Diese Hausarbeit wurde im Rahmen des Seminars "Entwicklungsförderung und Partizipation; Schwerpunkt: Tod, Sterben, Trauer" erstellt und soll daher eine Darstellung der relevantesten Entwicklungstheorien unter Berücksichtigung der Trauer von Kindern sein. Zu diesem Zweck werden hier die Entwicklungstheoretischen Forschungsergebnisse Piagets mit der Entwicklung kindlicher Todeskonzeptionen verknüpft, da diese mit der Art und Weise des Trauerverhaltens in Zusammenhang stehen, wie in den folgenden Abschnitten erläutert wird. Im Verlauf dieser Hausarbeit wird deutlich werden, dass Kinder in unterschiedlichen Entwicklungsphasen, auf die in den folgenden Abschnitten eingegangen wird, unterschiedliche Konzeptionen und Vorstellungen von den Begriffen Tod und Leben haben.
Daraus ergibt sich die Frage, ob Kinder in unterschiedlichen Entwicklungsphasen auch unterschiedlich trauern und wie sich diese Trauer bemerkbar macht. Aus dieser Frage ergibt sich bereits eine Teilrelevanz, wie sie auch für die Sonderpädagogik vorhanden ist. Denn zu erkennen, wann und wie Kinder trauern und wie man sie bei diesem Prozess unterstützen kann, ist nicht nur elterliche Pflicht, sondern hat auch eine pädagogische Notwendigkeit. Die Hypothese hierzu lautet, das kindliche Trauer die Entwicklung von Kindern beeinträchtigen kann. Ist dies der Fall ist es auch die Aufgabe von Pädagogen diesen Beeinträchtigungen entgegenzuwirken.
Zu diesem Zweck ist es notwendig das Wissen über diese Thematik zu erwerben und daher lautet meine Forschungsfrage im Folgenden: „Wie entwickeln sich Todeskonzeptionen bei Kindern in unterschiedlichen Entwicklungsphasen?“ Um sich der Thematik anzunähern sollen in dieser Arbeit zuerst die grundlegendsten Begrifflichkeiten definiert und ihr Bezug zur Fragestellung aufgezeigt werden. Hier stehen vor allem die Begriffe von Entwicklung, Bindung und Trauer aus wissenschaftlicher Sicht im Vordergrund. Anschließend werden die verschiedenen Entwicklungsphasen beschrieben und ihr Bezug zur Trauerthematik bei Kindern verdeutlicht.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definition: Entwicklung
2.1 Definition: Trauer
2.2 Definition: Bindung
3 Sterben, Tod und Trauer aus soziologischer Sicht
4 Die Entwicklung kindlicher Todeskonzeptionen
4.1 Die senso- motorische Stufe
4.2 Die prä- operationale Stufe
4.3 Die Konret- operationale Stufe
4.4 Die formal- operationale Stufe
5 Die Trauer und der Indikator für Krankheit
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Fakultät I: Bildungs- und Sozialwissenschaften
Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik
Die Entstehung kindlicher Todeskonzeptionen und die daraus folgenden Trauererscheinungen vor dem Hintergrund der Entwicklungstheoretie
Veranstaltung: sop032 – Entwicklungsförderung und Partizipation.
