Das Leben ist rasant geworden und das nicht nur zu unserem Vorteil. Auch wenn immer mehr Wohlstand den Alltag schmückt, erleben wir deutlich die Schattenseiten, in Form von Stress und Druck. Kommen dann noch Müdigkeit und Erschöpfung dazu, spricht man hier auch schnell vom sogenannten Burnout. Jeder Arbeiter war selbst schon von Erschöpfung und Stress betroffen, doch nicht jeder reagiert gleich darauf. So begegnet uns das Bild des "Stehaufmännchens".
Selbst in einem so bekannten Werk wie die Bibel, lernen und lesen wir von resilienten Geschichten wie die von Josef, der von seinen eifersüchtigen Brüdern ausgesetzt und nach Ägypten als Sklave verkauft wurde, später sich als rechte Hand vom reichen Mann Potifar hocharbeitete, dort aber wegen einer dreisten Lüge seiner Frau ins Gefängnis geworfen wurde, dennoch nicht verzagte und weiterhin das Leben bejahte. Menschen erleiden wie Josef Krisen, finden aber dennoch schier einfach ihren Draht zum Leben zurück. Sie reagieren deutlich widerstandsfähiger auf Belastungen. Wie kommt das und vor allem, wo kommt diese Widerstandskraft her?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung, Anlass und Ziel
2. Resilienz: Begriffliche Annäherung und Definition
2.1 Merkmale resilienter Personen
2.2 Wie das Umfeld den Menschen prägt - Sozialisationsprozesse
3. Biologische Korrelate von Resilienz
3.1 Neurobiologie
3.2 Genetik
3.3 Epigenetik
4. Fazit
5. Literatur
1. Einleitung, Anlass und Ziel
Das Leben ist rasant geworden und das nicht nur zu unserem Vorteil. Auch wenn immer mehr Wohlstand den Alltag schmückt, erleben wir deutlich die Schattenseiten, in Form von Stress und Druck. Kommen dann noch Müdigkeit und Erschöpfung dazu, spricht man hier auch schnell vom sogenannten Burnout. Jeder Arbeiter war selbst schon von Erschöpfung und Stress betroffen, doch nicht jeder reagiert gleich darauf. So begegnet uns das Bild des „Stehaufmännchens“.
Selbst in einem so bekannten Werk wie die Bibel, lernen und lesen wir von resilienten Geschichten wie die von Josef, der von seinen eifersüchtigen Brüdern ausgesetzt und nach Ägypten als Sklave verkauft wurde, später sich als rechte Hand vom reichen Mann Potifar hocharbeitete, dort aber wegen einer dreißten Lüge seiner Frau ins Gefängnis geworfen wurde, dennoch nicht verzagte und weiterhin das Leben bejahte. Menschen erleiden wie Josef Krisen, finden aber dennoch schier einfach ihren Draht zum Leben zurück. Sie reagieren deutlich widerstandsfähiger auf Belastungen. Wie kommt das und vorallem, wo kommt diese Widerstandskraft her?
Rutter (1990) vermutet etwa, dass Risikofaktoren nicht zwangsläufig das Entwicklungsergebnis bestimmen. In Längsschnittstudien, wie die von Werner & Smith (1982) wurde längst deutlich gezeigt, dass Kinder und Jugendliche, obwohl sie hohen Risikofaktoren ausgesetzt waren, eine positive Entwicklung erfuhren. Grund dafür sei die Widerstandsfähigkeit der Probanden (Waters & Sroufe, 1983). Auch in einem negativen Umfeld oder durch andere ungünstige Faktoren ist es scheinbar möglich eine positive Entwiklung zu nehmen. Augenscheinlich gibt es Einflüsse, die das Kind eines schlagenden Vaters auch zum Schläger machen, ein anderes Kind aber eine deutlich andere Entwicklung nimmt, als die ihm vorgegebene und damit Resilienz der Vergangenheit über zeigt (Berndt 2015). Beide Aspekte, die positive Entwicklung und die aversiven Lebensumstände, erfordern eine genauere Betrachtung.
