Eines der typischsten Elemente im naturwissenschaftlichen Unterricht ist das Experiment. So möchte ich in diesem Zusammenhang klären, ob und inwiefern das Experiment im naturwissenschaftlichen Sachunterricht, die Sprache der Schüler*innen einbeziehen und fördern kann.
Jeder Unterricht solle Sprachunterricht sein, so heißt es. Dem gegenübersteht die Annahme, dass Naturwissenschaften spracharm seien. Angelehnt ist diese an die typischen Bestandteile der Naturwissenschaften wie Tabellen, Darstellungen, Formeln oder Beobachten und Experimentieren. Wie kann man den naturwissenschaftlichen Unterricht also gestalten, dass die Sprache so eingebunden ist, dass sie gefördert wird? Betrachtet man die Sprache der Naturwissenschaften genauer, erkennt man, dass all jene Bestandteile an Sprache gebunden sind. Ferner kann diese Sprache erst verstanden werden, wenn man an sie herangeführt worden ist. So ist es Aufgabe des naturwissenschaftlichen Sachunterrichts, Schüler*innen an die Fachsprache heranzuführen und Alltags- sowie Bildungssprache zu sichern.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Fachdidaktische Klärung Konzeptionelle Grundlagen des Sachunterrichts
2.1 Rahmenlehrplan
2.2 Perspektivrahmen
2.3 Weitere Grundlagen
3. Theoretische Grundlagen
4. Fachwissenschaftliche Klärung
4.1 Sprache im Unterricht
4.1.1 Sprache und Sprachformen
4.1.2 Sprachliche Kompetenzen
4.2 Das Experiment im Sachunterricht
4.2.1 Definition
4.2.2 Ziele
4.2.3 Prozess
5. Fachdidaktische Analyse
5.1 Sprache im Zusammenhang mit dem Experiment
5.1.1 Phänomenologische Naturwissenschaftsdidaktik
5.1.2 Bifokaler Unterricht
5.1.3 Experimentalunterricht hinsichtlich des Sprachhandelns
5.1.4 Kriterien für die Auswahl von Themen
5.2 Sprachförderndes Experiment durchführen
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
8. Abbildungsverzeichnis
9. Tabellenverzeichnis
Einleitung
Jeder Unterricht solle Sprachunterricht sein (vgl. Schroeter-Brauss, Wecker Henrici 2018, S.7), so heißt es. Dem gegenübersteht die Annahme, dass Naturwissenschaften spracharm seien (ebd.). Angelehnt ist diese an die typischen Bestandteile der Naturwissenschaften wie Tabellen, Darstellungen, Formeln oder Beobachten und Experimentieren. Wie kann man den naturwissenschaftlichen Unterricht also gestalten, dass die Sprache so eingebunden ist, dass sie gefördert wird? Betrachtet man die Sprache der Naturwissenschaften genauer, erkennt man, dass all jene Bestandteile an Sprache gebunden sind. Ferner kann diese Sprache erst verstanden werden, wenn man an sie herangeführt worden ist. So ist es Aufgabe des naturwissenschaftlichen Sachunterrichts, Schüler*innen an die Fachsprache heranzuführen und Alltags- sowie Bildungssprache zu sichern.
„Wer mit Sprache etwas tut, also handelt, der erfährt Sprache viel direkter und unmittelbarer.“ (Hölscher, Piepho & Roche 2006, S.2)
Nach Piaget wird das formale und abstrakte Denken „über Formen der konkreten Erfahrung in Handlungen erworben“ (vgl. ebd., nach Piaget 1948). Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass Kinder, vor allem wenn es um neue Themen und Bereiche geht, Handlungsbezug und Visualisierung benötigen, um zu lernen und zu verstehen. Dies bezieht sich ebenfalls auf den Spracherwerb. Denn dieser sei „wirksamer, wenn er an konkrete Erfahrung der Wirklichkeit, an das Anschauliche gebunden ist“ (ebd.). Da das Lernen und Verstehen der eigenen Um- und Lebenswelt im Mittelpunkt steht, ist es außerdem von Nöten, die Schüler*innen einzubeziehen und ihnen „die Gelegenheit zu geben, [ihr] Vorwissen einzubringen“. (ebd., S.3)
Eines der typischsten Elemente im naturwissenschaftlichen Unterricht ist das Experiment. So möchte ich in diesem Zusammenhang klären, ob und inwiefern das Experiment im naturwissenschaftlichen Sachunterricht, die Sprache der Schüler*innen einbeziehen und fördern kann.
