In diesem Essay möchte ich mit der Frage beschäftigen, inwieweit die Katharer eine nonkonformistische Bewegung waren.
Bei den Katharern handelt es sich um die bedeutendste religiöse Bewegung des Mittelalters. Die Katharer waren keine Einheit, sondern sehr vielfältig und weit verbreitet. Sie starteten als Reformbewegung, grenzten sich später aber immer mehr von der katholischen Kirche ab. In einer dritten Phase kam es zu neuen Lehren oder auch Abwehrmechanismen, die diese Gruppe, dann immer stärker vom christlichen Glauben unterschied. Bei verfolgten Bewegungen, die später als Untergrundbewegungen fortgesetzt wurden, war es oft so, dass sie sich von der allgemeinen akzeptierten Kirchlichkeit unterschieden.
Unter dem Begriff Nonkonformismus versteht man eine "von der herrschenden Meinung unabhängige Einstellung". In diesem Fall bezieht sich die herrschende Meinung auf die Mehrheitskirche, der die meisten Menschen damals angehörten. Die Katharer wiederum bildeten eine Gruppe, die eine andere Einstellung gegenüber dem Kirchenverständnis hatte als die Mehrheitskirche.
"Die Geschichte der Katharer ist mehr oder weniger die Geschichte ihrer Verfolgung. Es gab nur sehr kurze Perioden, in denen sie ihren Glauben in aller Freiheit leben konnten – was zugleich bedeutet, dass man ihnen kaum die Zeit ließ, über ihr eigenes Schicksal selber Zeugnis abzulegen, während ihre Gegner alle Muße und obendrein die Pflicht hatten, die großen Etappen ihrer Vernichtung ausführlich zu dokumentieren".
Wer waren die Katharer? Warum aber waren die Katharer eine Bewegung, deren Lehre die Mehrheitskirche als Häresie ansah? Was unterschied die Lehre der Katharer von der einheitlichen Meinung der Mehrheitskirche? Inwieweit waren die Katharer somit eine Nonkonformistische Bewegung?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Katharer
2.1 Name
2.2 Geschichte
2.2.1 Vermehrtes Aufkommen religiöser Bewegungen
2.2.2 Die Geschichte der Katharer
2.3 Vergleich: Lehre der Katharer - Lehre der Mehrheitskirche
2.3.1 Hierarchie
2.3.2 Kult
2.3.3 Sakramente
2.3.4 Buße
2.3.5 Ehe
2.3.6 Dualismus
3. Fazit
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In diesem Essay möchte ich mit der Frage beschäftigen, inwieweit die Katharer eine nonkonformistische Bewegung waren.
Bei den Katharern handelt es sich um die bedeutendste religiöse Bewegung des Mittelalters. Die Katharer waren keine Einheit, sondern sehr vielfältig und weit verbreitet. Sie starteten als Reformbewegung, grenzten sich später aber immer mehr von der katholischen Kirche ab. In einer dritten Phase kam es zu neuen Lehren oder auch Abwehrmechanismen, die diese Gruppe, dann immer stärker vom christlichen Glauben unterschied. Bei verfolgten Bewegungen, die später als Untergrundbewegungen fortgesetzt wurden, war es oft so, dass sie sich von der allgemeinen akzeptierten Kirchlichkeit unterschieden.
Unter dem Begriff Nonkonformismus versteht man eine „von der herrschenden Meinung unabhängige Einstellung“1. In diesem Fall bezieht sich die herrschende Meinung auf die Mehrheitskirche, der die meisten Menschen damals angehörten. Die Katharer wiederum bildeten eine Gruppe, die eine andere Einstellung gegenüber dem Kirchenverständnis hatte als die Mehrheitskirche.
„Die Geschichte der Katharer ist mehr oder weniger die Geschichte ihrer Verfolgung. Es gab nur sehr kurze Perioden, in denen sie ihren Glauben in aller Freiheit leben konnten – was zugleich bedeutet, dass man ihnen kaum die Zeit ließ, über ihr eigenes Schicksal selber Zeugnis abzulegen, während ihre Gegner alle Muße und obendrein die Pflicht hatten, die großen Etappen ihrer Vernichtung ausführlich zu dokumentieren.“2
Wer waren die Katharer? Warum aber waren die Katharer eine Bewegung, deren Lehre die Mehrheitskirche als Häresie ansah? Was unterschied die Lehre der Katharer von der einheitlichen Meinung der Mehrheitskirche? Inwieweit waren die Katharer somit eine Nonkonformistische Bewegung?