Im Zeitraum von 1983 bis 2013 ist die Anzahl wissenschaftlicher Artikel zum Thema Resilienz um das hundertfache gestiegen (Schaffer 2014). Die hier vorliegende Arbeit soll den aktuellen Forschungsstand zur sogennanten Resilienz, insbesondere ihres Zustandekommens, darstellen. In erster Linie werden dabei Erkenntnisse aus der psychologischen und pädagogischen Resilienzforschung herangezogen. Dabei versucht es auch den Begriff Resilienz zu definieren und die Unterschiedlichkeit der Ursachen für Resilienz zu vermitteln. Damit soll erklärt werden, warum Menschen nicht zwangsläufig an Krisen zerbrechen. Schon lange versuchen Forscher die Gründe dafür herauszufinden, doch das ist keine leichte Sache, da Menschen oft selbst nicht erklären können, wie sie Schwierigkeiten überstanden haben.
2. Resilienz: Begriffliche Annäherung und Definition
Die Nutzung des Begriffs „Resilienz“ in dieser Arbeit, bedarf zur besseren Verständlichkeit einer Definition.
Das Wort Resilienz kommt vom lateinischen „resillire“ und bedeutet so viel wie „zurückspringen“ oder „abprallen“. „Damit ist die Fähigkeit eines Individuums gemeint, ‚erfolgreich mit belastenden Lebensumständen und negativen Stressfolgen umzugehen“ (Wustmann 2004, 18 zit. n. Fröhlich-Gildhoff/ Rönnau-Böse 2009, S. 9). Sie wird auch als Widerstandsfähigkeit bezeichnet.
Das Konzept der „psychischen Widerstandsfähigkeit“ und damit der Resilienz besagt, dass resiliente Menschen sogenannte Schutzfaktoren zur Verfügung haben, welche je nach Grad dieser resilienten Bildung, mehr oder weniger geschützt sind vor gesundheitlichen Schädigungen, ja diese gar förmlich an ihnen abprallen (Knoll, Scholz, Rieckmann, 2013, S.128). Auch der Begriff des „seelischen Immunsystems“ fällt in diesem Zusammenhang (Gruhl 2014). Das Gegenteil von Resilienz ist damit die Vulnerabilität, also die „Verletzlichkeit“.
Staudinger & Greve (2001, S.101) formulieren Resilienz als „Wiederherstellung normaler Funktionsfähigkeit nach erlittenem Trauma“ und der „ Erhalt der Funktionsfähigkeit trotz vorliegender beeinträchtigender Umstände“.
„Beeinträchtigende Umstände“ meinen damit alle Risikofaktoren, welche als Gesundheitsrisiken eingestuft werden können, wie z.B. gestaffelte Krankheit eines Angehörigen (Veranlagung), chronischer Stress, physische und psychische Überbelastung oder der Verlust der Arbeit, (Knoll, Scholz, Rieckmann, 2013, S.127-128). Im Allgemeinen bezeichnet Resilienz die „psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber biologischen, psychologischen oder psychosozialen Entwicklungsrisiken“ (Opp & Fingerle 2007, S.299-310).
Eine weitere entwicklungspsychologische Perspektive zur Darstellung von Parallelen und Unterschiedlichkeiten, erklärt den Begriff Resilienz als „die Fähigkeit von Menschen, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für persönliche Entwicklung zu nutzen“ (Welter-Enderlin & Hildenbrand, 2006, S.13). Damit wird der Begriff Resilienz nicht nur als Widerstandskraft definiert, sondern beschreibt diesen darüber hinaus als Entwicklungsprozess, welcher „nicht nur die ursprüngliche Lage wiederherstellt, sondern sie erfolgreich überwindet“ (Gruhl 2014, S.16). Sichtlich ist mit der letzten Definition auch, dass es sich bei Resilienz nicht um ein Persönlichkeitskonzept handelt, sondern um eine entwicklungspsychologische Konzeption. Das positive Bewältigen von Krisen und Entwicklungsaufgaben wirkt sich dabei positiv auf die weitere Entwicklung aus.
Es handelt sich bei Resilienz um eine dynamische Weite, die sich über den Zeitraum im Verhältnis zwischen Mensch- und Umweltinteraktion bildet (Petermann et al., 2004, S. 345). Nach Holtmann und Schmidt (2004, S.196) definiert der Ausdruck Resilienz „einen dynamischen oder kompensatorischen Prozess positiver Anpassung angesichts bedeutender Belastungen.“ Resilienten Persönlichkeiten gelingt es, schwierige Umstände, Ereignisse und Erfahrungen erfolgreich zu bewältigen und schadlos zu meistern. Resilienz ist somit keine überdauernde Charakteristik, sondern ein unstetes Design. Demnach können Personen in einem Entwicklungsabschnitt unbeschadet gegenüber bestimmten Bedingungen sein und gegenüber anderen Umständen eher disponiert erscheinen.
