Im Rahmen dieser Forschungsarbeit soll beantwortet werden welche Gründe dazu führten, dass in der koreanischen Gesellschaft, bezüglich der Rolle der Ehefrau bis zur heutigen Zeit keine großen Veränderungen stattgefunden haben. Zur Begründung sollen die im Seminar vermittelten vier soziologischen Traditionen im Hinblick auf meine Forschungsfrage angewendet werden. Diese Forschungsfrage lautet wie folgt: Wie würden die Konflikt-, die Rational/Utilitarian-, die Durkheim’sche und die Mikrointeraktionistische Tradition jeweils die Ursachen für die Rolle südkoreanischer Mittelschichtfrauen im 20. Jahrhundert sehen oder erklären?
Südkorea gehört zu den schnellst wachsenden Industrieländern der Welt. Im Jahr 2018 gehörte das Land zu den zwölf größten Volkswirtschaften weltweit und war die viert größte Volkswirtschaft in Asien. Erstaunlicherweise ist trotz dieser raschen Industrialisierung die Diskrimination gegenüber Frauen in diesem Land weiterhin hoch geblieben. Schätzungsweise wechseln vier Fünftel der Schülerinnen auf eine Universität oder einem College, jedoch bekommen Frauen deutlich die schlechteren Jobs und müssen trotz Beschäftigung die Erziehung der Kinder und den Haushalt selbstständig führen.
Frauen geraten aus diesem Grund in der heutigen Gesellschaft unter starkem Druck, weil sie die Verantwortung tragen Kinder zu gebären, die Verpflichtung haben den Haushalt selbstständig zu führen und darüber hinaus einer Beschäftigung nachgehen müssen. Doch welche Ursachen führten dazu, dass die Diskrimination der Frauen trotz schnellen Wirtschaftswachstums noch immer so hoch ist? Wie lassen sie sich erklären?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Methode
3. Forschungsstand
4. Theoretische Rahmen
4.1. Konflikt-Tradition
4.2. Durkheimsche Tradition
4.3. Rational/Utilitarian-Tradition
4.4. Mikrointeraktionistische Tradition
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Erklärung zur Prüfungsleistung
1. Einleitung
„ Eine Frau hat sich nach ihrer Geburt zuerst den Eltern, mit der Heirat dem Ehemann und nach dem Tod ihres Mannes dem erwachsenen Sohn unterzuordnen (Samjongjido) “ (Pak, 1995, S. 26, kursiv auch im Original, zitiert nach Samjong-jido). Im 20. Jahrhundert verbrachte eine Frau die meiste Zeit ihres Lebens in ei-ner Familie, in der sie von Männern unterdrückt und ausgebeutet wurde. Als Frau besitzt sie nur drei Aufgaben: Die einer Tochter, Ehefrau oder Mutter (Chang, 1993, S. 14). Diese Definition der Frau in einer koreanischen Familie ist bis zur heutigen Zeit immer noch ein großes gesellschaftliches Problem.
Südkorea gehört zu den schnellst wachsenden Industrieländern der Welt. Im Jahr 2018 gehörte das Land zu den zwölfgrößten Volkswirtschaften weltweit und war die viertgrößte Volkswirtschaft in Asien. Nach dem Wachstumsrückgang stieg im Jahr 2018 das Bruttoinlandprodukt in Korea auf 2,7 %. Währenddessen in Südkorea das Bruttoinlandprodukt pro Kopf auf 31,346 US-Dollar geschätzt wurde (IMF, zitiert nach de.statistika.com, 2018). Erstaunlicherweise ist trotz dieser raschen Industrialisierung die Diskrimination gegenüber Frauen in die-sem Land weiterhin hoch geblieben. Beispielsweise verfügen in der heutigen Zeit Frauen über eine gute schulische Bildung. Schätzungsweise wechseln vier Fünftel der Schülerinnen auf eine Universität oder einem College, jedoch bekommen Frauen deutlich die schlechteren Jobs und müssen trotz Beschäftigung die Erzie-hung der Kinder und den Haushalt selbstständig führen (Gey, 2005, S. 1). Die Kon-sequenz davon ist der starke Geburtenrückgang in Südkorea. Statistiken im Jahr 2019 zeigen, dass pro Kopf nur noch 1,05 Kinder zur Welt kommen und damit weltweit die niedrigste Geburtenrate aufweist (World Bank, zitiert nach de.sta-tistika.com, 2019). Trotz der wenigen Geburten besitzen gerundet 50% der Frauen eine Beschäftigung. Frauen geraten aus diesem Grund in der heutigen Ge-sellschaft unter starkem Druck, weil sie die Verantwortung tragen Kinder zu ge-bären, die Verpflichtung haben den Haushalt selbstständig zu führen und darüber hinaus einer Beschäftigung nachgehen müssen (Gey, 2005, S. 1).
