Die Aufgabe eines Arztes ist es Leben zu erhalten. Patienten, die sich einem Arzt anvertrauen, gehen davon aus, dass dieser sie nach bestem Wissen und Gewissen medizinisch versorgt. In der Zeit des Nationalsozialismus galt ein Patient jedoch nicht gleich als Patient. Gehörte die betreffende Person einer „minderwertigen Rasse“ oder einer sozialen Gruppierung an, die dem NS-Regime ein Dorn im Auge war, so wurde der hippokratische Eid außer Kraft gesetzt. Der Ort, an dem dies in seiner perversesten Art zu Tage trat, war das Konzentrationslager. Als der Ort des Maßnahmenstaates wurde in den KZs schikaniert, misshandelt und getötet. Die Lager waren als Zonen eigenen Rechts, außerhalb aller Gesetze, konzipiert und organisiert. Einmal inhaftiert gab es keine Ansprüche mehr, weder auf juristischen Beistand noch auf medizinische Versorgung, und schon gar nicht auf körperliche Unversehrtheit. Dies ging sogar soweit, dass Menschen gegen ihren Willen wie „Versuchskaninchen“ behandelt und missbraucht wurden.
Die medizinischen Experimente in den Konzentrationslagern kann man in zwei Kategorien einteilen: zum einen sind da die so genannten ad hoc-Versuche zu nennen, die lediglich das medizinische Interesse, mitunter die sadistische Ader eines SS-Arztes befriedigen bzw. seine Kenntnisse, beispielsweise über die menschliche Anatomie oder Chirurgie erweitern sollten. Darüber hinaus gab es aber auch Versuche, die für spezifische ideologische und militärische Zwecke durchgeführt wurden. Sie wurden von maßgeblichen Institutionen des NS-Regimes in Auftrag gegeben und keines dieser medizinischen Experimente, die unter der Schirmherrschaft der SS durchgeführt wurden, geschah ohne die vorherige Zustimmung des Reichsinnenministers und Reichsführers-SS Heinrich Himmler. Dies zeigt deutlich in welchem Ausmaß diese Versuche staatlich legitimiert wurden.
Im Folgenden sollen daher die medizinischen Zustände in den Konzentrationslagern untersucht werden: Wie erfolgte die medizinische Versorgung der Häftlinge und welche Funktion nahm der Arzt dabei ein? Welche wissenschaftlichen Zwecke verfolgten die Experimente? Und was waren die Motive der Ärzte, sich an den ethisch nicht zurechtfertigenden Versuchen an Menschen zu beteiligen?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ärzte im KZ als Herren über Leben und Tod
- Menschen als „Laborratten”
- Höhenflugexperimente – Tod durch Unterdruck
- Sulfonamidversuche - Kampf gegen Wundinfektionen.
- Versuche zur Massensterilisation – Maßnahmen einer negativen Bevölkerungspolitik
- Die Rechtfertigung und Motive der Täter.
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Rolle der SS-Ärzte im Kontext des Nationalsozialismus und beleuchtet die grausamen medizinischen Experimente, die an Menschen in den Konzentrationslagern durchgeführt wurden. Sie befasst sich insbesondere mit der Abkehr von den ethischen Prinzipien der Medizin und der Verführung von Ärzten zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
- Die Transformation des Heilers zum Henker durch die NS-Ideologie und das Euthanasieprogramm
- Die unmenschlichen medizinischen Experimente in den Konzentrationslagern, die von ideologischen und militärischen Zielen getrieben waren
- Die Motive der Ärzte, die sich an den ethisch nicht zurechtfertigenden Versuchen an Menschen beteiligten
- Die Rolle der SS-Ärzte als Herren über Leben und Tod in den Konzentrationslagern
- Die staatliche Legitimation der medizinischen Experimente durch die SS-Führung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die ethische Problematik der medizinischen Experimente in den Konzentrationslagern dar und beschreibt die Missachtung des hippokratischen Eids durch die SS-Ärzte. Sie führt die unterschiedlichen Arten von Experimenten und die staatliche Legitimation durch Heinrich Himmler aus.
Kapitel 2 befasst sich mit der Rolle der SS-Ärzte in den Konzentrationslagern und beschreibt ihre Macht über Leben und Tod. Die brutalen Lebensbedingungen und die systematische Unterernährung der Häftlinge werden dargestellt, und es wird die Diskrepanz zwischen dem hippokratischen Eid und der Rolle des Arztes als Selektierer und Henker aufgezeigt.
Kapitel 3 beleuchtet die verschiedenen medizinischen Experimente, die an Häftlingen durchgeführt wurden. Die grausamen Methoden der Höhenflugexperimente und die Sulfonamidversuche werden ebenso beleuchtet wie die Versuche zur Massensterilisation, die Teil der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik waren.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themenfelder NS-Medizin, KZ-Experimente, SS-Ärzte, Euthanasieprogramm, Rassenideologie, Menschenversuche, hippokratischer Eid, medizinische Ethik und die Transformation von Medizin zu einem Werkzeug des Terrors im Nationalsozialismus. Wichtige Begriffe sind zudem Hungerkrankheit, "Muselmänner", selektion, Vergasung, Verbrennung, medizinische Versorgung, und die Rolle des Arztes als Henker.
- Arbeit zitieren
- Marcus Sonntag (Autor:in), 2006, SS-Ärzte und Versuche am Menschen im KZ, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/57172