Wo könnte Karl der Große nach seinem Tod im Jahr 814 bestattet worden sein? Dieser Frage soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden.
Zunächst soll die Grablege Karl des Großen beschrieben werden, sowie die Zeitabschnitte in den folgenden Jahrhunderten, in denen das Grab eine wichtige Rolle spielte, vorgestellt werden. Im nächsten Schritt werden zunächst die archäologischen Befunde dargelegt, ehe auf die schriftlichen Quellen eingegangen werden soll.
Die Frage der Sitzbestattung soll dagegen nur kurz angerissen werden, da sie zwar für einige Theorien wichtig ist, aber sie allein sehr viel Raum für Interpretationen bietet und den Rahmen der vorliegenden Arbeit überschreiten würde. Danach sollen verschiedene Lokalisierungsmöglichkeiten für die Grablege vorgestellt und im Anschluss diskutiert werden.
Karl der Große war ohne Zweifel einer der bedeutendsten Herrscher des Mittelalters. Am 28. Januar 814 starb der Kaiser in Aachen. Es ist davon auszugehen, dass er im heutigen Aachener Dom, der damaligen Marienkirche, bestattet wurde. Seit über 200 Jahren wird allerdings darüber gerätselt, an welcher Stelle er dort begraben wurde.
Zwar ist die Lage seiner Gebeine wohlbekannt, denn diese ruhen seit seiner Heiligsprechung 1215 in einem Reliquienschrein im Aachener Dom, die Frage nach dem ursprünglichen Bestattungsort ist aber trotzdem eine der wichtigsten Fragen der Aachener Geschichte und konnte von der Forschung bisher nicht geklärt werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Die Geschichte des Grabes
1. Die Grablege Karls des GroBen
2. Die Graboffnung durch Otto III. und die Umbettung Karls
III. Die Quellen 5
1. Archaologische Befunde
2. Die schriftliche Uberlieferung der Graboffnung
a) Die Chroniken des Klosters Novalese
b) Ademar von Chabannes
c) Thietmar von Merseburg
d) Hildesheimer Annalen
IV. Die Intention der Quellenautoren und die Sitzbestattung
1. Intention der Quellenautoren
2. Die Sitzbestattung
V. Lokalisierungsmoglichkeiten fur die Grablege Karls des Grofien
1. Das Arkosolgrab
a) Die Theorie zum Arkosolgrab
b) Kritik am Arkosolgrab
2. Die Fundamentlucke in der Chorschwelle
a) Die Theorie zur Fundamentlucke
b) Kritik am Grab in der Fundamentlucke der Chorschwelle
3. Das Throngewolbe
4. Das leere Grab im Westbau
a) Die Theorie zum Grab im Westbau
b) Kritik am leeren Grab im Westbau
5. Das Erdgrab hinter dem karolingischen Altarfundament
a) Die Theorie des Erdgrabs
b) Kritik am Erdgrab hinter dem karolingischen Altarfundament
VI. Schluss
Quellen- und Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Karl der GroBe war ohne Zweifel einer der bedeutendsten Herrscher des Mittelalters. Am 28. Januar 814 starb der Kaiser in Aachen. Es ist davon auszugehen, dass er im heutigen Aachener Dom, der damaligen Marienkirche, bestattet wurde. Seit uber 200 Jahren wird allerdings daruber geratselt, an welcher Stelle er dort begraben wurde. Zwar ist die Lage seiner Gebeine wohl bekannt, denn diese ruhen seit seiner Heiligsprechung 1215 in einem Reliquienschrein im Aachener Dom, die Frage nach dem ursprunglichen Bestattungsort ist aber trotzdem eine der wichtigsten Fragen der Aachener Geschichte und konnte von der Forschung bisher nicht geklart werden. Wo konnte Karl der GroBe nach seinem Tod im Jahr 814 bestattet worden sein? Dieser Frage soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden.
