Die vorliegende Arbeit befasst sich im Rahmen des Straßenverkehrsrechts mit einem über die europäischen Mitgliedsstaaten hinausgehenden Rechtsstreit. Ziel der Arbeit ist es, zu klären, ob die straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen eines bestimmten Mitgliedsstaates mit den Verordnungen der EU vereinbar sind.
Hierzu wird zunächst das Vorabrentschscheidungsverfahren analysiert, bevor in einem zweiten Schritt der mögliche Verstoß näher betrachtet wird. In einem dritten Schritt wird die Niederlassungsfreiheit gemäß Artikel 49 AEU untersucht und im Rahmen des Verstoßes beurteilt, bevor abschließend ein mögliches Ergebnis präsentiert wird.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Vorabentscheidungsverfahren
I. Zulässigkeit des Antrages nach §276
1. Zuständigkeit
2. Anhängiger Rechtsstreit in einem Mitgliedsstaat (MS)
3. Geeigneter Vorlagegegenstand
4. Vorlageberechtigung bzw. Vorlageverpflichtung
5. Zwischenergebnis
6. Entscheidungserheblichkeit der Vorlage
7. Zwischenergebnis
II. Sachentscheidung
B. Verstoß gegen Art. 34
I. Keine abschließende sekundärrechtliche Regelung
II. Betroffenheit des Schutzbereiches, Art. 34
1. Vorliegen einer „Unionsware“ i.S.v. Art. 28 Abs. 2
2. Sachlicher Schutzbereich
3. Persönlicher Schutzbereich
II. Eingriff in den Schutzbereich
1. Beschränkung der WVF
2. TarifäreHandelshemmnisse
a. Zölle gern. Art. 30
b. Abgabe zollgleicher Wirkung
c. Gebühren
3. Zwischenergebnis
4. Nicht tarifäre Handelshemmnisse
a. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkung nach Art. 34
b. Maßnahme gleicher Wirkung
aa. Maßnahme gleicher Wirkung nach der Dassonville-Formel
bb. Einschränkung durch die Keck-Formel
c. Unmittelbare und mittelbare Diskriminierung
Straßenverkehrstauglichkeitsprüfung (StrVP)
5. Zwischenergebnis
6. Rechtfertigung nach Art. 36 durch L
a. Cassis de Dijon-Formel
b. Rechtslenkerverbot
7. Verhältnismäßigkeit
a. Geeignetheit
b. Erforderlichkeit
8. Zwischenergebnis
C. Niederlassungsfreiheit Art.49 AEU (im folgenden NF genannt)
I. Keine abschließende primärrechtliche Regelung
II. Betroffenheit des Schutzbereiches, Art. 49
1. Persönliche Betroffenheit des Schutzbereiches
2. Sachliche Betroffenheit des Schutzbereiches
III. Eingriff in den Schutzbereich, Art. 49
1. Maßnahme eines anderen MS
2. Beeinträchtigung der NF
IV. Rechtfertigung des Eingriffs
V. Zwischenrergebnis
D. Ergebnis
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des AEUV
A. Vorabentscheidungsverfahren
Gem. §267 kann in einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH im Rahmen eines vor einem mitgliedstattlichen Gericht anhängigen Rechtsstreits eine für den Ausgang dieses Rechtsstreits erhebliche Frage nach der Auslegung oder Gültigkeit des Unionsrechts geklärt werden.[1]
Sachlich zuständig für die Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen ist zunächst der EuGH. Gern. Art.256 Abs.3 besteht jedoch die Möglichkeit, dass dem EuG für besondere in der Satzung festgelegte Sachgebiete die Zuständigkeit für Vorabentscheidungsersuchen übertragen werden kann. Eine solche Festlegung in der Satzung ist nicht erfolgt bislang.[2]
I. Zulässigkeit des Antrages nach §276
Der EuGH trifft eine Entscheidung, auf Vorlage nationaler Gerichte im Wege der Vorabentscheidung über Fragenstellungen der Auslegung und Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht.[3]
1. Zuständigkeit
Gern. Art 256 III kann die Zuständigkeit für Vorabentscheidungen nach Art. 267, dem Gerichtshof der Europäischen Union, in besonderen in der Satzung festgelegten Sachgebieten übertragen werden. Bei den Parteien im folgendem genannt O.Ltd (Old Cars Ltd) aus Irland und dem EU-Mitgliedsstaat L (im folgendem genannt L), handelt es sich um mitgliedstaatliche Beteiligte der EU. Hiernach könnte der EuGH zuständig sein.