Schwerpunkt: Tod, Sterben, Trauer (SS 19)
Dozentin:
Verfasser: Lukas Bretschneider
Matrikelnummer:
Abgabedatum:
Titel: Die Entstehung kindlicher Todeskonzeptionen und die daraus folgenden Trauererscheinungen vor dem Hintergrund der Entwicklungstheoretie
1 Einleitung
Diese Hausarbeit wurde im Rahmen des Seminars „Entwicklungsförderung und Partizipation; Schwerpunkt: Tod, Sterben, Trauer“ aus dem Modul Sop 032 Entwicklung und Entwicklungsbeeinträchtigungen erstellt und soll daher eine Darstellung der relevantesten Entwicklungstheorien unter Berücksichtigung der Trauer von Kindern sein. Zu diesem Zweck werden hier die Entwicklungstheoretischen Forschungsergebnisse Piagets mit der Entwicklung kindlicher Todeskonzeptionen verknüpft, da diese mit der Art und Weise des Trauerverhaltens in Zusammenhang stehen, wie in den folgenden Abschnitten erläutert wird. Im Verlauf dieser Hausarbeit wird deutlich werden, dass Kinder in unterschiedlichen Entwicklungsphasen, auf die in den folgenden Abschnitten eingegangen wird, unterschiedliche Konzeptionen und Vorstellungen von den Begriffen Tod und Leben haben. Daraus ergibt sich die Frage, ob Kinder in unterschiedlichen Entwicklungsphasen auch unterschiedlich trauern und wie sich diese Trauer bemerkbar macht. Aus dieser Frage ergibt sich bereits eine Teilrelevanz, wie sie auch für die Sonderpädagogik vorhanden ist. Denn zu erkennen, wann und wie Kinder trauern und wie man sie bei diesem Prozess unterstützen kann, ist nicht nur elterliche Pflicht, sondern hat auch eine pädagogische Notwendigkeit. Die Hypothese hierzu lautet, das kindliche Trauer die Entwicklung von Kindern beeinträchtigen kann. Ist dies der Fall ist es auch die Aufgabe von Pädagogen diesen Beeinträchtigungen entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck ist es notwendig das Wissen über diese Thematik zu erwerben und daher lautet meine Forschungsfrage im Folgenden: „Wie entwickeln sich Todeskonzeptionen bei Kindern in unterschiedlichen Entwicklungsphasen?“ Um sich der Thematik anzunähern sollen in dieser Arbeit zuerst die grundlegendsten Begrifflichkeiten definiert und ihr Bezug zur Fragestellung aufgezeigt werden. Hier stehen vor allem die Begriffe von Entwicklung, Bindung und Trauer aus wissenschaftlicher Sicht im Vordergrund. Anschließend werden die verschiedenen Entwicklungsphasen beschrieben und ihr Bezug zur Trauerthematik bei Kindern verdeutlicht. Zu diesem Zweck werde ich unter anderem auf die Forschungsergebnisse der bekanntesten Entwicklungstheoretiker wie Jean Piaget und seiner Stufenlehre zurückgreifen wie sie in Lohaus und Vierhaus (2015) und Siegler, Eisenberg, De Loache & Saffran (2016) dargestellt und beschrieben werden. Auch die Forschungen John Bowlbys werden hier von Interesse sein, da er sich unter anderem auch mit der Trauerthematik auseinandergesetzt hat und dies hier von vorrangigem Interesse ist. In Kapitel 3 soll in dieser Arbeit noch eine gesamtgesellschaftliche Einschätzung zum Thema Leben und Tod auf der Grundlage moderner Forschungsergebnisse dargestellt werden.