Aus den uberlieferten Quellen lassen sich wichtige Hinweise zum Grabesort entnehmen. Diese Quellen lassen sich nach drei Ereignissen gliedern, in denen im Laufe der Jahrhunderte immer wieder vom Grab berichtet wurde. Zum einen sind es zeitgenossische Berichte aus der ersten Halfte des 9. Jahrhunderts, die seine Bestattung schildern. Hier ist vor allem der Bericht des Hofbiographen Einhard hervorzuheben. Uber den Ort des Grabes wird danach erst wieder im Jahr 1000 berichtet, als der Kaiser Otto III. das Grab Karls des GroBen suchen und offnen lieB. Wichtige Quellen hierzu sind die Chroniken des Klosters Novalese, Ademar von Chabannes, die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und die Hildesheimer Annalen. 1165 plante Kaiser Friedrich Barbarossa die Heiligsprechung Karls des GroBen und lieB aus diesem Grund sein Grab offnen und die Gebeine in einen kostbaren Reliquienschrein umbetten. Auch hierzu gibt es einige Quellenberichte, auf die in dieser Arbeit eingegangen werden soll. Die archaologische Wissenschaft beschaftigt sich seit langer Zeit mit der Suche nach dem Grab. Grabungen zwischen 1910 bis 1914 fanden keine Spur des Karlsgrabes. Jungst erfolgte Grabungen von 2007 bis 2010 brachten erneut keine neuen Erkenntnisse.
In der Forschung wurden die vielfaltigsten Orte fur das Grab Karls des GroBen diskutiert. Der Aachener Dombaumeister Josef Buchkremer vermutete das Grab in einem Sechzehneck der Aachener Marienkirche als Arkosolgrab.1 Sein scharfster Kritiker ist Eduard Teichmann, der ein Zweikaisergrab hinter dem Marienaltar vermutete.2 Heike Drechsler fasste den bisherigen Forschungsstand zusammen und schloss sich mit einigen kleineren Korrekturen Eduard Teichmann an.3 Felix Kreusch vermutete das Grab in einer Fundamentlucke der Chorschwelle.4 Leo Hugot, Heinrich Wismann und Helmut Beumann verorten das Grab in der Westhalle der Marienkirche.5 Axel Hausmann nennt ein mogliches Gewolbegrab unter dem heutigen „Karlsthron“.6 7 Besonders hilfreich bei der Ausarbeitung der vorliegenden Arbeit war der Aufsatz Heike Drechslers mit dem Titel „Uberlegungen zur Grablege Karls des GroBen und Ottos III. im Aachener Munster“ , der einen detaillierten Uberblick uber die in der Geschichtswissenschaft diskutierten Theorien bot. Der Historiker muss sich allerdings die Frage stellen, was sich aus der Perspektive der Forschung uberhaupt sicher sagen lasst und in welchen Punkten bloBe Theorien und Vermutungen untersucht werden mussen. Im Folgenden soll versucht werden, die schriftliche Uberlieferung zum Grab Karls des GroBen mit archaologischen Befunden in Einklang zu bringen.
Zunachst soll die Grablege Karl des GroBen beschrieben werden, sowie die Zeitabschnitte in den folgenden Jahrhunderten, in denen das Grab eine wichtige Rolle spielte, vorgestellt werden. Im nachsten Schritt werden zunachst die archaologischen Befunde dargelegt, ehe auf die schriftlichen Quellen eingegangen werden soll. Die Frage der Sitzbestattung soll dagegen nur kurz angerissen werden, da sie zwar fur einige Theorien wichtig ist, aber sie allein sehr viel Raum fur Interpretationen bietet und den Rahmen der vorliegenden Arbeit uberschreiten wurde. Danach sollen verschiedene Lokalisierungsmoglichkeiten fur die Grablege vorgestellt und im Anschluss diskutiert werden.
II. Die Geschichte des Grabes
II.1. Die Grablege Karls des Grofien
Nach der Kronung seines Sohnes Ludwigs des Frommen zum Mitkaiser verbrachte Karl der GroBe den Rest des Herbstes 813 in Aachen. Er verlieB die Stadt nur selten, um zu jagen. Im Winter erkrankte er an starkem Fieber und wurde im Januar bettlagerig. Das gewohnliche Heilmittel des Fleischliebhabers war das Fasten, doch auch dies half nicht mehr, die Symptome zu lindern. Er nahm nur noch flussige Nahrung zu sich und verspurte nun auch einen Schmerz in der Seite. Am siebten Tag seiner Bettlagerigkeit starb er, nachdem er zuvor zum letzten Mal die heilige Kommunion empfangen hatte. Einhard datiert dies auf den 28. Januar 814.8 9
AnschlieBend wurde der Korper Karls des GroBen gewaschen und in die Marienkirche gebracht. Einhard spricht hier nun von einer Unsicherheit, wo man Karl genau bestatten sollte, da er wahrend seines Lebens nie Angaben zu einem bevorzugten Begrabnisort gemacht habe.10 SchlieBlich einigte man sich darauf, ihn als Stifter der Marienkirche auch in derselben zu bestatten und zwar in einem Grab in der Erde.11 Er wurde noch am gleichen Tag in der Kirche begraben und ein Steinbogen mit einem Bild Karls und einer Inschrift uber seinem Grab errichtet.12 13 Allerdings nennt Einhard keinen konkreten Platz, an dem Karl der GroBe in der Kirche seine letzte Ruhe fand. Auch andere Quellen, die kurz von seinem Tod berichten, nennen keinen genauen Ort der Bestattung.