Doch welche Ursachen führten dazu, dass die Diskrimination der Frauen trotz schnellen Wirtschaftswachstumes noch immer so hoch ist? Wie lassen sie sich erklären? Im Rahmen dieser Forschungsarbeit soll beantwortet werden welche Gründe dazu führten, dass in der koreanischen Gesellschaft, bezüglich der Rolle der Ehefrau bis zur heutigen Zeit keine großen Veränderungen stattgefun-den haben. Zur Begründung möchte ich die im Seminar vermittelten vier soziolo-gischen Traditionen im Hinblick auf meine Forschungsfrage anwenden. Diese Forschungsfrage lautet wie folgt:
Wie würden die Konflikt-, die Rational/Utilitarian-, die Durkheimsche und die Mikrointeraktionistische Tradition jeweils die Ursachen für die Rolle südko-reanischer Mittelschichtfrauen im 20. Jahrhundert sehen oder erklären?
2. Methode
Um meine Forschungsfrage zu beantworten, wurde eine qualitative Untersu-chung mit einer deduktiven Vorgehensweise durchgeführt. Im ersten Teil der Arbeit stelle ich die mir im Seminar vermittelten vier soziologischen Traditionen vor und verwende dafür ausschließlich die Literatur von Rendall Collins. Nach-folgend werden die wichtigsten Theorien der einzelnen Traditionen für die Er-klärung und Beantwortung meiner Forschungsfrage angewendet. Um einen Überblick über die Rolle der Ehefrau in Korea im 20. Jahrhundert zu bekommen wurden Literaturen aus der Frankfurter Datenbank gesucht, die historische Ursachen für die Frauendiskrimination bis zur heutigen Zeitthematisieren und For-schungsergebnisse darstellen. Online Zeitschriften und Statistiken, in denen die aktuelle Situation in Bezug auf dieses Thema beschrieben wird, wurden ebenso in die Untersuchung miteinbezogen.
3. Forschungsstand
Im Folgenden stütze ich mich auf die Untersuchungen von Jai Sin Pak und Jin-Sook Chang. Beide Autoren gehen davon aus, dass der Konfuzianismus eine ent-scheidende Rolle über die Definition der Frau spielt.
Der Konfuzianismus, der im 14. Jahrhundert seinen Weg auf die Halbinsel ge-funden hatte, gehört zu den drei Ur-Religionen, die noch einen maßgeblichen Ein-fluss auf die koreanische Kultur und in der Gesellschaft haben. Im Konfuzianismus wird dem Mann die Aufgabe als „Führer“ (Lee, 1986, S. 11f) gegeben. Er ist stark und überlegen und trägt die Verantwortung über seine Familie. Während-dessen die Frau als machtlos und wertlos dargestellt wird und von Mann be-herrscht werden muss, um die Familie im Einklang zu halten (Lee, 1986, S. 11f).
Durch die verschiedenen Konfuzianischen Lehren formt der Patriarchat bis heute noch Familien und die koreanische Gesellschaft. Unter Patriarchat versteht man wörtlich die „Herrschaft der Väter“ (Pak, 1995, S. 18). Miteinbeschlossen ist die Herrschaft der Ehemänner, Männer, die eine leitende Rolle einnehmen, bei-spielsweise Vorgesetzte aber auch der männliche Nachwuchs (Pak, 1995, S. 18).
Jin-Sook Changs Untersuchungen zeigen jedoch, dass neue Gesellschafts-strukturen durch die Industrialisierung ihren Weg in die koreanische Familie fin-den. Sie führt als Beispiel an, dass im 20. Jahrhundert die Schwiegermutter die Hausarbeit, Ehe, Verwandtschaft und Kindererziehung beeinflusst hatte und die Kontrolle über die Schwiegertochter, die ihr niemals wiedersprechen konnte, be-saß (Pak, 1995, S. 18). Heutzutage ist die Beziehung zwischen der Schiegermutter und ihrem Sohn nicht mehr so eng. Oft leben sie in getrennten Gebieten, sodass die Schwiegertochter ihre Freiheit im Haushalt und in der Erziehung hatte. Au-ßerdem ist durch Erfindungen von elektrischen Haushaltsgeräten die Schwiegertochter nicht mehr auf die Ratschläge der Schwiegermutter angewiesen (Pak, 1995, S. 19).
