Warum beteiligen sich wenig Studenten ehrenamtlich in studentischen Vereinen? Zur Beantwortung dieser Frage gilt es hier im Fallbeispiel zu untersuchen, inwiefern und ob sich Freundschaftsnetzwerke der Amtsinhaber der HSV auf die Teilnahme der Bewohner des EOH an Vollversammlungen auswirken. Durch das Verwenden der Ego-zentrierten-Netzwerkanalyse können persönliche Netzwerke beziehungsweise Systeme bezüglich kommunikations- und oder Verbindungsstrukturen, hinsichtlich der netzwerkanalytischen Maßeinheit Zentralität von Akteuren, untersucht werden. Da hier Partizipation durch Nähe von Akteuren erklärt werden soll fokussiert diese Arbeit die Betweenness-basierte Zentralität. Denn diese kann die Wege des Informationsverkehrs im System sichtbar machen und hat bzgl. der Relevanz der einzelnen Knotenpunkte für den Kommunikationsfluss im System bzw. Netzwerk die meiste Aussagekraft.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2 Die HSV als soziales System
2.1. Systemische Wahrnehmung
2.2. Strukturelle Kopplung von HSV und Studenten
3. Zentralitat und Messung
4 Vorbereitung der Erhebung der Freundschaftsnetzwerke von Tutoren
4.1. Operationalisierung
4.2. Festlegung der Untersuchungsform und Population
5 Zwischenfazit
6. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
7 Abbildungen
1. Einleitung
Damit junge Studierende einen, ihrem Potenzial, angemessenen Hochschulabschluss erreichen konnen bedarf es mannigfaltiger Unterstutzung im taglichen Leben. Oft ubernehmen die jeweiligen Studentenwerke einen GroBteil dieser, indem sie den Studierenden kostengunstige Unterkunfte, Beratungsservices sowie Kantinen bereit stellen. Da sich die Hilfeleistung solcher Einrichtungen jedoch, bedingt durch die zunehmend hohen Zahlen der Studierenden (Statistisches Bundesamt 2015) meist auf basale Dienste beschranken muss, haben sich vielerorts weitere studentisch organisierte Vereine und Strukturen gebildet urn neben den Studentenwerken erganzende Angebote fur Studierende bereit zu stellen.
Diese Arbeit widmet sich der Beteiligung von Studenten an studentischen Vereinen. Im Fallbeispiel werden BewohnerlNNEN des Studentenwohnheims Edo Osterloh Haus des Studentenwerks Schleswig Holstein bzgl. ihrer Beteiligung an dem studentischen Selbstverwaltungsorgan HSV1 untersucht.
Die Folgenden Uberlegungen gehen davon aus, dass die Heimselbstverwaltung des Wohnheims EOH ein soziales System nach Faktoren wie Funktion, Sinn, Kommunikation, Handlung sowie Eigendefinition durch die Abgrenzung zur eigenen Umwelt ist. Dabei legt diese Arbeit die systemtheoretischen Grundannahmen Niklas Luhmanns zugrunde.
Urn dem/r LeserINN ein aussagekraftiges Gesamtbild von den Organisations- bzw. Systemstrukturen der HSV aufzuzeigen und anhand dessen auf die Forschungsfrage einzugehen, wird hier auf die Methode der Netzwerkanalyse, genauer der Ego-zentrierten-Netzwerkanalyse, zuruckgegriffen.
Aufgrund des vorgegebenen maximalen Umfangs, der ebenfalls vorgegebenen Fokussierung auf eben angesprochene Methode und urn den zu untersuchenden Gegenstand einzugrenzen, wird sich diese Arbeit auf die Auswirkungen der unabhangigen Variable (des Charakters und Intensitat der Beziehungen von bereits gewahlten Amtsinhabern der HSV zu Bewohnern) auf die abhangige Variable (der Partizipation von Bewohnern in der HSV) beschranken. Oder mit anderen Worten. Die Forschungsfrage ist, warum beteiligen sich wenig Studenten ehrenamtlich in studentischen Vereinen. Zur Beantwortung dieser Frage gilt es hier im Fallbeispiel zu untersuchen, inwiefern und ob sich Freundschaftsnetzwerke der Amtsinhaber der HSV auf die Teilnahme der Bewohner des EOH an Vollversammlungen auswirken. Durch das Verwenden der Ego-zentrierten-Netzwerkanalyse konnen personliche Netzwerke bzw. Systeme bzgl.
