Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob das Social Web mit seinen Social Media-Angeboten dem Journalismus Ergänzungen oder Konkurrenzen bietet. Es wird dargestellt, was sich verändert hat, welche Charakteristika das Social Web in Bezug auf den Journalismus aufweisen, welche Möglichkeiten sich dem Journalismus bieten und wo seine Grenzen sind. Technische Innovationen führten zu der rasanten Entwicklung von Kommunikationskanälen und Medienstrukturen innerhalb weniger Jahre. Dadurch verbinden sich Kommunikationstechniken und multimediale Anwendungen werden entwickelt. Die Kommunikationsangebote erweitern sich, es entstehen neue Angebots- und Nutzungsformen. Die Kommunikation wird direkter, Individual- und Massenkommunikation verschmelzen miteinander. Die technische Weiterentwicklung hat in den letzten Jahren sehr stark zugenommen. Es gibt immer mehr multifunktionale Geräte, die der User immer stärker nutzt. Der Zugriff auf das Web mittels dieser Medien ist der Trend in der aktuellen Entwicklung. Einen besonderen Stellenwert nimmt das Social Web und Social Media ein.
Gleichzeitig droht dem Journalismus Gefahr durch das Vorhandensein des Internets. Anzeigenkunden der Zeitungen wandern aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten und der hohen Reichweite ins Web ab. Die Finanzierung des Journalismus ist erschwert. Derzeit beschäftigen sich Kommunikations- und Medienwissenschaftler mit der Frage, ob der professionelle, qualitative Journalismus durch das Web 2.0 sterben wird. Die Rollen, der Journalist als Produzent des Informationsmaterials, der Verlag als Sender und der Rezipient als Empfänger dessen, waren klar verteilt. In Form eines Massenmediums richtete ein Produzent mit erlernten beruflichen Standards seinen Inhalt an viele. Der Leser erhielt als Reaktionsmöglichkeit überwiegend eine Plattform in Form von Leserbriefen.
I INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung
2 Sozial Media | Veränderung der Nachrichtenverbreitung
2.1 Partiziptative Formate
2.2 Peer Production
2.3 Kollaboration Nachrichtenproduktion
3 Partizipativer Journalismus | Alternative journalistische Angebote
3.1 Plattformen des partizipativen Journalismus´
3.2 Gegenöffentlichkeit
4 Ausblick | Journalismusforschung und praktischer Journalismus
5 Fazit | Potentiale für die Neubestimmung des Journalismus´
Literaturverzeichnis
1 EINLEITUNG
Online — Zukunft oder Tod des Journalismus? Kommunikationswissenschaftliche Institute erforschen Auswirkungen des Social Web. Tiefgreifend und schnell verändern sich die Medienstrukturen seit Ende des 20. Jahrhunderts, die Grenzen zwischen Individual- und Massenkommunikation lösen sich auf. Eine enorme Dynamik entwickeln Online- Kommunikation und Multimedialisierung. Im Internet entstehen alternative journalistische Angebote.
Journalismus im Wandel
Gefahr droht dem Journalismus durch das Vorhandensein des Internets. Anzeigenkunden der Zeitungen wandern aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten und der hohen Reichweite ins Web ab. Die Finanzierung des Journalismus ist erschwert. Derzeit beschäftigen sich Kommunikations- und Medienwissenschaftler mit der Frage, ob der professionelle, qualitative Journalismus durch das Web 2.0 sterben wird. Die Rollen, der Journalist als Produzent des Informationsmaterials, der Verlag als Sender und der Rezipient als Empfänger dessen, waren klar verteilt. In Form eines Massenmediums richtete ein Produzent mit erlernten beruflichen Standards seinen Inhalt an viele. Der Leser erhielt als Reaktionsmöglichkeit überwiegend eine Plattform in Form von Leserbriefen. Was sich verändert hat, welche Charakteristika das Social Web in Bezug auf den Journalismus aufweisen, welche Möglichkeiten dem Journalismus sich bieten und wo seine Grenzen sind werden in dieser Seminararbeit dargestellt.
Multimedialisierung
Technische Innovationen führten zu der rasanten Entwicklung von Kommunikationskanälen und Medienstrukturen innerhalb weniger Jahre. Dadurch verbinden sich Kommunikationstechniken und multimediale Anwendungen werden entwickelt. Die Kommunikationsangebote erweitern sich, es entstehen neue Angebots- und Nutzungsformen. Die Kommunikation wird direkter, Individual- und Massenkommunikation verschmelzen miteinander. Die technische Weiterentwicklung hat in den letzten Jahren sehr stark zugenommen. Es gibt immer mehr multifunktionale Geräte, die der User immer stärker nutzt. Der Zugriff auf das Web mittels dieser Medien ist der Trend in der aktuellen Entwicklung. Einen besonderen Stellenwert nimmt das Social Web und Social Media ein. Diese Arbeit beschäftigt sich im Kern mit der Frage, ob das Social Web mit seinen Social Media-Angeboten dem Journalismus Ergänzungen oder Konkurrenzen bietet.
