Obwohl die metasprachlichen Fähigkeiten von Vorschulkindern stark von vorschulischen Erfahrungen abhängen, ist davon auszugehen, dass sie zumindest schon eine diffuse Vorstellung von Sprachlauten haben. Dies zeigt sich beispielsweise in Singspielen, wie "Drei Chinesen mit dem Kontrabass". Auffallend an derartigen Sprachspielen ist vor allem ihre Silbenbasiertheit. So werden im hier angeführten Beispiel Silbenkerne ausgetauscht, wobei zu beobachten ist, dass sie dafür eher die Vokale aus der betonten, statt aus der unbetonten Silbe wählen.
Doch auch in anderen Klatsch- und Singspielen zeigt sich die Fähigkeit von Vorschülern und Vorschülerinnen "silbische und prosodische (die Wortbedeutung betreffende) Strukturen zu analysieren". Eine solche Fähigkeit zur sprachlichen Reflexion nennt sich "phonologische Bewusstheit". Sie gilt als die "wichtigste Voraussetzung für den erfolgreichen Einstieg ins Lesen und Schreiben". Gemeint ist damit "die Fähigkeit, ein lautliches Wort mit seiner Silben- und Betonungsstruktur in untergeordnete Einheiten […] zu gliedern".
Diese Fähigkeit zur Sprachwahrnehmung kann in der Schule genutzt werden, um über wahrgenommene Lauteigenschaften ins Gespräch zu kommen. Stattdessen zeigt sich in den Fibellehrgängen oft, dass ihnen diese eher abgewöhnt wird. Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel zu analysieren, wie die silbenbasierte Schreibung in den Lehrwerken Zebra, Karibu und Tinto vermittelt wird und auf Grundlage des theoretischen Wissens über die besondere Rolle der Silbe im Schriftspracherwerb, zu prüfen, ob die Vermittlung sinnvoll gestaltet ist oder nicht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Rolle der Silbe im Schriftspracherwerb
3. Bezug zum Kernlehrplan in NRW
4. Analyse der Lehrwerke
4.1 Kriterien zur Analyse der Lehrwerke
4.2 Zebra
4.3 Karibu
4.4 Tinto
5. Eignung der Lehrwerke für die Vermittlung silbenbasierter Schreibung
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
8.1 Die silbenanalytische Methode nach Röber
8.2 Kriterienkatalog zur Lehrwerksanalyse
8.3 Inhalte aus Lehrerhandreichungen und Lehrwerken
aus urheberrechtlichen Gründen nicht Teil dieser Publikation
1. Einleitung
„Wenn ein Kind selbst zu schreiben beginnt, bringt es bereits sehr viel mit – durch das Hören von Gesprochenem und Gelesenem und durch das eigene Sprechen.“ (Bredel 2017, 12)
Obwohl die metasprachlichen Fähigkeiten von Vorschulkindern stark von vorschulischen Erfahrungen abhängen, ist davon auszugehen, dass sie zumindest schon eine diffuse Vorstellung von Sprachlauten haben (vgl. Bredel 2017, 90). Dies zeigt sich beispielsweise in Singspielen, wie „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ (ebd.). Auffallend an derartigen Sprachspielen ist vor allem ihre Silbenbasiertheit (vgl. ebd.). So werden im hier angeführten Beispiel Silbenkerne ausgetauscht, wobei zu beobachten ist, dass sie dafür eher die Vokale aus der betonten, statt aus der unbetonten Silbe wählen (vgl. ebd.). Doch auch in anderen Klatsch- und Singspielen zeigt sich die Fähigkeit von Vorschülern und Vorschülerinnen „silbische und prosodische (die Wortbedeutung betreffende) Strukturen zu analysieren“ (ebd.). Eine solche Fähigkeit zur sprachlichen Reflexion nennt sich „phonologisc he Bewusstheit“ (ebd.). Sie gilt als die „wichtigste Voraussetzung für den erfolgreichen Einstieg ins Lesen und Schreiben“ (Bredel 2017, 91). Gemeint ist damit „die Fähigkeit, ein lautliches Wort mit seiner Silben- und Betonungsstruktur in untergeordnete Einheiten […] zu gliedern“ (ebd.). Diese Fähigkeit zur Sprachwahrnehmung kann in der Schule genutzt werden, um über wahrgenommene Lauteigenschaften ins Gespräch zu kommen (vgl. ebd.). Stattdessen zeigt sich in den Fibellehrgängen oft, dass ihnen diese eher abgewöhnt wird (vgl. ebd.). Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel zu analysieren, wie die silbenbasierte Schreibung in den Lehrwerken Zebra, Karibu und Tinto vermittelt wird und auf Grundlage des theoretischen Wissens über die besondere Rolle der Silbe im Schriftspracherwerb, zu prüfen, ob die Vermittlung sinnvoll gestaltet ist oder nicht.
