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Hausarbeit (Hauptseminar), 2019
18 Seiten, Note: 1,5
1. Einleitung
2. Sozialraumorientierung
2.1 Prinzipen der Sozialraumorientierung
2.1.1 Orientierung am Willen der Betroffenen
2.1.2 Unterstützung von Eigeninitiative und Selbsthilfe
2.1.3 Blick auf die Ressourcen
2.1.4 Zielgruppen- und bereichsübergreifender Fokus
2.1.5 Kooperation und Koordination
2.2 Von der Gemeinwesenarbeit zu Sozialraumorientierung
2.3 Kritische Positionen an der SRO
3. Offene Kinder- und Jugendarbeit
3.1 Gesetzliche Grundlage
3.2 Schwerpunkte
3.2.1 Angebotsspektrum
3.2.2 Offenes Angebot
3.2.3 Jugendkulturarbeit
3.2.4 Arbeitswelt Schule und Familie
3.2.5 Jugendberatung
3.2.6 Internationale Jugendarbeit
4. Sozialraumorientierung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
Diese Abhandlung widmet sich dem Thema „Sozialraumorientierung - Bedeutung für die offene Kinder- und Jugendarbeit“ und der daraus folgenden Frage: Wie kann So- zialraumorientierung in die Offene Kinder- und Jugendarbeit implementiert werden? Ich werde mich mit dem Konzept der Sozialraumorientierung, seiner Entwicklung und Möglichkeiten der Umsetzung in der Offenen Jugendarbeit beschäftigen. Außerdem werde ich die wichtigsten Eckpunkte des Berufsfelds Offene Kinder- und Jugendar- beit skizzieren.
In letzter Zeit geistert der Begriff Sozialraumorientierung verstärkt durch die Fachdis- kussion. Viele befürchten, es sei ein Trojanisches Pferd der neoliberalen Politik, mit- hilfe dessen Mittel eingespart werden und professionelle Hilfen durch Nachbar- schaftshilfe ersetzt werden sollen. Einleuchtend ist jedoch auch, dass ohne eine Ein- bindung des Sozialraums in die pädagogische Einzelfallarbeit Möglichkeiten der Ver- stärkung von Effekten durch die Umgebung verloren gehen. Außerdem verzichtet man auf Nachhaltigkeit über die Dauer der Maßnahme hinaus, die entstehen kann, wenn Sozialraumressourcen eingebunden werden.
Die Veränderung der Gesellschaft und die damit einhergehende Veränderung von Familienstrukturen machen es notwendig Soziale Arbeit in allen Bereichen neu aus- zurichten und anzupassen. Insbesondere für die Offene Kinder- und Jugendarbeit hat der demographische Wandel und die damit einhergehende Verminderung der Anzahl von Jugendlichen und Kindern in der Gesellschaft eine wichtige Bedeutung.
Es entstehen neue Chancen durch eine Erweiterung des Fokus auf den Sozialraum, beispielsweise die professionelle Arbeit mit Menschen effektiver und nachhaltiger zu gestalten. Durch die Einbindung und Nutzung der Umgebung und nicht- professioneller Helfer kann ein Mehrwert für die professionelle Arbeit durch Synergie- Effekte entstehen. Hier ist zu beachten, dass dieser Mehrwert ein zusätzlicher Wert ist, der nicht zur Reduktion professioneller Leistungen genutzt werden soll.
In jedem Fall scheint das Konzept Einzug in die Politik zu halten und ist somit als Tatsache zu verstehen, an der sich zukünftige soziale Arbeit orientieren wird.
Ich möchte in dieser Hausarbeit ein wenig Licht ins Dunkel bringen und sowohl Risi- ken und Chancen, als auch Herkunft und Entwicklung dieses Fachkonzeptes in Kombination mit der Offenen Kinder- und Jugendarbeit beleuchten.
