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Referat / Aufsatz (Schule), 2020
3 Seiten
Analyse und Interpretation der zweiten Vigilie (S.12 Z.22 bis S.15, Z.31)
„Der goldne Topf“ ist in den Jahren 1813/1814 entstanden und wurde von E.T.A. Hoffmann als „Märchen aus der neuen Zeit“ betitelt. Der Erzähler stellt die Entwicklung des Studenten Anselmus dar, der sich von einem tollpatschigen, von vielen Mitbürgern belächelten jungen Mann zu einem Dichter und Besitzer eines Rittergutes der magischen Welt von Atlantis entwickelt. Auf dem Weg dieser Persönlichkeitsentwicklung findet sich der Protagonist in einem Spannungsverhältnis zwischen bürgerlicher Alltagswelt und magisch-phantastischer Welt, welches ihm gelingt zu überwinden.
Zu Beginn des Märchens lernt man Anselmus als unsicheren Jüngling kennen, dessen Leben von zahlreichen Missgeschicken geprägt ist. So rennt der Student bereits in der ersten Vigilie in den Korb eines Äpfelweibs, sodass er sein ganzes Geld abgeben muss und daher nicht an den Feierlichkeiten zum Himmelfahrtstag teilnehmen kann. Aus lauter Verzweiflung und Selbstmitleid über seine Tollpatschigkeit und Unglück begibt sich Anselmus unter einen Holunderbaum am Elbufer, wo er erstmals mit Phänomenen der magischen Welt in Kontakt kommt. Was Anselmus auszeichnet, ist seine Offenheit gegenüber übernatürlichen Begebenheiten, die seinen rational denkenden Mitbürgern verschlossen bleiben. Was Anselmus zunächst für Geräusche der Natur hält, entpuppt sich als Zischen und Flüstern von drei goldgrünen Schlangen in dem Holunderbaum. Der Blick in die tiefblauen Augen einer der Schlangen weckt in Anselmus bis dahin unbekannte Gefühle der Sehnsucht und Seligkeit. Nachdem Anselmus eine tiefe Stimme hört, die nach den Schlangen ruft, verschwinden diese aus dem Holunderbusch. Anselmus bleibt in einem Zustand voller Verlangen zurück, sodass er ungeduldig am Stamm des Holunderbusches rüttelt und sehnsüchtig um ein erneutes Erscheinen der Schlangen bittet. Das Verhalten des Studenten wird von seinen Mitbürgern mit äußerster Skepsis beobachtet und resultiert darin, dass ihn seine Mitbürger als verrückt erklären.
Die zu analysierende Textstelle stammt aus der zweiten Vigilie und stellt zunächst die Reaktion der Bürger auf das seltsame Verhalten des jungen Mannes dar. Voller Mistrauen wird Anselmus von den Philistern für betrunken und wahnwitzig gehalten. Die Worte einer Bürgersfrau reißen Anselmus aus seinem träumerischen Zustand und bringen ihn zurück in die Realität. Während sich Anselmus selbst bemitleidet, reflektiert er seine Situation und kommt zu dem Schluss, dass es sich bei den Schlangen im Holunderbusch um eine Halluzination gehandelt haben muss. Umso erfreuter ist der Student, als er auf seinen Freund Konrektor Paulmann trifft, der ihn zu einer Gondelfahrt auf der Elbe einlädt. Doch auch diese verläuft nicht wie geplant, weil Anselmus meint, im Fluss erneut die goldgrünen Schlangen zu erblicken und beim Versuch zu ihnen zu gelangen, das Boot fast zum Kentern bringt. Das auffällige Verhalten des jungen Mannes weckt auch bei seinen bürgerlichen Freunden Zweifel über seinen geistigen Zustand. Die Textstelle endet damit, dass Anselmus in einem Zustand innerer Zerrissenheit zurückbleibt und mit sich hadert, ob das Erlebte real war oder nicht.
In der Textstelle zeigt sich deutlich der Zustand, in dem sich Anselmus am Beginn seiner Entwicklung zum Dichterbefindet. Er zeigt sich aufnahmebereit für wundersame Phänomene und die magische Welt, gleichzeitig ist er aber noch fest in der bürgerlichen Welt verankert und versucht rationale Erklärungen für die Geschehnisse zu finden. Der innere Zwiespalt zwischen bürgerlicher Alltagsrealität und der magischen Welt der Poesie, der den weiteren Verlauf der Persönlichkeitsentwicklung von Anselmus prägt, findet in dieser Textstellen seinen Anfang.
