In der folgenden Abhandlung wird das Thema geplante Obsoleszenz aus juristischer Sicht betrachtet.
Zunächst soll ein Überblick über das Thema der geplanten Obsoleszenz gegeben werden. Wesentlicher Fokus liegt hier auf der Begriffs- klärung und Strategien geplanter Obsoleszenz. Nachfolgend wird das Thema Obsoleszenz aus zivilrechtlicher Sicht betrachtet. Im Vordergrund soll dabei Obsoleszenz als Mangelbegriff stehen und eine Antwort auf die Frage, ob bei geplanter Obsoleszenz ein Sachmangel vorliegt, gefunden werden. Weiterhin soll das Thema auch aus öffentlich- rechtlicher Sicht beleuchtet werden. Ein Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der kritischen Beurteilung der gesetzlichen Möglichkeiten und dem Sammeln von Vorschlägen und Ansätzen im Sinne der Rechtsprechung für ein besseres Vorgehen gegen geplante Obsoleszenz. Dabei soll auf die in der neunen Warenkaufsrichtlinie umgesetzte längere Beweislastumkehr eingegangen werden. Des Weiteren soll unteranderen über eine mögliche Verlängerung der Gewährleistungsfrist und Einführung von verpflichtenden Herstellergarantien diskutiert werden. Abschließend sollen die Einzelnen Erkenntnisse aus den Vorschlägen und Ansätzen zusammengefasst werden.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Einleitung
B. Grundlagen und Begriffsbestimmung der geplanten Obsoles- zenz
I. Begriffserläuterung
II. Mögliche Ursachen und Strategien
C. Rechtliche Aspekte zur Regelung geplanter Obsoleszenz
I. Aus zivilrechtlicher Sicht
II. Aus öffentlich-rechtlicher Sicht
D. Weitere mögliche Ansatzpunkte für Maßnahmen gegen geplante Obsoleszenz
I. Verlängerung der Beweislastumkehr
II. Verlängerung der Gewährleistungsfrist
III. Eingeschränktes Wahlrecht der Rechtsfolgen bei Gewährleistungsfällen
IV Verpflichtende Herstellergarantie und Garantieaussage
V Ökodesign-Richtlinie und Durchführungsverordnungen
E. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Einleitung
Begriffe wie nachhaltige Ressourcennutzung, nachhaltige Entwicklung, umweltschonende Herstellung und umweltschützende Maßnahmen sind beinahe täglich präsent auf Internetseiten von Parteien, auf den Medienplattformen wie Facebook oder Instagram und in Berichterstattungen der Nachrichtensender. Immer häufiger lässt sich das Thema auch in Rechtsprechungen und Gesetzgebung wiederfinden. Offenbar kann man daraus schlussfolgern, dass heutzutage ein breiter Konsens über die Wichtigkeit des Themas Nachhaltigkeit herrscht. Angesichts der schwindenden Ressourcen, des Klimawandels und der sich mehr und mehr auswirkenden Wasserarmut ist dies auch nicht verwunderlich. Der verschwenderische Umgang kann nicht mehr geduldet werden.
So treten auch immer mehr junge Menschen auf die Straße, um Politikern und dem Gesetzgeber zu zeigen, wie wichtig Nachhaltigkeit gerade für ihre Zukunft ist. Folglich wird auch ein strengeres Vorgehen der Rechtsprechung für den Verstoß von Herstellern und Verkäufern gegen die Nachhaltigkeit gefordert.1
Im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft steht der Begriff der geplanten Obsoleszenz. Hierbei planen Hersteller bewusst das Ende der Lebensdauer eines Produktes ein, obwohl es vielleicht noch länger hätte gebraucht werden können. Man bezeichnet geplante Obsoleszenz auch als geplanten Verschleiß. Das Ziel einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft ist dem entgegenstehend, die Aufrechterhaltung des Bestandes natürlicher Ressourcen, sowie die Verringerung von Emissionen und umweltgefährdenden Stoffen. Die Produkte sollen so gestaltet sein, dass wenn ihre natürliche Lebensdauer beendet ist, sie jederzeit in den Wirtschafts- und Materialkreislauf zurückgeführt werden können. Die Vorgehensweise der Hersteller und Verkäufer bei der Umsetzung von geplanter Obsoleszenz steht somit gegen eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und ist keinesfalls zielführend, wenn es um das Thema Ressourcenschonung geht.2 Die Dimension des Problems, die Ursachen und die Folgen in juristischer, wirtschaftlicher und technischer Sicht, bedarf einer ausführlichen Betrachtung, um zu bewerten, wann Obsoleszenz nicht mehr akzeptierbar ist.3 In der folgenden Abhandlung wird das Thema geplante Obsoleszenz aus juristischer Sicht betrachtet.
