Das Arbeitsvölkerrecht erlangt in der Wissenschaft und Rechtsprechung immer mehr an Bedeutung. In einer für ein Teilgebiet des internationalen Rechts typischen Weise erfolgen die Normsetzung, Auslegung und Durchsetzung der Standards durch verschiedene und voneinander unabhängige Akteure. Gegenstand dieser Seminararbeit ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Es soll aufgezeigt werden, wie der Gerichtshof die bedeutenden Instrumente der International Labour Organisation und die Europäische Sozialcharta in seinen Entscheidungen rezipiert. Dabei wird die sich anhand des kollektiven Arbeitsrechts besonders stark abzeichnende Entwicklung dieser Rezeption dargestellt, um anschließend zu untersuchen, ob sie auch andere Bereiche der Menschenrechtskonvention betrifft. Dabei werden die insofern wichtigsten Entscheidungen des Gerichtshofs dargestellt.
Zudem dient diese Arbeit einer kritischen Analyse, die sich spezifisch auf die Rezeption der Normen der International Labour Organisation und Europäischen Sozialcharta bezieht. Eine Auseinandersetzung mit der Kritik offenbart erhebliche Bedenken an dem konkreten Umgang des Gerichtshofs mit den beiden Instrumenten. Hieran anknüpfend werden die Zulässigkeit des Vorgehens sowie die noch offenen Fragen und künftigen Herausforderungen erörtert. Schließlich wird die entscheidende Frage sein, ob der Gerichtshof mit seinem Vorgehen die sozialen Rechte stärken und Beiträge zur Kohärenz und Konvergenz im Arbeitsvölkerrecht leisten kann. Die Beantwortung dieser Fragen sowie ein realistischer Ausblick auf das Potenzial und die Grenzen der Annäherung schließen diese Arbeit ab.
Inhaltsverzeichnis
- ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
- A) EINLEITUNG
- B) DAS ARBEITSVÖLKERRECHT: EIN ÜBERBLICK
- I) International Labour Organisation
- II) Recht des Europarates
- 1) Europäische Menschenrechtskonvention
- 2) Europäische Sozialcharta
- III) Fazit
- C) REZEPTION VON ILO-ÜBEREINKOMMEN UND DER EUROPÄISCHEN SOZIALCHARTA DURCH DEN EGMR
- 1) Anfänge der Rezeption des Arbeitsvölkerrechts
- II) Entwicklung am Beispiel des kollektiven Arbeitsrechts
- 1. Zurückhaltung und Begrenzung der Konvention
- 2. Zunehmende Relevanz des Arbeitsvölkerrechts
- a) Wilson, National Union of Journalists and Others
- b) Sørensen and Rasmussen und Aslef
- 3. Systematische Integration des Arbeitsvölkerrechts
- a) Demir and Baykara und Enerji Yapi-Yol Sen
- b) Die Systematik der Demir and Baykara Entscheidung
- 4. Anschliessende Entwicklungen
- a) Gemischte Signale in der Entscheidung RMT
- b) Jüngere Rechtsprechung im Lichte von Demir and Baykara
- 5. Fazit
- III) Rezeption im Zusammenhang mit weiteren Konventionsgarantien
- 1. Art. 4 EMRK: Verbot der Zwnags- oder Pflichtarbeit
- 2. Art. 8 EMRK: Schutz der Privatsphäre
- a) Der Fall Sidabras und das Recht auf Arbeit
- b) Diskriminierungsschutz
- c) Persönlichkeitsschutz am Arbeitsplatz
- d) Schutz vor Gefahren am Arbeitsplatz
- 3. Art. 6 EMRK: Recht auf ein faires Verfahren
- 4. Art. 10 EMRK: Meinungsfreiheit
- 5. Zusatzprotokoll Nr. 1 zur EMRK: Soziale Sicherheit
- 6. Fazit
- D) ANALYSE DER REZEPTION DURCH DEN GERICHTSHOF
- I) Anwendungsfälle
- II) Beeinflussende Faktoren bei der Rezeption
- 1. Gemeinsame Standards oder Trends
- 2. Von einer breiten Mehrheit ratifizierte Normen
- 3. Spektrum einschlägiger Rechtsquellen
- 4. Große Kammer vs. Sektionen
- 5. Fazit
- III) Kritik und Herausforderungen
- 1. Die wesentliche Kritik an der systematischen Integration
- 2. Auseinandersetzung mit dieser Kritik
- 3. Herausforderungen und offene Fragen
- a) Anerkannte Regeln und Grundsätze