2. Anhängiger Rechtsstreit in einem Mitgliedsstaat (MS)
Der Fragegegenstand müsste im tatsächlichen Rechtsstreit erfassbar sein. Der Rechtsstreit darf von den Parteien nicht offensichtlich hervorgebracht werden, nur um die Beantwortung bestimmter unionsrechtlicher Fragestellungen zu erreichen.[4] Hierbei erhebt O. Ltd beim erstinstanzlichen PG Klage gegen die Ablehnung der Zulassung. Somit liegt ein anhängiger Rechtsstreit vor.
3. Geeigneter Vorlagegegenstand
Für einen zulässigen Vorlagegegenstand müsste ein Antrag geeignet sein.[5] Vorlagegegenstand nach Art. 267 I sind solche Unionsorgane die die Auslegung der Verträge und der Handlung dieser, unter Einschluss der Handlungen der Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU, als auch die Gültigkeit der Handlung dieser beinhalten.[6] Das Auslegungsersuchen umfasst Verträge und das sonstige Primärrecht, sowie Handlungen der Organe der Union als auch die Handlungen der Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union gern. Art. 267 Abs. 1 lit. A-b. Bei der Auslegung muss das gesamte Unionsrecht einbezogen werden.[7]
Vertragsgegenstand der europäischen Union beinhaltet gemeinsame Bestimmungen, sowie einige Fundamentalprinzipien. Genauer enthält der AEU-Vertrag die wesentlichen Bestimmungen über die Kompetenzen der EU unteranderem im Bereich der Marktfreiheiten sowie den Tätigkeitsbereich der Union und umfasst allgemeine Grundsätze dieser. Im AEU-Vertrag sind zahlreiche Bestimmungen enthalten auf die sich einzelne Personen unmittelbar gegenüber Behörden und Gerichten der MS berufen können.[8]
Hier wird dem EuGH die Frage vom Provinzgericht (im folgenden PG genannt) in L vorgelegt und das PG erfragt hierbei, inwieweit nationale straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen wie in L mit den folgenden Artt.30,34 und 49 zu vereinbaren sind. Folgerichtig wird direkten Bezug auf die Verträge der EU genommen und die Frage ist dem europäischen Primärrecht zuzuordnen. Ordnungsgemäß und mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im SV, hat sich O. Ltd an das PG in L gewandt, somit dieser die Fragestellung an den EuGH weiterleiten konnte.
Vorliegend ist zu prüfen, inwiefern die im SV vorliegende Form der Vorabfragestellung hätte gefragt werden dürfen. Der Streitgegenstand eines SV der unter die Unionsrechtsnorm fällt, darf der EuGH nicht subsumieren, da er ausschließlich zur Beantwortung unionsrechtlicher Fragen befugt ist. Ferner muss die Frage nach der Auslegung des EU-Rechts abstrakt formuliert sein, denn der EuGH darf keine Rechtsprechungskompetenz über nationales Recht der MS ausüben und insbesondere keine Prüfung mitgliedstaatlichen Rechts am Maßstab des Unionrechts durchführen. Die Formulierung der Vorlagefrage auf die Auslegung von Unionsrecht muss deshalb beschränkt werden.[9] Die vorliegende Vorlagefrage im SV ist nicht wie vorausgesetzt abstrakt formuliert. Es handelt sich vielmehr um eine Subsumtion des nationalen und des Unionsrechts. Jedoch ist der EuGH durch Ausübung des richterlichen Fragerechts und um eine effektive Handhabung des Vorlageverfahrens zu gewährleisten, dazu befugt ungenau formulierte Vorlagen und durch Auslegung der Frage zu präzisieren.[10]
Streitgegenstand des vorliegenden SV sind die straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen des MS L. Da sie dem nationalem Recht unterliegen sind sie folgerichtig nicht abstrakt formuliert. Hierbei steht dem EuGH keine Rechtsprechungskompetenz zu. Der EuGH kann nur Gebrauch von seiner Rechtssprechungskompetenz machen, wenn er die Vorlagefrage abstrakt umformuliert. Davon ist auszugehen, da der EuGH hier sehr großzügig verfährt und fehlerhaft gestellte Fragen einfach umformuliert, damit sie zulässig sind.[11]
4. Vorlageberechtigung bzw. Vorlageverpflichtung
Im Folgenden ist zu prüfen, ob das PG einer Vorlagepflicht unterliegt. Wenn die Entscheidung selbst nach innerstaatlichen Rechts nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden kann, sind mitgliedsstaatliche Gerichte gern. Art. 267 Abs. 3 zur Vorlage verpflichtet. Grundsätzlich besteht die Vorlagepflicht lediglich für letztinstanzliche Gerichte. Der EuGH hat die Pflicht zur Vorlage auf bestimmte Fälle ausgeweitet, nämlich auf solche in denen ein Gericht eine Unionsnorm für ungültig hält und diese deshalb nicht anwendet.[12] Ein mitgliedstaatliches Gericht ist gern. Art 267 und Abs. 2 und Abs. 3 vorlageberechtigt. Die Interpretation des Begriffes „Gericht“ sollte hier unionsrechtlicher Natur sein. Aufgrund dessen muss sich nach übereinstimmender Meinung ein Spruchkörper aus unabhängigen Mitgliedern zusammenfinden. Diese unterliegt folglich den rechtsstaatlichen Verfahrensregeln und müsste nach nationalem Recht als streitentscheidende Institution vorgesehen und ordnungsgemäß gebildet worden sein.[13]
5. Zwischenergebnis
Das PG hat somit keine Vorlagepflichtjedoch eine Vorlageberechtigung.
