Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Ursachen und die Hintergründe des Judenpogroms in Erfurt im Jahr 1349 und zielt darauf ab, die Aussagen der Chronisten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit in Bezug zu der neueren Literatur zu setzen.
Im Rahmen dieser Vorgehensweise werden die aktuellen Erkenntnisse über die Judenverfolgungen dominieren, weil diese einen ausführlichen Überblick über die Gesamtheit der Aspekte liefern, die dieses Thema betreffen. Überwiegend werden die Werke von Frantisek Graus und Christian Weigelt genutzt, da diese den passenden Zugang zum Thema bieten.
Als Erstes werden die Aussagen des Chronisten Johannes Rothe dargelegt und im Anschluss wird die Pest als Krankheit erklärt. Der Hauptteil der Hausarbeit fokussiert sich auf die Beschäftigung mit dem eigentlichen Judenpogrom, indem dessen Ursachen und Hintergründe aus der Quellen- und aus der Literatursicht vorgestellt werden. Die Zusammenhänge dieser Aspekte sollen am Ende der Hausarbeit in Beziehung gesetzt und kritisch reflektiert werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Chronik des Johannes Rothe
3. Krankheitsbild und Übertragung der Pest
4. Darstellung und Analyse der Quellen- und Literaturaussagen
5. Der Judenpogrom in Erfurt 1349
6. Reflexion
7. Fazit
8. Literatur
1. Einleitung
Die Hausarbeit „Der Erfurter Judenpogrom 1349“ behandelt die Ausschreitungen gegen die jüdische Gemeinde in Erfurt im Jahr 1349 und vergleicht dafür unterschiedliche Aussagen verschiedener Chronisten mit den Erkenntnissen der aktuellen Forschungsliteratur.
Im Vordergrund stehen die Aussagen des Chronisten Johannes Rothe über die Judenverfolgungen des 14. Jahrhundert aus der Düringischen Chronik, die im mittelalterlichen Seminar ausführlich behandelt wurde.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich hauptsächlich mit den Ursachen und die Hintergründe des Judenpogroms in Erfurt im Jahr 1349 und zielt darauf ab, die Aussagen der Chronisten des Mittelalters und der Frühe Neuzeit in Bezug zu der neueren Literatur zu setzen. Im Rahmen dieser Vorgehensweise werden die aktuellen Erkenntnisse über die Judenverfolgungen dominieren, weil diese einen ausführlichen Überblick über die Gesamtheit der Aspekte liefern, die dieses Thema betreffen. Überwiegend werden die Werke von Frantisek Graus und Christian Weigelt genutzt, da diese den passenden Zugang zum Thema bieten.
Als Erstes werden die Aussagen des Chronisten Johannes Rothe dargelegt und im Anschluss wird die Pest als Krankheit erklärt. Der Hauptteil der Hausarbeit fokussiert sich auf die Beschäftigung mit dem eigentlichen Judenpogrom, indem dessen Ursachen und Hintergründe aus der Quellen- und aus der Literatursicht vorgestellt werden. Die Zusammenhänge dieser Aspekte sollen am Ende der Hausarbeit in Beziehung gesetzt und kritisch reflektiert werden.
Insgesamt ist das Ziel der Hausarbeit, den Erfurter Judenpogrom aus dem Jahr 1349 aus verschiedenen Sichten darzustellen, um in Anschluss zu einer kritischen Reflexion der Erkenntnisse zu gelangen.
2. Chronik des Johannes Rothe
Der Geschichts-, Ratsschreiber und Schulmeister Johannes Rothe, geboren 1360 in Creuzburg, Thüringen erschafft mit seiner im Jahr 1421 fertiggestellten „Düringischen Chronik“ einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse der bisherigen Jahrtausende. Rothe beschreibt sowohl regionale (überwiegend auf das heutige Thüringen beschränkt) als auch überregionale Ereignisse, die das Reich betreffen. Das Werk wird im Prolog der Landgräfin Anna von Schwarzburg gewidmet und erfüllt mithilfe des Prosatextes den Zweck der Verfassung einer chronologischen Abfolge von Ereignissen.1
Für die hier vorliegende Hausarbeit werden nur diejenigen Kapitel dieser Chronik zur Auswertung herangezogen, die für die Fragestellung von besonderem Interesse sind. Es handelt sich hierbei vor allem um das Kapitel 687 „Wie konigk Karl von Behemen romischer konig wart“. Rothe beschränkt sich in seiner Chronik auf eine zusammenfassende, kurzgehaltene Übersicht der jeweiligen Vorfälle. Dieser Aspekt bietet überblicksartig die Möglichkeit der chronologischen Aufzählung von Ereignissen, ohne auf den Leser erdrückend zu wirken.