Zunächst soll ein Überblick über das Thema der geplanten Obsoleszenz gegeben werden. Wesentlicher Fokus liegt hier auf der Begriffsklärung und Strategien geplanter Obsoleszenz. Nachfolgend wird das Thema Obsoleszenz aus zivilrechtlicher Sicht betrachtet. Im Vordergrund soll dabei Obsoleszenz als Mangelbegriff stehen und eine Antwort auf die Frage, ob bei geplanter Obsoleszenz ein Sachmangel vorliegt, gefunden werden. Weiterhin soll das Thema auch aus öffentlichrechtlicher Sicht beleuchtet werden. Ein Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der kritischen Beurteilung der gesetzlichen Möglichkeiten und dem Sammeln von Vorschlägen und Ansätzen im Sinne der Rechtsprechung für ein besseres Vorgehen gegen geplante Obsoleszenz. Dabei soll auf die in der neunen Warenkaufsrichtlinie umgesetzte längere Beweislastumkehr eingegangen werden. Des Weiteren soll unteranderen über eine mögliche Verlängerung der Gewährleistungsfrist und Einführung von verpflichtenden Herstellergarantien diskutiert werden. Abschließend sollen die Einzelnen Erkenntnisse aus den Vorschlägen und Ansätzen zusammengefasst werden.
B. Grundlagen und Begriffsbestimmung der geplanten Obsoleszenz
I. Begriffserläuterung
Der Begriff der Obsoleszenz kommt vom lateinischen Wort „obsole- scere“, welches altern, abnutzen oder das Ansehen verlieren bedeutet. Ebenso wie Menschen und Tiere haben Gegenstände eine begrenzte Lebensdauer. Materialien werden brüchig oder verlieren ihre Schärfe. Die Lebensdauer eines Gegenstandes kann als die Zeitspanne zwischen dem Erwerb und dem Versiegen seiner technischen Leistungen bezeichnen werden. Davon abzugrenzen ist die Nutzungsdauer. Diese endet, wenn der Konsument den Gegenstand nicht mehr verwendet.4 Obsoleszenz ist dementsprechend ein wertneutraler Begriff und kann als Oberbegriff für sämtliche Prozesse des voranschreitenden Alterns von Gegenständen gesehen werden.5
Hersteller waren seither bestrebt ein Produkt so langlebig und robust wie möglich zu gestalten. Stolz präsentierten sie ihre unverwüstlichen und haltbaren Handelswaren in Werbespots und Zeitungsartikeln. Beispielhaft lässt sich hier der PKW-Hersteller Ford Motor Company zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwähnen. Dessen Modelle wurden als zuverlässig und leicht zu reparieren vermarktet und erfreuten sich zu seiner Zeit großer Beliebtheit. Henry Ford selbst war davon überzeugt, dass er Maschinen baute, die ewig leben und er war bestrebt, dass Kunden niemals ein zweites Produkt benötigten würden.6 In den wohlhabenderen Staaten Anfang des letzten Jahrhunderts konnte mit steigenden Konsum und Wirtschaftswachstum ein anderer Trend verzeichnet werden. Hersteller sahen eine Profitmöglichkeit in der wachsenden Konsumgesellschaft und dem Verlangen nach mehr Konsumgütern. So erschienen in kürzeren Zeitabständen neue, meist auch nur im Aussehen veränderte Produkte, um den Konsumdurst der Menschen anzutreiben und zu stillen. Die Langlebigkeit trat dabei in den Hintergrund. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Hersteller versuchen die Lebensdauer von Produkten auch künstlich zu verkürzen, um einen wirtschaftlichen Vorteil daraus zu ziehen.7 Aus der natürlichen Obsoleszenz wurde somit eine geplante. Der Begriff geplante Obsoleszenz ist früher, wie heute Thema von zahlreichen Diskussionen und politischen sowie wirtschaftlichen Berichterstattungen. Dennoch wird der Begriff je nach Blickwinkel und auch je nach Verfasser unterschiedlich ausgelegt und verstanden.8 Erste Versuche den Begriff der geplanten Obsoleszenz zu definieren gehen auf Paul M. Gregory zurück. Er betrachtete die geplante Obsoleszenz als eine Art Produktstrategie der Unternehmen, bei der ein künstlicher Bedarf erzeugt wird, um einen Anreiz zum Neukauf zu schaffen, obwohl das Gerät voll funktionstüchtig und der Bedarf gleichsam gesättigt ist.9
