Im Rahmen dieser Arbeit soll das Paradoxon zwischen Aufklärung und Machtsteigerung in Teilen ergründet werden. Anhand der wesentlichen Reformen, mit denen Friedrich II. Preußen veränderte und formte, sollen die jeweiligen Intentionen abgeleitet werden, um das ursprüngliche Rational von Friedrich II. in seinem Handeln zu erkennen.
Durch bekannte Zitate wie zum Beispiel "In meinem Staate kann jeder nach seiner Fasson selig werden" oder "Ich will der erste Diener meines Staates sein." wird Friedrich II. von Preußen als aufgeklärter Monarch gewertet. Er wurde als Intellektueller auf dem Thron gesehen und mit den Ideen der Aufklärung in Verbindung gebracht. Aufgrund seines fortschrittlichen Herrschaftsverständnisses, seiner Selbstauffassung und dem klaren Bekenntnis zum rationalen Naturrecht wird Friedrich II. von Preußen auch als Friedrich der Große bezeichnet. Vertreter der Aufklärung bezeichneten ihn als ein Musterbeispiel des aufgeklärten Fürsten.
Doch Kritiker beschreiben Friedrich II. als einen machtorientierten und preußischen Herrscher, der nur rational zur Erhaltung der außen- und innenpolitischen Macht Preußens handelte. Daneben urteilte die britische Historikerin C.B.A. Behrens den preußischen Staat unter Friedrich dem Großen als "the most militaristic state in Europe". Friedrich II. führte mit diesem preußischen Staat unter aggressiven Expansionsabsichten mehrere verlustreiche und Kriege.
Zwischen diesen Wertungen besteht auf den ersten Blick ein gewisses Paradoxon. Friedrich II. konnte kein intellektueller Monarch im Sinne der Aufklärung sein und gleichzeitig denn preußischen Staat zum militärisch ausgeprägtesten Staat in Europa formen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der aufgeklärte Absolutismus
3. Die Geschichte des preußischen Absolutismus
3.1. Die Entstehung des preußischen Staates
3.2. Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I
3.3. Preußen unter Friedrich dem Großen
4. Aufgeklärter Absolutismus oder rationale Effizienzsteigerung?
4.1. Beschreibung der These
4.2. Analyse der Reformen unter Friedrich II. hinsichtlich rationaler Gründe
4.2.1. Justizreform
4.2.2. Religionspolitik
4.2.3. Ökonomischen Reformen
4.2.4. Bildungspolitik
4.3. Folgerungen für die Effizienzsteigerung Preußens
5. Fazit
5.1. Zusammenfassung
5.2 Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Durch bekannte Zitate wie z.B. „ In meinem Staate kann jeder nach seiner Fasson selig werden “ oder „ Ich will der erste Diener meines Staates sein.“ wird Friedrich II. von Preußen als aufgeklärter Monarch gewertet.1 Er wurde als Intellektueller auf dem Thron gesehen und mit den Ideen der Aufklärung in Verbindung gebracht.2 Aufgrund seines fortschrittlichen Herrschaftsverständnisses, seiner Selbstauffassung und dem klaren Bekenntnis zum rationalen Naturrecht wird Friedrich II. von Preußen auch als Friedrich der Große bezeichnet. Vertreter der Aufklärung bezeichneten ihn als ein Musterbeispiel des aufgeklärten Fürsten.3
Doch Kritiker beschreiben Friedrich II. als einen machtorientierten und preußischen Herrscher, der nur rational zur Erhaltung der außen- und innenpolitischen Macht Preußens handelte.4 Daneben urteilte die britische Historikerin C.B.A. Behrens den preußischen Staat unter Friedrich dem Großen als „the most militaristic state in europe“5 Friedrich II. führte mit diesem preußischen Staat unter aggressiven Expansionsabsichten mehrere verlustreiche und Kriege.
