Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Begriff "Text". Zuerst wird der Unterschied zwischen dem allgemeinen, alltäglichen Begriff und der wissenschaftlichen Darstellung des Textes offengelegt. Im Anschluss befasst sich die Arbeit mit der Geschichte der Textlinguistik, denn ohne Kenntnisse zu deren historischer Entwicklung ist es schwierig zu verstehen, warum der Begriff so rege diskutiert wird. Danach werden anhand mehrerer Beispiele Merkmale von Texten erläutert und Kritikpunkte angerissen, bevor Ansätze künftiger Forschung dargestellt werden. Die Textlinguistik erfreut sich heutzutage keiner so großen Beliebtheit wie andere sprachwissenschaftliche Bereiche, doch mit der rasanten Digitalisierung unseres Alltags ist es unerlässlich, über die neuesten Fragestellungen in der Textlinguistik und speziell im Bereich der Textanalyse zu sprechen.
Inhaltsverzeichnis
Einführung
1) Definition von „Text“
2) Entwicklung der Textlinguistik
3) Merkmale von Texten
4) Diskussion
Literatur
Einführung
Es ist allgemein bekannt, dass Texte ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens sind, denn sie machen einen Großteil der Kommunikation aus. Von der Geburt bis hin zur Sterbephase kommunizieren wir mit unseren Mitmenschen. Die Wege der Kommunikation sind dabei vielfältig. Es gibt schriftliche Sprache, gesprochene Sprache und Sprache, die mit visuellen Elementen operiert, auch Gebärdensprache genannt. Mit der wachsenden Präsenz des In- ternets in unserem Alltag nimmt auch die Bedeutung von Kommunikation im Web zu. Der Mensch ist ein soziales Wesen und braucht soziale Kontakte, die am schnellsten per Kom- munikation mit Mitmenschen gesammelt werden.
Ab den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden neue sprachwissenschaftliche For- schungsbereiche: die angewandte Linguistik, die Kommunikationswissenschaft, die Medi- endidaktik und natürlich die Textlinguistik, deren wissenschaftliches Augenmerk vor allem auf den Texten ruht. Es gibt interessante und langweilige Texte, humorvolle und sachliche, unterhaltsame und nichtssagende. Doch was ist ein Text und welche Merkmale muss er aufweisen, um als ein solcher zu gelten?
Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Begriff „Text“. Im ersten Kapitel wird der Unter- schied zwischen dem allgemeinen, alltäglichen Begriff und der wissenschaftlichen Darstel- lung des Textes offengelegt. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Geschichte der Text- linguistik, denn ohne Kenntnisse zu deren historischer Entwicklung ist es schwierig zu ver- stehen, warum der Begriff so rege diskutiert wird. Im dritten Kapitel werden anhand meh- rerer Beispiele Merkmale von Texten erläutert und Kritikpunkte angerissen, bevor Ansätze künftiger Forschung dargestellt werden. Die Textlinguistik erfreut sich heutzutage keiner so großen Beliebtheit wie andere sprachwissenschaftliche Bereiche, doch mit der rasanten Digitalisierung unseres Alltags ist es unerlässlich, über die neuesten Fragestellungen in der Textlinguistik und speziell im Bereich der Textanalyse zu sprechen.
1. Definition von „Text“
Das erste Kapitel widmet sich einer Definition des Textes. Zuerst wird dessen alltägliche Bedeutung erörtert. Weiterhin werden die sprachwissenschaftlichen Ansätze zum Thema zusammengefasst. Was ist ein Text? Ab wann gilt er als ein solcher und in welchen Fällen spricht man nicht mehr von Texten, sondern von Nicht-Texten?
Laut Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (DWDS) stellt ein Text „ (schriftlich) fi- xierte, thematisch zusammenhängende Folge von Aussagen1 “ dar. Basierend auf dieser Defi- nition bezieht sich der alltägliche Sprachgebrauch nur dann auf Texte, wenn die folgenden beiden Kriterien erfüllt sind: Ein Text ist ein schriftliches Medium und gleichzeitig eine Fol- ge von Aussagen, die sowohl in Form eines Lieds als auch als einer Unterschrift zu einer Ab- bildung in Erscheinung treten kann.2 Doch was sind Lieder, die inhaltlich keine Bedeutung aufweisen? Sind auch Gedichte, die scheinbar keine thematisch zusammenhängende Folge von Aussagen bilden, keine Texte? Folgt man der Definition des Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS), sind weltliche Literaturwerke als Texte zu betrachten. Andere sprachliche Botschaften, wie z.B. Comics oder SMS-Nachrichten, sind hingegen keine Tex- te.