Bereits der erste Satz einer Bürgersfrau, die Anselmus beobachtet, spiegelt die Einstellung des bürgerlichen Umfelds gegenüber dem Studenten wider. Die Worte „Der Herr ist wohl nicht recht bei Troste.“ (S.12, Z.22 f.) machen vernehmbar, dass das Verhalten von Anselmus von seiner Umwelt als unnormal und besorgniserregend wahrgenommen wird. Entscheidend hierbei ist, dass genau diese Worte Anselmus aus seinem sehnsüchtigen Zustand reißen. Die Beschreibung „Anselmus war es so, als würde er aus einem tiefen Traum gerüttelt oder gar mit eiskaltem Wasser begossen“ (Z.24 f.) macht deutlich, dass sich der junge Mann zuvor in einem Zustand befunden hat, den er sich selbst nicht richtig erklären kann. Anselmus versucht augenblicklich Erklärungen zu finden und schämt sich für sein Verhalten. Er scheint dabei selbst entsetzt darüber zu sein, „ganz allein für sich selbst in laute Worte“ (Z.28 f.) ausgebrochen zu sein. Auch die Tatsache, dass Anselmus „bestürzt“ (Z.29) die ihn beobachtende Bürgersfrau anblickt, ist ein Zeichen seines Unwohlseins. Darüber hinaus zeigt er die Tendenz aus unangenehmen Situationen zu flüchten, wie bereits bei dem Zusammenstoß mit dem Äpfelweib in der ersten Vigilie deutlich wird. Um schnellstmöglich aus der Situation zu entkommen, beeilt sich Anselmus von dem Holunderbaum „davonzueilen“ (Z.31).
Auch der Mann, der zur Familie der Bürgerfrau gehört, beobachtet Anselmus voller Verwunderung. In der Aussage des Mannes wird der Versuch der bürgerlichen Gesellschaft erkennbar, rationale Erklärungen für scheinbar unerklärliche Ereignisse zu finden. Der Bürger hält Anselmus für einen Student der Theologie, der „zu viel ins Gläschen geguckt“ hat (S.13, Z.6). Wesentlicher Charakterzug von Anselmus zu Beginn des Märchens ist seine Emotionalität und Sensibilität. Die Aussage des Bürgers kommentiert er „weinerlich“ mit der Interjektion „Ach!“ (Z.8), was seine Frustration und sein Selbstmitleid zum Ausdruck bringt. Auch mehrere Bürgermädchen, die das Schauspiel beobachtet haben, „kickern miteinander“ (Z.21) und machen sich damit über Anselmus lustig. An dieser Stelle wird erneut deutlich, dass die Situation für Anselmus unerträglich ist. Mit der Metapher „Dem war es, als stände er auf lauter spitzigen Dornen und glühenden Nadeln.“ (Z.22 f.) wird bildhaft deutlich, wie sehr sich Anselmus für seine verwunderliches Verhalten schämt.
In der Textstelle ist erkennbar, dass sich Anselmus noch nicht vollständig der magischen Welt öffnen kann. „Alles was (Anselmus) Wunderbares gesehen“ (Z.25), war ihm rein aus dem Gedächtnis geschwunden“ (Z.25 f.) – Anhand dieses Satzes wird deutlich, dass Anselmus versucht, das Erlebte zu verdrängen. Er übernimmt die Deutungen seiner Mitbürger und bezeichnet seine Ausrufe unter dem Holunderbaum selbst als „allerlei tolles Zeug“ (Z.27 f.). Anhand dessen zeigt sich, dass Anselmus bestrebt ist, sich in die bürgerliche Gesellschaft zu integrieren. Er möchte nicht herausstechen und passt sich deshalb mit seiner Meinung an die seiner Mitbürger an. Darüber hinaus bringt Anselmus seine Abneigung gegenüber sich selbst zum Ausdruck, da er „eine(-) innerliche(-) Abscheu gegen Selbstredner“ hegt (Z.29 f.). Seine Andersartigkeit grenzt Anselmus von der Gesellschaft ab, was für ihn ein „unerträglich(er)“ (Z.33 f.) Gedanke ist. Bislang ist Anselmus noch in bürgerlichen Erklärungsmustern gefangen, weshalb er versucht, rationale Erklärungen für ungewöhnliche Erlebnisse zu finden, anstatt sie als Realität anzuerkennen.
