Inhaltsverzeichnis
1.Die Verwaltung in den USA - Gegenmodell zur Bundesrepublik Deutschland
2.Vom Patronage zum Merit System
3.Die Struktur der Verwaltung
3.1.Ministerialverwaltung
3.2.Extraministerielle Verwaltung
3.3 Der duale Bundesstaat
4.Die Dreiteilung der Verwaltung
Literaturverzeichnis
1. Die Verwaltung in den USA - Gegenmodell zur Bundesrepublik Deutschland
Die Grundstimmung gegenüber und innerhalb der US-Bundesverwaltung wird, auch wenn sich vieles seither verändert hat, nach wie vor durch ein Zitat erfasst, das dem siebten Präsidenten der Vereinigten Staaten Andrew Jackson zugeschrieben wird:
„The duties of all public office are so plain and simple that men of intelligence can readily qualify themselves for their performance“1
Daraus geht hervor, dass Staatsbedienstete weder besonders ausgebildet sein müssen, noch dass sie einen eigenen, herausgehobenen Stand bilden. Des Weiteren gründet das Verständnis von der Verwaltung in den USA auf der Überlegung, dass diese selbst ein Organ der Interessenvertretung ihres Aufgabenbereichs ist beziehungsweise im Dienst der Regierung steht, von deren Existenz sich auch die der Verwaltung direkt ableitet, denn die Verwaltung ist anders als in Deutschland in der Verfassung nicht erwähnt. In Europa bzw. in Deutschland herrscht dagegen die Vorstellung, dass die Verwaltung als neutrales Ausführungsorgan im Dienst der Regierung agiert.
Weiterhin kann sich die deutsche Verwaltung auf eine lange Entwick- lungsgeschichte stützen. Der Beamte fungierte zunächst als Vertreter des Mon- archen vor Ort gegenüber den Untertanen, erst später wandelte sich das Selbstverständnis hin zum Staatsdiener. So gab es schon gewisse Verwaltungseinheiten bevor der heutige demokratische Staat mit seinen Partei- en entstand. Anders in den USA. Dort vollzog sich diese Entwicklung gleichzei- tig. Auch dadurch entstand das andere Bild bezüglich der Neutralität der Verwaltung2.
Außerdem ist das Ansehen der im öffentlichen Sektor Beschäftigten denkbar schlecht. Dies beruht vor allem auf der Tatsache, dass zu Beginn der Republik die Ämter nicht aufgrund von Leistung und Qualifikation sondern durch Günstlingswirtschaft und Korruption vergeben wurden. Auch wenn sich dies mittlerweile geändert hat, ist der schlechte Ruf erhalten geblieben.3 Ausgehend von diesen Überlegungen werde ich im Folgenden zunächst die historische Entwicklung der US-Verwaltung genauer beleuchten. Im An-schluss daran dann die grundlegenden Strukturen der Verwaltungsordnung aufzeigen und in diesem Zusammenhang auch auf Unterschiede oder Gemein-samkeiten zwischen den beiden Verwaltungen der föderalen Staaten Deutsch-land und USA eingehen. Zum Abschluss der Arbeit werde ich schließlich noch einen Blick auf die Verwaltung des Präsidenten werfen. Damit versuche ich einen genauen Einblick in einen sonst kaum betrachteten, aber dennoch nicht zu vernachlässigenden Teil des politischen Systems der USA zu geben, schließlich können moderne Staaten ohne eine funktionierende Verwaltung heutzutage nicht mehr funktionieren geschweige denn existieren.
2. Vom Patronage zum Merit System
Zunächst wende ich mich der historischen Entwicklung zu. Denn das in Europa und insbesondere in Deutschland von je her gebräuchliche Berufs- und Karrierebeamtentum hat sich in den Vereinigten Staaten erst um das Jahr 1880 entwickelt.