In Wikipedia werden zusätzliche Merkmale aufgegriffen, die die Definition von Texten et- was erweitern: „Text (lateinisch texere ‚weben‘, ‚flechten‘) bezeichnet im nichtwissen- schaftlichen Sprachgebrauch eine abgegrenzte, zusammenhängende, meist schriftliche sprachliche Äußerung, im weiteren Sinne auch nicht geschriebene, aber schreibbare Spra- chinformation (beispielsweise eines Liedes, Films oder einer improvisierten Theaterauf- führung).“ 3
Wikipedia unterscheidet zwischen der engen und der weiten Definition von Text. Des Wei- teren wird postuliert, ein Text werde nicht durch das Merkmal der Schriftlichkeit bestimmt, denn es gebe auch mündliche Formen eines Textes. Außerdem greift Wikipedia die prag- matische Bedeutungsebene auf: Ein Text stellt demnach „die sprachliche Form einer kom- munikativen Handlung“ dar. Er fungiert also nicht als grammatische Einheit, sondern als eine Einheit der parole („a unit of language in use“).4
In der sprachwissenschaftlichen Literatur führt eine genauere wissenschaftliche Betrach- tung des Begriffs zu komplexeren Definitions- und Beschreibungsversuchen. So werden unterschiedliche Textdefinitionen angeführt, die anhand verschiedener Kriterien das verba- le Material in Texte und Nicht-Texte trennen. Somit ist der Meinung von Vater zu entspre- chen, der zufolge eine allgemeingültige Enddefinition nicht möglich ist, da es unterschied- liche Ansätze gibt, die einen „Text“ als Vorgang oder als Produkt kommunikativer Hand- lung betrachten (Vater 1992: 20).
2. Entwicklung der Textlinguistik
Wie aus Kapitel 1 hervorgeht, existieren aufgrund der Komplexität des Begriffs in der Textlinguistik mehrere Theorien zu der Frage, was ein Text ist. Die ursächlichen Hinter- gründe liegen in der Geschichte dieser Wissenschaft.
Schindler verortet den Beginn der Textlinguistik in der Mitte der 50er Jahre und verweist in diesem Zusammenhang auf Karl Boost, der „den Begriff der „Satzgemeinschaft“ ge- prägt (hat), die z. B. durch lexikalische Wiederholung oder Pronomengebrauch zustande komme“ (Schindler 2006: 1).
Mitte der 60er Jahre orientierte sich die Sprachwissenschaft zwar noch an den zentralen Begriffen Laut, Wort und Satz, doch diese wurden zunehmend als nicht ausreichend zur Beschreibung von Texten empfunden. Die satzzentrierte Grammatik konnte die Satzzusam- menhänge nicht erklären, neue Wege zum Verstehen sprachlicher Elemente und deren Funktionen wurden gesucht. Die programmatischen Arbeiten von Harweg (1968) und Hartmann (1968) markierten den Beginn der sprachsystematisch ausgerichteten Textlin- guistik in den späten 60er Jahren. In dieser Zeit wurden die Deskription und die Struktur des Satzes im Rahmen der strukturalistischen Linguistik als eine rein syntaktische Einheit der Grammatik untersucht. Damals galt nicht der Satz die oberste sprachliche Einheit, son- dern der Text. Somit wurde die Hierarchie der bis dahin angenommenen Einheiten des sprachlichen Systems (Phonem, Morphem/ Wort, Satzglied, Satz) lediglich um die Einheit „Text“ erweitert (Brinker 2015: 13-15).
Schindler führt erklärend Folgendes an: „Ein Text wird … als oberste sprachliche Einheit bestimmt, das durch grammatische Regeln zustande kommt, die eine Satzgrammatik nicht aufstellen kann. Als Text gilt eine zusammenhängende Folge von Sätzen (hier ist die Ab- hängigkeit von der Einheit Satz noch sehr deutlich) …“ (Schindler 2006: 2). In dieser ers- ten Phase war die Textlinguistik noch stark an die traditionelle satzzentrierte Grammatik angelehnt.