Für die hier zu behandelnde Frage lässt sich deshalb nur das oben genannte Kapitel sinnvoll einbeziehen. Dieses lässt sich thematisch und zeitlich sehr gut abgrenzen und bietet die Grundlage für die Beschäftigung mit dem Thema „Der Erfurter Judenpogrom 1349“.
In Rothes Aufzeichnungen erläutert er in dem oben genannte Kapitel die Judenverfolgungen des 14. Jahrhunderts in Thüringen: „In dem selben jare an unsser lieben frawen tage lichtewey vor vastnacht, do worden yn allen steten yn Doryngen lande die juden getotet gebrant unde erslagin zu Eisenache zu Gotha [zu Cruzburgk] zu Arnstete zu Ilmen zu Neber zu Wihe [zu Tenstete] zu Herbistleiben zu Franckenhussen zu Wissensee [zu Sangirhussen] unde yn allen dorffirn unde slossen.“2 Rothe erwähnt in diesem Abschnitt die systematische Ermordung der Juden in Thüringen im Jahr 1349, nennt allerdings nicht alle betroffenen Städten. Obwohl der Chronist die Stadt Erfurt in diesem Zusammenhang nicht nennt, fällt der Fokus dieser Hausarbeit auf den Judenpogrom in Erfurt. Es gilt zu prüfen, ob Rothes kurze Darstellung über die Ermordung der Juden und deren Hintergründe mit den Zuständen des Jahres 1349 in Erfurt übereinstimmen. Dies soll mithilfe der Forschungsliteratur erreicht werden.
In diesem Zusammenhang spielen die Hintergründe und Motive der Judenermordungen in Thüringen eine wichtige Rolle. Rothe schreibt dazu: „wenn das gemeyne volk zeich sie, das sie die wasser unde borne vorgifftiget hetten unde das man leynen buttil mit der vorgifft dor ynne funden.“3 Die Aussage, die Juden hätten im 14. Jahrhundert die Brunnen und somit das Trinkwasser vergiftet, findet nicht nur bei Rothe Zustimmung. Auch weitere Quellen, wie die Chronik des Zacharias Hogel oder die Peterschronik, liefern Hinweise und Erklärungen zu diesem Thema.
Während der Verfasser der Peterschronik die angeblichen Brunnenvergiftungen durch die Juden als Grund für ihre Ermordung als unwahrscheinlich betrachtet und stattdessen ihre wirtschaftliche Position in diesem Zeitraum in den Vordergrund stellt4, positioniert sich Hogel in seiner im 17. Jahrhundert verfasste Chronik für die Annahme, dass die Juden die Brunnen vergiftet hätten5.
Die Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Altertumskunde beschreibt ebenfalls die Gründe der Judenermordungen in Erfurt während des 14. Jahrhunderts: „Als eine Hauptursache jener blutigen Schreckenszeit für die Juden wird die pestartige Krankheit, der Schwarze Tod genannt, welche aus Asien und zunächst aus der Levante über das südliche Europa sich verbreitete“6.
Betrachtet man die verschiedenen Aussagen der Quellen, wird deutlich, dass die Hintergründe für die Ermordung der Juden im Jahr 1349 sowohl in Erfurt als auch in anderen deutschen Städten unterschiedlich geschildert und begründet werden. Auffällig ist an dieser Stelle auch, dass die Motive für die Judenverfolgungen in den Quellen überwiegend nur durch einen einzigen Aspekt begründet werden, sei es die Brunnenvergiftungstheorie oder der Reichtum der Juden. Es werden keine zusammenhängenden Analysen der rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und religiösen Stellungen der Juden vorgenommen. Dies geschieht erst in der jüngeren Forschung und wird im Rahmen dieser Hausarbeit näher beleuchtet.
