Intervision, auch als Kollegiale Beratung oder Kollegiale Fallberatung bezeichnet, ist eine Methode, um gemeinsam im Team Fälle oder Prozesse untereinander zu beraten und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Grundlegend für die Methode ist die gemeinsame Reflexion. Dabei unterscheidet sich die Intervision von sonstigen Team- und Fallberatungen insofern, dass diese Methode eine feste Struktur mit klaren Regularien aufweist und eine Lösungsorientierung verfolgt.
In dieser Arbeit werden die Rahmenbedingungen sowie die Methode an sich und der Ablauf einer solchen Beratung vorgestellt. Ergänzend folgen Hinweise zur Genogrammarbeit und förderlichen Gesprächstechniken. Aber auch auf die Grenzen Kollegialer Beratung wird eingegangen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Rahmenbedingungen
3. Ablauf
3.1 Vorbereitungsphase
3.2 Explorationsphase
3.3 Reflexionsphase I
3.4 Beratungsphase
3.5 Reflexionsphase II
3.6 Lösungsphase
3.7 Abschlussphase
4. Variationen der Intervision
5. Methodik
5.1 Genogramm
5.2 Gesprächstechniken
6. Bewertung für die Praxis
7. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Intervision, auch als Kollegiale Beratung oder Kollegiale Fallberatung bezeichnet, ist eine Methode, um gemeinsam im Team Fälle oder Prozesse untereinander zu beraten und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Grundlegend für die Methode ist die gemeinsame Reflexion. Dabei unterscheidet sich die Intervision von sonstigen Team und Fallberatungen insofern, dass diese Methode eine feste Struktur mit klaren Regularien aufweist und eine Lösungsorientierung verfolgt. (vgl. Steffan 2008, S. 448f.) Die Intervision dient insbesondere der Entlastung und Unterstützung in Bezug auf die Fallarbeit. Ebenso stellt die Intervision ein Reflexionsinstrument dar und dient der Problemlösung und Qualifizierung in der Arbeit. (vgl. Steffan 2008, S. 449). Grundlegend für diese Methode der Sozialen Arbeit ist das Modell der Kollegialen Beratung nach Fallner / Gräßner.
Ziele der Intervision sind die verschiedenen Perspektiven und Deutungen innerhalb des Teams zu einem Fall zu beleuchten sowie die weiteren Handlungsschritte und Vorgehensweisen in Bezug auf den Fall zu planen sowie bisherige zu reflektieren. Kollegiale Arbeit stellt daher ein Instrument zur Qualitätsentwicklung dar. (vgl. Schrapper / Thiesmeier 2004, S. 4)
Ich habe mich für diese Thematik entschieden, da Kollegiale Beratung ein fester Bestandteil der Teamsitzungen in meiner Arbeit ist und in meinem Team vor allem zur Beratung komplexer Fälle, bei auftretenden Problemlagen, welche eine multiperspektivische Sicht zur Problemlösung erfordern sowie zur Beratung bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung genutzt wird. Neben den genannten Beratungen kommen Eingangsberatungen (vor oder zu Beginn einer neuen Hilfe) sowie Abschlussberatungen (zur Reflektion einer Hilfe) hinzu. Zu Beschäftigungsbeginn bei meinem Träger ist jede*r Mitarbeiter*in angewiesen die Grundausbildung Kollegiale Fallberatung zu absolvieren, damit die Strukturen dieser Beratungsmethode allen vertraut sind und jede*r als Fallberater*in für das Team oder auch andere Teams des Träger genutzt werden kann. Neben meinen Erfahrungen aus der Praxis und den Beratungsstandards meines Trägers, möchte ich mich in dieser Arbeit mit den wissenschaftlichen Grundlagen der Intervision auseinandersetzen und diese miteinander verknüpfen und dadurch meine eigene Beratungskompetenz steigern.
Ziel dieser Arbeit ist es demnach die Methode der Intervision kennenzulernen. Dazu werden zunächst die Rahmenbedingungen vorgestellt, welche für eine erfolgreiche Intervision erforderlich sind. Es folgt die Vorstellung der Methode, in dem der Ablauf einer Intervision skizziert wird. Daran anschließend werden einzelne Methodiken innerhalb der Intervision kurz vorgestellt, wie die Genogrammarbeit und Gesprächstechniken. Darauf aufbauend werden die Grenzen Kollegialer Beratung vorgestellt.
2. Rahmenbedingungen
Die Intervision unterliegt einer klar definierten Struktur. Hier bestehen insbesondere Regeln hinsichtlich der verschiedenen Rollen, dem Ablauf, der Zeitplanung sowie der Kommunikation. Diese festgelegten Strukturen und Regeln müssen von allen Teilnehmer*innen beachtet werden, um den Beratungsprozess sichern zu können. (vgl. Steffan 2008, S. 449) Im Folgenden sollen die wichtigsten Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für eine erfolgreiche Intervision vorgestellt werden.
