In der Pflege wird das Pflegepersonal immer wieder mit ethischen Fragen und Problemen konfrontiert. Sehr oft stehen sie vor Situationen, die eine Entscheidung nach dem richtigen Handeln abverlangt und ein Abwägen unterschiedlicher Werte und Interessen nötig macht. Einen solchen Fall stellen die freiheitsentziehenden Maßnahmen dar. Somit steht das Pflegepersonal immer wieder im Spannungsfeld zwischen ihren (eigenen) Schutzgedanken und dem Freiheitsanspruch der Bewohner. Freilich gibt es nach dem Gesetz Vorgaben, nach denen das Pflegepersonal zu handeln hat, doch reichen diese oft für eine konkrete Entscheidung für oder gegen eine freiheitsentziehende Maßnahme nicht aus. Das Pflegepersonal ist trotz allem verpflichtet zwischen den zwei Rechtsgütern abzuwägen: der Fürsorgepflicht zur Bewahrung der körperlichen Unversehrtheit und dem Grundrecht auf persönliche Freiheit. Dieses Problem kann bei den Pflegekräften zu einem ethischen Konflikt führen, wobei es keine generelle Lösung geben kann sondern in der konkreten Situation die jeweiligen Interessen ausgehandelt, aber auch die jeweiligen Vor- und Nachteile beachtet werden müssen. Freiheitsentziehende Maßnahmen stellen somit eine Gratwanderung des Pflegepersonals zwischen Schutzpflichten und dem Selbstbestimmungsrecht der Bewohner dar.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Problematik
2. Formen freiheitsentziehender Maßnahmen
3. Rechtliche Aspekte
3.1. Begriffsbestimmungen
3.2. Selbstbestimmungsrecht und Freiheitsanspruch
3.3. Rechtliche Grundlagen der Aufsichts- und Betreuungspflicht
3.4. Legitimation freiheitsentziehender Maßnahmen
4. Empirische Untersuchungen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen
5. Ethische Aspekte
5.1. Konfliktsituationen in der Pflege und moralische Dilemmata
5.2. Paternalistische Ethik
5.3. Ethik der Autonomie
5.4. Deontologie
5.5. Teleologie
5.6. Ethik der Verantwortung
6. Möglichkeiten zur ethischen Entscheidungsfindung 21
6.1. Moralische Fragen gemeinsam beraten
6.2. Der Pflegeprozess als Strategie zur moralischen Entscheidungsfindung
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung und Problematik
In der Pflege wird das Pflegepersonal immer wieder mit ethischen Fragen und Problemen konfrontiert. Sehr oft stehen sie vor Situationen, die eine Entscheidung nach dem richtigen Handeln abverlangt und ein Abwägen unterschiedlicher Werte und Interessen nötig macht. Einen solchen Fall stellen die freiheitsentziehenden Maßnahmen dar.
Im pflegerischen Alltag gehören freiheitsentziehende Maßnahmen von Heimbewohnern zu den regelmäßig angewandten Methoden. Auf die BRD hochgerechnet kann man davon ausgehen, dass täglich mit ca. 400.000 freiheitsbeschränkenden und –entziehenden Maßnahmen gerechnet werden muss. Dabei ist zu bedenken, dass Fixierungsmaßnahmen Grundrechte einschränken und die Menschenwürde berühren. Andererseits ist das Pflegepersonal verpflichtet zur Abwendung der Verletzungsgefahr und zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit notwendige Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Dies trifft besonders bei Bewohnern mit kognitiven Einschränkungen zu. Verwirrte Bewohner sind in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt und handeln oft „unvernünftig“. Sie können die Folgen ihres Handelns häufig nicht abschätzen oder beurteilen. Erklärungsversuche, die der Gefahrenvermeidung dienen, scheitern dabei oft. Das Pflegepersonal sieht sich dann häufig gezwungen unter dem Aspekt der Sicherheit freiheitsentziehende Maßnahmen durchzuführen.
Somit steht das Pflegepersonal immer wieder im Spannungsfeld zwischen ihren (eigenen) Schutzgedanken und dem Freiheitsanspruch der Bewohner. Freilich gibt es nach dem Gesetz Vorgaben, nach denen das Pflegepersonal zu handeln hat, doch reichen diese oft für eine konkrete Entscheidung für oder gegen eine freiheitsentziehende Maßnahme nicht aus. Das Pflegepersonal ist trotz allem verpflichtet zwischen den zwei Rechtsgütern abzuwägen: der Fürsorgepflicht zur Bewahrung der körperlichen Unversehrtheit und dem Grundrecht auf persönliche Freiheit. Dieses Problem kann bei den Pflegekräften zu einem ethischen Konflikt führen, wobei es keine generelle Lösung geben kann sondern in der konkreten Situation die jeweiligen Interessen ausgehandelt, aber auch die jeweiligen Vor- und Nachteile beachtet werden müssen. Freiheitsentziehende Maßnahmen stellen somit eine Gratwanderung des Pflegepersonals zwischen Schutzpflichten und dem Selbstbestimmungsrecht der Bewohner dar.
Im zweiten Kapitel möchte ich aufzeigen, was unter freiheitseinschränkenden Maßnahmen zu verstehen ist und welche Formen diese annehmen können.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den rechtlichen Grundlagen von freiheitseinschränkenden Maßnahmen. Dabei gehe ich zuerst auf den Begriff von freiheitseinschränkenden Maßnahmen und deren rechtliche Unterscheidung in Freiheitsentziehung, -beraubung und –beschränkung ein. Weiterhin erläutere ich die Rechte der Bewohner und die Pflichten des Pflegepersonals und versuche diese gegenüber zu stellen.
Um das Ausmaß und die Problematik zu verdeutlichen stelle ich im vierten Kapitel verschiedene empirische Untersuchungen zu diesem Thema vor.