Die Hausarbeit gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil werde ich das Konzept der Sozialraumorientierung (nachfolgend SRO genannt) als solches vorstellen und rele- vante Begrifflichkeiten erörtern, Prinzipien erläutern sowie den geschichtlichen Hin- tergrund der Entwicklung skizzieren. Anschließend werden Kritikpunkte benannt.
Im zweiten Teil werde ich gesetzliche Grundlagen, Prinzipien und Formen der Offe- nen Kinder- und Jugendarbeit (nachfolgend OKJA genannt) aufzeigen.
Im dritten Teil benenne ich Grenzen, Schnittmengen und mögliche Implementierun- gen von SRO in OKJA.
Die SRO als Fachkonzept lässt sich recht gut an fünf zugrunde liegenden Prinzipien erklären. Diese sind nicht als Rezept zu verstehen, sondern bieten Orientierung, um den Sozialraum in die soziale Arbeit einzubinden.
Es geht hierbei nicht darum, eine passive Haltung der Adressaten zu unterstützen in der der Sozialarbeiter als Wunscherfüller fungiert, sondern darum herauszufinden was die Klienten verändern möchten und ob sie bereit sind, an einer Veränderung mitzuwirken. Es gilt hier genau zwischen als Interessen getarnten Wünschen und tatsächlichen Veränderungsanliegen, bei denen die Menschen bereit sind, selbst Energie beizusteuern, zu unterscheiden. Hierbei kann durch entsprechende Frage- stellung beigetragen werden. So ist die Frage „Was möchten Sie konkret in ihrem Viertel ändern?“ bei einer aktivierenden Befragung gut geeignet um herauszufinden, was unter Einbringung eigener Tätigkeit im Viertel zu verändern wäre. (vgl. Hinte/Treeß 2014: 47-51)
Die Zentrierung auf den Willen (nicht den Wunsch!) des Individuums sollte grundsätz- lich in der sozialen Arbeit den Ausgangspunkt von Maßnahmen darstellen. Und damit eben nicht was der Helfer denkt, was gut für den Klienten wäre.
Grenzen dieses Ansatzes ergeben sich aus einer Gefährdung von Beteiligten, falls beispielsweise eine Kindeswohlgefährdung auftritt.
Jeder Mensch ist eigenverantwortlich und der Sozialarbeiter kann nicht die Verant- wortung für Veränderungen übernehmen oder Verhaltensänderungen durchführen, nur der Betroffene kann dies tun. Ähnlich wie bei der systemischen Beratung und Therapie wird hier die Eigenverantwortung und die Möglichkeiten der positiven Ver- änderung beim Einzelnen betont. Das heißt, dass derjenige, der eine Änderung will, daran arbeiten muss und nicht der Sozialarbeiter, der nur Hilfestellungen liefern kann.
Eigeninitiative hat Vorrang. Wenn der Sozialarbeiter zu viel übernimmt, kann es schnell passieren, dass die Leistung des Klienten geschmälert wird, er es aber viel- leicht mit nur wenig Hilfe fast alleine geschafft hätte. Dankbarkeit des Klienten für die vom Sozialarbeiter erbrachte Leistung schafft keine Fähigkeiten oder Selbstwirksam- keit. Eine fast alleine gelöste Aufgabe hingegen schon. Der Helfer sollte sich also möglichst zurückzuhalten und jede zielführende Eigenanstrengung beklatschen und hervorheben. Leider ist das sozialpädagogische Selbstverständnis oft ein anderes, nämlich das zwar gut gemeinte „den Klienten dort abholen, wo er steht“, welches im- pliziert, dass nur der Helfer wisse wo der Klient hinzuführen sei. Dies widerspricht der Prämisse der Eigenverantwortlichkeit und würde jeder Eigeninitiative schaden.