Zwischen diesen Wertungen besteht auf den ersten Blick ein gewisses Paradoxon. Friedrich II. konnte kein intellektueller Monarch im Sinne der Aufklärung sein und gleichzeitig denn preußischen Staat zum militärischsten Staat in Europa formen. Angelehnt an diesen Wiederspruch wurde der Titel der Arbeit „ Friedrich der Große - aufgeklärter Monarch oder rationaler Kriegsfürst? “ gewählt. Im Rahmen dieser Arbeit soll das Paradoxon zwischen Aufklärung und Machtsteigerung in Teilen ergründet werden. Anhand der wesentlichen Reformen, mit denen Friedrich II. Preußen veränderte und formte, sollen die jeweiligen Intentionen abgeleitet werden, um das ursprüngliche Rational von Friedrich II. in seinem Handeln zu erkennen.
Hierzu wird im zweiten Kapitel der Arbeit zuerst der aufgeklärte Absolutismus beschrieben. Insbesondere die grundlegenden Begriffsbestimmungen sollen hier definiert werden. Die Begriffe des Absolutismus, der Aufklärung, des aufgeklärten Absolutismus sowie des Reformabsolutismus und deren Entstehungsgeschichte werden hier beschrieben. Dabei wird auch ein Überblick über den Forschungsstand dargestellt. Das dritte Kapitel beleuchtet dann anschließend den Absolutismus in Brandenburg-Preußen, insbesondere unter Friedrich II. von Preußen. Im vierten Kapitel sollen die vier wesentlichen Reformen unter der Herrschaft von Friedrich dem Großen hinsichtlich ihrer eigentlichen Absichten und Hintergründe analysiert werden. Hierzu sollen in bestimmten Bereichen Zitate von Friedrich II. aus seinen politischen Testamenten betrachtet werden, um seine jeweilige Intension zu deuten. Die Ergebnisse werden in einer Synthese zum Ende des vierten Kapitels bewertet. Im Fazit werden diese Bewertungen dann zusammengefasst.
2. Der aufgeklärte Absolutismus
Unter dem Begriff des „Absolutismus“ versteht man in der Geschichtswissenschaft die Kennzeichnung wesentlicher Ereignisse und Strukturen der frühneuzeitlichen Geschichte Europas. Mit den Adjektiven „absolut“ oder „absolutistisch“ wird zum einen ein politisches System bezeichnet, das eine hohe Machtansammlung in Hand des Herrschers zulasten aller anderer Kräfte im Land kennzeichnet. Zum anderen bezeichnet „Absolutismus“ auch den Zeitraum der europäischen Staatengeschichte zwischen den Religionskriegen des späten 16. Jahrhunderts bis zu den parlamentarischen Staatssystemen des frühen 19. Jahrhunderts.6 Der Begriff Absolutismus beschreibt somit eine durch absolute Souveränität des Herrschers gekennzeichnete Regierungsform sowie eine europäische Geschichtsepoche, die auch das Zeitalter des Absolutismus genannt wird.7 Der „Absolutismus“ ist hierbei kein zeitgenössischer Begriff, sondern eine ablehnende Bezeichnung der vergangenen Herrschaftsform des 19. Jahrhunderts.8 In der deutschen Geschichte wird als Zeitalter des Absolutismus die Zeit zwischen 1648 und 1789 eingegrenzt. Ein wichtiges Kennzeichen des Absolutismus ist die Zentrierung oder Verdichtung der Herrschaftsprivilegien.9 Der dualistische Ständestand wurde durch einen ganz auf den Monarchen zentrierten Anstaltsstaat ersetzt. Der regierende Herrscher hatte die staatliche Souveränität nach außen und innen, das unbestrittene Gewaltmonopol sowie die legislative Staatsgewalt in seiner Person inne.10 Diese absolute Souveränität wird als „potesta absoluta“ des Herrschers bezeichnet. Der Begriff geht dabei auf den französischen Juristen Jean Botin (1529-1598) zurück, der sich in seinem Hauptwerk „six livres de la république“ (1576) mit der Idee der Souveränität befasste. Als Souveränität legte er „die höchste, gegenüber Bürgern und Untertanen ausgeübte und von den Gesetzten losgelöste Gewalt“ fest.11