Das fünfte Kapitel beinhaltet ethische Aspekte. Zunächst erläutere ich allgemein Konfliktsituationen und moralische Dilemmata in der Pflege und gehe im Anschluss auf verschiedene ethische Theorien ein, die besonders im Pflegebereich eine Rolle spielen können.
Im sechsten Kapitel möchte ich aufzeigen, welche Möglichkeiten es zur ethischen Entscheidungsfindung gibt und im Pflegealltag auch angewandt werden können.
Im siebten Kapitel möchte ich zusammenfassend ein Fazit ziehen.
2. Formen freiheitsentziehender Maßnahmen
Man spricht von freiheitsentziehenden Maßnahmen, wenn ein Bewohner gegen seinen natürlichen Willen durch mechanische Vorrichtungen oder auf andere Weise in seiner Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigt wird und er diese Beeinträchtigung nicht ohne fremde Hilfe überwinden kann (vgl. HSK 2002, S. 5).
Freiheitsentziehende Maßnahmen werden unterschieden in (vgl. HSK 2002, S. 5ff):
- Fixieren des Betroffenen durch mechanische Vorrichtungen
- Aufstellen von Bettgittern
- Anlegen von Sitzgurten, Leibgurten oder Bauchgurten
- Anlegen von Schutzdecken, Betttüchern oder Schlafsäcken
- Festigung von Stecktischen am (Roll-)Stuhl
- Anlegen von Handfesseln, Fußfesseln oder Körperfesseln
- Einsperren des Betroffenen
- Absperren der Station oder des Zimmers
- Verriegelung der dem Bewohner bekannten und benutzbaren Ausgänge
- komplizierte Schließmechanismen an Türen
- hoch angebrachte Türgriffe
- gesicherte Aufzüge
- Sedierende Medikamente: Schlafmittel, Psychopharmaka, Tranquilizer, wenn sie gegeben werden
- um den Betreuten an der Fortbewegung im Heim oder am Verlassen des Heimes zu hindern
- um die Pflege zu erleichtern
- um Ruhe auf der Station oder im Heim herzustellen
- Sonstige Vorkehrungen
- Zurückhalten am Hauseingang durch Personal
- Wegnahme von Bekleidung und Schuhen
- Wegnehmen von Sehhilfen
- Wegnahme von Fortbewegungsmitteln (Rollstuhl, Gehwagen)
- Elektronische Maßnahmen (angebrachte Sender)
Zusammenfassend stellen grundsätzlich alle Maßnahmen, die den Betroffenen daran hindern, seinen Aufenthaltsort zu verändern, freiheitsentziehende Maßnahmen dar.
3. Rechtliche Aspekte
3.1. Begriffsbestimmungen
Allgemein wird laut dem Verfassungsrecht GG als freiheitseinschränkende Maßnahme jeder Eingriff in die Fortbewegungsfreiheit definiert (Art. 2 II GG).
Im Rahmen von freiheitseinschränkenden Maßnahmen muss aber weiterhin zwischen drei (rechtlichen) Begriffen unterschieden werden: die Freiheitsbeschränkung, -entziehung und -beraubung.
Sowohl eine freiheitsentziehende Unterbringung als auch freiheitsentziehende Maßnahme liegt vor, wenn die Unterbringung oder Maßnahme gegen den Willen des Betroffenen erfolgt und eine gewisse Intensität und/oder Dauer erreicht. Eine Freiheitsentziehung ist hierbei auch durch Medikamente möglich (vgl. Hoffmann/Klie 2004, S. 13).
Freiheitsberaubung dagegen ist ein Tatbestand des Strafrechts. § 239 StGB definiert die Freiheitsberaubung wie folgt: „Wer widerrechtlich einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise des Gebrauchs der persönlichen Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafen bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“ (vgl. Hoffmann/Klie 2004, S. 84).
Nicht als freiheitsentziehende Maßnahme zu werten sind kurzfristige Maßnahmen, die nicht regelmäßig erfolgen, sie werden als freiheitsbeschränkende Maßnahmen bezeichnet. Somit bezeichnen diese Maßnahmen den Eingriff in die Bewegungsfreiheit von geringer Intensität und/oder Dauer. Diese können aber durchaus Freiheitsberaubungen i.S.d. §239 StGB darstellen und bedürfen zu ihrer Legitimation der Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes in einer konkreten Situation (vgl. Hoffmann/Klie 2004, S. 85).
In meiner Hausarbeit verwende ich zur besseren Verständlichkeit den allgemeinen Begriff der freiheitseinschränkenden Maßnahmen unter dem alle Freiheitsentziehungen, -beraubungen und -beschränkungen zusammengefasst werden. Nur bei den rechtlichen Grundlagen ist es wichtig die einzelnen Begriffe auseinander zuhalten, da sie verschiedene und Vorgaben Konsequenzen beinhalten.
In der folgenden Tabelle habe ich die verschiedenen Begriffe zur besseren Übersicht zusammengefasst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: vgl. Hoffmann/Klie 2004, S. 13
3.2. Selbstbestimmungsrecht und Freiheitsanspruch
Das Selbstbestimmungsrecht und der Freiheitsanspruch lassen sich im Wesentlichen aus vier grund- bzw. strafrechtlichen Bestimmungen ableiten (vgl. Borutta 200, S. 58).
Allgemein besagt der Art. 1 Abs. 1 GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Dieser Grundsatz gibt allen Menschen das Recht auf die Wahrung ihrer Würde und verpflichtet auch das Pflegepersonal zur Wahrung dieser Würde. (vgl. Borutta 2000, S. 59)
Art. 2 GG beschreibt die persönlichen Freiheitsrechte: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt […]. Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden.“
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