Nachfolgend ist unter anderem Vance Packard zu nennen, der wissenschaftliche Annäherungen an eine Definition und an eine Unterteilung von Obsoleszenz unternahm. Er definierte drei Arten von geplanter Obsoleszenz: Zum einen die funktionelle, bei der ein Produkt durch ein technisch neueres und innovativeres ersetzt wird, zum anderen die qualitative Obsoleszenz, bei der das Produkt zu einer bestimmten absehbaren Zeit verschleißt und als dritte Art die psychologische Obsoleszenz, bei der das Produkt, welches noch qualitativ gut ist, aus Modegründen als veraltet angesehen wird. Die Definitionen und die Einteilungen von Packard werden sowohl in der Wissenschaft als auch im Alltag als die zweckmäßigsten und zielführendsten angesehen.10 Zum Beispiel orientiert sich auch das Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit in Ihrem Bericht aus dem Jahr 2015 an den Definitionen von Packard. Sie benennen vier Arten von Obsoleszenz: Die werkstoffliche, funktionale, psychologische und ökonomische Obsoleszenz. Dabei werden der werkstoffliche mit dem qualitativen Obsoleszenzbegriff und der ökonomische, sowie funktionale mit dem funktionalen Obsoleszenzbegriff von Packard gleichgesetzt.11
II. Mögliche Ursachen und Strategien
Weitaus schwieriger gestaltet sich die Frage nach den Ursachen geplanter Obsoleszenz und Strategien, die Hersteller anwenden, um ein Produkt geplant altern zu lassen oder dem vorzeitigen Verschleiß zu unterwerfen. Beim Einsatz von Obsoleszenz-Strategien geht es vorerst um eine Bedürfnissteigerung nach einem bestimmten Erzeugnis. Die Bedürfnissteigerung wird bei der psychologischen Obsoleszenz meist durch einen Drang erzeugt. Erfolgreich ist diese Strategie dann, wenn der Hersteller dem Verbraucher glaubhaft machen kann, dass sein genutztes Produkt nicht mehr aktuell ist. Dabei stellt sich in der heutigen Zeit immer weniger die Frage nach dem Kostenaufwand. Hersteller fördern den Entscheidungsprozess für ein neues Produkt durch zahlreiche Finanzierungsmöglichkeiten. Dennoch sollte der Zusatznutzen des Produktes ausreichend groß sein, also dem Zeitgeist entsprechen oder als ästhetisch angesehen werden, um das Bedürfnis nach etwas Neuem zu befriedigen.12
Verfolgt man die Obsoleszenz-Strategie im qualitativen Sinne, geht es häufig um das Verkürzen der Lebensdauer in Kombination mit der Einsparung von Kosten und Erhöhung des Umsatzes. Der Konsument wird zur Anschaffung eines neuen Produktes förmlich gezwungen. Von Vorteil bei dieser Strategie ist es, wenn die Informationen, die ein Verbraucher über die Haltbarkeit eines Produktes besitzt, so gering wie möglich sind und kein anderes potenziell besseres Produkt existiert. Die funktionale Obsoleszenz-Strategie gelingt den meisten Herstellern mühelos. Durch den fortwährenden raschen Fortschritt ist es nahezu bei fast allen Geräten möglich, neue Funktionen einzubauen und zuzuweisen. Der Verbraucher wird dem neuen Produkt also vermehrt einen höheren Gebrauchswert als dem alten zuweisen.13 Dennoch weisen die Strategien der Hersteller nur bedingt auf die Ura- schen der Obsoleszenz eines Produktes hin. Eine ganze Liste von Ursachen führte Burkhardt Röper in seinem Werk „Gibt es geplanten Verschleiß?“ auf. Unter anderem zu nennen ist hier die geplante Obso- leszenz bei Verpackungsmitteln und Verpackungseinheiten, durch Ersatzteilmangel und durch zu komplizierte Gebrauchs- und Anwendungsanweisungen.14 Seit kurzer Zeit ist immer häufiger auch die Rede von sogenannten Sollbruchstellen15 und eingebauten Zählern oder Chips sowie mangelnden Schutzvorrichtungen in Geräten.16 Somit wird es auch immer schwieriger zu erkennen, ob es sich um eine geplante oder natürliche Obsoleszenz handelt. Demnach hängt vermeidbare Obsoleszenz auch zu einem großen Teil vom Informationsstand der Verbraucher ab. Ist das nötige Wissen über die wirkliche Produktverbesserung vorhanden, können Verbraucher besser entscheiden, ob diese für sie relevant sind oder es sich lediglich um kleine und bedeutungslose Veränderungen handelt.17