Neben der absoluten Souveränität benennt die historische Forschung darüber hinaus Bürokratisierung, Merkantilismus, Staatskirchentum, Verrechtlichung und Vereinheitlichung des Rechts, Arrondierung des Staatsgebiets durch expansive Außenpolitik, Aufbau eines stehenden Heeres sowie eine aufwendige Hofführung als weitere Kennzeichen des Absolutismus.12 Als theoretische zeitgenössische Begründung des Absolutismus wurden durch die befürwortenden Philosophen und den Herrschern die Schaffung eines einheitlichen, kontrollierten und gefügigen Verband an Untertanen, die Bekämpfung von Parteienbildungen, Unruhefakten und Sonderrechten sowie die Schaffung einer religiösen Einheit des Staates durch den Herrscher argumentiert.13
In der Absolutismusforschung teilen sich die historischen Wissenschaften und Publikationen grundsätzlich in zwei Richtungen. Als „politischer“ Absolutismusbegriff wird eine liberale Kritik am Absolutismus bezeichnet. Dieser begreift den „Absolutismus“ als die freiheitsfeindlichen, autoritären Systeme des 18. Jahrhunderts, die der Freiheit und der Entwicklung der Menschheit entgegenstanden. Von der Monarchiekritik wurde der „politische“ Absolutismus als „Despotismus“ bezeichnet. Die zweite Richtung der Geschichtswissenschaft ist der „systemgeschichtliche“ Absolutismusbegriff. Dieser löst sich von polemischer Kritik und beschreibt den Absolutismus als ein folgerichtiges System von Staat und Verwaltung in der Evolution von Mittelalter zu Neuzeit. Der Gebrauch des „systemgeschichtlichen“ Absolutismusbegriffs fand besonders in der deutschen historischen Forschung statt, bei der vor allem die Geschichte der Entstehung von Staaten, Völkerfamilien und Nationen sowie deren Entwicklungen und Schicksale betrachtet wurde. Aufgrund der Fokussierung auf große Herrschaftsgestalten und deren Staatsbildungsprozesse, entstand hierbei der Begriff der Geschichte der „absoluten“ Monarchen. Neben dem politischen und dem systempolitischen Absolutismusbegriff werden in der heutigen Forschung neue Ansätze verfolgt. Der „ständische“ Forschungsansatz behandelt die politischen Auseinandersetzungen der Stände und ihrer Herrscher und deren Einflussmöglichkeiten. Eine Abwandlung davon ist der „regionalistische“ Ansatz, der weniger mit den verfassungs- und sozialgeschichtlichen Argumenten der Beteiligung der Stände, sondern die zunehmende Zentralisierung und Einflussmöglichkeiten von regionalen Eliten beleuchtet.
Der „rechtsgeschichtliche“ Forschungsansatz fokussiert sich auf die Rechtsförmigkeit der absoluten Herrschaftsformen und deren Wirksamkeit und Kontinuität derer rechtlichen Institutionen und Verfahren. Ein Forschungsansatz, der sich im Schwerpunkt auf die französischen Monarchen konzentriert, ist der „Kontinuitätsansatz“, der die vertikalen Verflechtungen zwischen den Herrschern, Finanzsystem sowie Eliten skizziert. Als letzter neuer Ansatz der Forschung ist der „finanzgeschichtliche“ Forschungsansatz zu nennen. Dieser beschäftigt sich mit der engen Beziehung der drei Säulen Herrschaftsstaat, Beamtentum und dem Heer- und Kriegswesen.14
Neben den unterschiedlichen Forschungsansätzen kann der Absolutismus als Epochenbegriff weiter ausgeführt werden. Der Historiker und Nationalökonom Wilhelm Roscher (1814-1894) skizzierte in einem Aufsatz aus dem Jahr 1847 den Absolutismus in ein Stufenmodel. Er unterschied zwischen dem frühen konfessionellen Absolutismus, dem klassisch-höfischen Absolutismus und dem aufgeklärten Absolutismus.15 Der aufgeklärte Absolutismus als letzte Stufe des Models von Röscher kann als ein Teil oder eine einhergehende Folge der Aufklärung, die wirkungsmächtigste europäische Bildungsbewegung des 18. Jahrhunderts, bezeichnet werden. Ziel der aufklärerischen Bewegung war es, alle Autoritäten, Traditionen und