Johannes Rothe unterstreicht in seiner Chronik die systematische Ausbreitung der „suche“7, die ihre Anfänge in der „heydinschaft (…) [hatte] unde dornach yn Krichen lande unde zu Venedien unde yn Frangreich unde yn Engelant unde obir alle welsche land, unde qwam do ouch yn dutzsche land“8 sich ausbreitete. Obwohl Rothe in diesem Kapitel keine deutliche Benennung der Seuche zum Ausdruck bringt, ist es davon auszugehen, dass er damit die Pestwelle des 14. Jahrhunderts im Hinterkopf hatte. Die Ursprünge der Pest sieht Rothe auf dem Kontinent Asien, das mit der „heydinschaft“ gleichgesetzt wird. Über die geographische Ausbreitung der Krankheit stellt der Chronist klare Vermutungen auf. Die Pest soll das Deutsche Reich über das heutige Griechenland, Venedig, Frankreich und England erreicht haben. Rothes Annahme über den Ursprung und Ausbreitungsverlauf der Pest stimmt überwiegend mit der Meinung der Forschungsliteratur überein. Die aktuellen Vermutungen zum Ursprung belaufen sich auf den Raum des Kaukasus und die Möglichkeit der Einschleppung soll sich über den Seeweg vom Schwarzen Meer nach Süditalien ereignet haben. Abschließend habe sich die Pest in Nord- und Mitteleuropa ausgebreitet.9
Betrachtet man diese aufeinanderfolgenden Aussagen des Chronisten Rothe kritisch, besteht ein Widerspruch in der Annahme, dass die Seuche durch die Juden hervorgerufen sei, indem diese die Brunnen vergiftet hätten. Allerdings lässt Rothe dem Leser freien Raum zur Interpretation. Er setzt die angeblichen Brunnenvergiftungen durch die Juden nicht in direkter Korrelation zum Ursprung oder Ausbreitungsverlauf der Pest. Es lässt sich an dieser Stelle also nur vermuten, dass Johannes Rothe die Juden verantwortlich für den Ausbruch bzw. Verbreitung der Pest macht. Die Darstellung in der Chronik lässt diese Assoziation zu, wird aber keinesfalls durch eine direkte Beschuldigung der Juden untermauert.
3. Krankheitsbild und Übertragung der Pest
Um den „Schwarzen Tod“, wie die Pest im Mittelalter genannt wurde, aus medizinischer Sicht besser verstehen zu können, gilt es, sich mit dem Krankheitsbild und der Übertragungsform auseinanderzusetzen. Auf diesem Wege können die Vermutungen der aus dem Mittelalter bzw. Frühen Neuzeit stammenden Chronisten bezüglich der jüdischen Beteiligung an der Ausbreitung der Pest belegt oder widerlegt werden. Das Krankheitsbild und die Übertragung der Pest sollen im Folgenden kurz angeschnitten werden, da dies nicht außer Acht gelassen werden darf.
Die hoch ansteckende Pest ist eine Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Yersinia pestis gekennzeichnet ist. Auf Menschen kann die Krankheit durch Flohbisse, Kratzer oder Bisse durch infizierte Tiere übertragen werden.10 Die Krankheit trat im Rahmen einer Pestepidemie bei Ratten auf und verbreitete sich über den Rattenfloh bis schließlich Menschen infiziert wurden.11 Der überwiegende Teil der Pestformen, wie die Bubonen, die Pestsepsis, die Hautpest oder die Pestmeningitis lässt sich nicht von Mensch zu Mensch übertragen und bedarf die Existenz infizierter Flöhe als Auslöser und Überträger der Krankheit. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung erfolgt nur bei der sogenannten Lungenpest, die allerdings die seltenste Form der Infektion ist.12
Die oben genannten Erkenntnisse über die Pest stammen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert. Dies deutet auf die Annahme hin, dass das Krankheitsbild, die Übertragungs- und Ausbreitungsformen in dem hier zu behandelnden Zeitraum (14. Jahrhundert) den Menschen unbekannt waren. Es lässt sich also vermuten, dass die zeitgenössischen Vorstellungen bezüglich dieser Krankheit und auf Grund des mangelnden Wissens verschiedene Interpretationsspielräume offenließen.13
4. Darstellung und Analyse der Quellen- und Literaturaussagen
Die bereits genannten Erkenntnisse sollen als Grundlage der Auseinandersetzung mit dem Thema der vorliegenden Arbeit dienen. Es gilt zu prüfen, welche Vorstellungen die Zeitgenossen über die hochansteckende Krankheit hatten, wie sie diese mit den Juden in Verbindung gebracht und welche Ursachen und Hintergründe im Rahmen der Judenverfolgungen des 14. Jahrhunderts am Beispiel Erfurts eine Rolle gespielt haben.