Dazu soll zunächst im zweiten Kapitel der Arbeit die silbenbasierte Schreibung erklärt werden, um im Anschluss daran die silbenanalytische Methode nach Röber sowie ihre Erweiterung durch Bredel als geeignete Methode zur Vermittlung einer silbenbasierten Schreibung vorzustellen. Es soll hier außerdem auf hilfreiche und weniger hilfreiche Methoden zur Vermittlung der silbenbasierten Schreibung eingegangen werden. Im dritten Kapitel soll kurz ein Bezug zum Kernlehrplan NRW gezogen werden, um auf Grundlage der vorangegangenen Kapitel und eines gegebenen Kriterienkatalogs, Kriterien zur Analyse der Vermittlung silbenbasierter Schreibung von Lehrwerken aufzustellen (4.1). Im Anschluss werden die Lehrwerke Zebra (4.2), Karibu (4.3) und Tinto (4.4) für die zweite Klasse untersucht, indem Lehrhandreichungen und Aufgabenbeispiele anhand der Kriterien analysiert werden. In Kapitel 5 erfolgt eine Diskussion der Ergebnisse und Bewertung der Lehrwerke hinsichtlich ihrer Eignung für die Vermittlung silbenbasierter Schreibung. Das Vermittlungskonzept schließt mit einem allgemeinen Fazit der Arbeit in Kapitel 6 ab.
2. Die Rolle der Silbe im Schriftspracherwerb
Um die Rolle der Silbe für den Schriftspracherwerb zu verstehen ist es notwendig einen Blick auf die „allgemeinen Prinzipien der Wortschreibung des Deutschen“ (Eisenberg 2009, 65), die Orthographie, zu werfen. Nach Eisenbergs Modell des Schriftsystems wirken verschiedene Prinzipien auf das Deutsche ein, welche gemeinsam seine Wortschreibung bestimmen. Er nennt dabei das phonografische, das silbische und das morphologische Prinzip (Eisenberg 2009, 66f.). Diese Reihenfolge lässt sich so jedoch nicht auf den Schriftspracherwerb übertragen, da die Prinzipien „integrativ angeeignet“ (Bredel 2017, 50) werden.
Das phonografische Prinzip betrifft die Beziehung zwischen Lautgesten und Buchstaben und führt zu einer rein lautbasierten Schreibung (vgl. ebd.). Mithilfe der GPK-Regeln lassen sich für einige Wortformen die Phoneme auf die Grapheme abbilden, doch gibt es viele Fälle, in denen das nicht zur korrekten Schreibung führt (vgl. Eisenberg 2009, 71). Mitunter ein wichtiger Grund dafür ist „die Bezugnahme auf silbische Informationen“ (ebd.). Im Folgenden soll daher das silbische Prinzip ausführlich dargelegt werden.