kommunikations- und oder Verbindungsstrukturen, hinsichtlich der netzwerkanalytischen MaBeinheit Zentralitat2 vonAkteuren, untersucht werden. Da hier Partizipation durch Nahe von Akteuren erklart werden soil fokussiert diese Arbeit die Betweenness-basierte Zentralitat. Denn diese kann die Wege des Informationsverkehrs im System sichtbar machen und hat bzgl. der Relevanz der einzelnen Knotenpunkte34 fur den Kommunikationsfluss im System bzw. Netzwerk diemeisteAussagekraft.
2. Die Hsv als soziales System
Organisationen bzw. Vereine im Allgemeinen werden hier verstanden als ein Mehr der Summe ihrer Teile. Bei Vereinen handelt es sich urn organisierte Formen menschlichen Zusammenlebens. Da es sich bei den kleinsten Elementen von Vereinen urn Personen handelt die miteinander in einer, wie auch immer gearteten, Beziehung stehen ergeben sich unterschiedliche Kombinationsmoglichkeiten dieser Personen bzw. Systemelemente, ihren sozialen Beziehungen und mit zunehmender GroBe des Vereins auch eine Wachsende Anzahl von einzelnen Handlungs- bzw. Kommunikationsoptionen. Urn die Komplexitat dieser Handlungsoptionen, die teilweise ein von den Personen unabhangiges Eigenleben zu entwickeln scheinen und deren Wirkung erfassen zu konnen, bietet sich eine systemtheoretische Betrachtungsweise besonders an.
Da die Funktion in sozialen Systemen in Niklas Luhmanns Systemtheorie nicht dem herkommliches Verstandnis von Kausalitat folgt. Und zwar dem das „bei alien Kausalerklarungen sowohl interne als auch externe Faktoren zu beriicksichtigen ... (Luhmann 1987) S.26 " waren und somit Umwelt und System zusammen etwas produzieren wurden (Vgl. Luhmann 1987 S.26), ist sie auch weniger anfallig fur das Scheitern von Erklarungsansatzen die beispielsweise versuchen Prognosen iiber Funktionen bzw. zukunftiges Verhalten von Systemen anhand einer Kette von Verantwortung und Schuld zu erklaren.
Diese Arbeit geht von der Annahme aus, dass es sowohl in Vereinen als auch in groBeren Gruppen, gerade im Zeitalter digitaler Vernetzung, Personen iiber Kommunikation so stark miteinander verfochten sind, dass weder Anfang noch Ende aufzuzeigen ware. Deswegen wird versucht zu verdeutlichen, dass es sich bei der HSV urn ein soziales System nach Niklas Luhmann handelt.
2.1. Systemische Wahrnehmung
Systeme defmieren sich selbst in Abgrenzung zu Ihrer Umwelt durch selbstreferenzielle Reproduktion bzw. Autopoesis.
Das meint das sowohl die Eigenanalyse sowie die Analyse bzw. Wahrnehmung anderer selbstreferenzieller Systeme durch den Bezug auf sich selbst vollzogen wird (Vgl. Luhmann 1987 S.31). HeiBt also das Systeme sich autonom durch Selbstreferenz reproduzieren und gleichzeitig ihre Umwelt, mitunter bestehend aus anderen Systemen, durch Selbstreferenz wahrnehmen.