Hierarchien anhand eines neu definierten Maßstabs der Vernunft kritisch zu prüfen und falls nötig abzuschaffen.16 Eine kurze Definition gibt der Philosophiewissenschaftler Werner Schneider und bezeichnet die Aufklärung als „kritisches Denken in praktischer Absicht“. Ihre Anfänge werden in der zweiten Hälfte der Regierungszeit von Ludwig XIV. (1638-1715) zwischen 1680 und 1715 gesehen und im Rahmen einer Krise des europäischen Bewusstseins als Frühaufklärung bezeichnet. Sie leitete sich von der Infragestellung des Absolutismus als Herrschaftssystem, der antiken Autoritäten und der Kritik an der Kirche ab. Die Aufklärer sahen sich selbst als Philosophen, die an keine gesellschaftliche Schicht gebunden waren.17
Die Aufklärung setzte sich grundsätzlich mit verschiedensten Fragen der gesellschaftlichen und politischen Ordnung auseinander. Staatsform, Rechtsordnung, Gerichtswesen, Strafvollzug, Polizei, Wirtschaft, Verhältnis der Stände und öffentliche Moral waren hierbei die zentralen Themen. Als Programm umfasste sie alle Bereiche des politischen, sozialen und kulturellen Lebens. Durch den zeitgenössischen Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) wurde die Aufklärung auch als ein „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ beschrieben. Neben dieser Mündigkeit sowie dem Selbstdenken war für Kant die Freiheit eine wichtige Bedingung der Aufklärung.18
Die Aufklärung entwickelte dabei das Ideal eines freien, vernünftigen, mündigen und toleranten Staatsbürgers. Nach der Theorie der aufgeklärten Philosophen bedurfte es Bildung und Erziehung, um dieses Ideal zu erreichen. Dabei gingen die aufklärerischen Theorien von der Fähigkeit zur Entwicklung des Menschen aus, mit der Idee der Aufklärung als Grundlage dieses Lernprozesses. Die stets verbesserte Erziehung von Generation zu Generation sollte dadurch auch eine bessere Gesellschaft entstehen lassen. Im Mittelpunkt stand die grundsätzliche Verbesserung der Gesellschaft. Erste wissenschaftliche Schriften der Pädagogik und der Anthropologie folgten dieser Theorie der Entwicklungsfähigkeit des Menschen.19 Als bedeutendste Emanzipationsbewegung richtete sich die Aufklärung in Deutschland bzw. Preußen nicht primär gegen den absolutistischen Staat und deren Herrschafts- und Gesellschaftsform, sondern vielmehr gegen den konfessionellen Absolutismus. Dabei blieben die deutschen Aufklärer eng verbunden mit dem neuen Sozialdenken des Naturrechts, das zu einer wichtige Säule des aufgeklärten Absolutismus wurde.20 Der aufgeklärte Absolutismus ist dabei keine zeitgenössische Definition, sondern eine nachträgliche Begriffsbestimmung des 19. Jahrhunderts, die noch heute umstritten ist. Kaum ein anderer Begriff der Geschichtswissenschaft ist so oft in Frage gestellt und diskutiert worden.21
In der Mitte des 17. Jahrhunderts bildeten sich, aufgrund einer ungünstigen Wirtschaftslage und andauernder Kriege, in den meisten europäischen absoluten Monarchen problematische Strukturen. Hohe Steuern, Abgaben und Zölle sowie semi-private Finanzierungsstrukturen lasteten auf den Ländern. Dadurch wuchs schon im 17. Jahrhundert, vor allem aber im 18. Jahrhundert, die Idee der Kritik und der Reform.22 Der Begriff der „Reform“ wurde dabei im 18. Jahrhundert von dem französischen in den deutschen Sprachgebrauch übernommen. Dabei bezog sich „Reform“ auf Verbesserungen innerhalb der Beziehung zwischen dem Staat und seinen Institutionen in Gegenwart und Zukunft. Als „Reformation“ wurden die vergangenen größeren Veränderungen bezeichnet.23 Aus einzelnen Kritiken der Vertreter der Aufklärung an zuerst kirchlich-religiösen Strukturen und folgend wirtschaftlichen und finanziellen Reformideen entstand eine Gesamtkritik