Der Begriff Silbe lässt sich sowohl auf die gesprochene, als auch auf die geschriebene Sprache beziehen. Bei „Sprechsilben“ (Bredel 2017, 31), also Silben in der gesprochenen Sprache, handelt es sich um „lautliche Einheiten mit bestimmten Eigenschaften“ (Bredel 2017, 30). Laute, Wörter und Sätze sind weniger leicht zugängliche Einheiten als Silben (vgl. ebd.). So können bereits Kinder vor dem Beginn des Schriftspracherwerbs die Silbenanzahl bestimmter Einheiten feststellen (vgl. ebd.). Während es ihnen möglich ist, die Silbenkerne zu bestimmen, fällt ihnen die Bestimmung der Silbengrenze dagegen noch schwerer (vgl. ebd.).
„Schreibsilben“ (Bredel 2017, 31), also Silben in der geschriebenen Sprache, sind sichtbare Einheiten, welche zwischen dem Buchstaben und dem Wort stehen (vgl. ebd.). Eine Schreibsilbe ist meist größer als ein Buchstabe und ein Wort besteht oft aus mehr als einer Silbe (vgl. ebd.). Die Buchstaben sind in einer Schreibsilbe nach einer bestimmten Reihenfolge angeordnet, nach der lange Buchstaben, wie p, b, t, k den Silbenrand und kurze Buchstaben, wie a, e, i, o, u den Silbenkern besetzen (vgl. ebd.). Sowohl für Sprech- als auch für Schreibsilben gilt, dass ihre Anzahl über die Silbenkerne zu bestimmen ist, da diese, im Gegensatz zum Silbenrand, im Deutschen immer besetzt ist (vgl. ebd.).
Die Schreibsilbe unterscheidet sich vor allem dadurch von der Sprechsilbe, dass sie stärker regularisiert wird und eine größere Formkonstanz besitzt (vgl. Eisenberg 2009, 71)
Typisch für das Deutsche sind zweisilbige Wörter, der rhythmischen Struktur eines Trochäus bei denen die erste Silbe betont und die zweite unbetont bzw. unbetonbar ist (vgl. Bredel 2017, 34). Eine unbetonte Silbe oder Reduktionssilbe kann nicht betont werden, ohne ihre Substanz und damit das Wort an sich zu verändern (vgl. Bredel 2017, 32).
Es gilt für jede Silbe, dass sie mindestens einen Vokal in ihrem Silbenkern aufweist (vgl. Bredel 2017, 44). In einer Reduktionssilbe ist es der Vokal <e>, während es in einer Vollsilbe, also einer Silbe, welche betonbar ist und einen Vollvokal enthält (vgl. Bredel 2017, 39), alle Vokale, eingeschlossen der Diphthonge, sein können (vgl. Bredel 2017, 44). Bei Vollvokalen wird zwischen langen, gespannten und kurzen, ungespannten Vokalen unterscheiden (vgl. Bredel 2017, 45).
Es gibt offene und geschlossene Silben. Silben sind dann offen, „wenn zwischen de n Vokalbuchstaben der Haupt- und Reduktionssilbe ein und nur ein Konsonantenbuchstabe steht“ (Bredel 2017, 41). In diesem Fall wird der Konsonant zum Anfangsrand der Reduktionssilbe gezählt, sodass der Endrand der Hauptsilbe frei bleibt und der Vokal der Hauptsilbe lang ausgesprochen werden kann, also gespannt ist (vgl. ebd.). Der Silbenschnitt ist hier sanft (vgl. ebd.). Als Beispiel kann man das Wort „Süden“ (ebd.) nennen.
Bei geschlossenen Silben sind „zwischen den Vokalbuchstaben der Haupt-und Reduktionssilbe mindestens zwei Konsonantenbuchstaben“ (ebd.). Hier werden sowohl Endrand der Hauptsilbe, als auch Anfangsrand der Reduktionssilbe mit einem Konsonantenbuchstaben besetzt, wodurch der Vokal der Hauptsilbe kurz bzw. ungespannt ist und es zu einem scharfen Silbenschnitt kommt (vgl. ebd.). Ein Beispiel hierfür ist das Wort „Sünden“ (ebd.).