Angewandt auf das Fallbeispiel wurde sich die HSV durch Bezugnahme auf seine eigene Existenz und der Unterschiedlichkeit zur Verwaltung des EOH begreifen. Die Verwaltung hingegen konnte die HSV in Bezugnahme auf sich selbst nun als anderes System begreifen, welches sich in der Umwelt der Verwaltung bewegt. Als Folge von System gebundener Selbstreferenz konnen Systeme durch ein verstehen auf Basis von Eigenbezug „ ... latente Strukturen und Funktionen aufdecken und thematisieren. „ (Luhmann 1987 S.32) , die ein anderes System durch alleinige Selbstreferenz nicht ans Licht befordern konnte. Schwierig wird es fur das Aufdecken von latenten Funktionen anderer selbstreferenzieller Systeme, wie zum Beispiel das der Verwaltung, nur dann wenn die systemeigene Formen des Zugriffs nicht fur das Begreifen anderer Systeme ausreichen. So ist die HSV als Organisation von Studierenden interessiert an der Bereitstellung von Wahren und Dienstleistungen die BewohnerlNNEN des EOH beim Studieren unterstutzt. Mann kann sagen, dass sich die HSV als ein System defmieren lasst, welches fur ihre Kommunikation den Code von haben und nicht haben bzw. Verfugen und nicht Verfugen verwendet. Hingegen die Verwaltung des EOH bewegt sich in seiner Kommunikation mittels des Codes von Vorschriften bzw. von Recht und Unrecht. Weswegen sich Systeme voneinander, durch Selektion5 bestimmter Codierungen der Kommunikation, voneinander abgrenzen und ggf. einander nicht vollstandig ergreifen konnen. Da Systeme in Luhmanns allgemeiner Systemtheorie vor der Herausforderung von Selektion bzgl. ihres Handelns und ihres Erlebens stehen, ist Sinn von hoher Wichtigkeit. Denn Sinn stattet Erleben oder Handeln von Systemen mit im Uberfluss vorhandener Eventualitaten aus. Somit wird der Ungewissheit bzgl. der Selektion von Eventualitaten der Nahrboden entzogen. Denn selbst wenn ein System einen Irrtum begeht und einen Fehler macht, sind damit nicht alle Moglichkeiten ausgeschopft. Sinn ist also eine laufende Aktualisierung von Moglichkeiten, welche sogar sich selbst miteinbezieht (Vgl. Luhmann 1987 S.94 f.).
2.2. Strukturelle Kopplung von HSV und Studenten
Nachdem nun, wie in der Einleitung angesprochen und auf den ersten Seiten klargeworden sein sollte, das sich Systeme, mittels Selbstreferenz und Autopoesis von ihrer Umwelt abgrenzen, das Systeme sich zwecks Handlung der Werkzeuge der Selektion und des Sinnes bedienen und was der Kommunikationscode fur die Abgrenzung zur Umwelt und den Blickwinkel eines Systems auf andere Systeme bedeutet, wird nun kurz dargestellt wie die HSV sich dieser Funktionen bedient und dadurch als ein System nach Luhmann darstellt urn im Anschluss Netzwerkanalyse als adaquates Analysewerkzeug zu prasentieren.
Wie bereits erwahnt, konnen Systeme Beziehungen zu sich selbst herstellen und sind somit von ihrer Umwelt isolieren (Vgl. Luhmann 1987 S.31). Bei der Entstehung eines solchen Systems ist Kommunikation maBgeblich. Luhmann betrachtet Kommunikation dabei nicht als Handlung die von Person zu Person in einem Kausalzusammenhang stattfmdet, sondern als Operation die zum Einen nur an sich selbst anschlieBen kann und zum Anderen soziale Systeme generiert und zur gleichen Zeit mit anderen Operationen stattfinden (Vgl. Luhmann 1992 S.33 ff) und andere Systeme bzw. Subsysteme herstellt. So kann die Kommunikation im HSV iiber die Medien Geld oder Zustandigkeiten bzw. Macht iiber einzelne Posten das System HSV zur gleichen Zeit erschaffen, wie die Operation der Kommunikation mittels Denken die einzelnen Psychischen Systeme der Tutoren erschafft. Die psychischen Systeme konnen also als Umwelt der HSV verstanden werden die durch Selbstreferenz zwar voneinander getrennt sind und andere psychische Systeme ebenfalls als ihre Systemumwelt begreifen, jedoch durch die strukturelle Kopplung6 mit dem sozialen System der HSV verbunden sind. So sind Systeme nicht ausschlieBlich abgeschottet von Ihrer Umwelt. Denn ware es so wiirde bzgl. der Forschungsfrage keine Beziehung zwischen unabhangiger Variable und abhangiger Variable bestehen. So sind Systeme gleichzeitig selbstreferenziell geschlossen und was ihr Erkennen angeht offen. Daher Sind die Tutoren als psychische Systeme strukturell durch die Erwartungshaltungen an das soziale System HSV gekoppelt.
