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Seminararbeit, 2017
10 Seiten, Note: 2,0
1 Einleitung
2. Begriffsdefinition
3. Der Mensch als soziales Wesen / Helfen
4. Das Paradigma Systemischer Sozialen Arbeit
5 Fazit
6. Literatur
Aufgrund meiner sozialarbeiterischen Grundausbildung an einer damaligen Akademie für Sozialarbeit kam ich vom Beginn an mit den Theorien von Silvia Staub-Bernasconi in Berührung.
Ihr Denken in Systemen hat mich (nicht nur damals) beeindruckt und beeinflusst.
Bei der Bekanntgabe der zu lesenden Literatur war ich daher froh, dass ein Artikel von ihr in die Leseliste aufgenommen wurde.
In diesem Essay widme ich mich einerseits jenen Texten, die zu Beginn des Semesters behandelt wurden, andererseits dem Text von Silvia Staub-Bernasconi.
Dies deshalb, weil bei den ersten Texten für mich besonders viel Unbekanntes zu erfahren war. Der Text von Staub-Bernasconi und die anschließende Diskussion haben darüber mich zum Nachdenken über die Grenzen, oder eben Nicht-Grenzen des Systemischen Ansatzes gebracht.
Gleich der erste Text lieferte eine Überraschung: Kein Verweis auf Sozialarbeit, kein Bezug zur Sozialpädagogik. Aber Nachdenken darüber, was eigentlich ein Paradigma ist!
Im Nachhinein eigentlich logisch, denn ohne Begriffsklärung gibt es keine gemeinsame Verständigung und Übereinkunft, was denn der verwendete Begriff bedeuten soll.
Beim gewählten Text zeigte sich gleich auch, dass Kenntnisse des Altgriechischen zu einem einfacheren Verständnis des selben verholfen hätten.
Platons Verständnis des Paradigmas als Fall des Allgemeinen und damit als Muster bzw. Modells bis hin zum Paradigma als Standard musste also nur auf Deutsch erarbeitet werden, was intensives Lesen notwendig machte.
Dabei zeigte sich beginnend mit Plato die Weite des Begriffes in den folgenden Jahrtausenden.
Zusammenfassend ergibt sich nach Rentsch (2007: 74), welche der fünf Bedeutungen des Begriffs Paradigma die Lehrveranstaltung beherrschen sollte, nämlich jene des Paradigmas als dominierende wissenschaftliche Orientierung.
Sozialarbeit zählt sich in seiner Eigenbeschreibung zu den „helfenden Berufen“.
Die Frage, warum Menschen (einander) helfen, hat nicht überrascht, die angebotene Antwort schon. Nach meinem Vorverständnis war bzw. ist es in der Darwinschen Evolutionslehre ein Wettbewerbsvorteil einer Gruppe/Art, wenn sie sich gegenseitig hilft, da sie damit ihr Überleben wahrscheinlicher macht. Dies gilt sowohl für die kleinste Einheit (Familie), als auch die größte, in diesem Fall also die gesamte Menschheit. Und wenn die Hilfe auf Gegenseitigkeit beruht, wird sogar das einzelner Individuum dafür belohnt, da es sich ja im Bedarfsfall auch der Hilfe anderer sicher sein kann. Damit wird die Gruppe (von der Familie bis zur Art) gestärkt und ihr ein Wettbewerbsvorteil im Überlebenskampf verschafft.
Der Altruismus, dem das Helfen scheinbar innewohnt, hat also (auch) durchaus egoistische Vorteile.
Besonders deutlich wurde dies im Text von Batson, der die empathische Anteilnahme, welche Sympathie, Mitgefühl und Herzlichkeit das eigene Unwohlsein und die eigene psychische Belastung gegenüberstellt, die damit verbunden ist, das Leid anderer, in dem benannten Fall eines Babys, gegenüberstellt. Zu Helfen kann also auch das Ergebnis einer auf sich selbst zentrierten, egozentrischen Emotion sein (Batson 2015: 30). Es mag zwar eine desillusionierende Erkenntnis sein, lässt sich aber mit ein wenig Eigenbeobachtung durchaus nachvollziehen.
Dazu passt auch, dass die selbe Situation als belastender erlebt wurde, wenn sich Testpersonen nicht in der Lage sahen, sich der Situation entziehen zu können (Batson 2015: 33). Sie werden also quasi zum Mitleiden gezwungen, was die Theorie der „Spiegelneuronen“, welche im Zentrum der Hirnforschung der letzten Jahre stand, zu bestätigen scheint.
Allerdings sind altruistische Motive der empathischen Anteilnahme als Motivation ebenfalls wirkungsvoll, da das Wohl des/der Anderen dem einzelnen Menschen wichtig ist (Batson 2015: 35).