Es zeigt sich hier, dass die Vokallänge sich aus dem aus dem Aufbau der Silbe ergibt, in der er steht (vgl. Eisenberg 2009, 72). Für Leser bedeutet es, dass klar erkennbar wird, ob der Vokal lang oder kurz gesprochen werden muss und wie die Schreibung des Wortes ist, sofern man mit der Systematik dahinter vertraut ist.
Es gibt Fälle, in denen die Hauptsilbe zwar offen ist, da in der gesprochenen Sprache nur ein Konsonant zwischen den Vokalen steht, der Silbenschnitt jedoch scharf ist, womit der Vokal kurz bzw. gespannt gesprochen wird (vgl. ebd.). In der Schrift wird in diesen Fällen der Konsonant verdoppelt, um die Hauptsilbe abzuschließen (vgl. ebd.). Beispiele hierfür sind Mutter, Wasser oder Männer (vgl. ebd.). Man spricht dabei von einem „Silbengelenk“ (ebd.).
Weitere betonte Vollsilben betreffende Sondermarkierungen sind die ie-Schreibung, die Doppelvokalbuchstaben, das Dehnungs-h und das silbeninitiale h (vgl. Bredel 2017, 45), welche im Folgenden nur kurz erläutert werden sollen. Die ie-Schreibung zeigt an, dass der Vokal lang und gespannt gesprochen werden muss (vgl. Bredel 2017, 43). Die Doppelvokalschreibung ist selten und irregulär, weshalb Wörter dieser Struktur als Merkwörter gelernt werden müssen (vgl. Bredel 2017, 42). Das Dehnungs-h kommt in Wörtern vor, bei denen der Anfangsrand der Reduktionssilbe mit l,m,n,r besetzt ist (vgl. ebd.). Das silbeninitiale h tritt zur Identifizierung von Silben auf, die andernfalls kaum erkennbar wären, weil kein hörbarer Konsonant zwischen Haupt- und Reduktionssilbe steht (vgl. ebd.).
Das morphologische Prinzip oder auch „Prinzip der Morphemkonstanz“ (Eisenberg 2009, 79) weicht dadurch stark vom phonografischen Prinzip ab, als das hier versucht wird das Morphem möglichst nicht zu verändern, auch wenn sich die Lautung verändert, um das Lesen zu erleichtern (vgl. ebd.). So sind „[g]raphematische Form und Morphembedeutung [...] direkt aufeinander bezogen“ (ebd.).
Ausgehend von den, in diesem Kapitel der Arbeit, aufgeführten Annahmen zur Silbe und ihrem Einfluss auf die deutsche Rechtschreibung wird ihre Bedeutung für den Schriftspracherwerb und damit einhergehend die Notwendigkeit ihrer Thematisierung im Deutschunterricht deutlich. Da die meisten Wörter im Deutschen der Trochäus-Struktur entsprechen, muss sie, besonders unter der Berücksichtigung der Reduktionssilbe, in Lehrwerken aufgegriffen werden. Des Weiteren müssen auch die Ausnahmen bzw. Schwierigkeiten der silbischen Schreibung thematisiert werden, eine Forderung, die sich auch im Kernlehrplan von NRW widerspiegelt, welcher im nächsten Kapitel thematisiert wird (3.). Bredel zufolge repräsentieren die silbischen und die morphologischen Strukturen den Kernbereich der Wortschreibung, weshalb sie zwei Ansprüche an der Orthographieunterricht stellt, um diese adäquat zu vermitteln (vgl. Bredel 2017, 109). So sollen die SchülerInnen erstens „Wortschreibung als Repräsentation prosodischer Muster begreifen“ (ebd.) und zweitens „grammatische Markierungen der Schriftsprache verstehen lernen“ (ebd.).