So iibernimmt die HSV die Erwartungshaltung bzgl. der Tutoren7 Zeit und Arbeit in die jeweiligen Amter hineinzustecken dabei wird das jeweilige Amt zur aggregierten Einheit zwischen HSV und Person als psychisches System. Hingegen die strukturelle Kopplung der jeweiligen Personen, als psychisches System, zur HSV, als sich aus Sicht der Person in der eigenen Systemumwelt befmdendem anderem System ohne den eigenen Code von Gedanken zu verwenden sondern den von Verfiigen bzw. nicht Verfiigung iiber Amt und Geld zu verwenden, findet iiber die Erwartung der Bereitstellung von Dienstleistungen seitens der HSV an die psychischen Systeme in der Funktion als Studenten statt die als Form operativ genutzter Geschehnisse also als aggregierte Einheit mit dem eigenen Code der Gedanken verbunden wird.
3. Zentralitat und deren Messung
Die Ego zentrierte Netzwerkanalyse als methodisches Werkzeug bietet sich zur Beschreibung des 1st Zustandes des Netzwerks bzw. Systems der HSV an, da die HSV nicht direkt mit ihrer Umwelt in Kontakt stehen kann, jedoch iiber die strukturelle Kopplung der psychischen Systeme, mittels der Amter, mit ihrer Umwelt, bestehend unter Anderem aus psychischen Systemen, in einem Verhaltnis steht.
Soil die Frage beantwortet werden weswegen die Partizipation der Bewohner des EOH in der HSV, gemessen an der Masse der Personen in der Vollversammlung, so niedrig ist muss sich hier an den Freundschaftsnetzwerken der Amtsinhaber der HSV orientiert werden. Folgend sollen mittels dem netzwerkanalytischen Instrument der Betweenness-basierten Zentralitat die Schwierigkeiten des Systems HSV in der Strukturellen Kopplung mit den psychischen Systemen untersucht werden. Dazu wird zuerst Zentralitat bzw. Zentralisierung von Akteuren in personlichen Netzwerken erlautert urn dann im Anschluss zu verdeutlichen was Betweenness-basierte Zentralitat ist und fur die Analyse von Akteuren in der HSV und deren Kommunikation bzw. den Einfluss dieser Art der Vernetzung auf die Strukturelle Kopplung und somit die Funktion vom System der HSV hat.
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1 Siehe Kapitel 3. Zentralitat und deren Messung
2 Siehe Kapitel 3. Zentralitat und deren Messung
3 Siehe Kapitel 3. Zentralitat und deren Messung
4 Im Fallbeispiel sind Knotenpunkte Personen im Netzwerk
5 Alter muss eine Information zur Kommunikation auswahlen und eine bestimmte Form wahlen
6 Strukturelle Kopplung meint die Verbindung mindestens zweier Systeme durch Sprache., die sich gegenseitig als Systemumwelt begreifen und voneinander autonom selbstreferenziell sind. So nutzen mitunter psychische Systeme Sprache um sich aufeinander abzustimmen ohne vor der Unmoglichkeit der Gedankeniibertragung zu stehen. Sprache als Werkzeug struktureller Kopplung wird auch von sozialen Systemen benutzt um Kontakt zu psychischen Systemen zu treten damit sie in ihrer jeweiligen Systemumwelt handeln konnen. Strukturelle Kopplung findet dann statt wenn ein System eine Erwartungshaltung gegeniiber einem anderen System errichtet dessen Kommunikationscodierung es zwar nicht verstehen kann aber aggregative Einheiten schafft, welche die unterschiedlich codierten Kommunikationen in einem Punkt insofern transformieren als das sie fur beide Systeme mit ihrem spezifischen Code zuganglich sind. (Vgl. Luhmann (1997) S. 779 ff.) (Vgl. Luhmann (1992) S. 28 ff.)
7 Amtsinhaber bzw. Verantwortliche fur Kneipe, Werkstatt, Musikraum, Altestenrat, Vorsitzender, Kassenwart, Internationales