Um diese Frage zu beleuchten, werde ich im ersten Teil auf die Konzeptionen des Sachunterrichts und die Grundlagen (Modul 1 und 2) eingehen, um dann folgend in Verbindung mit den Naturwissenschaften (Modul 4) die Sprache in Verbindung mit dem Experiment im naturwissenschaftlichen Sachunterricht (Modul 5) zu erarbeiten.
2. Fachdidaktische Klärung
Konzeptionelle Grundlagen des Sachunterrichts
2.1 Rahmenlehrplan
Der Rahmenlehrplan hält die Themen und Inhalte sowie die zu erwerbenden Kompetenzen fest. Darunter zählen „Fragestellungen zu Phänomenen zu entwickeln und zu bearbeiten“ (Rahmenlehrplan, S.3) und damit verbunden Begründungen und Zusammenhänge sowie Prozesse zu erläutern und beschreiben.
Für die verschiedenen Arbeits- und Handlungsweisen im Sachunterricht nennt der Rahmenlehrplan außerdem vier fachbezogene Kompetenzen, um sich über sich selbst und die Welt orientieren zu können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Abb. 1: Fachbezogene Kompetenzen laut Rahmenlehrplan)
Erkennen
Schüler*innen sollen an bereits vorhandenes Wissen anknüpfen können und dieses vertiefen oder reflektieren. Dabei sollen „fachspezifische Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen“ (ebd., S.4) sowie Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung erarbeitet und angewandt werden (vgl. ebd.). Das Erkennen steht im Zusammenhang mit dem Entwickeln von Fragen zu bestimmten Phänomenen und dem Herausfinden von Lösungswegen. Dabei soll ebenso auf Erfahrungen und Wissen zurückgegriffen werden, um eventuelle Vermutungen formulieren zu können. Hinzugefügt werden zahlreiche Tätigkeiten, welche Kinder erlangen sollen:
Denk-, Arbeits-, und Handlungsweisen
au sprobieren, auswählen, auswerten, bauen, benennen, beobachten, beschreiben, darstellen, dokumentieren, erkennen, erkunden, experimentieren und Versuche durchführen, explorieren, fragen, gestalten, herstellen, sich informieren, inszenieren, konstruieren, manipulieren, Medien nutzen, modellieren, nachdenken, nacherfinden, nachmachen, ordnen, organisieren, planen, produzieren, recherchieren, reflektieren, sammeln, sortieren, spielen, untersuchen, vergleichen, vermuten, wahrnehmen, zeichnen
(Tab. 1: Tätigkeiten die zur Erkenntnis führen)
Kommunizieren
„Durch Versprachlichung können den Schülerinnen und Schülern (neue) Erkenntnisse bewusstwerden; sie können Gelerntes benennen, sich darüber austauschen und Wissen neu konstruieren“ (ebd., S.5). Wichtig ist, dass sie sich sprachlich verständlich äußern können. Dabei verwenden Schüler*innen ihre Alltagssprache, in welche sie bei Bedarf und Vorhandensein Fachbegriffe einbeziehen können. Auch zu diesem Aspekt wurden Tätigkeiten aufgeführt:
Denk-, Arbeits-, und Handlungsweisen
sich austauschen, argumentieren, begründen, beschreiben, diskutieren, sich distanzieren, sich einigen, erklären, Fachbegriffe nutzen, fragen, Gesprächsregeln einhalten, nachfragen, nachweisen, präsentieren, Rückmeldung geben, sprechen, streiten, um Unterstützung bitten, sich verständigen, sich verständlich mitteilen, vortragen, zuhören, zusammenfassen, Zusammenhänge herstellen
(Tab. 2: Tätigkeiten, die durch Kommunikation geprägt sind)
Urteilen
Darüber hinaus soll der Sachunterricht den Schülern und Schülerinnen die Möglichkeit bieten, sich darin zu üben, Urteile abzugeben und jene und andere Aussagen zu reflektieren. Augenmerk wird hier auf die begründete Stellungnahme gelegt.