Eine weitere nicht hilfreiche Vorstellung ist, die Klienten als Kunden zu betrachten. Denn ein Kunde ist Empfänger einer Dienstleistung. Dies würde voraussetzen, dass der Sozialarbeiter ein Produkt an den Kunden abgibt. Dies entspricht jedoch nicht einem wünschenswerten Prozess der Hilfe zur Selbsthilfe an dessen Ende ein Über- flüssigmachen der Maßnahme steht. (vgl. Hinte/Treeß 2014: 51-60)
Gerade bei medienwirksamen Projekten gilt es das Engagement der Mitwirkenden hervorzuheben und als Sozialarbeiter in den Hintergrund zu treten, um den Erfolg nicht zu schmälern. Gerade letzteres ist in Zeiten von Kosten- und Rechtfertigungs- druck gegenüber Kostenträgern manchmal schwierig.
a) der Menschen
Es ist wichtig die Ressourcen der Menschen zu erkennen, dies ist nicht so leicht wie es sich anhört und verlangt vom Sozialarbeiter eine nicht zu unterschätzende Defini- tions- und Interaktionsleistung. Beispielsweise eignet sich der Jugendliche, der viele Ladendiebstähle begeht, möglicherweise besonders gut als Ladendetektiv, da er alle Tricks und Kniffe kennt, oder der andere Jugendliche der oft bei Diebstählen erwischt wurde, besonders gut als Verwalter der Kasse.
Ein wenig erinnert diese Ressourcensuche an das Reframing, das man bereits aus NLP oder dem systemischen Arbeiten kennt.
Es kommen hier Zuschreibungsprozesse zum Tragen, die eine Wirkung auf den Kli- enten entfalten. Wenn ich jemanden als kompetent in einem gewissen Feld betrachte und ihm mehr Verantwortung übertrage, wird er sich auch eher der Zuschreibung entsprechend verhalten. Wichtig ist hierbei Authentizität, denn der Klient wird sofort bemerken, wenn der Sozialarbeiter nur vorgibt, er sehe Ressourcen. Es gilt also tat- sächliche Ressourcen zu finden.
Es existieren zur „Ressourcensuche“ verschiedene Fragekataloge, die das Heraus- finden erleichtern. (vgl. Hinte/Treeß 2014: 60-68)
b) des Sozialraums
Menschen haben Netzwerke, Familie, Freunde, Bekannte Kollegen, Gleichgesinnte... Außen herum ist der Sozialraum: Läden, Rasen, Häuser, Supermärkte, Kirchenge- meinden, Schulen, Ämter, Flohmärkte… Oft sind die Gegebenheiten im Sozialraum nicht optimal, doch es geht darum, diese vorhandenen Strukturen bestmöglich zu nutzen. Z.B. kann eine Betonwand für ein Kunstprojekt oder als schwarzes Brett ge- nutzt werden.
Genauer hinschauen muss man um verschiedene aktive Netzwerke in Sozialräumen zu entdecken. Durch sie erhält man Einkaufstipps, Empfehlungen für örtliche Firmen, Veranstaltungstipps, man kann sich benötigte Dinge ausleihen und so weiter. Außerdem gibt es in Sozialräumen für den Sozialarbeiter nicht direkt ersichtliche Ressourcen, wie zum Beispiel den Alkoholkranken, der einen Treffpunkt in seiner Wohnung für andere Alkoholkranke hat, die trocken werden wollen, oder der Klein- warenhändler im Kiosk, der zwar nicht viel verkauft, aber alle Leute im Viertel gut kennt und gerne Dienstleistungen, Informationen oder kostenlose Hilfe vermittelt. Diese verschiedenen Ressourcen, die ein Viertel prägen liegen häufig nicht im Blick der Sozialarbeiter, da unter Umständen, die Akteure keine Bezugspunkte zu ihm ha- ben. Jedoch wäre es fatal, auf alle diese Ressourcen zu verzichten und sie nicht we- nigstens flankierend zur professionellen Hilfe zu nutzen.