Im Jahr 882 uberfielen die Normannen Aachen. Nach verschiedenen Theorien wollten die Aachener das Grab Karls des GroBen vor einer Plunderung durch die Eindringlinge schutzen und entfernten deshalb jegliche Kennzeichnung des Grabes.14 Das bedeutet, dass der von Einhard genannte Bogen mit dem Bild und Titel Karls des GroBen wohl entfernt wurde.
Erst um 1030 berichtet Ademar von Chabannes in seiner Frankengeschichte genauere Einzelheiten der Bestattung. Laut ihm wurde der Leichnam des Kaisers einbalsamiert und sitzend auf einem goldenen Stuhl in einem Grabgewolbe bestattet.15 An Grabbeigaben nennt Ademar verschiedene Kostbarkeiten, unter anderem ein Diadem, das einen Splitter des Kreuzes von Jesus Christus enthalten haben soll. Den toten Kaiser habe man in kaiserlichen Gewandern gekleidet und sein Gesicht unter einem SchweiBtuch verhullt. Einen konkreten Ort der Bestattung nennt aber auch dieser Chronist nicht.16 17
II.2. Die Graboffnung durch Otto III. und die Umbettung Karls
Fast 200 Jahre nach dem Begrabnis suchte Kaiser Otto III. im Jahr 1000 in der Aachener Pfalzkapelle nach dem Grab Karls. Knut Gorich stellte in den Quellen dazu vier ubereinstimmende Angaben, beziehungsweise Motive fur eine Heiligsprechung fest: die Verehrung, die Bedeutung von Karls Gewandern, die Unversehrtheit der Gebeine und die Entnahme von Reliquien. Daher ist er der Ansicht, dass der Kaiser die Heiligsprechung Karls des GroBen plante und das Grab deshalb suchen und offnen lieB. Zur Offnung des Grabes gibt es vier verschiedene Quellen, die aus unterschiedlichen Perspektiven die Offnung des Grabes schildern und auf die spater naher eingegangen werden soll.
Zwei Jahre spater starb Otto III. Aufgrund seiner Verehrung fur Karl den GroBen wollte er wunschgemaB in seiner Nahe bestattet werden, jedoch machen die Quellen wiederum nur auBerst knappe Angaben zu seinem Begrabnis.18 Die schriftliche Uberlieferung lasst vermuten, dass er vor dem Marienaltar bestattet wurde.19 Dies ist im Zusammenhang mit dem Bestattungsort Karls des GroBen wichtig, denn es konnte einen Hinweis darauf liefern, wo nach dem Grab gesucht werden konnte.
Uber 150 Jahre spater ist das Grab Karls des GroBen erneut Stoff der Chronisten. Im Zuge der 1165 von Friedrich I. Barbarossa durchgefuhrten Heiligsprechung Karls des GroBen wurden seine Gebeine erhoben und in einen goldenen Schrein gelegt. Laut einer noch am selben Tag ausgestellten Urkunde fur die Abtei Bonne-Esperance sei der genaue Grabesort zuvor aus Angst vor inneren und auBeren Feinden unbekannt gewesen.20 Erst durch eine gottliche Offenbarung sei das Grab wiedergefunden worden. Lediglich zwei Urkunden von Friedrich I. Barbarossa sprechen von einer Suche nach dem Grab. Die Historikerin Heike Drechsler vermutet in diesem Zusammenhang, dass die Stiftsgeistlichkeit den genauen Ort des Grabes kannte und Barbarossa einen Tipp gab, wo nach dem Grab zu suchen sei.21 22 Fur die geplante Heiligsprechung Karls des GroBen musste ein Wunder nachgewiesen werden. Die in den beiden Urkunden Barbarossas ubermittelte Erscheinung stellte das benotigte Wunder dar und legitimierte somit die Heiligsprechung Karls des GroBen. Legt man dieses Topos zur Kanonisation Karls des GroBen beiseite, war also Barbarossa der Ort des Grabes bekannt. Im Vergleich zu den Berichten der Graboffnung durch Otto III. erwahnt aber keiner der Chronisten in seiner Quelle zum aufgefundenen Grab ein Grabgewolbe oder eine ungewohnliche Form der Bestattung, wie eine Sitzbestattung. 1215 fand die Reise der Gebeine Karls des GroBen schlieBlich ein Ende, da Friedrich II. sie in den Karlsschrein umbetten lieB, in dem sie noch heute liegen.23 24
III. Die Quellen