2 Definition: Entwicklung
Da der Begriff Entwicklung in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen viele in sich verschiedene Prozesse beschreiben kann, wie z.B. in der Politik- oder Geschichtswissenschaft, ist es vor allem hier überaus wichtig ihn genau zu definieren. Die Entwicklung aus Sicht der Entwicklungspsychologie beschreibt den Prozess der Veränderungen am und innerhalb des Menschen (intraindiviuelle Entwicklung) unter dem Aspekt einer zeitlichen Dimension (Lohaus & Vierhaus, 2015, S. 1). Das heißt, dass die physische und psychische Entwicklung eines Individuums in seinem Lebensprozess im Vordergrund steht. Diese Entwicklung verläuft bei Kindern wie auch bei Erwachsenen im Normalfall in kontinuierlichen, aufeinander aufbauenden, höherwertigen Stufen. Daher sind kurzzeitige oder durch einen äußerlichen Eingriff (Unfall etc.) entstandene Veränderungen nicht als eine Entwicklung zu bezeichnen (2015, S. 3). Für die Thematik dieser Arbeit muss noch hinzugefügt werden, dass hier der Entwicklungsbegriff aus entwicklungspsychologischer Sicht und damit in aller erster Linie die Ontogenese im Vordergrund steht. Die Ontogenese befasst sich, im Gegensatz zur Phylogenese (stammesgeschichtliche Entwicklung) und der Anthropogenese (auf die gesamte Menschheit als Spezies ausgerichtete Entwicklung), mit der Entwicklung des Menschen innerhalb eines Lebenszyklus (2015, S. 5), das heißt, von der Empfängnis bis zum Tod. Im Zentrum der Entwicklungspsychologie stehen also die intraindividuellen Veränderungen und auch die interindividuellen Unterschiede, das heißt, dass Unterschiede in der Entwicklung verschiedener Individuen ebenfalls von Bedeutung sind (Lohaus & Vierhaus, 2015, S. 2). Daraus ergibt sich die Frage: Wie kommen interindividuelle Unterschiede zustande? Hieraus ergibt sich der 3. für die Entwicklungspsychologie und auch für diese Arbeit relevante Aspekt. Dieser ist die Analyse der Entwicklung und ihrer interindividuellen Unterschiede unter dem Aspekt der verschiedenen Rahmenbedingungen, die vor allem Kinder in ihrem Leben aufweisen. Lohaus und Vierhaus (2015, S. 2) nennen hier die materiellen und sozialen Rahmenbedingen als entscheidende Faktoren. In den Abschnitten 4.1 bis 4.4 dieser Arbeit soll es vor allem um die kognitive Entwicklung von Kindern und den damit verbundenen Vorgang der Aneignung von Todeskonzeptionen gehen.
2.1 Definition: Trauer
Die neuere Trauerforschung wird unter anderem als umfangreich und zugleich unübersichtlich beschrieben (Lammer, 2014, S. 3). Vor allem deswegen ist es wichtig, dass der Begriff der Trauer und das, was in umfasst, einer eindeutigen, für diese Arbeit geltenden, Definition unterliegt. Denn diese Definition hat sich im Laufe der bereits Jahrzehnte zurückliegenden Forschung auch gewandelt. So führt unter anderem Kerstin Lammer (2014, S. 1) Siegmund Freuds Definition an, wonach Trauer eine Reaktion auf den Verlust eines geliebten Menschen darstellt oder der Verlust einer an diese Stelle tretenden Abstraktion (Freud 1916, S. 428f). Hervorzuheben ist, dass schon nach dieser Definition Trauer nicht zwangsläufig mit dem Tod eines Menschen zusammenhängt. Hier nimmt Lammer in Bezug auf Freud eine Veränderung des Trauerbegriffs vor: „Trauer ist die normale Reaktion auf einen bedeutenden Verlust.“(2014, S. 2). Nach Feldmann kann Trauer auch als Verlustreaktion in Bezug auf Objekte angesehen werden (Feldmann, 2010, S. 242). Dies ist vor allem mit Blick auf kindliche Trauer interessant und wird in den späteren Abschnitten noch erläutert werden. Gemeinsam haben beide Definitionen den Begriff Verlust. Er impliziert, dass das Auftreten von Trauer nicht zwangsläufig mit dem Tod eines geliebten Menschen oder überhaupt mit dem Tod an sich in Zusammenhang stehen muss. Mit dem Wort Verlust beschreiben wir zwar oft den Tod von Menschen, er ist aber nicht zwangsläufig damit in Verbindung zu bringen (2014, S 2). Das hat auch Freud in seiner Definition festgehalten. Dies festzustellen ist mit Blick auf die folgende thematische Auseinandersetzung der kindlichen Trauer überaus wichtig.