Ein weiteres Beispiel ist, dass sich die Stellung der Tochter in der Familie ver-ändert hat. Sie hat die Möglichkeit zu studieren oder sich weiter zu bilden, was früher nur für die Söhne möglich gewesen war. Außerdem ist sie nicht mehr ge-zwungen im Haushalt zu helfen und wird in der heutigen Zeit als Teil der Familie angesehen und nicht mehr wie ein „minderwertiges Mitglied behandelt“ (Pak, 1995, S. 16).
Bei der Betrachtung von Veränderungen muss berücksichtigt werden, dass noch immer viele Ansichten im Hinblick auf Frauendiskriminierung in der kore-anischen Gesellschaft bestehen. Jai Sin Pak kommt zum Schluss, dass Veränderungen nur entstehen können, wenn Frauen ihrer Diskriminierung bewusst sind, um die Möglichkeit zu haben, ihre Stellung in der Gesellschaft zu verbessern (Pak, 1995, S. 17).
4. Theoretische Rahmen
Die vier soziologischen Theorien die berücksichtigt werden sind die Konflikttra-dition, Durkheim’sche Tradition Mikrointeraktionistische Tradition sowie die Rational/Utilitarian Tradition.
4.1. Konflikt-Tradition
Die material und wirtschaftlich orientiere Konflikttradition befindet sich auf der makrosoziologischen Ebene. Neben der Wirtschaft steht auch die Geschichte im Fokus. Die wichtigsten Theoretiker dieser Tradition sind, Karl Marx, Friedrich Engels und Max Weber. In dieser Arbeit sollen jedoch hauptsächlich die Theorien von Karl Marx und Friedrich Engels betrachtet werden. Im Mittelpunkt der Konflikttradition steht für Karl Marx die Unterscheidung zwischen den Klassenposi-tionen in unserer Gesellschaft und die Frage, wie soziale Klassen definiert werden. Marx erläutert, dass die Beziehungen zwischen Menschen durch ihren ma-teriellen Besitz gesondert werden (Collins, 1994, S. 62). Der Unterschied liegt bei Marx vor allem zwischen der Oberschicht (den Kapitalisten) und der Unter-schicht (der Arbeiterklasse). Zu den Kapitalisten gehören Eigentümer, die über Vermögen verfügen, Produktionsunternehmen führen oder Landbesitzer sind. Oftbesitzen sie auch eine politische Rolle. Zur Arbeiterklasse gehören Menschen, die kein eigenes Eigentum besitzen und um zu überleben gezwungen sind, ihre Arbeit zu verkaufen (Collins, 1994, S. 63). Es gibt zwar noch die Mittelschicht, zu denen beispielsweise selbstständige Handwerker oder Ladenbesitzer gehören, jedoch eine große Rolle spielen sie in der Konflikttheorie nicht. Marx begründet das damit, dass diese Schicht nie festgelegt werden kann, da die Besitzer oft ihren kleinen Besitz verlieren und dann in die Unterschicht eingestuft werden (Collins, 1994, S. 64).
Eine weitere Theorie der Konflikttradition ist die Ideologie des Konsums. Hier geht es insbesondere darum, dass die Arbeiterklasse durch den Kauf von Materialien und Produkten ihre Selbstachtung aufbauen oder stärken und auch einen hohen Status in der Gesellschaftsordnung erlangen (Collins, 1994, S. 65). Anders jedoch die Kapitalisten, die ihre eigenen Interessen somitwiederspiegeln, dass sie die Gedanken und Bedürfnisse der Arbeiterklasse unterdrücken und so-mit Nachfrage für ihre Produkte schaffen um Profite zu erzielen (Collins, 1994, S. 67). Die Arbeiterklasse wird somit ausgebeutet, indem sie gezwungen wird für den Kapitalisten zu arbeiten. Durch die wirtschaftlichen Interessen der Kapital-herrschaft werden die Arbeiter unterdrückt und vom Produktionsprozess und voneinander entfremdet (Collins, 1994, S. 55).