2 SOCIAL WEB
VERÄNDERUNG DER NACHRICHTENVERBREITUNG
In sozialen Netzwerken ist die Vielfalt an Verbreitungswegen besonders deutlich zu sehen. Mittels Mobiltelefon wird das Mitmachen vereinfacht. Sind Ereignisse beobachtet worden, kann dieses zum Beispiel mit dem Smartphone festgehalten, mitgeteilt und online verbreitet werden. Microblogging oder Twittern gehören derzeit zu den beliebtesten Formen dieser Nachrichtenvermittlung. In kurzen Texten von 140 Zeichen werden Informationen wie im Telegrammstil an einen eingeschränkten Personenkreis verschickt oder ist für alle Nutzer sichtbar. Die einfache Verbreitung, der niedrigschwellige Zugriff und das schnelle Bekanntwerden von Ereignissen sind die Charakteristika dieser Methode. Das bedeutet, dass Nachrichten nicht mehr nur ausschließlich redaktionell verarbeitet und vermittelt werden, sondern auch von nicht hauptberuflich journalistisch operierenden Personen auf Nutzerplattformen veröffentlicht werden können, wo sie dann diskutiert und weiter vernetzt werden. (Vgl. Neuberger et al. 2010: 9; Schmidt 2012: 12ff)
Professioneller Journalismus
Publizistische Grundsätze sind in diesem Zusammenhang nicht federführend. Sie sind im Pressekodex des deutschen Presserates festgelegt und behandeln folgende Aspekte:
1 Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde
2 Sorgfaltspflicht
3 Richtigstellung
4 Grenzen der Recherche
5 Berufsgeheimnis
6 Trennung von Tätigkeiten
7 Trennung von Werbung und Redaktion
8 Schutz der Persönlichkeit
9 Schutz der Ehre
10 Religion, Weltanschauung, Sitte
11 Sensationsberichterstattung, Jugendschutz
12 Diskriminierungen
13 Unschuldsvermutung
14 Medizinberichterstattung
15 Vergünstigungen
16 Rügenveröffentlichung
Die Art der Nachrichtenverbreitung im Social Web unterliegt im Allgemeinen keinen journalistischen Standards, wie beispielsweise die Überprüfung von Quellen auf ihren Wahrheitsgehalt oder die journalistische Sorgfaltspflicht. (Vgl. Deutscher Presserat 2013)
Wegen der Kürze bei Microblogging kommt hinzu, dass Hintergründe nicht erklärt werden können. (Vgl. Neuberger et al. 2010: 9.) In demokratischen Gesellschaften erfüllt der Journalismus die zentrale Aufgabe der Orientierung. Dieser verantwortungsvollen Aufgabe kommt der professionelle Journalismus nach, indem er durch Recherche, Selektion und Präsentation von neuen, faktischen und relevanten Themen Öffentlichkeit herstellt, seine Beobachtungen von der Gesellschaft dem Massenpublikum zur Verfügung stellt. Somit konstruiert er eine gemeinsame Wirklichkeit, die Orientierung in einer komplexen Welt bietet. (Vgl. Meier 2007: 13) Der Journalismus erfüllte bislang die Funktion eines Gatekeepers, der über den Zugang zur Öffentlichkeit entschieden hat. Exklusive Kontakte zu seinen Quellen und die einseitige Vermittlungsposition zum Publikum führten zu hohen gesellschaftlichen Erwartungen mit besonderer Verantwortung. Das sind im Wesentlichen die aktuelle und neutrale Berichterstattung, Kontrolle und Kritik gegenüber Politik und Wirtschaft, Moderation öffentlicher Diskurse und die soziale Integration der Gesellschaft. (Vgl. Deutscher Presserat 2013; Neuberger et al. 2010: 11)
Social Web
Grundlegende Unterscheidungen zu den klassischen Massenmedien liefern die neuen Internetanwendungen wie Weblogs oder Wikis, die in Kapitel 3.1 erläutert werden. Die neuen Merkmale sind Hypertextualität, Multimedialität und Interaktivität. Hypertextualität bedeutet, dass Kommunikationsinhalte so aufgebaut werden können, dass sie vernetzt sind. Multimedialität umfasst die Fähigkeit, dass eine Vielzahl von Medien miteinander kombinierbar sind. Interaktivität ist die Möglichkeit, dass bestimmte Teilöffentlichkeiten und einzelne Rezipienten an Kommunikationsinhalten arbeiten können. Diese digitalen Anwendungen sind Mittel zur Distanzverringerung und zur schnellen Kommunikation. (Vgl. Engesser et al. 2009: 46; Neuberger et al. 2009: 9 ff)
