Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Rechtsformwahl im Kapitalgesellschaftsrecht und vergleicht dabei die Rechtsformen der AG und GmbH bezüglich den Kriterien "Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsvertrag" und "Leitung der Gesellschaft". Die Satzung der AG wird insbesondere anhand der Unterteilung ihrer Satzungsbestandteile erläutert. Beim Gesellschaftsvertrag der GmbH wird unter anderem auf Hinauskündigungsklauseln und Russian-Roulette-Klauseln eingegangen. Bei den Unterschieden bezüglich der Leitung wird bei der GmbH speziell die Möglichkeit der Reduzierung der Geschäftsführer als faktisches Ausführungsorgan diskutiert. Abschließend wird eine Emfpehlung für Gründer anhand der untersuchten Kriterien gegeben.
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Gestaltungsfreiheit in Satzung und Gesellschaftsvertrag
-. Satzung der AG
-. Gesellschaftsvertrag der GmbH
C. Leitung der Gesellschaft
-. Vorstand
-. Geschäftsführer
D. Empfehlung
A. Einleitung
Deutsche Gründer stehen im Gründungsprozess vor der schwierigen Frage, welche Rechtsform sie wählen sollen. Kapitalgesellschaften bieten den Vorteil, dass deren Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft meistens nicht persönlich haften müssen.1 Zu den wohl bekanntesten deutschen Kapitalgesellschaften zählen die Aktiengesellschaft (AG) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Die folgende Studienarbeit soll einen Vergleich dieser beiden Gesellschaftsformen aufstellen sowie die Vor- und Nachteile herausarbeiten, die sich bei der Gründung der jeweiligen Gesellschaft ergeben. Dazu werden, unter Berücksichtigung des begrenzten Umfangs dieser Studienarbeit, nur zwei relevante Aspekte der Rechtsformwahl als Vergleichsbasis hinzugezogen. Zunächst werden die Unterschiede in der Gestaltungsfreiheit der Satzung bzw. des Gesellschaftsvertrags erläutert. Anschließend wird die Leitung der AG sowie GmbH als zweites Kriterium näher betrachtet. Auf Grundlage der jeweiligen Vergleichskriterien soll im Schluss dieser Studienarbeit eine Empfehlung an Gründer gegeben werden, welche Rechtsform unter welchen Umständen gewählt werden sollte.
B. Gestaltungsfreiheit in Satzung und Gesellschaftsvertrag
Der Gründungsprozess startet bei der AG und bei der GmbH mit der Feststellung der Satzung2 bzw. des Gesellschaftsvertrags3, wobei diese notariell beurkundet werden müssen (vgl. § 23 Abs. 1 S. 1 AktG und § 2 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Sie enthalten einerseits die Vereinbarung der Gründer, die Gesellschaft zu errichten.4 Auf der anderen Seite dienen sie auch als Verfassung der Gesellschaft.5 Das heißt sie regeln die innere Struktur der Gesellschaft und organisieren die Rechtsstellung der Organe sowie das Verhältnis von beitretenden Gesellschaftern gegenüber der Gesellschaft.6 Satzung und Gesellschaftsvertrag sind daher als Schuld- und Organisationsvertrag anzusehen.7
-. Satzung der AG
Die Bezeichnungen „Satzung“ und „Gesellschaftsvertrag“ werden im Aktiengesetz synonym angewendet, worauf auch die Nennung der beiden Begriffe in § 2 AktG schließen lässt.8 Inhaltlich ist bei der Satzung zwischen echten und unechten Satzungsbestimmungen zu unterscheiden.9 Die echten Satzungsbestimmungen, welche auch als materielle oder korporative Satzungsbestandteile bezeichnet werden, enthalten Regelungen, die sich an die AG und ihr Verhältnis zu den Gründern bzw. den künftigen Aktionären richten.10 Hierunter zählen insbesondere die Bestimmungen nach § 23 Abs. 3, Abs. 4 AktG, welche zwingend in der Satzung aufzunehmen sind.11 Auch Abweichungen im Sinne des § 23 Abs. 5 S. 1 AktG sowie gesellschaftsrechtliche Pflichten der AG gegenüber den Aktionären zählen zu den materiellen Satzungsbestandteilen.12 Gerichtsstandsklauseln gehören nach Auffassung des BGH nur zu den echten Satzungsbestimmungen, wenn sie sowohl die jetzigen als auch die künftigen Aktionäre betreffen.13