Die Anzahl der Teilnehmer*innen sollten nach Steffan zwischen vier und 10 Teilnehmer*innen liegen (vgl. Steffan 2008, S. 450). Die wichtigsten Rollen sind dabei Falleinbringer*in, Berater*in sowie das Reflecting Team (ein von Tom Andersen geprägter Begriff aus der Systemik). Diese Rollen werden vor Beginn der Intervision auf bestimmte Personen festgelegt und während des gesamtes Beratungsprozesses beibehalten.
In meiner Praxis hat sich gezeigt, dass die Anzahl der Teilnehmer*innen in einer Beratung mindestens fünf und höchstens 10 betragen sollte. Optimal wären sechs bis acht Teilnehmer*innen. Davon stellen zwei Personen den/die Falleinbringer*in sowie den/die Berater*in. Die übrigen Personen bilden das Reflecting Team. Die genannte optimale Anzahl an Teilnehmer*innen ist sinnvoll, um einen multiperspektivischen Austausch anzuregen, ohne jedoch zu viel Zeit für eine Verständigung über die vielen Perspektiven zu verlieren. Dabei kann es bei bestimmten zu beratenden Fällen sinnvoll sein, dass das Reflecting Team aus Mitgliedern des Teams, aber auch aus fallfremden Teilnehmer*innen besteht, um einen neutralen multiperspektivischen Blick zu ermöglichen (vgl. Klawe 1995, S. 6). Bei Beratungen bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung ist dies bei meinem Träger Pflicht, dass auch fallfremde Personen aus anderen Teams an der Beratung teilnehmen. Wichtig ist, dass die jeweiligen Rollen, vor allem die Berater*innenrolle, nicht immer von den gleichen Personen übernommen werden, damit sich alle Mitarbeiter*innen in allen Rollen ausprobieren können.
Ebenso können der Einsatz verschiedener Beratungsstile für die Beratung und das Team sehr gewinnbringend sein. (vgl. ebda., S. 449f.)
Dabei muss klar geregelt sein, dass die Prozesssteuerung bei dem/der Berater*in liegt, die Prozessverantwortung oder auch Fallverantwortung jedoch bei dem/der Falleinbringer*in. Beachtet werden muss dabei auch, dass die Erarbeitung von Lösungen bei dem/der Falleinbringer*in liegen muss, nicht bei dem/der Berater*in. Diese*r unterstützt lediglich die Lösungsfindung. Der/die Berater*in ist demnach für die Struktur verantwortlich. Dies beinhaltet an passenden Stellen für das Reflecting Team zu Öffnen für Nachfragen, Ideen, Gefühle und Rückmeldungen. (vgl. ebda., S. 449f.)
Das Reflecting Team setzt sich aus den übrigen Teammitgliedern (neben Falleinbringer*in und Berater*in) zusammen und dient in dem Prozess ebenfalls der Unterstützung des/der Falleinbringer*in in Bezug auf die Lösung der Beratungsfrage durch Ideen, Rückmeldungen sowie Statements. Wichtig ist dabei, dass der/die Falleinbringer*in nicht direkt mit dem Reflecting Team kommuniziert (diese Vorgehensweise wird näher in dem Kapitel Ablauf erläutert). Das bedeutet, dass das Reflecting Team den/die Falleinbringer*in nicht direkt ansprechen darf und sich nur mitteilen darf, wenn der/die Berater*in für das Reflecting Team öffnet. Durch den Einbezug des Reflecting Teams werden alle Kompetenzen der Teamitglieder zum Fall optimal und effektiv genutzt. (vgl. ebda., S. 449)
Zusätzlich können weitere hilfreiche Rollen vergeben werden. Diese wären bspw. ein*e Protokollant*in, welche*r die Ergebnisse, Lösungen und Handlungsschritte für das weitere Vorgehen festhält. Aber auch die Benennung einer Person als Strukturator*in wäre sinnvoll. Diese*r könnte im Vorfeld der Beratung das Zeitbudget ankündigen bzw. den ungefähren Zeitbedarf bei der/dem Falleinbringer*in abfragen und im Beratungsprozess auf die vereinbarte Zeitschiene achten und den/die Moderator*in bei der Einhaltung dieser unterstützen.
Weitere Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für eine erfolgreiche Intervision sind, meiner Erfahrung nach, Freiwilligkeit sowie ein aktueller Beratungsbedarf bzw. eine Fragestellung seitens des/der Falleinbringer*in. Ist dies gegeben, so hat es sich in meiner Praxis als sinnvoll bewährt, wenn der/die Falleinbringer*in den/die Berater*in selbst wählt, da dies eine offene und positive Gesprächsatmosphäre unterstützt. Ist dies geschehen, wählt wiederum der/die Berater*in das Reflecting Team und ggf. Protokollant*in sowie Strukturator*in. Es folgt die Herstellung eines Beratungssettings.
So sollten sich, in für beide Seiten angenehmer Weise, Falleinbringer*in und Berater*in, in einem gewissen Abstand zum Reflecting Team, gegenübersitzen. Das Reflecting Team selbst sitzt zusammen (bestenfalls in einem Sitzkreis zur Abgrenzung). Der Beratungsraum sollte eine angemessene Größe haben und frei von Störungen von außen sein. (vgl. Pantucek 1998, S. 5) Der/die Falleinbringer*in sollte vorbereitend ein Genogramm für alle sichtbar zur Verfügung stellen (bspw. auf einem Whiteboard oder Flipchart).