- b) Inkohärenz internationaler Regelungen
- c) Transparenz und Einheitlichkeit
- 4. Fazit
- IV) Die Auswirkungen und Grenzen der Rezeption
- 1. Erhöhte Wirkkraft sozialer Rechte
- 2. Kohärenz und Konvergenz im Arbeitsvölkerrecht
- 3. Realistischer Ausblick und Grenzen
- a) Die Konvergenz und ihre Grenzen
- b) Weiteres Potenzial
- 4. Mittelbare Folgen - Zusammenspiel mit dem EuGH
- 5. Fazit
- E) RESÜMEE UND AUSBLICK
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese wissenschaftliche Hausarbeit analysiert die Rezeption von ILO-Übereinkommen und der Europäischen Sozialcharta durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Bereich des Arbeitsvölkerrechts. Die Arbeit untersucht, wie der EGMR diese internationalen Rechtsnormen in seine Rechtsprechung integriert und welche Auswirkungen dies auf die Kohärenz und Konvergenz im Arbeitsvölkerrecht hat.
- Die Rezeption von ILO-Übereinkommen und der Europäischen Sozialcharta durch den EGMR.
- Die Entwicklung der Rezeption im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts.
- Die Integration von Arbeitsvölkerrecht in die Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit anderen Konventionsgarantien.
- Die Analyse der Faktoren, die die Rezeption beeinflussen.
- Die Kritik und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Rezeption von Arbeitsvölkerrecht durch den EGMR.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel gibt einen Überblick über das Arbeitsvölkerrecht, einschließlich der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und des Rechts des Europarates, insbesondere der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Europäischen Sozialcharta.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Rezeption von ILO-Übereinkommen und der Europäischen Sozialcharta durch den EGMR. Es untersucht die Anfänge der Rezeption und die Entwicklung der Rechtsprechung des EGMR im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts, insbesondere im Zusammenhang mit der Entscheidungslinie von Wilson, National Union of Journalists and Others, Sørensen and Rasmussen und Aslef, Demir and Baykara und Enerji Yapi-Yol Sen sowie RMT.
Das dritte Kapitel analysiert die Rezeption des Arbeitsvölkerrechts im Zusammenhang mit anderen Konventionsgarantien, wie z.B. dem Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit, dem Schutz der Privatsphäre, dem Recht auf ein faires Verfahren, der Meinungsfreiheit und der sozialen Sicherheit.
Das vierte Kapitel analysiert die Rezeption des Arbeitsvölkerrechts durch den EGMR und untersucht die Faktoren, die die Rezeption beeinflussen, wie z.B. gemeinsame Standards, die Ratifizierungsraten von Normen, das Spektrum einschlägiger Rechtsquellen und die Praxis der Großen Kammer gegenüber den Sektionen des Gerichtshofs.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Kritik an der systematischen Integration des Arbeitsvölkerrechts durch den EGMR und den Herausforderungen, die sich aus dieser Praxis ergeben. Es untersucht die Auswirkungen und Grenzen der Rezeption sowie das Zusammenspiel mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
Schlüsselwörter
Arbeitsvölkerrecht, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, ILO-Übereinkommen, Europäische Sozialcharta, Rezeption, Kohärenz, Konvergenz, kollektives Arbeitsrecht, soziale Rechte, Menschenrechte, Rechtsprechung, internationale Normen.
- Quote paper
- David Weiß (Author), 2019, Kohärenz und Konvergenz im Arbeitsvölkerrecht: Zur Rezeption von ILO-Übereinkommen und der Europäischen Sozialcharta durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/544394