Demgegenüber handelt es sich bei unechten Satzungsbestimmungen, welche auch als formelle Satzungsbestandteile bezeichnet werden, um solche Regelungen, welche nicht grundlegend für die AG und ihr Verhältnis zu den Aktionären sind.14 Vielmehr sind dies Bestimmungen, die lediglich schuldrechtliche Verpflichtungen zwischen Gründern und der AG, Dritten oder weiteren Aktionären betreffen.15 Aufgrund ihrer untergeordneten Bedeutung für die Verfassung der Gesellschaft könnten sie somit auch regelmäßig außerhalb der Satzung vereinbart werden, ohne dass deren Wirksamkeit beeinträchtigt werden würde.16 Dies gilt allerdings nicht, soweit die Bestimmung als notwendiger Satzungsbestandteil explizit vorgeschrieben ist, wie es beispielsweise bei einem dem Aktionär eingeräumten Sondervorteil nach § 26 Abs. 1 AktG der Fall ist.17 Als Beispiele für unechte Satzungsbestimmungen können die die Organe betreffende Geschäftsordnung18 oder die erstmalige Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder19 genannt werden. Die praktische Bedeutung der Abgrenzung zwischen echten und unechten Satzungsbestandteilen ergibt sich bei Betrachtung der Auslegungsgrundsätze:20 Während materielle Satzungsbestandteile objektiv auszulegen sind,21 gelten für formelle Satzungsbestandteile die üblichen Auslegungsregeln für Willenserklärungen (gem. §§ 133, 157 BGB).22 Fraglich ist, wie solche Satzungsbestimmungen behandelt werden sollen, die sowohl zu den echten als auch zu den unechten Regelungen gehören können.23 Derartige indifferente Satzungsbestandteile können beispielsweise Nebenleistungspflichten gemäß § 55 AktG oder die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder nach § 113 Abs. 1 S. 1 AktG sein.24 Im Falle der Aufsichtsratsvergütung ist also unklar, ob es sich nur um eine schuldrechtliche Regelung zwischen der AG und den Gründern handelt, oder um eine Bestimmung, welche sich auf das allgemeine Gesellschaftsverhältnis bezieht.25 Soweit von den Gründern keine satzungsmäßige Zuordnung vorgenommen wurde,26 ist die Kategorisierung indifferenter Satzungsbestandteile durch die objektive Auslegung des tatsächlichen Willens der Gründer vorzunehmen, wobei im Zweifel das Vorliegen einer materiellen Bestimmung anzunehmen ist.27
Der Mindestinhalt der Satzung ist in § 23 Abs. 3, Abs. 4 AktG geregelt.28 Demnach muss die Satzung unter anderem Angaben über den Sitz der Gesellschaft (§ 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG) sowie die Höhe des Grundkapitals (§ 23 Abs. 3 Nr. 3 AktG) enthalten. In der Praxis enthält die Satzung einer AG neben dem Mindestinhalt noch zahlreiche weitere Bestimmungen.29 Derartige Bestimmungen können beispielsweise den Einsatz eines zusätzlichen Gremiums (z.B. Verwaltungsrat) vorsehen30 oder die Vertretungsregelungen festlegen, die bei einem aus mehreren Personen bestehenden Vorstand gelten sollen.31 Diese Satzungsregelungen müssen aber im Einklang mit § 23 Abs. 5 AktG stehen, wonach die Satzung nur von den Vorschriften des Aktiengesetzes abweichen kann, wenn dies ausdrücklich zugelassen ist. Dieses Prinzip der Satzungsstrenge32 wird mit dem Schutz der Gläubiger sowie künftigen Aktionären begründet.33 So soll jeder Aktionär davon ausgehen können, dass die Satzung keine außergewöhnlichen Regelungen enthält.34 Zwar sichert dies die Umlauffähigkeit der Aktie, allerdings ist die Einschränkung der Satzungsautonomie eine unmittelbare Folge.35 Lediglich bei Hauptversammlungsbeschlüssen findet sich eine Vielzahl an Öffnungsklauseln, die Abweichungen vom Gesetz gestatten; diese betreffen insbesondere die Abdingbarkeit von Beschlussmehrheiten (u.a. §§ 52 Abs. 5 S. 3, 193 Abs. 1 S. 2 