Das Internet bietet nun jedem Nutzer die Möglichkeit, selbst zum Anbieter von Nachrichten zu werden. Den exklusiven Zugang des Journalismus zu Quellen gibt es nicht mehr in dem Maße, da Organisationen und andere Quellen des Journalismus nicht mehr auf dessen Vermittlungsleistung angewiesen sind. Jeder kann im Social Web selbst zum Kommunikator werden und sich an der öffentlichen Diskussion beteiligen. Der Nutzer hat die Möglichkeit, sich selber Informationen von diesen Quellen zu beschaffen. Außerdem kann er mit diesem Material selbstständig auf verschiedenen Plattformen Nachrichten veröffentlichen. Das Social Web hat zu einer Vielzahl von Beteiligungen geführt und die Kommunikationsinhalte und -formate sind vielfältiger geworden. Seine zentrale Stellung als Gatekeeper hat der Journalismus verloren. In den vergangenen Jahren hat diese Entwicklung der veränderten Nachrichtenverbreitung zu einer großen Verunsicherung des professionellen Journalismus geführt. (Vgl. Bruns 2009: 107ff; Neuberger et al. 2010: 11ff).
2.1 PARTIZIPATIVE FORMATE
Besondere Teilhabe bieten die Social Web-Formate Weblogs‚ Wikis, soziale Netzwerke und Newsfeed, das sind abonnierbare elektronische Nachrichten im Internet. Sie zählen zu den sogenannten partizipativen Anwendungen. Genutzt werden sie zum Aufbau und zur Pflege sozialer Beziehungen, dem Informationsaustausch, der interaktiven Kommunikation sowie dem kollaborativen Schaffen gemeinsamer Werke. Das Social Web wird immer dezentraler, die Partizipation steigt, alle werden gleicher und vernetzter. (Vgl. ebd.)
Bürgerjournalismus
Laien, die mithilfe dieser partizipativen Formate vermittelnde Leistungen erbringen, die dem Journalismus ähnlich sind, fasst man zusammen unter dem Begriff Bürgerjournalismus. Im Prinzip kann jeder mitwirken, das Feld ist für jeden Teilnehmer und alle Plattformen offen. Als Konkurrenz zu professionellen journalistischen Angeboten werden die des Bürgerjournalismus jedoch nicht wahrgenommen. Die traditionellen Massenmedien arbeiten auf einem hohen Standard, woran sich der Nutzer gewöhnt hat und dieses gar nicht erst von Weblogs oder ähnlichem erwartet und daher zur Rezeption relevanter Inhalte, zum Beispiel zu einem Bundestagswahlkampf, dem klassischen Journalismus mehr Vertrauen entgegen bringt. (Vgl. Bruns 2009: 121ff; Neuberger et al. 2010: 12ff)
Vier Komplementärbeziehungen
Es gibt nicht nur Konkurrenzbeziehungen zwischen dem Journalismus und dem Social Web. Akteure, in der Rolle als Kritiker oder Quelle, können dem Journalismus gegenüber stehen und diesen ergänzen. Vier Komplementärbeziehungen unterscheidet Kommunikationswissenschaftler Dr. Christoph Neuberger. Der Journalismus profitiert zum einen durch (1) Aufmerksamkeitslenkung des Social Web. Twitter, Microblogging und soziale Netzwerke wie Facebook sind keine Autoritäten wie die Qualitätsmedien, sie führen aber den Rezipienten auf die Websites von professionell-journalistischen Anbietern. Umgekehrt werden in partizipativen Formaten Themen des Journalismus in der (2) Anschlusskommunikation aufgegriffen und verarbeitet. Dieser Einfluss des Agenda Setting schätzen Kommunikations- und Medienwissenschaftler derzeit als hoch ein. Journalisten und Kommunikatoren der partizipativen Formate kommentieren sich auch wechselseitig und machen sich in der (3) Meta-Kommunikation selbst zum Thema. Dies geschieht beispielsweise in Watchblogs. Sie dienen der kritischen Beobachtung von Entwicklungen auf dem Gebiet, worauf sich der jeweilige Watchblog spezialisiert hat. Konflikte über Qualität und Identität können dabei zwischen Bloggern und Journalisten entstehen, zum Beispiel auf bildblog.de, der sich mit den deutschen Medien beschäftigt. Mittels Meta- Kommunikation können Redaktionen auch die Resonanz ihrer Beiträge registrieren. Suchmaschinen helfen hierbei und werden als eines von mehreren (4) Recherchequellen und Beobachtungsinstrumenten auch für das Aufkommen neuer Themen genutzt. (Vgl. Neuberger et al. 2010: 19f)
