30. 10. 1911: Aby Warburg befindet sich in Urlaub in der Villa Amitié in Oberhof. Von dort schreibt er in einem Brief an den Gustav Glück „Sie können sich wol denken, daß ich Ihnen für die ‚Placirung’ meiner Einzelstudien aufrichtig verbunden bin: ich habe es schon beinahe aufgegeben, Verständnis für die Studien eines Desperado’s historischer Gründlichkeit zu erwarten; daher ist mir ihre Auffassung des Problems eine wirkliche Freude. Im Herbst soll etwas ‚astrologisches’ herauskommen: 4 arbeitsvolle Jahre sitze ich daran.“
Was Warburg hier so lakonisch als „etwas ‚astrologisches’“ bezeichnet, soll zu einer der bedeutendsten Arbeiten der Kunstgeschichte – oder besser, um im Sinne Warburgs zu sprechen: der Bildwissenschaften – werden. Am 19. 10. 1912 wird er vor dem Kollegium des 10. Internationalen Kunsthistorischen Kongresses in Rom seine Forschungsergebnisse vorstellen. Seit Februar 1911 arbeitete er mit A. Venturi an den Vorbereitungen dieses Kongresses, der sich mit der italienischen Kunst und ihrem Verhältnis zu anderen Ländern beschäftigen sollte. Er hielt das Referat unter dem Titel: „Antike Kosmologie in den Monatsdarstellungen des Palazzo Schifanoja zu Ferrara“. Etwas spezifischer ist der Titel, welcher der 1922 publizierten schriftlichen Arbeit vorangeht: „Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara“.
Ziel dieser Arbeit wird es sein, aufzuzeigen, in welcher Art und Weise Warburg seine Erkenntnisse errang, welchen Anspruch er an seine Arbeit stelle. Wir werden sehen, dass Warburg sich der von ihm selbst so betitelten „ikonologischen Methode“ bedient. Die praktische Gründung der Ikonologie fand aber bereits mit seiner Botticelli-Dissertation 1893 statt. Er entwickelt die Methode zwar aus der Ikonographie, doch geht die Ikonologie weiter, indem sie eine umfassende kulturwissenschaftliche Interpretation des Kunstwerkes anstrebt und dabei von einer Untersuchung seiner kulturellen, geistesgeschichtlichen, philosophischen, religiösen, psychologischen, ökonomischen, historischen, gesellschaftlichen und anderer relevanter Bezüge ausgeht. Immanent ist das Interesse an der historischen Entwicklung der Elemente. Sein, im angelsächsischen Raum auch als „Warburgian Method“ bezeichnetes Herangehen, sollte im Laufe des 20. Jh. Schule machen. Hauptvertreter der Ikonologie wird Panofsky werden. Neben der Methodik Warburgs wird die Frage nach ihrem Erfolg bzw. ihrer Gültigkeit Eingang in diese Arbeit finden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Salone dei Mesi
- Der Vortrag Warburgs
- Die Entschlüsselung der Dekane
- Neues Interesse an der Astrologie im 10. Jahrhundert
- Ikonologie des oberen Registers
- Der Inspirator
- Kritik
- Antriebsquelle Angst
- Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Aby Warburgs Forschung zum Palazzo Schifanoja in Ferrara, insbesondere seine Präsentation auf dem 10. Internationalen Kunsthistorischen Kongress in Rom im Jahr 1912. Ziel ist es, Warburgs Methodik, seine Erkenntnisse und den Anspruch seiner Arbeit zu beleuchten. Darüber hinaus soll die Frage nach dem Erfolg und der Gültigkeit seiner „ikonologischen Methode“ untersucht werden.
- Warburgs „ikonologische Methode“ und ihre Anwendung auf die Fresken des Palazzo Schifanoja
- Die Entschlüsselung der astrologischen Bedeutung der Monatsdarstellungen
- Die Rezeption von Warburgs Forschungsergebnissen und ihre Bedeutung für die Kunstgeschichte
- Die Verbindung von Kunst und sozialem Gedächtnis im Werk Warburgs
- Die historische Entwicklung der Elemente in den Fresken des Palazzo Schifanoja
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung präsentiert Aby Warburgs Arbeit zum Palazzo Schifanoja als eine der bedeutendsten Arbeiten der Kunstgeschichte. Sie stellt den historischen Kontext von Warburgs Forschung und seine methodischen Ansätze vor.
- Der Salone dei Mesi: Dieser Abschnitt beschreibt die Fresken im Salone dei Mesi des Palazzo Schifanoja, die Warburgs Forschung zugrunde liegen. Er geht auf die technischen Daten, die Künstler und die Entstehungszeit der Fresken ein.
- Der Vortrag Warburgs: Dieser Abschnitt analysiert Warburgs Vortrag über die Fresken des Palazzo Schifanoja. Er beleuchtet Warburgs Interpretation der astrologischen Bedeutung der Monatsdarstellungen und seine ikonologische Methode.
- Kritik: Dieser Abschnitt soll die Kritik an Warburgs Arbeit und die Rezeption seiner Forschungsergebnisse beleuchten.
- Antriebsquelle Angst: Dieser Abschnitt untersucht die Rolle der Angst in Warburgs Arbeit und seine Motivationen, die Fresken des Palazzo Schifanoja zu erforschen.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Aby Warburg, Ikonologie, Palazzo Schifanoja, Ferrara, Astrologie, Kunstgeschichte, soziales Gedächtnis, Renaissance, Fresken, Monatsdarstellungen, Dekane, Botticelli, Erwin Panofsky, Ernst Gombrich, Rudolf Wittkower.
- Quote paper
- Robert Gander (Author), 2006, Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara, 1912/1922 - Eine Analyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/52292