6. Entscheidungserheblichkeit der Vorlage
Da die Antwort des EuGHs entscheidungserheblich sein müsste, beeinflusst sie den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits.[14] Wenn das nationale Gericht die Vorlagefrage zum Erlass seines Urteils für notwendig hält erfolgt gern. Art. 267 Abs. 2 die Vorlage an den Gerichtshof. Folgerichtig ergibt sich daraus die Entscheidungserheblichkeit und Auslegungsbedürftigkeit der Frage für das mitgliedstaatliche Gericht.[15] Das PG teilt sämtliche Bedenken der O. Ltd und legt dem EuGH hierrüber die im SV genannte Frage vor. Von einer Entscheidungserheblichkeit kann deshalb ausgegangen werden.
7. Zwischenergebnis
Somit kann das Vorabentscheidungsverfahren eröffnet werden.
II. Sachentscheidung
Zu prüfen gilt es, ob die nationalen straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen des MS L und die damit verbundene Ablehnung der Zulassung des Oldtimers der O.
Ltd., unter Berücksichtigung der Art. 30, 34 und 49 mit den Verordnungen der EU vereinbar sind.
B. Verstoß gegen Art. 34
I. Keine abschließende sekundärrechtliche Regelung
Aus dem SV sind keine abschließenden sekundärrechtlichen Regelungen ersichtlich.
II. Betroffenheit des Schutzbereiches, Art. 34
Grundlage des sachlichen Schutzbereichs der Grundfreiheiten, ist die Grundlage für die Abgrenzung der Grundfreiheiten untereinander.[16] Der sachliche Schutzbereich des Art. 34 müsste eröffnet sein.
1. Vorliegen einer „Unionsware“ i.S.v. Art. 28 Abs. 2
Für die Anwendung der WVF wird das Vorliegen einer Ware im unionsrechtlichen Sinne gern. Art. 28 Abs. 2 vorausgesetzt. Der Ausdruck Ware im unionsrechtlichen Sinne bezeichnet alle körperliche Gegenstände , die über die Grenze gebracht werden, einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können.[17] Im vorliegenden Fall handelt es sich um den Vertrieb von hochwertigen englischen Oldtimern, die von Irland über die Grenze nach L transportiert werden sollen. Demnach liegt eine Ware i. S. v. Unionsrecht Art. 28 Abs. 2 vor. Zudem müsste die Ware gern. §28 II entweder aus den EU-MS stammen oder sich in den MS im freien Verkehr befinden. Die hier gehandelten Oldtimer werden in Irland restauriert und in ihren ursprünglichen Zustand gebracht um sie dann in L zu vertreiben. Sie stammen somit aus einem EU-MS. Damit ist der sachliche Schutzbereich eröffnet.
2. Sachlicher Schutzbereich
Des Weiteren muss es sich um eine Tätigkeit mit einem grenzüberschreitendem Bezug handeln.
[...]
[1] Vgl. Haratsch/König/Pechstein: S.244 Rn.565. Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des AEUV.
[2] Vgl. e.b.d.: S.245Rn.566.
[3] Vgl. Fischer: §8, Rn 49.
[4] Vgl. Kotzur in: Geiger/ Khan/ Kotzur ,Art. 267 AEU Rn. 14.
[5] Vgl. Haratsch/König/Pechstein: S.245 Rn.567.
[6] Vgl. Bieber/Epiney/Haag: §9, Rn91.
[7] Vgl. Bieber: §9 Rn 92.
[8] Vgl. Jochum: S. 38 Rn. 122,123.
[9] Vgl. Haratsch/Koenig/Pechstein: S. 258, Rn. 589.
[10] Vgl. e.b.d.: S.258,Rn. 590.
[11] Vgl. Jochum: S. 163 Rn. 499.
[12] Vgl. Ehri>
[13] Vgl. Streinz: §8 Abs. 3S.5 Rn. 694.
[14] Vgl. Fastenrath/Groh, Rn. 765.
[15] Vgl. Jochum: S. 174 Rn. 501.
[16] Vgl. Kingree in: Calliess/ Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, AEUV Art. 34-36, S.692, Rn. 29.
[17] Vgl. Hobe: §15,Rn729.