Nach Marx Tod, arbeitete Friedrich Engels an weiteren Konflikttheorien. Für meine Arbeit ist besonders die Theorie der Geschlechterschichtung relevant. Unter dieser Theorie versteht man die Konflikte, die durch Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen entstanden sind. Engels beschreibt in seiner Theorie, dass der sexuelle Eigentum einer Frau ähnlich funktioniert wie der eines wirtschaftli-chen Eigentums, bei dem die dominante Rolle, in diesem Fall die männliche Person die Sexualität einer Frau zu ihrem Eigentum machen (Collins, 1994, S. 78). Auch in der kapitalistischen Gesellschaft wurde die Frau beispielsweise durch den Heiratsmarkt kontrolliert. Engels begründet es damit, dass die Frau ihre Arbeit als Ehefrau oder Mutter, ihre Sexualität und ihre Zeit an ihrem Ehemann ver-kauft, um dafür Unterstützung und Sicherheit durch ihren Ehemann bekommen kann (Collins, 1994, S. 78 - 79).
Ähnlich wie Marx sah Max Weber den Kapitalismus als wichtiger Aspekt für die Konflikttradition. Jedoch sieht er nicht nur die Wirtschaft, sondern auch religiöse Ideologien als Beeinflussung der Formung des Kapitalismus (Collins, 1994, S.83).
Für diese Arbeit betrachten wir in der Konflikttradition die Rolle der Frau in der Mittelschicht. Jai Sin Pak (1995) erklärt, dass Frauen in der Mittelschicht aus ökonomischen Gründen gezwungen sind zu arbeiten und müssen dabei Beschäf-tigungen nachgehen, die nicht gegen patriarchalische Ordnungen in der Gesellschaft verstoßen sowie die Würde des Mannes verletzen könnten (Pak, 1995, S. 13). Häufig werden Mittelschichtfrauen in akademischen Berufen eingestellt, beispielsweise als Dozentinnen oder gehen Tätigkeiten im sozialen Bereich nach, jedoch verdienen Mittelschichtfrauen nicht genug, um wirtschaftlich unabhängig zu sein. Die Arbeitslöhne reichen überwiegend für Haushaltsgeräte oder ähnli-ches aus (Pak, 1995, S. 13). Pak (1995) erklärt, dass Frauen in der Mittelschicht sogar stärker unter patriarchalischen Zwängen betroffen sind als Frauen in der Unterschicht. Das begründet sie damit, dass in der Mittelschicht mehrere Gene-rationen zusammenleben, was für die Unterschicht aus finanziellen Gründen keine Möglichkeit darstellt (Pak, 1995, S. 13).
Zur Großfamilie gehören mehrere Generationen. Häufig leben in der Mittelschicht die Großeltern, das Ehepaar und ihre Kinder unter einem Dach. Die Frau, die in dieser Familie untergeordert wird, muss bestimmte patriarchalischen Verhaltens- und Handlungsweisen nachgehen wie beispielsweise eine große Achtung gegenüber den Eltern und den Ehemann haben, Kinder gut erziehen können, sowie eine perfekte Hausfrau und Mutter sein (Pak, 1995, S. 20). Da viele Großfamilien unter finanziellen Problemen leiden und oft die Einnahmen der Vä-ter nicht genügen, sind Frauen auch gezwungen im Berufsleben ihre volle Energie einzusetzen, um ihre Arbeitsstelle nicht zu verlieren (Pak, 1995, S. 20). Frauen stehen in der Gesellschaft unter massiven Druck. Einerseits müssen sie be-stimmte patriarchalischen Erwartungen erfüllen, um die Stellung ihrer Familie in der Gesellschaft nicht zu gefährden, andererseits muss sie auch die Familie finan-ziell unterstützen (Pak, 1995, S.20).
Viele junge Frauen entscheiden sich für die Heirat, um den Druck in der eige-nen Familie zu entfliehen. Es verbesserte allerdings nicht das Leben einer Frau, aber sie erhielt im Gegenzug für ihre Arbeit als Ehefrau finanzielle Unterstützung und Sicherheit durch ihren Ehemann (Pak,1995, S. 21).
Heute, wo die wirtschaftliche Lage im Lande sich gebessert hat, versuchen Mütter, ihre Töch-ter mit vermögenden Männern zu verheiraten, um ihnen das schwierige Leben zu ersparen, das sie selber erdulden mussten. Auch die Väter, die sich von den selbstbewussten Frauen drangsaliert fühlten, raten ihren Söhnen, Frauen zu heiraten, die ihnen gehorchen (Won, 2005, zitiert nach Cho, 1988).