Aufgeführte Tätigkeiten sind folgende:
Denk-, Arbeits-, und Handlungsweisen
ab w äg en, auswerten, bewerten, differenzieren, einschätzen, entscheiden, gewichten, hinterfragen, korrigieren, nachdenken, schlussfolgern, urteilen, vergleichen, zuhören
(Tab.3: Tätigkeiten im Sinne der Urteilsfällung)
Handeln
Bei der Erschließung ihrer Umwelt und sich selbst geht es ebenso darum, die „Konsequenzen des eigenen Handelns zu durchdenken“ (ebd., S.5) und dafür Verantwortung zu übernehmen. Darunter zählen laut des Rahmenlehrplans:
Denk-, Arbeits-, und Handlungsweisen
beeinflussen, Erkenntnisse umsetzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten einsetzen, sich kümmern, nachdenken, optimieren, reflektieren, schützen, eigene Stärken erkennen und ausbauen, überarbeiten, überprüfen, Verabredungen und Regeln treffen und einhalten, verändern, vermeiden, Ziele verabreden
(Tab.4: Tätigkeiten, die im Zusammenhang des eigenen Handelns stehen)
Die in kursiv gedruckten Tätigkeiten können eng mit der Planung, Durchführung und Auswertung von Experimenten sowie der Nutzung von Sprache in Verbindung gesetzt werden. Besonders die Relevanz von Sprache ist immer wieder herauskristallisierbar. Aus diesem Grund kann man beide Bestandteile in Verbindung setzen und sich fragen, ob das Eine das Andere beeinflusst oder sogar unterstützen kann. Dass die Sprache für die Ausführungen von Aufgaben und Experimenten von Nöten ist, wird anhand des Rahmenlehrplans bereits deutlich. Jedoch beschäftigt sich auch die nachfolgenden Quelle mit der Relevanz von Sprache sowie dem Experiment und damit verbundenen Kompetenzen und Anforderungen.
2.2 Perspektivrahmen des Sachunterrichts
Im Perspektivrahmen des Sachunterrichts gibt es Belege dafür, dass im Sachunterricht, gerade im naturwissenschaftlichen Sachunterricht, Sprache eine einnehmende Rolle besitzt. Sprache ist eine zentrale Kompetenz, welche im Sachunterricht gefordert und gefördert werden soll. Im Folgenden werde ich dazu relevante Aspekte aufführen und in Verbindung setzen.
Der Sachunterricht hat aus pädagogischer als auch aus didaktischer Sicht die Aufgabe, den Kindern unter anderem dabei zu helfen, Erkenntnisse „selbstständig, methodisch und reflektiert“ (GDSU 2013, S. 2) aufzuarbeiten. Laut Perspektivrahmen soll der Sachunterricht Schüler*innen vor allem dabei unterstützen, „Phänomene und Zusammenhänge der Lebenswelt wahrzunehmen und zu verstehen“ (ebd., S.9) und sollte dabei darauf achten, „an die vor- bzw. außerschulisch erlangten Wissensbestände und Kompetenzen sowie an die Fragen, Interessen und Lernbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler“ (ebd., S.10) anzuknüpfen. Denn diese seien Ausgangspunkt für die Lernprozesse im Sachunterricht (vgl. ebd.). „Sachunterricht liefert dann einen Rahmen, in dem die Schülerinnen und Schüler über sachbezogene Lerntätigkeiten ihre Erfahrungen weiterentwickeln und dabei zentrale Kompetenzen erwerben können.“ (ebd.). Wie bereits erwähnt, ist die Sprache eine der zentralen Kompetenzen. Hierzu bezieht sich der Perspektivrahmen folgendermaßen: Der Sachunterricht sei „eng mit Sprachbildung verknüpft“ (GDSU 2013, S.11), da „Sprache (…) im Aufbau und in der Verwendung von Begriffen oder beim sachgemäßen Argumentieren (…) ein wichtiges Mittel und Werkzeug sachunterrichtlichen Lernens“ (ebd.) ist. Die Sprache nimmt im Sachunterricht die Funktionen „der Aneignung, der Verarbeitung, der Modellierung und Konzeptualisierung der Inhalte (…) sowie [die] darauf bezogene[…] Kommunikation, Reflexion und damit der Orientierung und Einordnung von Erfahrungen“ (ebd.) ein. „ Der Sachunterricht leistet so einen wesentlichen Beitrag zur sprachlichen Bildung von Schülerinnen und Schülern, wenn (…) ,Sachen‘ (wie Gegenstände oder auch Prozesse) zu benennen sind, wenn Begrifflichkeiten (…) zur präzisen Verständigung geklärt werden müssen oder wenn in Diskursen verschiedene Konzepte bzw. Ideen argumentativ darzustellen sind.“ (ebd.).