Drei integrative Beziehungen
Mit integrativen Beziehungen meint Neuberger Methoden, mit denen der Journalismus sich der partizipativen Formate bedient. Drei Beziehungstypen lassen sich unterscheiden. Mit der (1) Formateinbindung setzen Redaktionen Social Web-Dienste für die journalistische Vermittlung ein. Als innovative Darstellungsformen gelten in der Berufssparte Internetjournalismus die Anwendungen Videoblogs, Podcasts, das sind abonnierbare Mediendateien, und Weblogs. Für eine Live-Berichterstattung wird auch Twitter genutzt. Um die Nutzer im Netz abzuholen, um sie auf ihre Website zu leiten, nutzen viele Redaktionen soziale Netzwerke wie Facebook. Das Profil sorgt für (2) Nutzerwerbung zum Beispiel in Form von Verlinkungen. Für die (3) Nutzerinteraktion eignen sich Social Web-Dienste, die den Austausch unter den Nutzern sowie zwischen den Nutzern und der Redaktion fördern. Hier kann eine Anschlusskommunikation zu vorgegebenen Themen stattfinden, die in der Regel moderiert wird. Auch Formen des Crowdsourcing, das ist die Auslagerung interner Teilaufgaben an Freiwillige, sind möglich. Nutzer werden so bei Recherche und Auswertung miteinbezogen. (Vgl. ebd.: 20)
2.2 PEER PRODUCTION
Peer Production ist dem Crowdsourcing ähnlich und ist eine internetbasierte Gemeinschaftsproduktion, die in keinem Fall kommerziell ist. Die Mitarbeit und Mitgestaltung an der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia ist eine Form davon. Die Vorteile gegenüber Enzyklopädien in Buchformat, wie das klassische Werk der Brockhaus Enzyklopädie, liegen in der Richtigkeit und Aktualität. Ständig werden Artikel überarbeitet und erfüllen mit ihrem gelebten Anspruch auf Richtigkeit und Aktualität wesentliche Qualitäts-Charakteristika des professionellen Journalismus. Diese friedliche Kollaboration von nur lose verbundenen Nutzern, die freiwillig und unentgeltlich an einem Projekt arbeiten und beachtenswerte Gesamtleistungen erbringen, bietet großes Potential für die Erstellung von Wissens- und Informationsgütern. Je mehr User sich dabei beteiligen, desto höher wird die Qualität der produzierten Inhalte. Das frei erhältliche Betriebssystem Linux ist auf diese Weise entstanden und immer weiter verbessert geworden. Wie auch das Social Web dezentralisiert funktioniert, ist auch die Kooperation der Nutzer eine dezentrale. Besonders die niedrigen Kosten der Herstellung sowie Verbreitung digitaler Inhalte begünstigen das Modell der Peer Production. (Vgl. Bosshart 2012: 20ff; Deuze et al. 322ff)
Vier Charakteristika
1. Offenheit für beliebige Teilnehmer. Die Produktionsgemeinschaften sind gekennzeichnet durch ihre Offenheit und Gleichheit im Zugang für jedwede Teilnehmer. Das Betriebssystem Linux wurde von dem Erfinder für jeden frei zugänglich ins Internet gestellt mit der Bitte um Verbesserung und Behebung von Fehlern. Mit fachlichem Können trugen Programmierer zur Weiterentwicklung bei und durch Hinweise auf Fehler trugen Anwender zur Verbesserung bei. Diese Verschränkung von Produktion und Evaluation sind typische Charakteristika in der Entwicklung von Open-Source-Software wie Linux. Die Heterogenität in Kenntnissen und Fähigkeiten als auch die Größe der Nutzerschaft sind dabei entscheidende Faktoren für kollaborative Schaffenswerke. (Vgl. Bosshart 2012: 22f.)