Wenn man den Begriff der Trauer als Verlustreaktion definiert, ergeben sich nach Lammer noch andere produktive Aspekte, die hier noch beschrieben werden sollen. Trauer ist ein natürlicher Vorgang, dient der Verlustbewältigung und ist als „gesunder und psychohygienisch notwendiger Prozess“ (2014, S. 3) zu verstehen. Hier wird hervorgehoben, dass Trauer nichts Negatives ist, was als Krankheit oder Fehlfunktion anzusehen ist (2014, S. 2f). Zusätzlich werden hier die bekannten und differenzierten Erscheinungsformen, in denen sich Trauer äußert, angeführt. Dies sind unter anderem Veränderungen, die am Menschen zu beobachten sind. Dazu zählen die Bereiche der Psyche, des Geistes, des Körpers, des Verhaltens sowie des Sozialverhaltens, also jene Bereiche, die am Menschen untersucht werden, wenn eine eingeschränkte Gesundheit vermutet wird. Denn die drei Aspekte einer intakten Gesundheit sind Physis, Psyche und Sozialverhalten. Mit Blick auf diesen Aspekt der definitorischen Ausführung stellt sich für die folgenden Abschnitte dieser Arbeit folgende Frage: Kann die Trauer, welche an sich ein gesunder und normaler Prozess sein soll, ungesunde Formen annehmen? Und wenn dies so ist, wie erkennt man diese Formen und wie kann man ihnen vorbeugend entgegenwirken? Diese Fragen sind angesichts des Themas Trauer von Kindern in den folgenden Abschnitten zu beantworten.
2.2 Definition: Bindung
Nach Bowlby ist neben dem Ernährungs- und Fortpflanzungsverhalten unter anderem auch das Bindungsverhalten als überlebenswichtiger Instinkt anzusehen (Lammer, 2014, S.39). Das Bindungsverhalten umfasst hierbei alle Aktionen höher entwickelter Lebewesen, die dazu führen eine emotionale Nähe zu einer Bezugsperson aufzubauen. Der Hauptgrund dieses Verhalten zu zeigen ist ein Schutzmechanismus, da die Bindungsfiguren ein Sorgeverhalten an den Tag legen (2014, S. 40). Dieses Sorgeverhalten schließt unter anderem solche elementaren Tätigkeiten wie das Füttern und auch die Einbeziehung in eine schützende Gruppe ein. Kinder beginnen bereits im Säuglingsalter Bindungsverhalten an den Tag zu legen, indem sie Augen- und Körperkontakt suchen oder eine Art Begrüßungsverhalten zeigen (2014, S. 40). Aber auch aggressives Verhalten ist als Bindungsverhalten anzusehen, wenn Kinder schreien und weinen, weil die Bindungsfigur sich entfernt, da hier das Ziel ist dies zu verhindern. Das gerade aufgeführte Verhalten wird nach Bowlby als instinktiv bezeichnet (2014, S. 40). Zusätzlich dazu gibt es aber auch affektives Bindungsverhalten. Affektive Bindungen werden zu einzelnen sehr wichtigen Individuen aufgebaut und sind unter anderem instinktgeleitet, weil sie zum Ziel die emotionale und physische Sicherheit haben (2014, S. 40). Der Aufbau und das Verhalten zur Bildung dieser affektiven Bindungen ist allerdings ein erlernbarer Vorgang, der auch eine gesteuerte, bewusste Komponente des Individuums in sich trägt. Daraus folgt, dass Menschen sich verlieben (2014, S. 40). Das Resultat ist, dass der Wegfall einer solchen Bindung den Trauerprozess hervorruft, womit die Verbindung zum eigentlichen Thema dieser Hausarbeit hergestellt ist. Trauer hat zwei Aufgaben: Einerseits soll sie zur Realisierung beitragen und andererseits soll sie dazu beitragen, dass die Bindung gelöst werden kann (2014, S. 41). Der Aspekt der Realisierung ist vor allem in Bezug auf kindliche Trauer zu beachten, da der Tod eines Mitmenschen oft noch nicht verstanden werden kann, wie in den folgenden Abschnitten erläutert wird. Nimmt man den Tod einmal außer Acht, da er nicht rückgängig zu machen ist, ist Trauerverhalten in einem Trennungsprozess vor allem darauf ausgerichtet, die gelöste Bindung zu erhalten (2014, S. 42). Auch hier legt