111.1. Archaologische Befunde
Viele Jahrhunderte lang nahm man an, dass sich unter dem groBen Oktogon der Martinskirche in der Mitte eine groBe Grabesgruft Karls des GroBen befunden habe. Bereits 1843 und 1861 in der Oktogonmitte durchgefuhrte Grabungen blieben allerdings ohne Ergebnis. Erst die von 1910 bis 1914 durchgefuhrte aufwendige Grabung in der Aachener Marienkirche bewies eindeutig, dass in der Oktogonmitte kein Grab gewesen sein kann.25 Ein romischer FuBboden- Estrich wurde gefunden, unter dem sich ein Heizkanal aus der Zeit der Romer befand. Dadurch, dass der jetzige FuBboden nur 1,32 m uber dem Estrich lag, wurde auf Grund der geringen Tiefe bewiesen, dass in der Oktogonmitte kein Begrabnis moglich gewesen ware.26 Es wurden aber mehrere Graber gefunden, bei denen die genaue Ausmessung sehr wichtig war, da ein 2,10 m langer, 0,64 m breiter und 0,62 m hoher Proserpinasarkophag noch heute im Aachener Munster steht, in dem nach Meinung der Forschung Karls der GroBe bestattet wurde. Als mogliche Grabesorte wurden deshalb immer nur die gefundenen Graber diskutiert, die ausreichende MaBe fur den Sarkophag hatten. Es wurde eine Grabstelle hinter dem heutigen Hauptaltar im Ostjoch des Umgangs gefunden, die von 1002 bis 1414 das Grab Ottos III. beherbergte. Die Grabanlage ist etwa 1 m breit, 2,80 m tief und 2,70 m lang und befand sich hinter einem freigelegten Altarfundament.27 Archaologisch betrachtet ist diese neben zwei daneben liegenden Heiligengrabern das einzige sich im Ostteil der Kirche befindende Erdgrab. Des Weiteren wurde auBer vielen anderen Grabern in der Westhalle ein 2,55 m langes und 1,10 m breites, leeres Grab mit einer Tiefe von 1,30 m in der Mitte gefunden.28 Weitere in der Eingangshalle gefundene Grabstatten wurden nicht genauer untersucht, weil damals dort niemand das Grab Karls des GroBen vermutete. Heike Drechsler bemangelt, dass die Grabungen der Archaologen keinem festen Schema folgten und nicht wirklich flachendeckend gegraben wurde.29
Von 2007 bis zum Mai 2010 wurden im Aachener Dom erneut archaologische Grabungen vorgenommen. Hier wurden auch Grabungen in der Vorhalle des Doms getatigt, es wurde aber im Bereich des gesamten heutigen Doms kein passendes Grab gefunden, da die altesten Funde aus dem 13. Jahrhundert stammten und somit junger als das Karlsgrab sind. Nach Einschatzung der Archaologen konnte sich das Grab allerdings im Bereich des heutigen Domhofes befinden. Ein abschlieBender Bericht der Grabungen wurde bisher allerdings noch nicht publiziert, weshalb im Folgenden auf einen Internetartikel verwiesen werden soll.30 31 Der Stadtarchaologe Andreas Schaub ist sich in jedem Fall sicher, dass das Grab im Bereich der Kirche zu finden sein musse. Weitere Grabungen in den kommenden Jahren mussen daruber Aufschluss geben.
111.2. Die schriftliche Uberlieferung der Graboffnung
Zur Verortung der Grabstatte Karls sind nur wenige Quellen erhalten, die Hinweise auf einen Ort geben. Beim bereits vorgestellten Text von Einhard ist vor allem wichtig, dass er explizit von einer Erdbestattung spricht und einen Steinbogen mit einer Inschrift und einem Bild Karls des GroBen als Kennzeichnung des Grabes nennt. Ansonsten macht er keine genaueren Angaben zum Ort des Grabes, ebenso wenig wie Ademar von Chabannes.32 33 Da auch die Umbettung durch Friedrich Barbarossa keine weiteren nutzlichen schriftlichen Uberlieferungen ergab und es auch keine sonstigen weiteren relevanten Befunde gibt, sollen im Folgenden nur Quellen zur Graboffnung durch Otto III. zu Rate gezogen werden. Wie bereits geschildert, wurde diese Offnung im Jahr 1000 von vier verschiedenen Autoren uberliefert, auf deren Texte nun eingegangen werden soll.
