein:
1. Die Schülerin selbst soll die Arbeit als sinnvoll erkennen.
2. Die Ausführung sollte die Lernende möglichst vielseitig beanspruchen.
3. Die Methode sollte Freiraum zur eigenen Gestaltung, wie Arbeitstempo und Lösungsweg, zu lassen.
4. Die Arbeit muss eine Vollendungstendenz besitzen, denn diese motiviert die Schülerin zum Fortfahren.
5. Dem Kind sollte außerdem die Möglichkeit zur Selbstprüfung und Selbstkontrolle gegeben sein. Damit ist die kritische Reflexion der Arbeit gemeint.
(vgl. Geißler, 1982)
Des Weiteren gehören Wetteifer, Konkurrenzverhalten und Kooperation zu den indirekten Erziehungsmitteln. Hier soll nur gesagt sein, dass unter ihnen Kooperation wohl den wichtigsten Beitrag zur sozialen Erziehung liefert, weil Kooperation eine Gruppe voraussetzt, die die Bereitschaft hat Informationen auszutauschen und sich gegenseitig Hilfestellungen zu geben (vgl. Geißler, 1982).
2.2.3 Direkte Erziehungsmittel
Die direkten Erziehungsmittel stellen das Gegenstück zu den indirekten Erziehungsmitteln dar. Zu ihnen gehören Lob und Ermutigung, Erinnerung, Ermahnung, Tadel und Strafe.
Um die Wirkungsweise dieser Formen zu verdeutlichen, verwendet Geißler dieses Schaubild. An ihm wird deutlich, dass es direkt von der Erzieherin auf das Kind Einfluss nimmt. Es wirkt genauso auf das Kind, wie weitere „zusätzliche situative Wirkungen des Erziehungsfeldes“ (Geißler, 1963, S.21).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Direkte Erziehungsmittel (Geißler, 1963, S.21)
Da meine Arbeit den Schwerpunkt Strafe als Erziehungsmittel hat, werde ich nur eine kurze Definition zum Begriff Lob folgen lassen. In einem weiteren Unterpunkt möchte ich gesondert auf die Formen Erinnerung, Ermahnung und Tadel eingehen, denn sie sind so zusagen Vorstufen von Strafe (vgl. Geißler, 1982).
Lob
Das Lob ist die Anerkennung einer Leistung. Das Wort der Anerkennung beruht auf der Kompetenz der Macht des Lobenden und auf seiner Seltenheit. Der Gegenbegriff zum Lob ist der Tadel.
Erinnerung, Ermahnung, Tadel
Während sich Lob und Ermutigung auf eine vorliegende gute Leistung beziehen, wirken Erinnerung, Ermahnung und Tadel auf noch fehlende Einstellungen und Leistungen.
Die Erinnerung ruft etwas ins Gedächtnis, was bereits vorausgesetzt wurde. Diese einfache Form bleibt neutral, denn sie wertet zum Beispiel das Vergessen einer Regel nicht. Ein „nicht mehr wertfreies Erinnern“ (Geißler, 1982, S.132) ist die Ermahnung. Sie macht den „Gedächtnisschwund“ (Geißler, 1982, S.132) zum Vorwurf. Wird die Erinnerung nochmals verstärkt, so sprechen wir von einem Tadel. Dieser wird eingesetzt, wenn die Lehrerin feststellt, „dass etwas fehlt, was nicht fehlen dürfte“ (Geißler, 1982, S.132). Der Tadel ist die Folge eines persönlichen Versagens, somit enthält er einen subjektiven Vorwurf, aber auch einen Objektiven, der den Tatbestand feststellt. Da die Beschämung beim Ausspruch eines Tadels nicht als pädagogisches Ziel angesehen werden kann, brauchen alle Formen des Tadels eine transformierende Wirkung. Der Aspekt der Transformationsmaßnahmen wurde bereits zu Anfang dieses Kapitels erörtert, deswegen werde ich ihn hier nicht mehr konkretisieren (vgl. Geißler, 1982).
Eine weitere Steigerung von Erinnerung ist die Strafe auf die ich im folgenden Kapitel speziell eingehen werde.