3. Ablauf
Wie bereits beschrieben unterliegt die Intervision klar definierten strukturellen Vorgaben. Um den Beratungsprozess zu sichern wird die Beratung in einzelne Phasen aufgeteilt. Diese Sequenzen sind vorab festgelegt und mit klaren Zeitbegrenzungen verbunden. (vgl. Steffan 2008, S. 449) Die einzelnen Phasen der Intervision sollen im Folgenden vorgestellt werden. Je nach Literatur tragen die einzelnen Phasen andere Bezeichnungen, wobei sich die Inhalte zu den Phasen sowie dessen Strukturen und zeitliche Vorgaben gleichen.
Grundlegend für den Ablauf einer Intervision ist das Phasenmodell von Fallner / Gräßlin mit den sechs Phasen der Kollegialen Beratung (vgl. Fallner / Gräßlin 2001 zit. n. Flieder 2017). Für dieses Modell finden sich jedoch in Literatur und Praxis zahlreiche Variationen. Damit stellen die diversen Ablaufschemata, welche sich in der Literatur finden lassen, lediglich eine Orientierung dar. Welcher Ablauf am geeignetsten ist muss in jedem Team selbst, teilweise auch von Fall zu Fall, entschieden werden.
3.1 Vorbereitungsphase
Die Vorbereitung der Intervision mit Begrüßung und Rollenverteilung, wie im vorhergehenden Kapitel vorgestellt, wird in der Literatur teilweise als erste Phase (Eröffnungsphase) angesehen oder, wie dargestellt, auch aus dem eigentlichen Beratungsprozess ausgelagert (vgl. Fallner / Gräßlin 2001 zit. n. Flieder 2017).
Aufgrund meiner Erfahrungen mit Kollegialer Beratung würde ich die Vorbereitung nicht zum eigentlichen Beratungsprozess zählen, da diese Vorbereitungen einen eher „offenen Charakter“ haben und die eigentliche Beratung hier noch nicht stattfindet. Anderseits sind diese Vorbereitungen grundlegend für den weiteren Beratungsprozess. Zudem hat schon die Auswahl der Teilnehmer*innen und die Verteilung der Rollen enormen Einfluss auf die Beratung und letztlich auch auf die Beratungsergebnisse.
Ich habe die Vorbereitung daher dem vorhergehenden Kapitel „Rahmenbedingungen“ zugeordnet, da diese grundlegend und wichtig für den Prozess sind aber, nach meiner Auffassung, keine Sequenz innerhalb des Beratungsprozesses darstellen.
3.2 Explorationsphase
Die erste Phase bezeichnet Steffan als Themeneinbringungsphase. Wie die Bezeichnung schon vermuten lässt, geht es in dieser Phase darum, dass der/die Falleinbringer*in den Fall darstellt. Je nach Literatur wird hier schon die Fragestellung herausgearbeitet, teilweise geschieht dies aber auch erst an späterer Stelle. Für diese Sequenz werden ca. 10 Minuten eingeplant. (vgl. Steffan 2008, S. 449)
In meiner Praxis trägt die erste Phase die Bezeichnung Explorationsphase und dauert ca. zwischen 10 20 Minuten. Auch hier geht es insbesondere um die Falldarstellung. Einen großen Stellenwert haben in dieser Phase in meiner Praxis die mit dem Fall verbundenen Gefühle, da diese bereits auf die Richtung der Beratungsfrage hindeuten können. Der/die Berater*in fragt dann bspw.: „Wie geht es Ihnen damit?“.
3.3 Reflexionsphase I
Es folgt die Nachfragephase. In dieser Phase soll Raum für klärende Nachfragen aus dem Reflecting Team gegeben werden. Diese sollen jedoch nur dem Fallverständnis dienen und noch keinerlei Lösungsvorschläge, Meinungen oder Wertungen enthalten. Hierfür wird eine Dauer von max. drei Minuten empfohlen. (vgl. Steffan 2008, S. 449)
Die zweite Phase ist mir als Reflexionsphase mit einer ungefähren Dauer von fünf bis zehn Minuten bekannt. Hierbei öffnet der/die Berater*in die Beratung für das Reflecting Team (bspw. mit: „Sie haben jetzt die Möglichkeit Nachfragen zu stellen.“). Der/die Falleinbringer*in bleibt dabei passiv. Der/die Berater*in kann die Rückfragen zur späteren Orientierung für alle sichtbar mitschreiben (bspw. auf einem Whiteboard oder Flipchart). Wichtig auch hier: das Reflecting Team kommuniziert nur untereinander.
Fallner / Gräßlin bündeln die Explorations und Reflexionsphase in die sogenannte Darstellungsphase, in welcher der Fall vorgestellt werden soll. In dieser Phase sind auch klärende Rückfragen durch das Reflecting Team möglich. Hierfür werden ca. 15 Minuten eingeräumt. (vgl. Fallner / Gräßlin 2001 zit. n. Flieder 2017)
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