Die zweite Richtung der Textlinguistik, die sich ab den 1970er Jahren durchsetzte, die „kommunikationsorientierte Textlinguistik“, akzentuierte den Umstand, dass Texte immer in eine Kommunikationssituation eingebettet sind, „indem Sprecher und Hörer mit ihren sozialen und situativen Voraussetzungen und Beziehungen die wichtigsten Faktoren dar- stellen“ (Brinker 2015: 15). Diese Richtung basiert auf den Grundsätzen der linguistischen Pragmatik (die Sprechakttheorie von J.L. Austin 1955, bearbeitet und erweitert von J.R. Searle 1971). Der Text an sich wird nicht mehr als grammatisch verknüpfte Satzfolge ver- standen, sondern als eine (komplexe) sprachliche Handlung, in deren Kontext ein Spre- cher/ Schreiber eine bestimmte kommunikative Beziehung zum Leser/ Hörer herzustellen versucht (Brinker 2015: 16).
Die Ansicht, dass ein Text eine Einheit der sprachlichen Kommunikation darstelle und nicht nur als oberste Einheit mehrerer Sätze definierbar sei, revolutionierte die gesamte lin- guistische Welt, denn bis dahin waren Texte in der Textlinguistik als isolierte, statische Ob- jekte aufgefasst worden. Der Kontext hatte kaum Berücksichtigung gefunden. Ab den 70er Jahren wurde auch nach den Funktionen und den Zwecken eines Textes (appellativ, infor- mativ etc.) sowie nach der Art der Beziehung zwischen Produzent/en und Rezipient/en ge- fragt. Ebenso wichtig wurden weitere Faktoren, z.B. institutionelle Rahmenbedingungen, Annahmen des Produzenten über Rezipienten etc. (Schindler 2006: 2).
Es gibt zwar keine Definition vom Text, die keinerlei Kritik hervorruft, doch für die vorlie- gende Arbeit wurde ein Zitat von Brinker ausgewählt, das einen Text umfassend zu charak- terisieren imstande ist, weil es die kommunikative Funktion eines Textes hervorhebt und neben der schriftlichen Form weitere Varianten eines Textes zulässt: „Ein „Text“ ist eine sprachliche und zugleich kommunikative Einheit zu betrachten, d.h. als eine begrenzte, grammatisch und thematisch zusammenhängende (kohärente) Folge von (schrift-)sprachli- chen Zeichen, die als solche eine erkennbare kommunikative Funktion (Textfunktion) rea- lisiert“ (Brinker 2015: 23).
Insgesamt lässt sich feststellen, dass ein integrativer Textbegriff beide Ansätze umfasst (den sprachsystematisch ausgerichteten und den kommunikationsorientierten Ansatz), die in einem komplementären Verhältnis zueinander stehen, nicht in einem alternativen. Beide Theorien haben ein Existenzrecht, und es gibt mittlerweile keine Polarität mehr, denn der Text wird entweder als Produkt oder als Prozess menschlicher Kommunikation untersucht (Brinker 2015: 23).
3. Merkmale von Texten
Es ist allgemein bekannt, dass nicht jede beliebige Aneinanderreihung von Sätzen als Text akzeptiert werden kann. Die alltagssprachliche Verwendung des Wortes „Text“ ist aber nicht ganz einheitlich (vgl. Kapitel 1). Bestimmte Regeln bestimmen die Vertextung. Vater (1992: 28f.) analysiert die Textualitätskriterien5 von De Beaugrande/ Dressler (1981), an- hand derer sie zwischen Texten und Nicht-Texten unterscheiden: „Wenn irgendeines dieser Kriterien als nicht erfüllt betrachtet wird, so gilt der Text nicht als kommunikativ. Daher werden nicht-kommunikative Texte als Nicht-Texte behandelt“ (De Beaugrande/ Dressler 1981: 3, Zitat nach Vater 1992: 28). Weiterhin führen die Autoren sieben Kriterien und ihr Zusammenwirken auf. 1) KOHÄSION (lat. cohaesum, Partizip II von lat. cohaerere) = die Satzverknüpfung) Nach Beaugrande / Dressler (1981: 3f) ist die Kohäsion „die Art, wie die Komponenten des Oberflächentextes, d.h. die Worte, wie wir sie tatsächlich hören oder sehen, miteinan- der verbunden sind. Die Oberflächenkomponente hängen durch grammatische Formen und Konventionen voneinander ab, so dass also Kohäsion auf grammatischen Abhängigkeiten beruht“ (Vater 1992: 29).