an der traditionellen Monarchie. Die traditionellen und theologischen Vorgaben der Betrachtung der Politik wurden durch neue staatstheoretische Ansätze der Aufklärung von philosophisch und juristisch gebildeten Gelehrten in Frage gestellt. Eine wichtige Säule war hierbei die Theorie des neuen rationalen Naturrechts. Die Staatsgewalt wurde darin als ein von der Natur des Menschen und vernünftigen Prinzipien bestimmtes Recht begründet, allein der Aufgaben wegen zu regieren. Diese Einsicht führte auch zu einem geänderten Herrschaftsverständnis der Monarchen. Der Herrscher sah sich nicht mehr als Monarch nach Gottes-Gnaden legitimiert, sondern nach dem rationalen Naturrecht als erster Diener des Staates und des Volkes berufen.24 Der englische Staatstheoretiker und Philosoph Thomas Hobbes (1588-1679) definierte dieses neue Herrschaftsverständnis als ein unaufkündbarer Gesellschaftsvertrag, der Fürsten und Untertanen in die Pflicht nimmt, der Wohlfahrt des Ganzen zu dienen.25 Dieser Grundgedanke des Herrschaftsverständnisses bildete den theoretischen Unterbau sowie die daraus abgeleiteten Maximen und Zielsetzungen des Herrschers und gilt als spezifisch für eine aufgeklärte Herrschaftsweise.26
Des Weiteren wurde den aufgeklärten Herrschern deutlich, dass ein zweckmäßig eingerichteter Staat die Bürger des Staates fördern könne und somit das Gemeinwohl steigere. Hierbei war auch die Macht- und Ansehenssteigerung des Herrschers verbunden. Mit dem aufgeklärten Absolutismus wird grundsätzlich dieser neue Herrschaftsgedanke des 17. und 18. Jahrhundert in Zusammenhang gebracht. Der Begriff des aufgeklärten Absolutismus geht dabei auf die Aufklärung selbst zurück und bezeichnet heute ein gesamteuropäisches Phänomen zwischen 1740 und der französischen Revolution in mehreren absolutistischen Staates.27 Mit dem Begriff werden im Kern die Wiedersprüche und Gegensätze zwischen der absolutistischen Herrschaftsform und -praxis und den Ideen der Aufklärung sowie deren Einfluss auf diese beschrieben.
Manche Historiker betiteln jedoch ungern den aufgeklärten Absolutismus und bevorzugen die Bezeichnung des Phänomens mit dem Begriff des Reformabsolutismus. Damit soll verdeutlich werden, dass das neue Staatsverständnis der Herrscher des 18. Jahrhunderts auf rationalen Absichten beruhte, mit den Zielen, die Volkswirtschaft und die Finanzen des absolutistischen Staates zu steigern und den Staatseinfluss von oben nach möglichst weit auszuweiten.28 Gleichzeitig standen die staatsfrommen Aufklärer oftmals in Übereinstimmung mit dem aufgeklärten Herrscher.29 Die eigentliche Idee der Aufklärung zugunsten des Wohles der Untertanen und der Bürger im Staat steht im historischen Ansatz des Reformabsolutismus deutlich im Hintergrund. Der Herrschaftsstaat sollte schlicht moderner und effizienter werden.30 Hier leitet sich die Kritik am aufgeklärten Absolutismus ab. Die zentralen Ideen des aufgeklärten Absolutismus waren die oben genannte naturrechtliche Legitimierung des Herrschers und die Zweckorientierung des staatlichen und wirtschaftspolitischen Handelns. Als Hauptkritik am Absolutismus bleibt daher die Frage nach dem spezifisch „aufgeklärtem“ im aufgeklärten Absolutismus, der sogenannten aufgeklärten Substanz. Der Begriff des Reformabsolutismus wird daher von manchen Historikern bevorzugt.31
3. Die Geschichte des preußischen Absolutismus
In diesem Kapitel der Arbeit soll nun die geschichtliche Entwicklung Preußens und des absolutistischen preußischen Herrschaftsstaates skizziert werden. Der Schwerpunkt der Darstellung wird dabei auf der Herrschaft unter Friedrich Wilhelm I. sowie insbesondere seinem Nachfolger Friedrich II. von Preußen, auch Friedrich der Große genannt, gelegt.
