Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Regelungsgehalt des § 2 Abs. 1 der AO, nachdem das BVerfG 2015 die Möglichkeit zum Treaty Overriding durch den Bundesgesetzgeber als verfassungsrechtlich garantiert angesehen hat. Insbesondere wird die Maßgeblichkeit der besagten Norm für die Auslegung von mit Doppelbesteuerungsabkommen kollidierendem nationalem Steuerrecht untersucht.
Das stets zunehmende Maß globaler Vernetzung der Wirtschaft stellt auch das Steuerrecht vor immer neue Herausforderungen. Darunter fällt die mit wachsender Mobilität zunehmende Gefahr der Doppelbesteuerung. Dieser soll mittels Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) effektiv begegnet werden. Dabei handelt es sich um völkerrechtliche Verträge, welche nach nationalem Recht mehreren Staaten zustehende Besteuerungsansprüche so aufteilen, dass idealiter sowohl eine Doppelbesteuerung, als auch eine doppelte Nichtbesteuerung der betroffenen Einkünfte ausgeschlossen ist.
Dass dieses Ziel nicht vollkommen zu verwirklichen ist, liegt auf der Hand. Weiße (steuerfreie) sowie doppelt besteuerte Einkünfte sind stete ungewollte Begleiter von DBA. Der so verursachte wirtschaftliche und fiskalische Schaden verlangt dabei nach schnellen rechtlichen Lösungen, die im Wege langwieriger zwischenstaatlicher Vertragsverhandlungen nur mühselig zu erreichen sind.
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Einführung
A. Zulässigkeit des Treaty Override
I. Kritik an der Praxis des Treaty Override
II. Das Urteil des BVerfG
1. Einfachgesetzlicher Rang von Völkervertragsrecht nach dem GG
2. Demokratieprinzip
III. Rezeption des Urteils
B. Rechtlicher Rahmen des Regelungsgehalts
I. Verfassungsrecht
II. Unionsrecht
III. Völkerrecht
IV. Fazit
C. Deutungsperspektiven
I. Anwendungsvoraussetzungen
II. Rechtsfolge
1. Bedeutungslosigkeit des § 2 Abs. 1 AO
a. Bedeutungslosigkeit aufgrund einfachgesetzlicher Rechtsqualität
b. Stellungnahme
aa. Der Wille des Gesetzgebers
bb. Kein Schluss vom Urteil des BVerfG auf die Bedeutungslosigkeit
cc. Die Intention des Gesetzgebers bei potenziellen Treaty Overrides
c. Deklaratorische Betonung der Grundsätze zur Kollisionsauflösung
aa. Ausdruck der Spezialität
(1) Keine automatische Spezialität von Abkommensrecht
(2) Lex aliud
bb. Ausdruck der Völkerrechtsfreundlichkeit
d. Ausgleich von lex posterior und lex specialis
e. Fazit
2. § 2 Abs. 1 AO als gesetzliche Kollisionsnorm
a. Suspendierung ungeschriebener Normen zur Kollisionsauflösung
aa. Verschiedene Typen von Normen zur Kollisionsauflösung
bb. Wahrung des Grundsatzes parlamentarischer Diskontinuität
cc. Der Wille des Gesetzgebers
b. § 2 Abs. 1 AO als Zweifelsregelung
c. Fazit
D. Anforderungen an wirksames Treaty Overriding nach § 2 Abs. 1 AO
I. Spezialität
1. Der lex specialis Grundsatz
2. Anforderungen an die Spezialität abkommensüberschreibender Normen
a. Überschreibungsklauseln
b. National Law Override
c. Der Verdeckte Treaty Override
aa. Die Rechtsprechung zum verdeckten Treaty Override
bb. Stellungnahme
cc. Fazit
II. Die Zeitenfolge
1. Der lex posterior Grundsatz
2. Treaty Override bei nachfolgendem DBA
a. Nach einfachgesetzlicher Auslegung
b. Verfassungsrechtliche Bewertung
III. Fazit
Ergebnis