3 Strafe
Ein so vielschichtiger Begriff wie die Strafe ist schwerlich in eine einzige Definition zu stecken. Im Laufe dieses Kapitels möchte ich mich auf mehrere Definitionsansätze beziehen. Laut Reble gehört die Strafe
„zu den negativen Einwirkungen des Menschen. Mindestens etwas an ihm wird negiert, eine bestimmte Handlung mit ihren Folgen, bestimmte Motive einer Handlung, eventuell seiner ganzen Haltung. Etwas, was in ihm ist, soll nicht sein, wird angerechnet und verurteilt, soll gesühnt und geändert werden“ (Reble, 1980, S.20)
Strafe gibt es sowohl im Rechtswesen als auch in der Erziehung. Dabei gibt es fünf grundlegende Momente, die beide gemein haben.
Im Allgemeinen liegt der Grund der Strafe in der Verfehlung eines Gebots oder einer Norm, die von einer Autorität gesetzt und von der zu Bestrafenden verletzt wird. Maßgeblich ist, dass das Gebot erfüllbar ist. Nur so kann man der zu Bestrafenden eine gewisse Schuld zuweisen, dadurch kann man dem Gebot Respekt verschaffen. Das Gefühl der Angemessenheit einer Strafe spielt dabei stets eine wichtige Rolle, denn nur so kann Strafe die vor ihr bestehende Beziehung zwischen Strafender und Bestraften wiederherstellen (vgl. Reble, 1980, S.12f.).
Rombach (1967) führt eine, meines Erachtens, sehr treffende Definition von Strafe auf.
„Strafe besagt, zufügen eines fühlbaren Nachteils um eines geschehenen Unrechts willen. Das Strafgeschehen richtet sich gewöhnlich gegen die Gefühls- oder Antriebssphäre des Delinquenten und beantwortet sein Unrecht mit einer Beeinträchtigung, die ihn in relativ elementarer Erlebnissphäre trifft.“ (Rombach, 1967, S.3)
Eine dritte Begriffsklärung liefert Geißler (1982), er kommt zu der Schlussfolgerung, dass Strafe keineswegs ein festgelegter Begriff ist, sondern vielmehr eine Bezeichnung der Sachverhalte, die man genau unterscheiden sollte.
Zum einen hat er von Strafe ein moralisches Verständnis, das im Zusammenhang mit Sühne und Gewissen steht, zum anderen kann eine Erziehungsmaßnahme auch als Lenkungsmittel zu verstehen sein. Strafe ist in diesem Zusammenhang zum größten Teil anpassungsorientiert und kann sowohl absichtlich auftreten, als auch die natürliche Folge einer Handlung sein (vgl. Geißler, 1982, S.149f).
Im ersten Fall handelt es sich um das moralische Verständnis von Strafe.
In diesem Sachverhalt werden zwei Variabeln, die Täterin und die Schuld, vorausgesetzt. Die Strafe ist hierbei die Folge auf die täterbezogene Schuld, diese schränkt sie ein, und löst somit das so genannte Strafleid aus (vgl. Geißler, 1982, S.149). Durch dieses Leid soll entweder ein Anderes „vergolten“ werden, das die Täterin durch ihre Tat hervorgerufen hat, oder es soll Andere, wie auch die Gestrafte vor Norm- und Gebotsverletzungen warnen. Des Weiteren soll es die Bestrafte besinnen und „verbessern“( vgl. Geißler, 1982, S.153).
Versteht man Strafe hingegen als „gewohnheitsbildendes Lenkungsmittel“ (Geißler, 1982, S.150), so wird Strafe zu einen Reglement, welches bei Regelverstößen eine festgelegte Konsequenz nach sich zieht. Diese können bei der Heranwachsenden Unlust hervorrufen. Typisch für diese Form sind, die so genannten „Wenn…, dann…!“-Beziehungen (vgl. Geißler, 1982, S.151).
Folgendes Beispiel hat sich in einer meiner „Testschulen“ ereignet.
Die Kinder waren aufgeregt, weil jeden Moment das Signal zur Hofpause ertönen würde. Sie sollten sich, bevor sie das Klassenzimmer verlassen durften, in Zweierreihen aufstellen. Es ging wild durcheinander und es wurde auch laut. Die Lehrerin sagte: „Wenn ihr jetzt nicht sofort ruhig seid, dann bleibt ihr im Klassenraum!“ Alle Kinder verstummten augenblicklich.
Ähnlich sind „natürliche Strafen“ anzusehen. Sie sind eine Konsequenz auf die Handlung der Täterin und bezieht sich direkt auf das nicht genormte Verhalten. Geißler nennt diese Konsequenz eine mit der „Handlung verbundene unangenehme Erfahrung“ (Geißler, 1982, S.151). Es handelt sich hierbei nicht um eine direkte Strafe, sondern um eine Reaktion, die sich aus der Handlung ergibt (vgl. Geißler, 1982, S.150f).