a) Die Chroniken des Klosters Novalese
Die Chroniken des Klosters Novalese wurden von einem Monch des Klosters Breme am Po bei Lomello zwischen 1027 und 1050 verfasst. Als einzige der vier Quellen sind hier die Informationen zur Graboffnung aus erster Hand, da sie dem Augenzeugenbericht des Pfalzgrafen Otto von Lamello entstammen. Dieser betrat mit Otto III. und zwei Bischofen als Begleitern das Grab. Fur die Glaubwurdigkeit des Berichts gibt es verschiedene Hinweise, da Otto von Lomello nahe beim Kloster wohnte und es deshalb sehr wahrscheinlich ist, dass er personlich den Bericht an das Kloster gab. Laut ihm war der Ort der Grablege bekannt, denn er schreibt nicht, dass nach dem Grab gesucht wurde.34 35 In jedem Fall musste eine Gewolbedecke durchbrochen werden. Danach betraten Otto III. und seine drei Begleiter ein Gewolbe aus Kalk und Marmor. Dies lasst den Schluss zu, dass es sich um ein groBes Gewolbe gehandelt haben muss, da nur dann die vier Personen und der Leichnam Karls samt Grabbeigaben dort Platz gehabt hatten. Der Pfalzgraf ist erstaunt daruber, dass Karl der GroBe ungewohnlicherweise sitzend auf einem Thron bestattet wurde.36 Das Grabgewolbe Karls muss dementsprechend auch mindestens Sitzhohe gehabt haben. Der Kaiser Otto III. kleidet ihn dann in weiBe Gewander, schneidet ihm die Fingernagel ab und entnimmt Karl einen Zahn. Die auch im Tode weiterwachsenden Fingernagel sind angeblich ein Zeichen dafur, dass der Tote ein ewiges Leben hat. Dieses ewige Leben hat auch Auswirkungen auf den Leichnam auf der Erde. Otto von Lomello betont deshalb die Unverwestheit des Leichnams, ein Hinweis auf die Heiligkeit Karls des GroBen. Die Machtinsignien des Kaisers werden noch gefunden, ehe der ursprunglich vorgefundene Zustand der Grabstatte wiederhergestellt und das Geroll aufgeraumt wird.
b) Ademar von Chabannes
Die Frankengeschichte Ademar von Chabannes wurde um 1030 geschrieben. Laut den Schilderungen Ademar von Chabannes offenbart eine Vision Otto III. den Platz des Grabes. Nach dreitagigem Fasten wird er auch an der angegebenen Stelle fundig. Ademar nennt ein Gewolbe unter der Marienkirche als Fundort. Ebenso wie die Chroniken des Klosters Novalese schildert Ademar, dass Karl der GroBe sitzend auf einem goldenen Thron unverwest vorgefunden wird. Der Kaiser tragt auch im Tod noch seine Insignien. Als einzige Quelle schildert Ademar eine Umbettung Karls des GroBen in das rechte Schiff der Marienkirche. Beim Johannesaltar wird der Leichnam dem Volk gezeigt. AnschlieBend tauscht Otto III. mit dem Konig von Polen Boleslaw I. Reliquien aus, denn er schenkt ihm den goldenen Thron Karls und erhalt dafur Reliquien des heiligen Martyrers Adalbert.37 38 39 40 Daraus konnte man schlieBen, dass Otto III. aus dem Grab etwas entwendete, oder zumindest vom Leichnam Karls Fingernagel oder ahnliches mitnahm, um diese beim Reliquientausch mit Boleslaw zu verwenden.
[...]
1 Buchkremer, Joseph (1907): Das Grab Karls des GroBen. In: Aachener Geschichtsverein (Hg.): Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. Band 29. S. 72.
2 Teichmann, Eduard (1936): Zu der Lage des Zweikaiser-Grabes in der Aachener Pfalzkapelle. In: Historischer Verein fur den Niederrhein (Hg.): Annalen des Historischen Vereins fur den Niederrhein. Insbesondere das alte Erzbistum Koln. Dusseldorf. Band 128. S. 136.
3 Drechsler, Heike (1999): Uberlegungen zur Grablege Karls des GroBen und Ottos III. im Aachener Munster. In: Richard Bosel, Otto Kresten und Hermann Fillitz (Hg.): Romische Historische Mitteilungen 41. Wien. S. 152.