der Mensch wieder ein Lernverhalten an den Tag, der über zwei Schritte verläuft: Zu einen die Realisierung der vorhandenen Gegebenheiten, um dann zum anderen mit der Anpassung daran fortzufahren. Dieser Vorgang ist wiederrum Teil eines instinktiven Schutzmechanismus. Anhand des Verhaltens soll sich erkennen lassen, wie der Trauerprozess von statten geht. Demnach ist vor allem Wut und Aggression ein Ausdruck für Unverständnis und den Willen das Geschehene rückgängig zu machen (2014, S. 43). Suchverhalten trauernder Menschen kann, oft auch im Wissen der Trauernden, zwanghafte Züge annehmen und ist Ausdruck von Verwirrtheit und Hilflosigkeit (2014, S. 44). Für Angehörige heißt dies auf jeden Fall, dass Unterstützung zur Bewältigung der Situation von größter Relevanz ist. Vor allem im Fall kindlicher Trauer und der damit oft verbundenen nicht gegeben Realitätswahrnehmung wird dies in den nächsten Abschnitten deutlich werden.
3 Sterben, Tod und Trauer aus soziologischer Sicht
Feldmann beschreibt das Fachgebiet der Thanatosoziologie im deutschsprachigen Raum als eher nachrangig erforscht (Feldmann, 2010, S. 10). Dies ist erstaunlich, da Soziologen sich in erster Linie mit der Gesellschaft als Kollektiv beschäftigen und alles, was auf diese Gesellschaft Einfluss übt unter anderem die Lebenserwartung beeinträchtigt. Damit müsste der Tod als Faktor für das Kollektiv oder das Individuum eigentlich eine nennenswerte Rolle spielen. Nach Feldmann ist aber vor allem zur Zeit des 19. Jahrhunderts das Kollektiv und sein Überleben über die Einzelschicksale des Individuums gesetzt worden (2010, S. 11). Die moderne wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik hat ihren Ursprung in den USA der 60er Jahre und gilt nach Feldmann auch heute noch als Randthema in der Soziologie (2010, Seite, 13). Er beschreibt den Tod in der heutigen Zeit als etwas, das ins Private der Familienstrukturen abgesunken ist und dem so gut wie jegliche ideologische oder religiöse Bedeutung abhandengekommen ist (2010, S. 14). Gleichzeitig wird aber auch beschrieben, dass in modernen Gesellschaften der Tod einer enormen Kontrolle unterliegt, die von Subsystemen abgearbeitet und organisiert wird (2010, S.14). Dies ist ein Hinweis auf die bestehenden Pflichten in der heutigen modernen Gesellschaft bezüglich Bürokratie, Beerdigungspflicht und den dazugehörigen Gesetzten, an die man sich halten muss. Der Unterschied zur sogenannten „traditionellen“ (2010, S. 14) Gesellschaft besteht darin, dass der Tod im Normalfall nach einem langen Leben unter natürlichen Umständen eintritt und vor allem der gewaltsame Tod verdrängt wurde. Trotzdem gilt der Tod in unserer heutigen Gesellschaft als durch Medien dargestelltes Ereignis, als omnipräsent und nach Meinung gewisser Autoren als etwas, dessen negative Folgen von Kindern abzuwenden sind (Wass, 2003, S. 99). Als Teil unserer Kultur sind diese negativen Auswirkungen durch Medien aber nie ganz zu verhindern, was daran liegt, dass Kinder mit dem Eintritt in Kindergarten und Schule aus der völligen Kontrolle der Eltern austreten. Trotzdem gilt der Tod in der Familie für Kinder heute als weniger präsent wie früher, da die Lebenserwartung der Mitmenschen heute deutlich gestiegen ist und die Mortalität damit in einen anderen Zeitrahmen fällt. Großeltern sterben heute zumeist erst, wenn Kinder schon alt genug sind um den Vorgang vollständig verstehen zu können [Jonas Bre1] und Kinder müssen heute wesentlich seltener den Tod eines Elternteils erleben als [Jonas Bre2] früher (Feldmann, 2010, S. 247). Die Frage, die sich daraus ergibt, ist, ob dies Kindern eine Möglichkeit genommen hat, sich dieser Situation durch das Erleben frühzeitig anpassen zu können.