3.1. Die Entstehung des preußischen Staates
Die ersten Ursprünge Preußens liegen im 15. Jahrhundert. Kaiser Sigismund verlegte während seines Krieges in Böhmen das Haus Hohenzollern nach Brandenburg. Friedrich der VI. von Hohenzollern war der erste aus diesem Geschlecht folgende Marktgraf von Brandenburg, der 1415 den Titel Reichskurfürst erhielt. Seine Nachfolger führten eine unterdrückende Politik gegenüber den autonomen Städten in Brandenburg, unteranderem gegen die Stadt Berlin, lösten diese Städte aus der Hanseatischen Liga heraus und unterwarfen sie ihrer Hoheitsgewalt. Bereits im frühen 16. Jahrhundert gab es daraufhin in Brandenburg keine freien Städte mehr. Die Kleinbauern wurden durch den Adel enteignet und ein vom Adel beherrschtes Ständesystem etablierte sich. Im Jahr 1525 entstand unter Albrecht von Brandenburg, Herzog von Preußen, das Fürstentum Ostpreußen als ein weiterer Staat der Hohenzollern neben Brandenburg. Beide Staaten waren zu dieser Zeit durch eine provinzielle Rückständigkeit gekennzeichnet und hatten nur geringe internationale Bedeutung. Durch eine innerfamiliäre Eheschließung wurden beide Fürstentümer im Jahre 1618 zum Staat Brandenburg-Preußen vereint. Aufgrund seiner geringen militärischen Stärke stellte der Staat Brandenburg-Preußen im Dreißigjährigen Krieg keine wesentliche Rolle dar und ging aus diesem Krieg ohne politisches Prestige hervor. Während des Krieges waren wesentliche Teile des Kurfürstentums von Schweden besetzt und deren finanzieller Erpressung ausgeliefert. In den folgenden Friedensvereinbarungen wurde durch Teilung Böhmens der Teil Ostböhmen Preußen zugesprochen und sicherte dem preußischen Staat glücklicherweise eine Ausweitung seines Territoriums. Der neue Kurfürst von Preußen, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, zog aus dem Dreißigjährigen Krieg die Lehre der dringenden Notwendigkeit, ein Heer aufzubauen, um sich einer zukünftigen Expansion und Besatzung Schwedens zur Wehr zu setzen.
[...]
1 vgl. Otto Bardong, Friedrich der Große, Darmstadt 1982, S. 542; vgl. Jürgen Ziechmann, Friedrich II. (der Große) von Preußen, in: Helmuth Reinalter (Hrsg.), Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus in Europa, Wien 2005, S. 242-246, hier: S. 243.
2 vgl. Dagmar Freist, Absolutismus, Darmstadt 2008, S. 99.
3 vgl. Wilhelm Bringmann, Friedrich der Große, Ein Portrait, München 2006, S. 721.
4 vgl. Dagmar Freist, Absolutismus, Darmstadt 2008, S. 98-99.
5 Dagmar Freist, Absolutismus, Darmstadt 2008, S. 100.
6 vgl. Ernst Hinrichs, Fürsten und Mächte, Zum Problem des europäischen Absolutismus, Göttingen 2000, S.
19.
7 vgl. Dagmar Freist, Absolutismus, Darmstadt 2008, S. 9; vgl. Brigitte Egger, Enzyklopädie der Neuzeit, Band 1, Stuttgart 2005, S. 24.