2. Die Katharer
2.1 Name
„Der Name [der Katharer] geht auf die Bezeichnung καϑαροί, die Reinen, zurück […]. Sie selbst bezeichneten sich – neben cathari – als „gute Christen“ oder einfach nur als „Christen“, was bereits ihren religiösen Anspruch erkennen läßt.“3 Die Begriffe Perfectus und Perfecta dienten zur Bezeichnung derjenigen, “die im Gegensatz zu den einfachen Gläubigen das Sakrament des Consolament, die » Feuer- und Geisttaufe «, empfangen haben.“4 Dieses Vokabular ist aber nicht das der Katharer, sondern das ihrer Feinde. Eine andere feindlichere Deutung war folgende: „ Katharer, ein in der Mitte des 12. Jahrhunderts aufgekommenes Schimpfwort, entstammt der Feder eines rheinischen Mönches. Über die Bedeutung des Begriffs informiert uns der Theologe Alanus ab Insulis in seinem Werk De fide catholica (um 1200): Der Begriff kommt von lat. catus, »da sie, wie man erzählt, einem Kater den Hintern küssen«“5 In Form einer Katze erschien den Katharern angeblich „der Teufel“.6 Tremp schreibt, dass bereits die Katharer des 12. Jahrhunderts in Zusammenhang mit dem Teufel in Gestalt einer schwarzen Katze gesetzt wurden.7 „Von der Fremdbezeichnung „Katharer“ stammt auch das mittelhochdeutsche Wort Ketzer ab, das die Häretiker allgemein[…] bezeichnete.“8
„Ähnlich verhält es sich mit Perfectus und Perfecta. Mit den Begriffen hereticus perfecti und heretica perfecta wollen die Inquisitoren von den einfachen Gläubigen diejenigen Männer und Frauen unterscheiden, die nach dem Empfang des Consolament zu »vollendeten Häretikern, vollkommenen Häretikern« geworden waren […]. Der Begriff »vollkommen« wurde von den Häretikern genauso wenig verwendet wie das Wort »Katharer«. Diejenigen die das Consolament empfangen hatten, hießen »Freunde Gottes«, »gute Männer«, »gute Frauen«, »gute Christen «, »gute Christinnen«, manchmal auch nur einfach »Christen«, »Christinnen«[…].“9 Diese Bezeichnung ließ „bereits ihren religiösen Anspruch erkennen“10.
2.2 Geschichte
2.2.1 Vermehrtes Aufkommen religiöser Bewegungen
Im 11. Jh. und verstärkt im 12. Jh. kam es zu einem vermehrten Aufkommen neuer religiöser Bewegungen. Wieso war das der Fall?
Um diese Frage klären zu können, muss man sich die politische/kirchliche Situation im 11./12. Jhd. vor Augen führen.
Als Ausgangslage lag die „Verweltlichung“ der Kirche z.B. durch die starke Verstrickung in die weltliche Politik vor. Die Kirche legte Maßnahmen/Ziele fest, um die päpstliche Oberherrschaft wieder auszubauen und um einen neuen Klerus bzw. eine Kirche ohne weltlichen Bezug aufzustellen, da die Kirche kultische Reinheit zur Vorbildfunktion hatte. Man spricht auch davon, dass der Leitungsanspruch des Papsttums und die kirchliche Reformgesinnung sich mit dem programmatischen Gedanken der „Libertas ecclesiae“ – der Freiheit der Kirche verbanden.
Dieser Leitbegriff zielte auf eine Kirche als eigenständiges Rechtssubjekt, das keiner anderen Rechtsgewalt unterworfen ist. Die Betonung der kirchlichen Eigenständigkeit verband sich mit der Ausarbeitung eines papst- und kleruszentrierten Rechtssystems.
Man kann somit sagen, dass die Kirchenreform des 11. Jh. kurz zusammengefasst drei Ziele hatte:
1. Der Kampf gegen die Simonie (= Ämterkauf).
2. Die Durchsetzung des Pflichtzölibats.
3. Die Zurückdrängung des starken Einflusses der Laien in der Kirche.
Durch die starke Unterdrückung der Laien, die Angst vor dem Weltende und der Suche nach Heil kamen viele religiöse Bewegungen auf. Die Katharer waren wahrscheinlich aufgrund ihrer vorbildlichen Lebensweise und der engen Verflechtung zwischen Katharern und Bevölkerung sehr beliebt.11
2.2.2 Die Geschichte der Katharer
Daniela Müller schreibt in ihrem Lexikonartikel über die Katharer, dass es ab dem 11. Jh. in Frankreich, Italien, Deutschland und den Niederlanden zu einem vorerst sporadischen Auftreten von Ketzern kommt. Im 12. Jh. entstand, aus dem aus dem Osten über Händler und vor allem Kreuzfahrer mitgebrachtes Gedankengut, eine breite Bewegung mit starken Zentren vornehmlich in Südfrankreich und Oberitalien.12
Laut Aussage von Müller, baute Niketas 1167 eine Bistumsgliederung der Katharer auf. Hiermit beschritten die Katharer nun ihrerseits den Weg zur Verkirchlichung. „Während in Südfrankreich die Katharer, welche dort […] Albigenser genannt wurden, weiterhin eine geschlossene, sowohl dogmatisch wie organisatorisch in vier Diözesen verbundene Gruppe blieben, zerfielen auf Grund von Lehrdifferenzen die italienischen Katharer schon vor 1190 in sechs Diözesen mit drei unterschiedlichen Konfessionen: Albanenser, Bagnolenser, Concorezzianer. In Südfrankreich war es bereits 1181 zu einer kriegerischen Unternehmung gegen die Katharer gekommen; der eigentliche Ketzerkreuzzug wurde 1209–1229 gegen die Albigenser geführt, womit erstmals der Kreuzzugsgedanke in einem christli chen Land in die Praxis umgesetzt wurde. […] Dieser Albigenserkreuzzug zerstörte nicht nur die intakte Bistumsorganisation der Katharer, sondern auch die gesamte blühende Kultur Südfrankreichs […]. Trotzdem waren längst nicht alle Katharer vernichtet, und ihre Attraktivität war nicht erloschen. 1231 wurde die päpstliche Inquisition eingesetzt, die in den Händen der Bettelorden lag.“ Besonders in Südfrankreich waren durch den Kreuzzug viele Katharer zu Fall gebracht worden. Dennoch wurde die Inquisition, die 50 Jahre andauerte, eingesetzt und die Katharer verloren „soziologisch und theologisch ihr Profil. In Südfrankreich konnten sie sich in abgelegenen Pyrenäengegenden bis etwa 1330 halten, in Nordwestitalien und in Sizilien bis etwa 1412.“13
2.3 Vergleich: Lehre der Katharer - Lehre der Mehrheitskirche
2.3.1 Hierarchie
Bei den Katharern gab es drei Arten der Zugehörigkeit. Die unterste Stufe bestand aus den Förderern (lat. defensores). In der Mitte befanden sich die gläubigen Anhänger (credentes) oder auch die Hörer (audientes), „die erst auf dem Weg zum Consolamentum waren und noch verankert in weltlichen Belangen.“14 Diese zwei Stufen bestanden aus den Gläubigen, die als Heilsempfänger dienten. In der obersten Stufe befanden sich die Asketen, die als wiederum Heilsträger dienten. Man nannte diese die Vollkommenen (perfecti). Bei den perfecti handelte es sich um Laien, wobei das Amt sowohl Männern als auch Frauen („diese Gleichberechtigung erlangten sie über die Doktrin von der geschlechtlichen Neutralität der Seelen“15 ) ausgeübt werden konnte. Die perfecti waren Menschen mit einem besonders vorbildlichen Lebensstil, der unter anderem aus Enthaltsamkeit, „Abstinenz aller Speisen, die durch Zeugung entstanden waren [und] regelmäßige[m] Fasten“16 bestand. Im Katharismus gab es somit keine Priester. Die perfecti hatten eine besondere Gabe, und zwar konnten sie das Consolamentum ausführen. Bei dem Consolamentum handelt es sich um eine Spendung (auch am Sterbebett), die aus Handauflegung und Gebet bestand.17 „Durch das Consolamentum werden die Menschen mit dem Geist getauft und zu einem neuen Leben berufen. Dieses befreit die Menschen im tiefsten Sinne: Sie sind danach wahrhaft frei, nur noch das Gute tun zu können [ …].“18 Der Consolierte kann folglich nicht mehr sündigen, er ist dem Machtkreis des Bösen entzogen.19
[...]
1 Dr. Matthias Wermke u.a. (Hgg.), Art. Nonkonformismus, in: Duden23 1 (2004) ,695.
2 Michel Roquebert, Die Geschichte der Katharer. Häresie, Kreuzzug und Inquisition im Languedoc, Stuttgart 2012, 11.
3 Daniela Müller, Art. Katharer, in: TRE 18 (1989), 21-30.
4 Roquebert, Die Geschichte, 28.
5 Roquebert, Die Geschichte, 28.
6 Kathrin Utz Tremp, Monumenta Germaniae Historica, Bd. 59: Von der Häresie zur Hexerei. „Wirkliche“ und imaginäre Sekten im Spätmittelalter, Hannover 2008, 48ff.
7 Ebd.
8 Ebd., 29.
9 Roquebert, Die Geschichte, 28ff.
10 Müller, Katharer, 21-30.
11 Vgl. Prof. Dr. Andrea Strübind, 4.07.030 Vorlesung: Reformbewegung, Dissidenz, Nonkonformismus, VL_05_Katharer_Waldenser.
12 Müller, Katharer, 21-30.
13 Ebd.
14 Ebd.
15 Ebd.
16 Ebd.
17 Vgl. Prof. Dr. Andrea Strübind, 4.07.030 Vorlesung: Reformbewegung, Dissidenz, Nonkonformismus, VL_05_Katharer_Waldenser.
18 Müller, Katharer, 21-30.
19 Ebd.