Die Entwicklung prosozialen Verhaltens in der Entwicklung des Menschen während der Kindheit verläuft intrinsisch. Das Ziel dieses prosozialen Verhalten ist das gesteigerte Wohlbefinden des/der anderen, unabhängig davon, ob es eine unmittelbare Auswirkung auf das beobachtete Kind selbst gibt. Tomasello zeigt, dass dieses intrinsische Verhalten durch extrinsische Motivation (Belohnungen) entweder nicht oder sogar negativ beeinflusst wird, und nicht, wie es eigentlich zu erwarten gewesen wäre, grundsätzlich verstärkt wird, besonders, wenn zuerst eine Belohnung erfolgt, diese aber später ausbleibt (Tomasello 2014: 103f). Durch welche inneren Vorgänge dabei Kinder in ihrem Verhalten sogar negativ beeinflusst werden, wird leider unbeantwortet gelassen.
Hingegen ist Sympatische Fürsorge den Menschen fast in die Wiege gelegt, schon bei 18 Monate alten Kindern lässt sich diese beobachten (Tomasello 2014: 104). Ein Einfluss der Umwelt in Form von Erziehung ist hier wohl nicht nicht gegeben.
Mit der Zeit lernen Kinder, wie wichtig es ist, sich konform zu anderen zu verhalten, und schon fünfjährige Kinder verhalten sich angepasster, wenn sie sich von Erwachsenen beobachtet fühlen, als wenn sie sich nur unter Gleichaltrigen wähnten (Tomasello 2014: 105). Ein Verhalten, das auch in Beruf und Studium beobachtet werden kann. Aus die Auswirkungen des Verhaltens im Straßenverkehr möchte ich ebenfalls hinweisen.
Daraus lässt sich folgern, dass Kontrolle durchaus hilfreich sein kann, wenn es darum geht, soziale Normen durchzusetzen. Werden die sozialen Normen in weiterer Folge verinnerlicht, zeigt sich, das diese von den Menschen reflexiv, also auch an sich selbst angewendet werden, und Verstöße gegen diese Normen mit Schuld und Scham besetzt sind. Damit erfolgen Selbstkontrolle und Selbstregulation hin zu sozial gewünschtem Verhalten. Abweichendes Verhalten wird also sozusagen bereits intrapersonell bestraft.
Tomasello zeigt hier aber noch eine weitere, bis dahin für mich unerwartete Funktion der Scham auf: Aus Mitleid gegenüber der sich schuldig fühlenden und sich schämenden Person werden dritte davon abgehalten, diese selbst zu bestrafen (Tomasello 2014: 106f). Allerdings habe ich eine Parallelität gefunden: Eine Reaktion auf Scham, die schon vor Jahrhunderten ins Strafrecht Einzug gehalten hat, und auch heute noch in Form des so genannten „reumütigen Geständnisses“ strafmildernd wirkt.
Das Verhalten von Menschen zueinander ist aber nicht nur auf Eigennutz begründet, sondern begründet sich darauf, dass sie sich „moralisch“ aufeinander beziehen. Dieser Bezug bewirkt, dass sie sich fair und gerecht zueinander verhalten. Dies eben nicht nur aus bloß strategischen Gründen, sondern weil es ihnen ihr Gewissen so vorgibt (Tomasello 2014: 108). Aber auch das ist, zumindest in meinen Augen, ein Wettbewerbsvorteil, der auch wieder ganz im Sinne Darwins wäre.
Einer der Hauptgründe, warum ich mich im Sytemischen Ansatz sehr wohl fühle, ist der Umstand, dass nicht einem Individuum (alleine) die Schuld für sein abweichendes Verhalten zugeschrieben wird (Individuumsorientiertrer Ansatz), es aber auch nicht exkulpiert wird mit der Begründung, es sei selbst nicht verantwortlich, sondern die Schuld trage „die Gesellschaft“ (Gesellschaftsorientierter Ansatz).
Beide Begründungen greifen zu kurz, zumindest erlebe ich das so in meiner Berufstätigkeit nahezu täglich. Aber sie ergänzen sich, und aus der Wechselwirkung dieser beiden Ansätze entstand wohl auch der Systemische Ansatz.
Erst das Zusammenwirken und die gegenseitige Beeinflussung verschiedener Individuen und Gruppen bewirkt, dass manche, quasi als „Symptomträger“, so genanntes „abweichendes Verhalten“ zeigen.
Dabei lassen sich vier Kategorien sozialer Systeme bilden:
zu geringe oder fehlende sozioökonomische Ausstattung; fehlende Infrastruktur im sozialen Umfeld
fehlende Erkenntnis- und Handlungskompetenz
problematische Selbst-, Fremd. und Gesellschaftsbilder
fehlende soziale Mitgliedschaften (Staub-Bernasconi 2010: 272).
Dies wirkt sich auch unmittelbar auf die Soziale Arbeit aus:
Es reicht nicht mehr, nur mit jener Person, die so genanntes abweichendes Verhalten setzt, zu arbeiten, und sie quasi zu „reparieren“ und sie (wieder) zum „Funktionieren“ im Sinne der gesellschaftlichen Normen zu bringen.
Es wird auch nicht sinnvoll sein, nur an der Änderung der gesamten Gesellschaft zu arbeiten, ohne den Einzelnen / die Einzelne in seiner/ihrer Mitverantwortung mitzuberücksichtigen und einzubeziehen.
In der Sozialen Arbeit ist es notwendig, beides, also das Individuum und das Umfeld (die Systeme) zu kennen und mitzudenken.
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