Entscheidende Wendung nimmt der Verlauf der Textstelle, als Anselmus auf seinen Freund Konrektor Paulmann trifft, der fester Bestandteil der bürgerlichen Welt ist. Als er seine Stimme vernimmt, denkt Anselmus augenblicklich, „neues Unglück würde auf ihn einbrechen“ (S.14, Z.3 f.). Daran zeigt sich, dass sich Anselmus als bemitleidenswerter Tollpatsch sieht, dem ständig Unglücke passieren. Jedoch lädt Konrektor Paulmann den Studenten nur zu einer Gondelfahrt über die Elbe ein. Es wird deutlich, dass Anselmus trotz seiner Offenheit gegenüber der Poesie und Magie von seinen bürgerlichen Freunden akzeptiert wird und ein gern gesehener Gast in deren Freundeskreis ist. Anselmus nimmt die Einladung erleichtert an, da er „so dem bösen Verhängnis, das heute über ihn walte, zu entrinnen glaubte“ (Z.15 f.).
Zunächst erscheint Anselmus in Gedanken versunken und „in sich gekehrt“ (Z.22), sein Gemütszustand ändert sich jedoch schlagartig. Im Spiegelbild eines Feuerwerkes im Wasser meint Anselmus die goldgrünen Schlangen aus dem Holunderbusch wiederzuerkennen. Die Wahrnehmung von Anselmus wird dabei synästhetisch mit den Worten „herumsprühende(-) und knisternde Funken und Flammen“ beschrieben. Auffallend ist, dass Beschreibung der Schlangen im Wasser im Konjunktiv steht („es war ihm, als zögen die goldnen Schlänglein durch die Flut“ Z.25 f.), wodurch der Realitätsgehalt der Wahrnehmung angezweifelt wird. Für den Leser ist es dadurch nicht ersichtlich, ob sich Anselmus nur in einem träumerischen Zustand befindet oder ob sich wirklich Schlangen durch das Wasser bewegen. Es wird bewusst mit der Durchdringung von magischer und realer Welt gespielt. Sehr plastisch werden die Gedanken von Anselmus durch die Innenperspektive geschildert. Für den Leser wirkt das Geschehen dadurch sehr nah und anschaulich. Alles „Seltsame“, was Anselmus unter dem Holunderbusch erlebt hat, tritt ihm wieder „in Sinn und Gedanken“ (Z.28). Besonders einprägsam ist die metaphorische Formulierung „aufs Neue ergriff ihn die unaussprechliche Sehnsucht, das glühende Verlangen, welches seine Brust in krampfhaft schmerzvollen Entzücken erschütterte“ (Z.30 f.), die die Emotionalität der Situation für Anselmus widerspiegelt. Hyperbelhaft schwärmt Anselmus von den „holden lieblichen dunkelblauen Augen“, die er bereits in den Blättern des Holunderbusches erblickt hat. Der Blick in diese Augen ist der Auslöser für das Gefühlschaos, das Anselmus in sich spürt und damit der Beginn der Zuwendung zur magischen Welt. Mit der Interjektion „ach“ und der sehnsüchtigen Aufforderung „singt nur, singt!“ (Z.32) wirkt der Ausruf von Anselmus flehend und schon fast verzweifelt. Um den Schlangen näher zu sein, geht Anselmus sogar so weit, dass er „heftige Bewegung(en)“ (Z.36) macht und dabei fast aus dem Boot in den Fluss fällt. Es wird der Eindruck erzeugt, als wäre Anselmus vollständig außer sich und würde dabei die Welt um sich herum vergessen.
Auch die Reaktion des Schiffers spiegelt die Distanz von Anselmus zur Gesellschaft wider, die durch sein scheinbaren Halluzinationen nur noch größer wird. Die bürgerliche Skepsis und Intoleranz gegenüber Menschen, die nicht in das klassische Bild des Philisters passen, werden durch den Satz „Ist der Herr des Teufels?“ (S.15, Z.1) hervorgehoben. Weiteres Zeichen dieser Tatsache ist, dass die Mädchen, die sich ebenfalls im Bott befinden, „auf die andere Seite der Gondel“ (Z.4) flüchten, um so weit wie möglich von Anselmus entfernt zu sein. Die unüberbrückbare Distanz zwischen dem träumerischen Studenten und den rational denkenden Philistern wird dadurch bildhaft dargestellt. Bei seinen Freunden weckt Anselmus große Sorgen, was Paulmann mit der rhetorischen Frage „Der gleichen Anfälle – noch nicht bemerkt?“ (Z.7 f.) skeptisch kommentiert. Der Begriff „Anfall“ ist negativ konnotiert und lässt vermuten, dass die Philister Anselmus‘ Auftreten als krankhaft ansehen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass Paulmann seinen Freund mit „gravitätische(r) Amtsmiene“ (Z.10) nach seinem Befinden fragt (vgl. Z.12). Insgesamt tritt deutlich hervor, dass sich die bürgerlichen Freunde von Anselmus viele Gedanken über seinen Gesundheitszustand machen und seine Fähigkeit, „Seltsames (zu schauen)“ (S.14, Z.27) als Geisteskrankheit deuten.