Die hier genannten Prozesse und Kompetenzen wie Reflexion, das Benennen von Begrifflichkeiten, Phänomene und Zusammenhänge wahrnehmen und verstehen, sind eng verbunden mit dem Durchführen von Experimenten und dem damit verbundenem Auseinandersetzen mit natürlichen Phänomenen. Auch diesbezüglich hat der Perspektivrahmen folgende Äußerungen getätigt:
Schüler*innen sollen „Naturphänomene sachorientiert (objektiv) untersuchen und verstehen“ (GDSU 2013, S.39). Dazu gehört - speziell im Sachunterricht - das Beantworten von Fragestellungen, welche sich auf natürliche Phänomene beziehen. Dies kann beispielsweise bei der Durchführung und Reflexion eines Experimentes geschehen. Dabei wird darauf Wert gelegt, dass Schüler*innen „naturwissenschaftliche[…] Verfahren erkennen und diese anwenden“, „aus naturwissenschaftlichen Phänomenen sinnvolle Fragen ableiten“, einfache Versuche zur Überprüfung von Vermutungen bzw. zur Widerlegung von Vermutungen beraten, planen und durchführen“, ferner auch „komplexere Versuche nach Anleitung zunehmend selbstständig durchführen und auswerten“ und eventuelle „Widersprüche und Unstimmigkeiten beim Untersuchen von Naturvorgängen erkennen, verständlich sprachlich darstellen und bei der Interpretation der Untersuchungsergebnisse berücksichtigen“ (GDSU 2013, S.40) können. Neben den sprachlichen Kompetenzen bilden Experimente also eine ebenso wichtige Rolle im naturwissenschaftlichen Unterricht. Besonders förderlich sind Experimente dann, „wenn die Welt und ihre Phänomene eigenaktiv erkundet werden können, wenn immer neue Zugänge gesucht und gefunden werden, wenn Kinder sich ihrer Erfahrungen bewusst sind, wenn sie sie mit anderen (…) in Verbindung bringen und wenn sie sie kommunizieren können. Die Fähigkeit zur Exploration hängt vom Umfang und der Qualität gemachter Erfahrungen ab und ist zugleich eine Voraussetzung für künftige Erfahrungen. Um diese Fähigkeit zur Exploration entwickeln zu können, brauchen Kinder Spielräume der Exploration in reichen und bedeutsamen Erfahrungswelten.“ (GDSU 2013, S.19). Hinzukommt, dass durch das Erforschen und Beobachten der Lebenswelt „Kinder angeregt und herausgefordert werden, ihr implizites Wissen sprachlich zu explizieren und dabei bewusste Vorstellungen bzw. Konzepte zu entwickeln, mit denen sie sich natürliche und soziale Phänomene ihrer Welt erklären.“ (ebd.).
Auch folgende Aussage festigt nochmals die Tatsache, dass Sprache und (im Zusammenhang durch die) Experimente im Sachunterricht eine wichtige Rolle spielen:
„Bestandteil erfolgreichen (naturwissenschaftlichen) Lernens ist die zu erwerbende Fähigkeit, den eigenen Lernweg geeignet strukturieren, mit Blick auf das Erkenntnis- bzw. Lernziel bewerten sowie Erkenntnisse und Lernwege sprachlich klar darstellen und argumentieren [zu] können.“ (GSDU 2013, S.42)
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