Das sozialpädagogische Prinzip der Orientierung an den Ressourcen kann jedoch, wenn es zynisch als sozialpolitische Maxime genutzt wird, dazu führen, dass man nur noch vorhandene Ressourcen nutzt und auf einen notwendigen Umverteilungspro- zess zwischen armen und reichen Vierteln verzichtet. Als handlungsleitende sozial- pädagogische Maxime ist damit jedoch gemeint, Menschen zu unterstützen unab- hängig zu werden von wohlfahrtstaatlicher Alimentierung, und ihnen zu ermöglichen, in Würde ihre eigenen Belange auch in prekären Situationen zu meistern. (vgl. Hin- te/Treeß 2014: 68-73)
Hiermit ist ein übergreifendes, den jeweiligen Kontext berücksichtigendes Herange- hen an ein Wohngebiet und den dort lebenden Menschen gemeint. Es soll so ein eingeschränkter schablonenhafter Blick vermieden werden, bei dem nur auf be- stimmte Zielgruppen geschaut wird. Menschen werden hier nicht als Vertreter einer Gruppe (Ausländer, Hartz4 Empfänger o.ä.) gesehen, sondern als Individuum mit unterschiedlicher Betroffenheit zum Projekt. Ein gutes Beispiel bieten hier Projekte zur Wohnumfeldverbesserung, bei denen sich naturgemäß unabhängig von Alter, sozialem Status oder anderen Eigenschaften alle Personen beteiligen können.
Es geht bei diesem Prinzip meines Erachtens darum, den Blick von Zielgruppenspe- zifischer Arbeit zu erweitern, um so mehr Ressourcen nutzen zu können. Wer mit Arbeitssuchenden arbeitet, muss auch mit Arbeitgebern und Unternehmen in einem Wohngebiet arbeiten. Wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, muss auch mit Er- wachsenen arbeiten. Sozialarbeit alleine, und künstlich getrennt vom restlichen ge- sellschaftlichen Leben (nämlich nur abzielend auf eingegrenzte Zielgruppen) hat we- nig bis keinen Effekt. Nur unter Zuhilfenahme aller sozialräumlichen Ressourcen und Akteure erreicht man eine gute Wirksamkeit. Es muss immer der ganze Mensch mit individueller persönlicher Geschichte, Einbindung, Beziehungen im Wohnquartier und persönlichen Ressourcen betrachtet werden. (vgl. Hinte/Treeß 2014: 73-76)
Natürlich ist ein Teil gelungener SRO auch die Vernetzung der Akteure und der Be- wohner des Viertels untereinander. Dies ergibt sich klar aus den oben genannten Prinzipien. Es kann hier ein wirkungsvoller Synergieffekt aus dem Zusammenwirken von Institutionen untereinander und Quartiersbewohnern entstehen.
Es sind hier aber verschiedene Dinge die ich nachfolgend beschreiben werde zu be- achten. Kooperationen und sich daraus ergebende Zusammenarbeit sollten langfris- tig geplant sein, da punktuelle und zufällige Partnerschaften schnell einschlafen. Es wird hier ein hohes Maß an Flexibilität und Kreativität von beteiligten Fachkräften und Institutionen verlangt da sich solche Joint-Ventures nicht erfolgreich nach Ablaufplan kopieren lassen, sondern mühsam ausgestaltet und ausgehandelt werden müssen. Die Träger müssen, wenn dieser Prozess gewünscht ist, Arbeitsstunden dafür bereit- stellen, so dass solche Zusammenarbeit nicht mit heimlichen Überstunden gestemmt wird. Nur so kann Kontinuität gewährleistet werden.
In der Netzwerkarbeit, die natürlich grundsätzlich wünschenswert ist, liegen aber auch einige Gefahren. Durch Vernetzung ist es möglich das Versagen von Institutio- nen zu verstecken. Wenn zum Beispiel ein Kindergarten mit schwierigeren Kindern grundsätzlich nicht zurechtkommt und diese im Rahmen der Vernetzungsprozesse zum ASD „abschiebt“.
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