4 Die Entwicklung kindlicher Todeskonzeptionen
Um den Vorgang der Entstehung kindlicher Todeskonzeptionen nachvollziehen zu können, soll hier vorher der grundlegende Prozess erklärt werden, welcher die kognitive Entwicklung von Kindern ist. Nach Piaget sind an dieser Entwicklung vor allem die Prozesse der Assimilation und der Akkommodation beteiligt (Siegler, Eisenberg, De Loache & Saffran, 2016, S. 136). Sie beschreiben den Vorgang, in dem sich die kognitiven Strukturen von Kindern in der Auseinandersetzung mit der Umwelt bilden. Diese Umwelt, mit der sich Kinder auseinandersetzen, umfasst gelebte und wahrgenommene Erfahrung (Siegler, et. al., 2016, S. 136). Die Assimilation beschreibt dabei den Vorgang, in dem Kinder das Erfahrene in bereits vorhandene Wissensstrukturen einbetten können (Siegler, et. al., 2016, S. 136). Nach Lohaus und Vierhaus (2015, S. 24) geht der Assimilationsprozess dem Akkommodationsprozess voraus. Hier werden bereits vorhandene Wissensstrukturen als anwendbare Schemata bezeichnet, die je nach Bedarf angewandt werden können. Lassen sich die vorhandenen Schemata nicht mit der erlebten Situation in Einklang bringen, muss eine Lösung erfolgen. Diese Lösung ist der Akkommodationsprozess, bei dem die vorhandenen Schemata so angepasst werden, dass das Erlebte wieder verständlich und sinnvoll ist (2015, S. 24). Tritt ein Wiederspruch innerhalb kindlicher Denkstrukturen auf, bezeichnet man diesen als Disäquilibrium und die Aufhebung dieses Wiederspruchs wiederum wird als Äquilibrium bezeichnet. Ist dieser Prozess erfolgreich verlaufen, spricht man von einem erfolgreichen Entwicklungsvorgang, denn infolge dessen bilden sich immer komplexere Schemata heraus, die im Laufe des Lebens angewendet werden. Dabei ist es noch wichtig zu erwähnen, dass diese Prozesse einen kontinuierlichen oder diskontinuierlichen Verlauf annehmen können und damit ergibt sich die Frage, welche Gründe welcher Verlaufsform zugrunde liegen können und ob ein diskontinuierlicher Entwicklungsverlauf in unserer Gesellschaft als nicht wünschenswert wahrgenommen wird? Sieht man die Prozesse der Assimilation und der Akkommodation als Grundlage der kognitiven Entwicklung, lässt sich bereits erahnen, dass die Umwelt einen erheblichen Einfluss auf die Bildung kindlicher Todeskonzeptionen ausübt und damit an Relevanz gewinnt. Geht man davon aus, dass Kinder nicht von vornherein eine Vorstellung vom Leben und vom Tod haben, wird die Relevanz der Thematik zusätzlich verdeutlicht, da die ersten und wichtigsten Sozialisationsfaktoren im Leben von Kindern meist die Eltern sind. Sie sind der erste und wichtigste Umwelteinfluss, mit dem sich Kinder auseinandersetzen müssen (Wass, 1984, S. 5). Hier besteht die Verbindung von der Entwicklung kindlicher Todeskonzeptionen zur Entwicklungstheorie Piagets, die im Folgenden mit der Darstellung seines Stufenmodells beschrieben wird.
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