Ein Beispiel:
Spielt ein Kind zu unumsichtig mit einem Spielzeugauto und rennt damit durch die ganze Wohnung, so könnte es eine natürliche Folge sein, dass es stürzt oder sich irgendwann den Kopf stößt.
Die bereits erwähnten Grundzüge von Strafe finden wir auch im Bereich der Erziehungsmittel wieder. Sie wird dort im Rahmen der gegenwirkenden Maßnahmen erwähnt. Unter Gegenwirkungen versteht man den „Widerstand der Erzieher gegen Einflüsse, die sie für schlecht und schädlich halten; und ihr Widerstand gegen die Neigung des Kindes, sich solchen Einflüssen zu überlassen oder sich den nötigen Anforderungen zu entziehen“ (Flitner, 2000, S.98).
Die Aspekte des fühlbaren Nachteils, der Unlust und der unangenehmen Erfahrung findet man auch hier. Betrachtet man die Wirkungsweise von Strafe, dann kann man feststellen, dass sie einerseits ihre Wirkung durch Leid oder Furcht erzielt, was aber eher kritisch, wenn nicht sogar problematisch zu sehen ist. Andererseits kann Strafe aber auch durch den Entzug von Privilegien wirken. Diese gegenwirkenden Maßnahmen, die etwas Negatives beseitigen wollen, können sich in den verschiedenen Formen darstellen. Beispiele wären das unmittelbare Ansprechen des Positiven als Gegenkraft, sowie das Ablenken, Ermahnen, Appellieren sowie Übersehen des Negativen.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist der Gedanke, wenn Strafe erzieherisch wirken soll, dann müsste sie auch die Täterin ändern, sodass sie danach keine Regeln mehr verletzen möchte, und zwar aus selbst gewonnener Einsicht und nicht aus Furcht (vgl. Geißler, 1982, S. 153). Dieser Gedanke ist, auf Grund einer „immer noch weitverbreiteten Meinung“ (Geißler, 1982, S.160), wichtig, „daß man mit Strafen unmittelbar erziehen könne, während mit ihnen meist nur eine zeitweilige, äußerlich verursachte Disziplinierung erreicht wird“ (Geißler, 1982, S.160). Hiermit weist Geißler (1982) auf eine wichtige Unterscheidung hin, den Unterschied zwischen Disziplinar- und Erziehungsstrafe. Wie schon im Kapitel 2.2.3 erwähnt, handelt es sich bei der Disziplinierung um eine Vorstufe der Erziehung. Langeveld bezeichnet die Disziplinarstrafe als ein „vorbereitendes Erziehungsmittel“ (Langeveld in Geißler, 1982, S.160). Kann man denn sicher sein, dass Disziplinierungen der Erziehung vorbereitend helfen?
Im Rahmen der Diskussion um Mittel-Zweck-Relation (Kapitel 2.1), wurde auch zur Sprache gebracht, dass Erziehungsmittel eine „Selbstständigkeit“ besitzen. Somit kann man nicht kalkulieren, ob sie ihren Zweck erfüllen. Geißler (1982) formuliert sogar einen deutlichen Gegensatz zwischen den beiden Strafformen, denn „Was einer Disziplinierung nützt, muß nicht gleichzeitig der Erziehung zuträglich sein“ (Geißler, 1982, S.161).
3.1 Die Disziplinarstrafe
Diese Form der Strafe bereitet den Raum vor, in dem Erziehung stattfinden soll. Sie erhält eine pädagogische Funktion, da ohne ein gewisses Minimum an verordnetem Verhalten kein geregelter Lern – und Erziehungsprozess in der Schule und auch nicht im Elternhaus stattfinden kann. Die Disziplinarstrafe hat somit eine erzieherische Bedeutung, denn sie stellt eine grundlegende Ordnung her, ohne die Erziehung gar nicht erst zustande kommen kann.