Einen Versuch diese Forderungen in Lehrmaterial umzusetzen leistet Christa Röber mit ihrem Konzept der silbenanalytischen Methode (2009). Ausgangspunkt des Konzepts ist die eben genannte Trochäus-Struktur deutscher Wörter, bei der die erste Silbe eines zweisilbigen Wortes betont und die zweite Silbe eine unbetonbare Reduktionssibe ist und basiert damit „auf dem Erkennen des jeweiligen Silbenschnitts […] in Kombination mit der Belegung des Silbenendrands“ (Bredel 2017, 103). Röber geht davon aus, dass Kinder fähig sind Wörter prosodisch zu kategorisieren und man dies zum Erlernen orthographischer Markierungen nutzen kann. Als Ziele des Konzepts nennt sie den Aufbau von systematischem Wissen durch Vergleiche strukturell gleicher und ungleicher Wörter, Regeln für Schreibung unterschiedlicher Wortgestalten sowie zur Beschreibung in eigenen Worten und den Ausbau der analytischen und abstrahierenden Fähigkeit durch kognitive Erarbeitung von Schriftwissen (vgl. Röber 2009, 154f.).
Im Zentrum ihres Modells steht die Darstellung der Silbentypen durch Häuser (Abb.1 in 8.1), wobei das Haus für eine betonte und die Garage für eine unbetonte Silbe bzw. Reduktionssilbe steht. Die Häuser sind nach Zimmern aufgeteilt. Das erste Zimmer ist der Anfangsrand der Silbe, das zweite Zimmer der Reim bzw. Kern und Endrand (vgl. Röber 2009, 155).
Röber unterscheidet zwischen vier Wortgestalten: Wörtern mit Vokal mit losem Anschluss in offener Silbe, wie <Hüte> (vgl. Röber 2009, 156); Wörtern mit Vokal mit festem Anschluss in einer geschlossenen Silbe, wie <Hüfte> (vgl. Röber 2009, 162) und solchen mit einem Vokal mit festem Anschluss in offener Silbe, wie <Hütte> (vgl. Röber 2009, 163) oder einem Vokal mit losem Anschluss in einer geschlossenen Silbe, wie <Hühnchen> (vgl. Röber 2009, 165). Durch das Eintragen von Wörtern verschiedener Art in die Häuser sollen Kinder die trochäische Struktur dieser entdecken (vgl. Röber 2009, 158). So wird beispielsweise die Schreibung von Wörtern mit Vokal mit losem Anschluss in offener Silbe über die Eintragung von Wörtern mit gleichen Anfangsrändern & Reimen in die Häuser geübt (vgl. Röber 2009, 160). Ein konkretes Beispiel dafür findet sich im Anhang (Abb. 2 in 8.1). Wörter mit einem Vokal mit festem Anschluss in einer geschlossenen Silbe lassen sich so in das Häusermodell eintragen, dass die in der Mitte stehenden Konsonanten jeweils dem Haus oder der Garage zugehörig sind (Abb. 3 in 8.1), was sich Kindern auf verschiedene Weisen erklären lässt, wie zum Beispiel, dass es im Haus eng ist, weil der Konsonant Platz wegnimmt (vgl. Röber 2009, 162). Auch bereits angesprochene Sondermarkierungen, wie das silbeninitiale h oder die Silbengelenkschreibung bei der Konsonantenverdopplung oder auch dem Sonderfall zweier verschiedener Konsonanten (z.B. tz oder ck), lassen sich mithilfe des Häusermodells erklären. So kann beispielsweise die Konsonantenverdopplung bei der Schreibung von Wörtern wie <Betten>, welches einen Vokal mit festem Anschluss in einer geschlossenen Silbe hat, mithilfe des Häusermodells Kindern so erklärt werden, dass hier die Garage ins Haus gebaut und das e eingeengt wird (Abb. 4 in 8.1), weil t „zwei Sachen machen muss“ (Röber 2009, 168). Dieser Konsonantendopplung kann man Ausnahmen, wie die ck- oder tz-Schreibung gegenüberstellen, um diese gesondert zu beleuchten (vgl. ebd.).