Ein wichtiger Punkt bei der Thematik der geplanten Obsoleszenz ist vor allem die Nichtausschöpfung der Lebensdauer der Produkte und die daraus folgende Ressourcen-Verschwendung.18 Mit der Einführung des Art. 20a GG hat sich der Staat den Umweltschutz als Ziel gesetzt und in die Verfassung aufgenommen. Der Staat ist gemäß Art. 20a GG verpflichtet die natürliche Lebensgrundlage sowie die Tiere, auch in Hinblick mit der Verantwortung für zukünftige Generationen zu schützen. Dabei können die Lebensgrundlage mit der Umwelt und die Verantwortung für zukünftige Generationen als Ausdruck des Nachhaltigkeitsprinzips gleichgesetzt werden. Folglich sollte der vorausschauende und verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen von jedem Menschen abverlangt werden.19
Bei der geplanten Obsoleszenz steht aber, wie bereits erwähnt, dass permanente Produzieren von neuen Produkten und somit auch das Verbrauchen von immer mehr Ressourcen im Vordergrund. Die Anzahl der in den letzten Jahren verbrauchten Ressourcen steigt stetig an, wobei allein in Europa ca. 20 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert wurden. Dementsprechend steht die geplante Obsoleszenz dem Art. 20a GG entgegen.20 Es stellt sich somit die Frage, ob geplante Obsoleszenz gegen rechtliche Grundsätze verstößt und ob man diese durch rechtliche Regelungen einschränken könnte.
C. Rechtliche Aspekte zur Regelung geplanter Obsoleszenz
I. Aus zivilrechtlicher Sicht
Aus zivilrechtlicher Sicht könnte die geplante Obsoleszenz dem Äquivalenzprinzip und einem ausgewogenen Vertragsverhältnis (LeistungGegenleistung) entgegenstehen. Die geplante Obsoleszenz könnte ein Sachmangel bei Gefahrenübergang am Produkt darstellen und der Käufer Ansprüche aus dem Gewährleistungsrecht besitzen.21 Hierfür müssten zwei Tatbestände vorliegen. Erstens muss der geplante vorzeitige Verschleiß ein Sachmangel gem. § 434 BGB darstellen und zweitens muss der Sachmangel innerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsfrist beziehungsweise der vertraglich vereinbarten Garantiezeit auftreten. Ein Sachmangel gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB liegt vor, wenn der Kaufsache die vereinbarte Beschaffenheit bei Gefahrübergang fehlt (subjektiver Mängelbegriff). Sollte die Beschaffenheit nicht vereinbart sein, wird gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr.
[...]
1 Vgl. Rühmkorf (2018), S. 9.
2 Vgl. Dickenhorst (2018), S. 201.
3 Vgl. Brönnecke/Wechsler (2015), S. 15.
4 Vgl. Dickenhorst (2018), S. 196.
5 Vgl. Reuß (2015), S. 26.
6 Vgl. Kreiß (2014), S. 16.
7 Vgl. Reuß/Donnoritzer (2013), S. 13-33.
8 Vgl. Hess (2018), S. 30.
9 Vgl. Krajewski (2014), S. 94.
10 Vgl. Hess (2018), S. 32.
11 Vgl. Dickhorst (2018), S. 198-199.
12 Vgl. Hess (2018), S. 38-43.
13 Vgl. Hess (2018), S. 38-43.
14 Vgl. Röper (1976), S. 22-36.
15 Stellen und Mechaniken im Produkt die vorzeitig Verschleißen und zum Ausfall des Produktes führen. Vgl. Hess (2018), S. 61.
16 Vgl. Hess (2018), S. 60-63.
17 Vgl. Kreiß (2015), S. 54.
18 Vgl. Brönnecke (2015), S. 188-189.
19 Vgl. Glaser (2006), S. 229-232.
20 Vgl. Reuß/Dannoritzer (2013), S. 113-114.
21 Vgl. Hess (2018), S. 72-76.