AktG) sowie das Aufstellen weiterer Erfordernisse (u.a. §§ 103 Abs. 1 S. 3, 186 Abs. 3 S. 3).36 Mit Blick auf die Auflistung der abdingbaren Vorschriften des Aktiengesetzes37 lässt sich insgesamt jedoch feststellen, dass das Gesetz für Gründer wenige Möglichkeiten bietet, von der grundlegenden Verfassung der AG stark abzuweichen. In der Praxis sind daher schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen Aktionären üblich, welche zwar keine korporative Wirkung entfalten, aber die Beziehungen zwischen jenen regeln.38 Da solche Vereinbarungen meistens einen bestimmten Zweck verfolgen, führen sie zur Gründung einer GbR nach §§ 705 ff. BGB.39 Zudem sind schuldrechtliche Nebenabreden als unechte Bestimmungen zu klassifizieren, weshalb sie nicht zwingend in die Satzung aufgenommen werden müssen, was in der Praxis aus Publizitätsgründen die Regel ist.40 Als wichtiges Beispiel für schuldrechtliche Aktionärsvereinbarungen sind Stimmbindungsverträge zu nennen, durch welche sich die Parteien zu einer bestimmten Stimmrechtsausübung verpflichten,41 wobei die Verpflichtung nur im Innenverhältnis Bestand hat.42 Ferner können aktionärsrechtliche Nebenabreden u.a. Verfügungen über Aktien, Kapitalmaßnahmen oder Schiedsgerichtsvereinbarungen betreffen,43 solange die gesetzlichen und gesellschaftsrechtlichen Grenzen eingehalten werden.44
-. Gesellschaftsvertrag der GmbH
Der Gesellschaftsvertrag der GmbH ist inhaltlich nach obligatorischen und fakultativen Bestimmungen zu trennen.45 Während die obligatorischen Bestimmungen den Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrags nach § 3 Abs. 1 GmbHG enthalten,46 sind fakultative Bestimmungen i.S.d. § 3 Abs. 2 GmbHG darüber hinausgehende freiwillige Vorschriften, die nur im Gesellschaftsvertrag wirksam festgesetzt werden können.47 Überdies gibt es noch sonstige fakultative Regelungen, welche in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden können, aber zur Erlangung ihrer Wirksamkeit nicht eingearbeitet werden müssen.48 Im Gegensatz zur AG gilt im GmbH-Recht eine weitreichende Gestaltungsfreiheit bei den Regelungen des Gesellschaftsvertrags,49 da die meisten Vorschriften dispositiv sind.50 Zwingend sind jedoch unter anderem die Normen, welche sich auf das Außenverhältnis der GmbH beziehen, sowie Regelungen zur Stellung des Geschäftsführers oder Minderheiten schützende Vorschriften.51 Abseits des GmbHG bilden die allgemeinen Schranken der Vertragsfreiheit (vgl. §§ 134, 138 BGB) die Grenzen der Satzungsautonomie.52 Insbesondere die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB hat in Bezug auf sogenannte Hinauskündigungsklauseln große Bedeutung erlangt.53 Eine solche Klausel gestattet es einem oder mehreren Gesellschaftern, den Ausschluss eines bestimmten Mitgesellschafters ohne sachlichen Grund aus der GmbH zu veranlassen.54 Für die Zulässigkeit einer solchen Satzungsklausel spricht unter anderem, dass sich der Hinausgekündigte in dem Gesellschaftsvertrag als „Gesellschafter minderen Rechts“55 gegenüber den Mitgesellschaftern unterworfen hat.56 Dies ist nach der Auffassung von Altmeppen nicht sittenwidrig, sondern nach den Grundsätzen der Privatautonomie möglich.57
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1 Grunewald, Gesellschaftsrecht, Zweiter Teil, Rn. 1.
2 MüKoAktG/ Pentz, § 23, Rn. 10.
3 MüKoGmbHG/ Heinze, § 2, Rn. 3.
4 MAH/ Voß, § 7, Rn. 1; MüKoGmbHG/ Heinze, § 2, Rn. 4.
5 MAH/ Voß, § 7, Rn. 1; MüKoGmbHG/ Heinze, § 2, Rn. 4.
6 MüKoGmbHG/ Heinze, § 2, Rn. 4.
7 Hüffer Koch AktG/ Koch, § 23, Rn. 7; MüKoGmbHG/ Heinze, § 2, Rn. 4.
8 Handbuch Aktienrecht/ Würz, Kapitel 4, Rn. 1.
9 BGH, Urteil vom 29.09.1955- II ZR 225/54, NJW 1955, 1716; Handbuch Aktienrecht/ Würz, Kapitel 4, Rn. 16; MüKoAktG/ Pentz, § 23, Rn. 39; Spindler/ Stilz/ Limmer, § 23, Rn. 4.