Im Vergleich mit anderen Zweisilbern sollen die Kinder erkennen, dass es Wörter gibt, die aufgrund ihrer grammatischen Funktion zweisilbig sind, obwohl man bei der Aussprache nur eine Silbe hört (vgl. Röber 2009, 167). Sie sollen die Regel erkennen, dass am leeren Anfangsrand der Reduktionssilbe ein silbeninitiales h, geschrieben werden soll (vgl. ebd.). Für Wörter mit einem Vokal mit losem Anschluss in einer geschlossenen Silbe soll die Häuserdarstellung nachvollziehbar machen, dass das Haus durch den langgesprochenen Vokal bereits voll ist und der Konsonant daher auf dem Balkon (Abb. 5 in 8.1) stehen muss (Röber 2009, 166).
Des Weiteren geht Röber auf mehrsilbige Wörter, wie beispielsweise <Tomate> (Abb. 6 in 8.1), mit Normalsilben, also unbetonte Silben ohne Sondermarkierungen, ein, welche in ihrem Material mit einem flachen Dach dargestellt werden (vgl. Röber 2009, 168f.). An der Arbeit mit diesen sollen Kinder erkennen, dass Wörter mit Normalsilben nicht der Norm des Deutschen entsprechen, sondern solche mit einer Reduktionssilbe (vgl. ebd.).
Angelehnt an Röbers Häusermodell entwickelte Bredel ein weiteres Modell, in welchem „Prosodie und Morphologie integrativ dargestellt werden“ (Bredel 2017, 109). Durch die Einfärbung von Haus und Anfangsrand der Reduktionssilbe soll die morphologische Struktur des Wortes sichtbar gemacht werden (Bredel 2017, 110). Außerdem ist zwischen der eingefärbten und der uneingefärbten Fläche ein Knick (Abb. 7 in 8.1), sodass alles was links vom Knick steht zum Stammmorphem gehört und alles was rechts steht grammatische Information ist (vgl. Bredel 2017, 111).
Gefahren für den Schriftspracherwerb sieht Bredel darin, dass Kinder ihre, z.B. über silbenbasierte Sprachspiele, erlernte Sprachwahrnehmung oft nach Einschulung ablegen, wenn sie mit neuen Regeln konfrontiert werden und künstliche Schrift aussprache reproduzieren sollen (vgl. Bredel 2017, 90f.). Außerdem kritisiert sie:
„Anstatt die kindlichen Fähigkeiten zu nutzen und über die wahrgenommenen Lauteigenschaften ins Gespräch zu kommen, gewöhnt der Unterricht sie den Schüler/innen regelrecht ab.“ (Bredel 2017, 91)
Damit meint Bredel jedoch nicht, dass sich Kinder beim Schriftspracherwerb ausschließlich auf ihr Gehör verlassen sollen. So sagt sie, dass es orthographische Phänomene gibt, welche man nicht hören kann (vgl. Bredel 2017, 107). Als Beispiel nennt sie die Konsonantenverdopplung. Man kann die Konsonanten nicht einzeln hören, weil sie nicht doppelt artikuliert werden (vgl. Bredel 2017, 107). Deshalb empfindet Bredel es als wichtig, den Kindern hier Regelwissen an die Hand zu geben, um die Schreibung zu begründen (vgl. ebd.).
Eine unzureichende Begründung ist ihrer Ansicht nach der Bezug auf das Silbenklatschen oder Silbenschwingen. Sie bezeichnet diese Methoden als „gutgemeinte Stütze“ (Bredel 2017, 108), welche jedoch zu einer Aussprachenänderung führt, die dem Kind letztlich schadet (vgl. ebd.). So wird ihm „die Möglichkeit genommen, die Strukturen der Schrift auf Basis ihrer Umgangssprache zu reflektieren; durch Hilfssprachen verlieren sie diese Basis und geraten auf unkalkulierbares Terrain“ (ebd.).