2. Nicht dauerhafte, elitäre Strukturen. Im Verlauf der Linux-Entwicklung erhielten einige Programmierer mehr Entscheidungskompetenzen als andere. Entschieden wurde das anhand von Zeitaufwand und Ideenqualität. Auch bei Wikipedia haben manche Benutzer mehr Rechte als andere. Festgemacht wird dieses anhand der Anzahl bearbeiteter Artikel. Diese als Administratoren bezeichneten Mitglieder können Artikel löschen, sperren, wiederherstellen, für weitere Bearbeitungen sperren und andere Nutzer sperren. In Position darüber gestellt gibt es den Status des Bürokraten, diese werden von Administratoren gewählt und können Mitglieder zu solchen ernennen. Gemeinschaftsproduktionen sind strukturiert und es formieren sich Führungseliten heraus, die sich aufgrund von Engagement und Qualität ihrer Beiträge verdient machten. Hingegen starre Hierarchien oder vorgegebene existieren nicht. (Vgl. ebd.: 23f.)
3. Nie abgeschlossener Prozesse. Die kollaborative Gemeinschaftsproduktion ist ein Prozess und ist niemals abgeschlossen. Die Laufgemeinschaft Runtastic bietet Mitgliedern die Möglichkeit, an Kartenmaterial zu arbeiten, in das Laufrouten eingetragen werden. Dazu gibt es eine App für Smartphones und weitere Programme für Radfahren, Snowboarden und andere Sportarten. Alle Anwendungen sind miteinander verknüpft, bilden, sofern der Nutzer teilnimmt, ein soziales Netzwerk und laden dazu ein, am Kartenmaterial zusammenzuarbeiten, das somit stets erweitert wird. (Vgl. ebd.: 24; Runtastic 2013)
4. Kein besitzender Charakter. Die Informations- und Wissensproduktionen sind Gemeingüter. Es gibt, wenn überhaupt, nur sehr geringe urheberrechtliche Beschränkungen für die Weiterentwicklung, Vervielfältigung oder Verwendung. Es gibt kein exklusives Recht des Nutzers an seinen Beiträgen. Die Mitwirkung erfolgt bei Peer Productions nicht aus finanziellen, sondern aus persönlichen Motiven. Bei Linux sind dieses die Möglichkeit der Verbesserung oder das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung. So auch bei Runtastic, wenn beispielsweise besonders schöne, lange oder viele Routen hochgeladen werden. Ein Anreiz kann auch bloße Leidenschaft sein. (Vgl. Bosshart 2012: 24f.; Runtastic 2013)
Bedingungen und Grenzen
Peer Production funktioniert bei Projekten, die in mehrere Bestandteile zerlegt werden können, an denen parallel und unabhängig voneinander gearbeitet werden kann, bis sie wieder zu einem Ganzen zusammen gesetzt werden. Der Aufwand an Zeit, körperlicher und geistiger Arbeit muss so niedrig wie möglich dabei sein. Fachbücher und wissenschaftliche Texte lassen sich gut in einzelne Teile zerlegen, beruhen auf Fakten und sind stark standardisiert. Bei literarischen Formen wie Romanen, wo es vor allem auch auf den Stil ankommt und das Gesamtwerk ein Konzept bildet, ist das Prinzip der Peer Production nur schwer möglich. Wikibooks ist zum Beispiel ein gemeinschaftliches Projekt zur Erstellung von Büchern. Bereits gesicherte Erkenntnisse werden auf dieser Plattform zu Sachbüchern zusammengetragen. Romane gibt es indes nicht.
Neben niedrigem Aufwand und hoher Zerlegungsmöglichkeit ist eine weitere Voraussetzung für kollaborative Gemeinschaftsproduktion der Problemlösungsprozess. Dieser folgt in Nutzercommunities keinen hierarchischen Strukturen oder Vorgaben, sondern vollzieht sich eher zufällig. Statt Aufgaben zugeteilt zu bekommen, erstellen die User ihre problemlösungsorientierten Beiträge in Eigeninitiative dabei nach ihren Fähigkeiten und Interessen. Je mehr Personen sich beteiligen, desto besser wird das Ergebnis. Dieses gilt für Linux wie auch für Wikipedia.
Die Gemeinschaftsproduktion ist dort unterlegen, wo es um standardisierte Leistungsvorgaben geht, die eine effiziente Ausführung bedingen und mit Routinemaßnahmen zu bewältigen sind. Aufgrund der ständigen Zu- und Abgänge von Teilnehmern bei Peer Productions sind beständige, stabile Verfahren dort nicht möglich. Gemeinschaftsproduktion ist also nicht für alle Arten von Gütern oder Leistungen verwendbar. Gerade die Rahmenbedingungen der spezifischen Ausbildungsgänge und Qualitätsprüfungen für Berufsarbeit stellt sicher, dass Personen die Kompetenzen mitbringen, professionell und routiniert zu arbeiten. (Vgl. ebd.: 25ff; Deuze et al. 322ff)
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