Entscheidender Punkt im Verlauf der Vigilie ist das Gefühl von Anselmus, dass sich „in seinem Inneren (-) ein toller Zwiespalt“ erhob, „den er vergebens beschwichtigen wollte“ (Z.14 f.). Der Zwiespalt, von dem hier die Rede ist, steht metaphorisch für die innere Zerrissenheit von Anselmus. Einerseits fühlt er sich seit der Begegnung mit den Schlangen im Holunderbusch zur magischen Welt hingezogen, andererseits ist er auch bestrebt ein durchschnittliches Leben innerhalb bürgerlicher Konventionen zu führen. In der vorliegenden Textstelle zeigt sich deutlich, dass Anselmus sich zunächst seiner Wahrnehmung sicher ist, dann aber doch wieder von seinem bürgerlichen Umfeld beeinflusst wird und die Deutungen seiner Freunde übernimmt. Auch die Schlangen, die er zunächst meinte im Wasser zu erblicken, erklärt er sich nun „mit dem Widerschein des Feuerwerks bei Antons Garten“ (Z.17). Durch die Innenperspektive wird das Chaos der Gefühle im Innern von Anselmus lebhaft beschrieben. Dabei zeigt sich, dass er trotz rationaler Erklärungsversuche „ein nie gekanntes Gefühl““ (Z.18) in seinem Innern spürt, das „krampfhaft seine Brust zusammen (zieht)“ (Z.19 f.). In dem Plätschern des Wassers hört Anselmus plötzlich erneut „ein heimliches Lispeln und Flüstern“ und er sieht erneut „drei grünglühende Streifen im Wasser“ (Z.27). Die Schlangen im Wasser rufen Anselmus die wiederholten Worten „glaube – glaube – glaube an uns“ (Z.25 f.) zu und versuchen ihn damit von der Existenz der magisch-phantastischen Sphäre zu überzeugen. Doch auch an dieser Stelle wird der Realitätsgehalt der von Anselmus vernommenen Stimmen kritisch hinterfragt, dadurch dass der Satz im Konjunktiv steht („Und es war ihm als (…)“ Z.26). Das erneute Auftauchen der Schlangen meint Anselmus mit dem „Schein der erleuchteten Fenster(-) der nahen Häuser“ (Z.31) verwechselt zu haben. Wesentliches Gestaltungsmerkmal dieser Szene ist, dass magische Welt und reale Alltagswelt ineinandergreifen, wodurch die gesamte Situation nicht nur für Anselmus, sondern auch für den Leser sehr verwirrend erscheint.
Zusammenfassend lässt sich die Szene als Beginn der Entwicklung von Anselmus zum Dichter in der magisch-phantastischen Welt deuten. Wichtig innerhalb dieser Szene ist, dass ich Anselmus noch am Anfang seiner Entwicklung befindet und sich daher noch nicht vollständig auf die magische Welt einlassen kann, sondern weiterhin versucht den Ansprüchen seiner Bürgerfreunde gerecht zu werden. Jedoch ist in der Szene bereits die Tendenz der Entfremdung von der bürgerlichen Welt klar erkennbar, weil Anselmus mit seinem Verhalten von seinem bürgerlichen Umfeld and Sonderling wahrgenommen wird. Der innere Zwiespalt beziehungsweise der Dualismus von magischer und realer Welt findet in dieser Textstelle seinen Anfang und wird damit zu dem Hindernis, das Anselmus überwinden muss, um seine Entwicklung zum Poeten in magischen Reich Atlantis zu vollenden.
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Forschungsarbeit, 7 Seiten
Hausarbeit, 12 Seiten
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