Nach der Unabhängigkeitserklärung und der Gründung des Bundesstaa- tes war die nun geschaffene Bundesexekutive zunächst sehr klein. Zur Unter- stützung des Präsidenten gab es nur vergleichsweise wenige Angestellte. So belief sich deren Zahl auf etwa 3.000 Personen im Jahr 1800 sowie 11.000 im Jahr 18284. Und von dieser geringen Anzahl war ein großer Teil noch nicht ein- mal mit Regierungsaufgaben betraut, sondern im Postdienst tätig. Auch waren auf Bundesebene vergleichsweise wenige Mitarbeiter nötig, da die Mehrzahl der Kompetenzen bei den Einzelstaaten lag. So wurden zunächst lediglich Ministerien für Außenpolitik, Finanzen und Militär vom Kongress errichtet. Nach und nach wurden weitere Ministerien eingerichtet beziehungsweise die be- stehenden umgebaut. Heute existieren 15 Departments und mehrere hundert extraministerielle Verwaltungsbehörden. Die Zahl der Bundesbeschäftigten liegt heute bei etwa drei Millionen, was vor allem auf die Folgen der Weltwirtschaftskrise 1929 und dem damit einhergehenden New Deal von Franklin D. Roosevelt, welcher den massiven Ausbau der Sozialpolitik auf Bundesebene vorsah, zurückzuführen ist.
Neben der steigenden Zahl von Beschäftigten ist auch deren Berufung ins Amt von besonderem Interesse. Die in den Anfangsjahren wenigen zu besetzenden Posten in der Verwaltung wurden von den Präsidenten mit Männern aus gehobeneren Schichten besetzt, denen die nötigen Fertigkeiten zugeschrieben wurden. Meist blieben diese auch bei einem Regierungswech- sel weiter im Amt. Dieses Patronage-System, wonach die Verwaltungsange- stellten allein von der Gunst des Präsidenten abhingen, fand bei den ersten sechs Präsidenten Anwendung.
Andrew Jackson, der siebte Präsident, jedoch war nicht der Auffassung, dass einzig und allein die Herkunft aus einem wohlhabenden Haus eine ausrei- chende Befähigung sei, einen Posten in der Verwaltung zu übernehmen. Er prägte den zu Beginn der Arbeit zitierten Satz, wonach diese Tätigkeiten so einfach seien, dass jeder Bürger sie vollbringen oder erlernen könne5. Des Weiteren würde die Besetzung von Ämtern mit einfachen Bürgern die Ver- bindung zwischen Volk und Regierung und somit die Demokratie an sich stär- ken. Gestützt auf diese Überlegung wurde das bestehende Patronage-System unter der Ägide Jacksons zum so genannten Spoils-System, was auf deutsch Beute-System bedeutet, ausgebaut. Nahezu sämtliche Posten in der Bundes- verwaltung wurden von nun an als persönliche Beute des Präsidenten bei dessen Wahlsieg betrachtet und an Parteigänger und Günstlinge verteilt. Auch wenn Jackson selbst davon wenig Gebrauch machte, nutzten seine Nachfolger dieses neue Verständnis der Patronage weitreichend und verteilten Ämter bis in die untersten Ebenen der Verwaltung6.
Dieses System der Postenvergabe war für die Anfangsjahre, in denen die Bundesverwaltung klein und deren Aufgaben noch vergleichsweise einfach waren, durchaus brauchbar. Aber mit der zunehmenden Größe des Landes, aufgrund der Westausdehnung sowie dem Einsetzen der industriellen Revoluti- on und den damit steigenden Anforderung sowohl an die Mitarbeiterzahl sowie an deren Fertigkeiten, traten die Schwächen des Spoils-System immer offener zu Tage. So beklagte sich auch Präsident Lincoln schon während des Bürger- krieges 1861-65 über die mangelnde Befähigung der Verwaltungsbediensteten. Die Ursache dafür schrieb er dem System der Postenvergabe zu7. Hinzu kam auch noch die Gefahr der erleichterten Korrumpierbarkeit durch diese Günst- lingsversorgung. Doch auch er konnte oder wollte daran nichts ändern.
Erst im Jahr 1883 verabschiedete der Kongress schließlich den Pendle- ton Act, der die Errichtung das so genannten Merit-Systems vorsah. Damit war der Weg für die Errichtung einer auf Qualifikation beruhenden Besetzung von Ämtern frei. Grund für die Wende hin zum Merit-System war die Ermordung Präsident Garfields im Jahr 1881 durch einen enttäuschten Anhänger, dem ein lukrativer Posten in der Bundesexekutive versprochen, aber dann nicht gege- ben wurde8. Aufgrund des Pendleton Act wurde schon zwei Jahre nach In- Kraft-Treten eine Quote von 10% der Beschäftigten erreicht, die aufgrund ihrer Qualifikation eingestellt wurden. Bis 1919 erreichte die Quote dann 70% und ist schließlich seit 1947 nicht mehr unter einen Wert von 80% gefallen9.