4 Kreusch, Felix (1965): Kirche, Atrium und Portikus der Aachener Pfalz. In: Wolfgang Braunfels und Hermann Schnitzler (Hg.): Karl der GroBe. Lebenswerk und Nachleben III: Karolingische Kunst. Dusseldorf. Band 4. S. 499.
5 Beumann, Helmut (1967): Grab und Thron Karls des GroBen zu Aachen. In: Wolfgang Braunfels und Schramm Percy Ernst (Hg.): Karl der GroBe. Das Nachleben. Unter Mitarbeit von Helmut Beumann, Bernhard Bischoff und Hermann Schnitzler. Dusseldorf. Band 4. S. 34.
6 Hausmann, Axel (1998): Kreis, Quadrat und Oktogon. Struktur und Symbolik der Aachener Kaiserpfalz. Aachen. S. 124.
7 Drechsler, Uberlegungen zur Grablege. S. 140 f.
8 Einhard, Vita Caroli Magni c. 31, hg. von Oswald Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, Hannover 1911, S. 35.
9 Einhard, Vita Caroli Magni c. 31, hg. von Oswald Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, Hannover 1911, S. 35.
10 Einhard, Vita Caroli Magni c. 31, hg. von Oswald Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, Hannover 1911, S. 35.
11 Einhard, Vita Caroli Magni c. 31, hg. von Oswald Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, Hannover 1911, S. 35: [...] humatum est.
12 Einhard, Vita Caroli Magni c. 31, hg. von Oswald Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, Hannover 1911, S. 35: In hac sepultus est eadem die, qua defunctus est, arcusque supra tumulum deauratus cum imagine et titulo exstructus.
13 Drechsler, Uberlegungen zur Grablege. S. 129.
14 Beumann, Grab und Thron. S.9.
15 Ademar v. Chabannes, Chronicon II 25, hg. von Jules Chavanon, Paris 1897, S. 105 f.
16 Drechsler, Uberlegungen zur Grablege. S. 130.
17 Gorich, Knut (1998): Otto III. offnet das Karlsgrab in Aachen. Uberlegungen zu Heiligenverehrung, Heiligsprechung und Traditionsbildung. In: Gerd Althoff und Ernst Schubert (Hg.): Herrschaftsreprasentation im ottonischen Sachsen. Sigmaringen. S. 429.
18 Drechsler, Uberlegungen zur Grablege. S. 136.
19 Chronica regia Coloniensis, hg. von G. Waitz, MGH SS rer. Germ. 18, Hannover 1880, S. 33: [...] ante altare sancte Marie in choro.
20 Beumann, Grab und Thron. S. 10.
21 Drechsler, Uberlegungen zur Grablege. S. 139.
22 Ebd. S. 139.
23 Lambertz, Das Grab. S. 5.
24 Ebd. S. 5.
25 Ebd. S. 12.
26 Teichmann, Zu der Lage. S. 137.
27 Ebd. S. 126.
28 Lambertz, Das Grab. S. 20.
29 Drechsler, Uberlegungen zur Grablege. S. 141.
30 Schaub, Andreas (2010): Archaologie in Aachen. In: Aachener Geschichtsverein (Hg.): Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. Aachen. Band 111/112. S. 10.
31 Silberer, Elke: Aachener Dom. Grab von Karl dem GroBen bleibt verschollen <http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,695574,00.html> [8.7.2011].
32 Einhard, Vita Caroli Magni c. 31, hg. von Oswald Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, Hannover 1911, S. 35.
33 Ademar v. Chabannes, Chronicon II 25, hg. von Jules Chavanon, Paris 1897, S. 105 f.
34 Chronicon Novaliciense III 32, hg. von Gian Carlo Alessio, Turin 1982, S. 182.
35 Drechsler, Uberlegungen zur Grablege. S. 132.
36 Chronicon Novaliciense III 32, hg. von Gian Carlo Alessio, Turin 1982, S. 182.
37 Chronicon Novaliciense III 32, hg. von Gian Carlo Alessio, Turin 1982, S. 182.
38 Ademar v. Chabannes, Chronicon III 31, hg. von Jules Chavanon, Paris 1897, S. 153 f.
39 Ademar v. Chabannes, Chronicon III 31, hg. von Jules Chavanon, Paris 1897, S. 153 f.
40 Ademar v. Chabannes, Chronicon III 31, hg. von Jules Chavanon, Paris 1897, S. 153 f.