10 Hölters Aktiengesetz/ Solveen, § 23, Rn. 4;MüKoAktG/ Pentz, § 23, Rn. 40.
11 Handbuch Aktienrecht/ Würz, Kapitel 4, Rn. 17.
12 MüKoAktG/ Pentz, § 23, Rn. 40.
13 BGH, Urteil vom 11.10.1993- II ZR 155/92, NJW 1994, 51, 52.
14 Hölters Aktiengesetz/ Solveen, § 23, Rn. 5.
15 MüKoAktG/ Pentz, § 23, Rn. 41 f.
16 MüKoAktG/ Pentz, § 23, Rn. 41.
17 MAH/ Voß, § 7, Rn. 10.
18 Handbuch Aktiengesetz/ Würz, Kapitel 4, Rn. 18.
19 Hüffer Koch AktG/ Koch, § 23, Rn. 4.
20 MAH/ Voß, § 7, Rn. 6.
21 BGH, Urteil vom 11.10.1993- II ZR 155/92, NJW 1994, 51, 52; Hölters Aktiengesetz/ Solveen, § 23, Rn. 7.
22 Hölters Aktiengesetz/ Solveen, § 23, Rn. 7; MüKoAktG/ Pentz, § 23, Rn. 51.
23 Hüffer Koch AktG/ Koch, § 23, Rn. 5.
24 Hüffer Koch AktG/ Koch, § 23, Rn. 5.
25 MüKoAktG/ Pentz, § 23, Rn. 44.
26 BGH, Urteil vom 25.10.1962- II ZR 188/61, NJW 1963, 203, 204; Schmidt/ Lutter/ Seibt, § 23, Rn. 8.
27 Hüffer Koch AktG/ Koch, § 23, Rn. 5; Schmidt/ Lutter/ Seibt, § 23, Rn. 8.
28 Hölters Aktiengesetz/ Solveen, § 23, Rn. 19.
29 MüKoAktG/ Pentz, § 23, Rn. 155.
30 Handbuch Aktiengesetz/ Würz, Kapitel 4, Rn. 62.
31 Handbuch Aktiengesetz/ Würz, Kapitel 4, Rn. 67.
32 Hellermann, NZG 2008, 561.
33 Hölters Aktiengesetz/ Solveen, § 23, Rn. 29; Hüffer Koch AktG/ Koch, § 23, Rn. 34.
34 MüKoAktG/ Pentz, § 23, Rn. 58.
35 Grigoleit/ Vedder, § 23, Rn. 36.
36 MüKoAktG/ Pentz, § 23, Rn. 163.
37 MüKoAktG/ Pentz, § 23, Rn. 163.
38 MAH/ Sickinger, § 11, Rn. 1.
39 MüKoAktG/ Pentz, § 23, Rn. 198
40 Hüffer Koch AktG/ Koch, § 133, Rn. 26; MAH/ Sickinger, § 11, Rn. 8.
41 Hüffer Koch AktG/ Koch, § 133, Rn. 25.
42 MAH/ Sickinger, § 11, Rn. 23.
43 MAH/ Sickinger, § 11, Rn. 9 ff.
44 MAH/ Sickinger, § 11, Rn. 4.
45 Baumbach/ Hueck/ Fastrich, § 3, Rn. 2..
46 BeckOK GmbHG/ Jaeger, § 3, Rn. 1.
47 Henssler/ Strohn/ Schäfer, § 3, Rn. 21.
48 Baumbach/ Hueck/ Fastrich, § 3, Rn. 2.
49 MüKoGmbHG/ Wicke, § 3, Rn. 148.
50 Baumbach/ Hueck/ Fastrich, Einleitung, Rn. 4.
51 MüKoGmbHG/ Wicke, § 3, Rn. 149.
52 MüKoGmbHG/ Wicke, § 3, Rn. 151.
53 MüKoGmbHG/ Wicke, § 3, Rn. 151.
54 BGH, Urteil vom 19.09.2005- II ZR 173/04, DStR 2005, 1913, 1914.
55 Flume, DB 1986, 629, 633.
56 Roth/Altmeppen/ Altmeppen, § 34, Rn. 51.
57 Roth/Altmeppen/ Altmeppen, § 34, Rn. 51.