Dieses Schaubild kann uns über den systematischen Ort der Disziplinierung Aufschluss geben:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Erziehung (Geißler, 1982, S.161)
Dieses Schaubild zeigt zwei Betrachtungsweisen von Erziehung. Zum einen die umfassende Sichtweise, die alle drei Bausteine zur Selbständigkeit und Mündigkeit umfasst. In dieser Betrachtungsweise wird die Disziplinierung mit in die drei Erziehungsphasen eingeschlossen. Das zweite Verständnis von Erziehungen ist ein eher differenziertes. Es verdeutlicht die Sichtweise von Geißler, denn Disziplinierung ist hier zuständig für eine „Voranpassung für Erziehung“ (Geißler, 1982, S.161). Diese Betrachtungsweise besteht aus zwei Phasen, die der Vorbereitung und die der Durchführung, dessen Ziel die „Bildung“ (Geißler, 1982, S.161) ist.
Beide hier verdeutlichten Sichtweisen haben ihre Vor- und Nachteile. Wenn man zum Beispiel den Erziehungsbegriff ausweitet, so wie in der ersten Betrachtungsweise, dann verliert er an Schärfe. Die Disziplinierte erscheint dann als bereits erzogen, was, wie bereits im Kapitel 2.3 erwähnt, ein Trugschluss ist und sich somit als negativ auf die weitere Erziehung auswirken könnte (vgl. Geißler, 1982, S.161f). Geißler (1982) nennt drei Einwände, um die Bedeutsamkeit der Unterscheidung zwischen einem umfassenden und differenzierten Blickwinkel zu betonen. Auf seinen ersten Einwand, dass die Disziplinierte bereits erzogen erscheinen könnte, wurde im Laufe dieser Arbeit bereits verwiesen, deswegen belasse ich es bei einer Aufführung und werde diesen Punkt nicht mehr diskutieren.
Wenn man, wie Geißler im zweiten Einwand, Disziplin als Gegenteil von Erziehung betrachtet, wird sie zu einer Unform und nicht zu einer Vorform. Disziplin kann in diesem Zusammenhang dann nur Dressur sein, und der Mensch verliert seine Individualität. In seinem dritten Einwand spricht Geißler (1982) die Unabdingbarkeit der Disziplin als Vorphase der Erziehung an. Einerseits ist sie notwendig, andererseits kann sie der Erziehung auch im Wege stehen. „Falsche Disziplin kann das Kind nicht nur erziehungsunwillig, sondern regelrecht erziehungsunfähig machen“ (Geißler, 1982, S.163). Mit falscher Disziplin sind hier „unkontrollierte Lenkungsmechanismen“ (Geißler, 1982, S.163) gemeint, mit denen man das verhindert, was man gerade erreichen wollte.
Diese Doppelwertigkeit lässt sich nur durch Vermittlungsfaktoren, wie Vertrauensbezug, Sympathierelation, kontinuierliche Bestätigung und eine stabile Gruppenposition mildern. Sie tragen zu einer positiven Beeinflussung bei.
„An die Stelle der noch fehlenden eigenen Einsicht treten vermittelnde, stützende, einlenkende und dabei Aversionen auffangende Faktoren, deren Aufgabe es ist, die Atmosphäre, in der Lenkung erfolgt, insgesamt in einer positiven Valenz zu halten, bis die eigene Einsicht des Heranwachsenden so weit gebildet wurde, daß er von sich aus den Sinn bestehender Regeln […] begreift und annimmt.“ (Geißler, 1982, S.163)
Auch Fischer (1968) stellt fest, dass unter diesen Umständen Disziplin kein Erziehungsmittel sein kann. Disziplin ist in der engeren Betrachtungsweise die Kraft, die auf die von außen geregelte Ordnung des Lebens unter dem Aspekt der Bildung Einfluss nimmt. Mit diesem Aspekt ist die Erziehung zur Selbstbeherrschung verknüpft. Disziplin ist so zusagen nur ein „Hilfsmittel“ um den Menschen auf das Gesellschaftsleben vorzubereiten, denn in jeder Institution (Kapitel 2.1) gibt es die unterschiedlichsten Formen von Disziplin. Beispiele dafür wären Schul-Disziplin und Familien-Disziplin (vgl. Fischer, 1968, S.14).