Mit der Errichtung des Merit-Systems wurde auch eine entsprechende Behörde zur Überprüfung der Qualifikation errichtet, die so genannte Civil Service Commission. Allerdings wurde diese eine Behörde 1978 zugunsten zweier neuer Einrichtungen abgeschafft. Ab diesem Zeitpunkt existiert das Office of Personal Management, zuständig für die Einstellung, und das Merit Service Protection Board, zuständig für Disziplinarmaßnahmen.
Doch auch das auf Qualifikation beruhende Merit-System bringt Nachtei- le mit sich. So sehr die bloße Auswahl anhand von Gefälligkeiten inkompetente und korrupte Beamte mit sich bringt, so sehr verliert der Präsident, als oberstes exekutives Organ, an Einfluss auf seine Verwaltung, bei bloßer Auswahl nach Qualifikation und damit fehlender persönlicher oder politischer Bindung an die oberste Führungsspitze. Insbesondere gilt dies wenn die Verwaltung, wie in den USA, lange Zeit unkontrolliert gewachsen ist und sich viele verschiedene Behörden mit ähnlichen Kompetenzen gegenseitig Konkurrenz machen10. Um diesen Problemstellungen zu begegnen wurde als letzter Entwicklungsschritt 1978 vom Kongress das Senior Executive Office errichtet. Dort sind etwa 8.000 Beamte beschäftigt, die eine Art Führungselite darstellen und unmittelbar vom Präsidenten abhängen, allerdings nicht entlassen, sondern lediglich zurückge- stuft werden können11. Somit stellt es eine Mischform aus Qualifikations- und Patronagewesen dar. Dieses gesamte System wird auch als Executive Leader- ship System bezeichnet.
Festzuhalten bleibt, dass das Patronagewesen bis heute nicht gänzlich überwunden ist, das Merit-System dennoch zum weit größten Teil die Einstel- lungspraxis in der US-Verwaltung bestimmt. Damit sind die Möglichkeiten für Patronage sowohl von Seiten des Präsidenten, der immer noch etwa 2000 Posten besetzen kann12, als auch von Seiten des Senats, der dafür seine Zu- stimmung geben muss, gegenüber der Zeit vor der Einführung des Merit-Sys- tems stark eingeschränkt. Dennoch ist das Patronagewesen aber nicht gänz- lich verschwunden13, insbesondere bei der Besetzung von Führungspositionen.
3. Die Struktur der Verwaltung
Die Verwaltung in den Vereinigten Staaten besteht zunächst aus dem Präsidenten, von dem sich jegliche exekutive Macht ableitet. Hinzu kommt die Ministerial- sowie die extraministerielle Verwaltung, die sich in Independet Re- gulatory Commissions, Executive Agencies und Government Corporations un- terscheiden lässt.
Der Präsident hat die Befugnis alle öffentlichen Bundesämter zu besetzen. Er ernennt somit alle Secretaries, in etwa den deutschen Bundes- ministern vergleichbar, allerdings mit weit weniger Kompetenzen, weiterhin Behördenchefs sowie viele Beamte.
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1 Patterson, Thomas P. (1993); The American Democracy; McGraw-Hill; New York u.a.; Se- cond Edition; S. 575
2 Vgl. Kleinsteuber; Hans J. (1984); Die USA - Politik, Wirtschaft, Gesellschaft; Hoffmann und Campe; Hamburg; S. 122
3 Vgl. Kleinsteuber; Hans J. (1984); a.a.O.; S. 127
4 Vgl. Patterson, Thomas P. (1993); a.a.O.; S. 575
5 Vgl. Patterson, Thomas P. (1993); a.a.O.; S. 576
6 Vgl. Kleinsteuber; Hans J. (1984); a.a.O.; S. 124
7 Vgl. Patterson, Thomas P. (1993); a.a.O.; S. 577
8 Vgl. Patterson, Thomas P. (1993); a.a.O.; S. 577
9 Vgl. Patterson, Thomas P. (1993); a.a.O.; S. 578
10 Vgl. Kleinsteuber; Hans J. (1984); a.a.O.; S. 123
11 Vgl. Patterson, Thomas P. (1993); a.a.O.; S. 579f.
12 Vgl. Kleinsteuber; Hans J. (1984); a.a.O.; S. 125
13 Vgl. Kleinsteuber; Hans J. (1984); a.a.O.; S. 124
- Arbeit zitieren
- Christian Schneider (Autor:in), 2005, Die Bundesverwaltung in den USA - Historie, Aufbau und Unterschiede zur Bundesrepublik Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/52598