8 vgl. Ronald G. Asch, Absolutismus, in: Helmuth Reinalter (Hrsg.), Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus in Europa, Wien 2005, S. 15-19, hier: S. 15.
9 vgl. Dagmar Freist, Absolutismus, Darmstadt 2008, S. 5-9.
10 vgl. Ronald G. Asch, Absolutismus, in: Helmuth Reinalter (Hrsg.), Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus in Europa, Wien 2005, S. 15-19, hier: S. 15.
11 vgl. Ernst Hinrichs, Fürsten und Mächte, Zum Problem des europäischen Absolutismus, Göttingen 2000, S. 23-24; Brigitte Egger, Enzyklopädie der Neuzeit, Band 1, Stuttgart 2005, S. 24-25.
12 vgl. Dagmar Freist, Absolutismus, Darmstadt 2008, S. 24.
13 vgl. Heinz Durchardt, Das Zeitalter des Absolutismus, München 1992, S.37.
14 vgl. Ernst Hinrichs, Fürsten und Mächte, Zum Problem des europäischen Absolutismus, Göttingen 2000, S. 19-34.
15 vgl. Angela Borgstedt, Das Zeitalter der Aufklärung, Darmstadt 2004, S. 21.
16 vgl. Brigitte Egger, Enzyklopädie der Neuzeit, Band 1, Stuttgart 2005, S. 791.
17 vgl. Heinz Durchardt, Das Zeitalter des Absolutismus, München 1992, S.117-119.
18 vgl. Helmut Reinalter, Aufklärung, in: Helmuth Reinalter (Hrsg.), Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus in Europa, Wien 2005, S. 123-126, hier: S. 123.
19 vgl. Barbara Gant, Bildung, Bildungsreform, in: Helmuth Reinalter (Hrsg.), Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus in Europa, Wien 2005, S. 163-165, hier: S. 164-165.
20 vgl. Gerhard Oestereich, Das Reich, Habsburgische Monarchie, Brandenburg-Preußen von 1648 bis 1803, in: Fritz Wagner, Europa im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung, Die Einheit der Epoche, Handbuch der europäischen Geschichte, Band 4, Stuttgart 1968, S. 379-470, hier: S. 422.
21 vgl. Angela Borgstedt, Das Zeitalter der Aufklärung, Darmstadt 2004, S. 11-20.
22 vgl. Ernst Hinrichs, Fürsten und Mächte, Zum Problem des europäischen Absolutismus, Göttingen 2000, S. 123.
23 vgl. Helmuth Reinalter, Reformabsolutismus, in: Helmuth Reinalter (Hrsg.), Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus in Europa, Wien 2005, S. 519-520, hier: S. 519-520.
24 vgl. Ernst Hinrichs, Fürsten und Mächte, Zum Problem des europäischen Absolutismus, Göttingen 2000, S. 124-126.
25 vgl. Jürgen Ziechmann, Friedrich II. (der Große) von Preußen, in: Helmuth Reinalter (Hrsg.), Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus in Europa, Wien 2005, S. 242-246, hier: S. 243.
26 vgl. Peter Baumgart, Aufgeklärter Absolutismus (Preußen), in: Helmuth Reinalter (Hrsg.), Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus in Europa, Wien 2005, S. 75-83, hier: S. 76.
27 vgl. Johannes Kunisch, Absolutismus, Europäische Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zur Krise des Ancien Régime, 2. Auflage, Göttingen 1999, S. 33-36.
28 vgl. Ernst Hinrichs, Fürsten und Mächte, Zum Problem des europäischen Absolutismus, Göttingen 2000, S. 126.
29 vgl. Angela Borgstedt, Das Zeitalter der Aufklärung, Darmstadt 2004, S. 11.
30 vgl. Ernst Hinrichs, Fürsten und Mächte, Zum Problem des europäischen Absolutismus, Göttingen 2000, S. 126.
31 vgl. Angela Borgstedt, Das Zeitalter der Aufklärung, Darmstadt 2004, S. 12-19.