3. Bezug zum Kernlehrplan in NRW
Für das Fach Deutsch gliedert sich der Kernlehrplan in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 2008 in vier Kompetenzbereiche: Sprechen und Zuhören, Schreiben, Lesen – mit Texten und Medien umgehen sowie Sprache und Sprachgebrauch untersuchen. Im Kompetenzbereich Schreiben wird unter dem Punkt „Wichtige Fähigkeiten und Kenntnisse im Rechtschreiben – Klassen 1 bis 4“ (MSW NRW 2008, 30) die silbenbasierte Schreibung thematisiert. So heißt es Kinder sollen auf der Wortebene lernen „Wörter mit h im Silbenanfang [zu] schreiben (z. B. ziehen, gehen), Wörter mit langem i-Laut (ie) [zu] schreiben (z. B. Brief), Wörter mit häufig vorkommenden Vor- und Nachsilben schreiben [und] Silbentrennung [zu] beachten“ (ebd.). Das Wort Silbe soll außerdem in den Klasse 1-4 als verbindlicher Fachbegriff zur Untersuchung von Sprache und Sprachgebrauch genutzt werden (vgl. MSW NRW 2008, 35).
4. Analyse der Lehrwerke
4.1 Kriterien zur Analyse der Lehrwerke
Die Lehrwerke Zebra, Karibu und Tinto sollen teilweise anhand ausgewählter Kriterien des im Seminar „Vermittlungskonzepte im Bereich des Schriftspracherwerbs. Analyse und Reflexion kontroverser Zugänge“ genutzten Kriterienkatalogs (9.1) analysiert werden. Neben einer Eingrenzung dieser Kriterien, um zu verhindern den Umfang der Arbeit zu übersteigen, muss zudem eine Erweiterung der Kriterien stattfinden, um den Fokus der Arbeit auf die Silbe und die Vermittlung silbenbasierter Schreibung zu gewährleisten.
Die Kriterien 1.-3. geben einen allgemeinen Überblick über die Lehrwerke in Bezug auf Herausgeber und Verlag sowie Zielgruppe und Aufbau der Lehrwerke und sollen daher in dieser Arbeit Erwähnung finden.
Geeignet zur Untersuchung der Vermittlung silbenbasierter Schreibung in den Lehrwerken sind besonders die Kriterien 9 und 13. Unter dem Aspekt der „Umsetzung von Graphematik und Orthographie“ (Kriterium 9) werden Fragen nach den Strukturen von Graphematik und Orthographie und ihrer Vermittlung sowie nach der theoretischen Konzeption und Lerngegenständen, wie Rechtschreibregeln, gestellt.
Es lassen sich folgende Kriterien aufstellen:
A) Theoretische Konzeption. Auf welche theoretischen Konzepte, die Silbe betreffend, beruft man sich in der Lehrerhandreichung?
B) Strukturierungshilfen. Welche Rechtschreibregeln, Hinweise, Merksätze, Erklärungen und Fachbegriffe werden den Kindern als Hilfe zur Verfügung gestellt?
In dieser Arbeit sollen außerdem typische „Übungsformen“ (Kriterium 13) der Lehrwerke reflektiert werden. Unter diesem Aspekt soll anhand ausgewählter Beispiele von Übungen analysiert werden, wie die silbenbasierte Schreibung vermittelt wird. Für die Analyse der Aufgaben sollen folgende Kriterien herangezogen werden:
C) Auswahl von Wörtern. Werden für das Deutsche typische zweisilbige Wörter mit Voll- und Reduktionssilbe (Trochäus) gewählt oder untypische mehrsilbige Wörter mit Normalsilben?
D) Wird die Reduktionssilbe explizit thematisiert?
E) Betonung und Silbenstruktur. Wird die kurze oder lange Aussprache von Lauten in Silben thematisiert? Wie werden Silben segmentiert? - Werden sie z.B. geklatscht oder geschwungen?
F) Sondermarkierungen. Werden silbeninitiales h, Dehnungs-h, ie-Schreibung, Doppelvokalbuchstaben und das Silbengelenk (Konsonantenverdopplung und die Ausnahmen davon, wie ck und tz) aufgegriffen und wenn ja, wie?
[...]