3.1.1 „Regeln zur Handhabung“
Geißler (1982) führt in seinem Werk einige Regeln auf, die die Handhabung von Strafen vereinfachen sollen. Bevor man aber eine Strafe vollzieht, sollte die „Lehre und Übung des betroffenen Inhalts“ (Geißler, 1982, S.164) vorangegangen sein, denn die Strafe besitzt keinen vermittelnden Aspekt, sondern soll nur durchsetzten und verfestigen. Erst nachdem die Heranwachsenden über Regeln, Werte und Normen in Kenntnis gesetzt worden sind, kann man als Folge von Ungehorsamen Konsequenzen ankündigen. Diese Aussage ist die erste Regel. Konsequenzen sollen klar angekündigt werden, so dass sie für Kinder verständlich sind. Folgende Beispiele führt Geißler auf:
„Du kannst spielen, wenn du deine Arbeit erledigt hast!“ (Geißler, 1982, S.164) oder „Du kannst morgen nicht auf den Spielplatz gehen, wenn du heute nicht pünktlich heimkommst!“(Geißler, 1982, S.164).
Wichtig ist, dass die Konsequenz auch wirklich auftreten muss. Konsequentes Verhalten, also eine Übereinstimmung von Wort und Tat, ist deshalb zweite Regel.
Das Fundament für die beiden ersten Regeln bildet das Prinzip der natürlichen Strafe, welches schon im Kapitel 2.3 angesprochen wurde, und das Prinzip der sachlichen Konsequenz. Bei diesem Prinzip wird die Gefahr eines Willküraktes angesprochen. Denn falls der Heranwachsenden die Strafe nicht sachlich und konsequent erscheint, kann dies zu einer Rebellion oder einer emotionalen Distanzierung führen. Es sollte also immer vorher überlegt werden, ob die Konsequenzen auch eingehalten werden können. Konsequent könnte zum Beispiel sein, dass die für die Klasse geltenden Regeln auch für die Lehrerin bestehen. Die Vorbildfunktion der Lehrerin spielt so eine pädagogische Rolle, denn die Kinder werden „zur Nachahmung angemessener Verhaltensweisen angeregt“ (Geißler, 1982, S.164).
In der dritten Regel wird die Vorgehensweise von Bestrafungen beschrieben. Die Lehrerin sollte einen langsamen und sich stufenweise vollziehenden Prozess anstreben, denn eine Fülle an Regeln könnten die Schülerinnen überfordern.
Die Gefährlichkeit von Kollektivstrafen wird in der vierten Regel angesprochen. Als Erzieherin sollte man sich davon distanzieren, denn sie bestraft gleichermaßen Schuldige und Nicht-Schuldige. Ein wichtiger Grundsatz, dass nur die Täterin bestraft wird, wird somit verletzt, und begünstigt einen „negativen Klassengeist“ (Geißler, 1982, S.166). Man gibt somit der Klasse die Möglichkeit, sich als Gemeinschaft gegen die Lehrerin zu stellen. Kollektivstrafen sollten somit Ausnahmen bleiben, und wenn es einmal dazu kommen sollte, bedarf es einer sachlichen Erklärung, warum sie in diesem Zusammenhang notwendig ist (vgl. Geißler, 1982).
In der fünften und sechsten Regel wird das Vorgehen mit „Störenfriede“ (Geißler, 1982, S.166) diskutiert. Geißler (1982) schlägt deren Isolation von der Klasse vor, spricht aber auch die Doppelwirkung von Isolation an. Mitläuferinnen können meist schon durch konsequentes Verhalten zur Vernunft gebracht werden. „pathologisch“ (Geißler, 1982, S.167) Aggressive allerdings lassen sich laut Geißler (1982) durch solch einfache Maßnahmen nicht beeinflussen, denn die bestehende Aggression ist bereits eine Folge von Isolation. Besonders diese Kinder brauchen die Bestätigung aus und durch die Gruppe, um ihre „Heilung“ (Geißler, 1982, S.167) voran zutreiben. Aus diesem Grund steht die Lehrerin oft vor einem Zwiespalt, einerseits möchte sie eine krankhaft Aggressive nicht isolieren, andererseits hat die Klasse ein Recht auf eine ungestörte Lernatmosphäre (vgl. Geißler, 1982).
Die Isolation von der Klasse ist nur eine Erscheinungsform von Disziplinarstrafe. Im nächsten Abschnitt möchte ich auf einige Strafarten exemplarisch eingehen.
[...]
[1] (Bussmann &Horn, 1995, S.29)
[2] (Krumm, 2003, S.31)
[3] In dieser Arbeit wird das generische Femininum verwendet, alle männlichen Formen sind darin inbegriffen.
- Arbeit zitieren
- Laura Struzyna (Autor:in), 2005, Strafe und Erziehung. Strafe als legitimes Erziehungsmittel?, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/68215