2.1 Merkmale resilienter Personen
Die Resilienzforschung fand heraus, dass ca. ein Drittel der Bevölkerungen durch Veranlagung und ihrer Lebensumstände gewisse Schutzfaktoren aufweisen, welche dabei verhelfen gestärkt aus Krisen hervorzutreten (Amann, Alkenbrecher, 2015). Diese inneren und äußeren Schutzfaktoren fassen Amann und Alkenbrecher (2015) folgend zusammen:
- Optimismus: Eine innere positive Betrachtungsweise gegenüber Wandlungen und ein positives Selbst- und Fremdbild.
- Akzeptanz: Eine wirklichkeitsgetreue Beziehung mit Begrenzungen , wie auch ungünstigen Umständen. Verkörpern treffender Rahmenbedingungen.
- Lösungsorientierung: Ein geistreicher und pragmatischer Umgang mit Problemen.
- Selbstregulation: Ein gesunder innnerer Gleichgewichtszustand und Ausgeglichenheit.
- Selbstverantwortung: Innere Gelassenheit, Beherrschung und schaffung von Selbstwirksamkeit.
- Beziehungsgestaltung: Interaktion, Kommunikation und Verbindung.
- Zukunftsorientierung: Entwicklung von Zielen, Sinnhaftigkeit im Sein und Tun.
- Improvisationsvermögen: Gerichteter und klarer Umgang mit unerwarteten Situationen.
Thimm (2009, S.66) beschreiben die Charakteristika resilienter Personen, wie eine Formel für das Glück, wie nachstehend zusammen: „Grundeigenschaften eines psychisch stabilen Menschen: Selbstvertrauen. Den Willen, das eigene Leben zu gestalten. Die Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen. Die Fährigkeit, Verantwortung zu übernehmen. Lust an der Herausforderung und Lust am Erfolg. Und Ziele, die das Leben sinnvoll erscheinen lassen.“
Die Grundhaltung dieser Personen ist somit positiv und lösungsfokussiert gestimmt, während Menschen ohne oder mit geringer Resilienz sich an den Ursachen festhalten und keine Veränderung wagen. In diesem Zusammnhang wird der resiliente Mensch mit einem Boxer im Ringkampf verglichen, welcher nach Schlägen zu Boden fällt, ausgezählt wird und dennoch gleich wieder aufsteht und seine Taktik in eine völlig neue Richtung ändert (Wolter 2005, S. 301).
2.2 Wie das Umfeld den Menschen prägt - Sozialisationsprozesse
Dass nicht nur die Gene uns zu dem machen, was wir sind, ist längst schon klar. Auch die Prägung der Umwelt und der Erziehungsstil der Eltern spielen eine beachtliche Rolle. In den 1950er-Jahren war es noch an der Tagesordnung als Kinderarzt den Eltern zu raten, sich nicht zu viel um die Kinder zu kümmern, Nahrung und Hygiene reichen völlig aus. Damit wurde kein schlechtes Ziel verfolgt, Verweichlichung und Verwöhnung sollten nur verhindert werden (Berndt 2015).
Nur wenige Jahre später, zeigten Waisenhäuser des Ceausescu-Regimes in Rumänien, das deutliche Gegenteil, nachdem das Regime zusammengebrochen war und die Heime betreten wurden. Kinder wurden unter grausamen Bedigungen wie Tiere in Käfigen gehalten. Häufig wie ein Hund an der Leine, wurden sie ans Bett gefesselt und bekamen nur dürftig Nahrung. Liebe, Führsorge oder Berührungen gab es keine. Die Kinder zeigten Apathie, waren schreckhaft und aggressiv (Laucht, Esser, Schmidt, 2001). Was Forscher zudem erstaunte, war, dass diese Kinder sich auch körperlich schnell Infekte und andere Erkrankungen zu zogen. Dem widerum entgegengesetztem Bild, zeigten Waisen eines Bukarester Heims, welche einer Pflegefamilie im Jahr 2000 zugesellt wurden und dort Nähe und Führsorge fanden, dass sie scheinbar durch diese Zuwendung, weniger zu Depressionen und Angsterkrankungen neigten (Borge, Rutter, Côté & Tremblay, 2004). Auch der Primatenforscher Stephen Suomi (1999) zeigte in seinen Studien, dass sich das Leben emotional verletzlicher Affenkindern völlig umkrempelte, nachdem sie in die Hände liebevoller Mütter zur Pflege kamen.