Engels erklärt in seiner Theorie, dass die Sexualität einer Frau in der Gesellschaft durch kapitalistische Einflüsse kontrolliert wird (Collins, 1994, S. 78-79). In Korea herrscht ein allgemeingültiges Verbot von außerehelichem Geschlechts-verkehr. In der Ehe dient der Geschlechtsverkehr nur für die Züchtung von Kin-dern und hat nichts mit dem Austausch sexueller Zärtlichkeiten zwischen Paaren zu tun (Pak, 1995, S. 61). Durch diese Regelungen wurde von der Regierung jeg-liche sexuelle Intimität zwischen das weibliche und das männliche Geschlecht kontrolliert. Das Verbot gilt zwar für beide, allerdings werden beispielsweise aus-schließlich Frauen für ein nichteheliches Kind verantwortlich gemacht (Pak, 1995, S. 62). Solche Verbotsgesetzte galten am strengsten für Frauen. Pak (1995) begründet es damit, dass es für die Frau eine engere Verbindung zum Kind gäbe als zum Mann. Er kann frei entscheiden ob er eine Beziehung zu seinem Kind auf-bauen möchte oder nicht. Doch die volle Verantwortung liegt bei der Frau, die über die Geburt des Kindes letztendlich selber entscheiden kann (Pak, 1995, S. 62).
4.2. Durkheim ’ sche Tradition
Die symbolisch orientierte Durkheimsche Tradition befindet sich wie die Konflikttradition auf der makrosoziologischen Ebene. Sie befasst sich jedoch mit emotionalen Themen der Gesellschaft und betrachtet diese auf einer objektiven Sichtweise (Collins, 1994, S. 181). Durkheim stellt in seiner Theorie ähnlich wie in einem Experiment zwei unterschiedliche Situationen in der Gesellschaft ge-genüber und vergleicht sie unter Konditionen, wenn etwas geschieht oder wenn etwas nicht geschieht (Collins, 1994, S. 183). Als Beispiel führte er die Selbstmor-drate an. In seiner Selbstmordtheorie untersuchte Durkheim keine Faktoren, die jeden einzelnen Menschen zum Selbstmord führten, sondern wollte beweisen, dass entscheidend der Zusammenhalt in einer Gesellschaft die Selbstmordrate beeinflusst. In einem Land wo soziale Bindungen stärker sind, das heißt beispiels-weise Menschen verheiratet sind, religiös sind oder Kinder haben, ist die Selbstmordrate niedriger als in Gesellschaften, in denen es weniger der Fall ist (Collins, 1994, S. 183-184).
Der Zusammenhalt einer Gesellschaft durch bestimmte Faktoren wird in der Durkheimsche Tradition als Problem der sozialen Ordnung gesehen. Beispiels-weise nennt Durkheim die „Strukturelle Beziehung zwischen Menschen“ (Collins, 1994, S. 186). Wenn eine größere Anzahl von Menschen zusammenkommt, bzw. die Bevölkerung größer ist hat dies eine starke Auswirkung auf die gesamte Struktur der Gesellschaft und durch diese Bevölkerungsdichte bekommt jeder Mensch eine „spezialisierte Rolle“ (Collins, 1994, S. 186-187). Beispielsweise konnten Bauerngemeinschaften in kleinen Dörfern praktisch alles selber herstel-len. Viele Mitglieder sind für die Aufgaben unspezialisiert gewesen aber konnten sie selbstständig erledigen. Bei einer hohen Bevölkerungsdichte ändert sich die Gesellschaftsstruktur und es entstehen verschiedene spezialisierte Berufe, die einst ein Bauer selbstständig erledigen konnte (Collins, 1994, S. 187).
Rituale werden in dieser Tradition als eine Art Mechanismus bezeichnet, die soziale Bedeutungen produzieren. Dabei spiegeln die Inhalte der Ideen die struk-turelle Gesellschaft wider (Collins, 1994, S. 212). Beispielsweise reproduzieren religiöse Rituale die Klassenstruktur in der Gesellschaft, indem sie kulturelle Un-terschiede und das moralische Bewusstsein der Menschen beeinflussen (Collins, 1994, S. 216).
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