Vater relativiert diese Definition, indem er feststellt, dass die Kohäsion zwar als grammati- sche Relation zwischen Einheiten des Textes aufzufassen sei, „es jedoch vorwiegend um satzübergreifende Relationen geht“ (Vater 1992: 30). Kohäsion gibt es also auch ohne satz- übergreifende Relationen.
Sie betrifft alle Bereiche der Grammatik:
a) Phonologische Kohäsion (vorwiegend in Gedichten, künstlerischen Texten)
Sie findet in folgenden Formen Anwendung: Rhythmus, Reim, Lautsymbolik, Intonation, Pausenstruktur. Die Punktuation spielt dabei eine wichtige Rolle (Punkt und Komma, Aus- rufe- und Fragezeichen, Semikolon, Doppelpunkt etc.).
T1: Auf die Berge will ich steigen, Wo die frommen Hütten stehen, Wo die Brust sich frei erschließet, Und die freien Lüfte wehen. (Heinrich Heine, „Die Harzreise6 “)
b) Morphologische Kohäsion findet sich v.a. bei Wortneubildungen, die durch den umge- benden Text motiviert und interpretierbar werden. So sind die Wörter Brexshit und Brex- tinct nur dann verständlich, wenn man die politische Diskussion zu diesem Thema verfolgt.
T2: London - Mit dem Brexit wird in Großbritannien so manches Wortspiel getrieben - „Brexshit“ zum Beispiel. Nun ist ein neues hinzugekommen: „Brextinct“ - eine Zusam- mensetzung aus Brexit (EU-Austritt) und extinct (ausgestorben). Damit titelt die briti- sche Zeitung „The Sun“ am Mittwoch, samt der Karikatur von Premierministerin The- resa May als Dodo - einem ausgestorbenen Vogel.7
c) Syntaktische Kohäsion wird durch die syntaktischen Verbindungen im Satz präsent, z.B. mittels Pronominalisierung:
T3: Paul hat angerufen. Er kommt morgen.
Auch durch Konnektoren wie Konjunktionen und Subjunktionen, und oder weil dass, Re- lativwörter, der, die, das, welcher etc., und durch Präpositionen, wegen, trotz etc., kann sie zum Ausdruck gebracht werden. Junktionen kennzeichnen z.B. kausale oder temporale Re- lationen zwischen Sätzen:
T4: Kahn kritisierte seinen Chef. Daher wurde er entlassen. (Vater 1992: 36)
d) Rekurrenz (lat. recurrere „zurücklaufen“, „wiederkehren“):
T5: „Ich komme vom Norden her“ - „Und ich vom Süden“ - „Und ich vom Meer“ (Th. Fontaine, Die Brück am Tay).
Rekurrenz tritt am häufigsten in gesprochener Rede und in literarischen Werken auf. In me- dialen Texten und Sachtexten ist sie eher unbeliebt (Graefen 2012: 299)
e) Ellipse, Aussparen von Redeteilen, z.B.: Hans liebt Marie und Willi auch.
Mehrere Autoren heben zwar die Rolle der Kohäsion im Text hervor, bemerken aber, dass sie allein nicht ausreiche, um einen Text als Text bezeichnen zu können. Es muss einen in- haltlichen Zusammenhang, „einen roten Faden“ geben. (Lindner 2014: 260)
Ein Beispiel für einen Nicht-Text trotz vorhandener Kohäsion ist nachfolgend aufgeführt:
T6: Es gibt niemanden, den ihr Gesang nicht fortreißt. Unsere Sängerin heißt Josephine. Gesang ist ein Wort mit fünf Buchstaben. Sängerinnen machen viele Worte. (Wawzyrniak 1980: 54, Zitat nach Vater 1992: 16).
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1 https://www.dwds.de/wb/Text
2 ebd.
3 www.wikipedia.de/Text
4 ebd.
5 Die Eigenschaft des „Text-Seins“ bezeichnet man als Textualität.
6 Heine, H. Sämtliche Werke. Artemis & Winkler Verlag, München 1969
7 Heine, H. Sämtliche Werke. Artemis & Winkler Verlag, München 1969