Bedeutende Studien führte die Kinderpsychiaterin Heidelise in einem Kinderkrankenhaus in Boston durch. Sie wies die dort arbeitenden Krankenschwestern an, auf alle noch so kleinsten Bedürfnisse der Frühegborenen einzugehen. Als Folge entwickelten sich die Frühchen bedeutend schneller und stärker. Sie erhielten menschliche Wärme und Fürsorge, erlebten Streicheleinheiten und ständige Zuwendung. Das Resultat waren weniger Defizite, als andere Frühchen, genauso durften sie auch früher nach Hause entlassen werden (Als, Lawhon, Duffy, McAnulty, GibesGrossman, Blickman, 1994).
Der exogenistische und interaktionstheoretische Bezug lässt die Umwelt als Entwicklungsfaktor deutlich werden (Nolting & Paulus, 2016). Diese Postionen machen dadurch den Begriff der Sozialisation greifbar, als ein sich Einleben in die Allgemeinheit, als Mensch gesellschaftlich werden (Hurrelmann, Grundmann & Walper 2008). Diese Sozialisationsprozesse dauern das ganze Leben an. Daran sind Personen und Institutionen gebunden. „Das Überleben von Kindern hängt von Ihrer Fähigkeit ab, sinnvolle und funktionierende Beziehungen zu anderen Menschen herzustellen. Sozialisation ist ein Prozess, in dem die Verhaltensmuster, Werte, Standards, Fertigkeiten, Einstellungen und Motive einer Person so geformt werden, dass sie mit denen übereinstimmen, die in einer bestimmten Gesellschaft als wünschenswert erachtet werden“ (Gerrig, Zimbardo, 2008, S. 390).
Die wichtigste Formungseinheit, ist die Familie in der Gesellschaft. Mit diesem Element verbunden steht der Begriff der Bindung. Begonnen mit der Zuwendung der Mutter, ist dies eine äußerst wichtige sozial-emotionale Beziehung, welche im ersten Schritt dem Schutz und der Versorgung dienlich ist (Gerrig, Zimbardo, 2008). Diese Bindungsbeziehung ist von großem Wert im Leben einses Individuums und damit eine große Ressource. Studien von Werner (1989) zeigen, dass das Bestehen einer halthabenden Bezugsperson in der frühen Kindheit, sich vorteilhaft im Kindes und Erwachsenenalter, auswirkt.
Viele Studien konnten deutlich machen, wie stark soziale Unterstützung die Stressanfälligkeit herabsenkt (Holahan et. al., 1997). Wenn wir uns vor Augen führen, welchen Unruhen und furchterregenden Ereignissen, Soldaten in Kampfgebieten ausgesetzt sind, ist allgemein bekannt, dass dies zu erheblichen Traumata führen kann und damit oft in eine posttraumatischen
Belastungsstörung (PTBS) münden. Hingegen zeigt eine Studie an Angehörigen der niederländischen Friedenstruppe im Libanon, dass Betroffene mit hoher sozialer Aktivität, weniger Symptome der PTBS aufweisen (Dirkzwager, Bramsen, van der Ploeg, 2003).
Damit beweist sich die Umwelt als großer Einflussfaktor für Resilienz. Stützsysteme von außen, auf die das Individuum zurückgreifen kann, anstatt alles alleine bewältigen zu wollen, zeigen sich als enorme Opportunität.
3. Biologische Korrelate von Resilienz
Biologischen Korrelaten der Resilienz wurde erst in den vergangenen Jahren vermehrt Beachtung geschenkt (Holtmann, Schmidt, 2004). Dabei wird z.B. der Frage nachgegangen, welche biologischen Eigenschaften und Besonderheiten Menschen aufweisen, die trotz ungünstiger Voraussetzungen (z.B. finanzielle Schwierigkeiten der Familie, Missbrauchserfahrungen) keine psychischen Störungen oder Verhaltensauffälligkeiten aufweisen.
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