Die oben aufgeführten Passagen aus den verschiedenen Quellen sollen in diesem Kapitel mit den Erkenntnissen der aktuellen Forschungsliteratur verglichen werden. Anhand dieses Vergleichs kann erkannt werden, inwieweit und ob es zu Übereinstimmungen bezüglich des Verlaufs, der Ursachen und der Interpretation der Judenverfolgungen in Erfurt im 14. Jahrhundert kommt.
Da die Ursachen der Pest für die Zeitgenossen unbekannt waren, wurde in dieser Zeit versucht, die Krankheit als eine Strafe Gottes oder als Ergebnis einer ungünstigen astrologischen Konstellation zu deuten14. An dieser Stelle kann die Frage gestellt werden, warum es zu anderen Deutungsversuchen der Krankheit kam und weshalb die Juden als „Brunnenvergifter“ für die Epidemie verantwortlich gemacht wurden. Trotz der unterschiedlichen Vermutungen waren die Zeitgenossen angeblich der Meinung, „die Pest sei künstlich, von Menschenhand hervorgerufen, es handle sich letztlich um eine Vergiftung. Dem einfachen Volk scheint die Erklärung von einer Vergiftung des Wassers am meisten eingeleuchtet zu haben.“15
Immer noch bleibt die Frage ungeklärt, warum ausgerechnet die Juden dafür verantwortlich sein sollten. Die Beschuldigung der jüdischen Mitbürger für verschiedene Katastrophen hatte ihren Ursprung in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Frankreich, als die Juden „während einer Seuche (…) beschuldigt [wurden], durch die Vergiftung der Brunnen dafür verantwortlich zu sein“16. Im Rahmen des Erfurter Pogroms 1349 wurden die Juden nicht vereinzelt, sondern als „homogene Gruppe beschuldigt und als solche verfolgt“17. Die Zeit des Mittelalters zeichnet sich durch eine starke Stereotypisierung der Juden aus. Als Andersgläubige wurden die Juden in der Diaspora auf Grund ihrer politischen, wirtschaftlichen und kultureller Ansichten und Lebensweisen als Randmitglieder der deutschen Gesellschaft betrachtet und behandelt. Die kirchliche Instanz war stets bemüht, durch Anordnungen die Juden auszugrenzen und ihren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Spielraum einzuschränken.18
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1 Tebruck, Stefan: "Rothe, Johannes" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 118f.
2 Rothe, Johannes/Liliencron, Rochus von: Düringische Chronik des Johann Rothe, Jena 1859, S. 593f.
3 Rothe: Chronik, S.594.
4 Cronica S. Petri, Continuatio III. MGH SS rer. Germ. 42, S.484f.
5 Hogel, Zacharias: Der Chronicken von der Stadt Erffurth, S.357f.
6 Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Alterthumskunde, Bd.4, Jena 1861, S.147.
7 Rothe: Chronik, S.594. („suche“ = Seuche)
8 Ebd.
9 Zinn, Karl Georg: Kanonen und Pest. Über die Ursprünge der Neuzeit im 14. und 15. Jahrhundert, Opladen 1989, S.22f.
10 DocMedicus: Pest.
11 Vasold, Manfred: Pest, Not und schwere Plagen. Seuchen und Epidemien vom Mittelalter bis heute, München 1991, S.76f.
12 DocMedicus: Pest.
13 Leven, Karl-Heinz: Von Ratten und Menschen – Pest, Geschichte und das Problem der retroperspektiven Diagnose, S. 14.
14 Vgl.Graus, Frantisek: Pest - Geißler – Juden: das 14. Jahrhundert als Krisenzeit, Göttingen 1994, S.27.
15 Ebd., S.28.
16 Weigelt, Christian Maria: Das Erfurter Pestpogrom 1349, S.75.
17 Ebd.
18 Vgl. Graus: Pest, S.275ff.