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Hausarbeit (Hauptseminar), 2011
15 Seiten, Note: 1,7
1. Einleitung
2. Die historische Entwicklung landwirtschaftlicher Abgaben
2.1. Von der Kopfsteuer zur Grundsteuer
2.2. Die Lage der Bauern zur Kaiserzeit
3. Die Entwicklung der Landwirtschaft in der Neuzeit
3.1. Die Lage der Bauern
3.2. Der Beginn neuer Reformen
4. Die erste Phase der großen Steuerreformen
4.1. Die „ Tax-for-Fee “ Reform
4.2. Die Folgen
5. Die Abschaffung der chinesischen Landwirtschaftssteuer
6. Ausblick
Quellenangaben
Im Januar 2003 kündigte erstmals öffentlich die kommunistische Zentralregierung unter Staatspräsident Hu Jintao (胡錦濤) und Premierminister Wen Jiabao (溫家寶) die Abschaffung der chinesischen Landwirtschaftssteuer an. Innerhalb von fünf Jahren sollte dadurch die finanzielle Last der Bauern gemindert werden.
Um dieses komplexe Thema näher behandeln zu können, werde ich zunächst die historische Entwicklung landwirtschaftlicher Abgaben und die Probleme der landwirtschaftlichen Bevölkerung Chinas vor allem in der Neuzeit erläutern.
Desweiteren werde ich auf eine der wichtigsten Reformen eingehen: der „ Tax-for-Fee “ Reform. Dies soll einen guten Überblick über die Lage geben, die letztendlich zu der Abschaffung der chinesischen Landwirtschaftssteuer führte.
Die ersten Formen einer Agrarsteuer wurden im Laufe des 6. Jahrhunderts v. Chr. eingeführt, um die Macht und Unabhängigkeit des Fürsten gegenüber der immer mehr an Einfluss gewinnenden Adelsgesellschaft zu stärken. Die ehemalige Dienstleistung, den Fürsten ein Kontingent bewaffneter Krieger zu stellen, wurde im Staate Lu (魯國 luguo) bereits ab 594 v. Chr. immer häufiger durch eine Abgabe in Form von Waffen und Getreide ersetzt.1 Der Staat begann von jedem Individuum eine Kopfsteuer und zusätzliche Abgaben einzufordern.2 Diese neue, regelmäßige Einnahmequelle, die die Bauern selbst direkt entrichten mussten, befreite die Zentralmacht von der Vormundschaft der großen Familien und ermöglichte ihr zudem eine direkte Kontrolle über die Bauern.3
Anfänglich basierte das Steuersystem auf einer sehr komplexen und instabilen Methode, denn die „Aufteilung der großen Anbauflächen, für die Steuern in Form von Getreide abgeliefert werden mussten, in nicht-erbliche Grundstücke“4 war extrem abhängig von genau auf den aktuellsten Stand gebrachten Volkszählungen und Katastern. Zudem erschwerten die unterschiedlichen geographischen Bedingungen und die ungleichmäßige Bevölkerungsverteilung die Durchführung einheitlicher Gesetze.5
Die Häufung von Problemen, die bei dieser Art der Besteuerung auftraten (wie beispielsweise die aktive Fälschung von Volkszählungsregister), zwang die Regierung zu einer neuen Besteuerungsform zu greifen, welche nicht mehr auf den Bauernfamilien, sondern auf dem Grundbesitz (地頭錢 ditouqian) und der Ernte (青苗錢 qingmiaoqian) beruhte.6 Dieses Kopfsteuersystem wurde im Jahr 780 n. Chr. von Yang Yan 楊炎 (727-781 n. Chr.), dem Kanzler des Dezong Kaisers (德宗, 742-805 n. Chr.) der Tang-Dynastie (唐朝 tangchao, 618-907 n. Chr.), zu einem Grundsteuersystem reformiert. Er „systematisiert[e] und verallgemeinert[e es] zur sogenannten liangshuifa [(兩稅法)], der Sommer- und Herbst-Steuer, der »Doppelsteuermethode«.“7 Nach der neuen Reform fielen „im Sommer […] Steuerzahlung[en] in Form von Stoffen [an] […] [und] im Herbst in Form von Getreide, deren jeweilige Höhe nach der Fläche des bebauten Landes und nach der Steuerklasse der Familie berechnet wurde.“8
Anfang des 15. Jahrhunderts, in der späten Ming-Zeit (明朝 mingchao, 1368-1644 n. Chr.), setzte sich letztendlich der Gebrauch von Silberbarren zunächst in Regionen wie Guangdong (廣東) durch. Und mit der Verbreitung konnten sich folglich auch bald schon die Bauernleute „durch die Zahlung von Steuern in Silber von manchen Dienstleistungen befreien.“9
Da China in allererster Linie eine Agrarwirtschaft war, bezogen die Staatskassen etlicher Dynastien einen Großteil ihrer staatlichen Einkünfte aus den landwirtschaftlichen Steuern.
Aufgrund ihrer Abhängigkeit von der breiten ländlichen Bevölkerung, sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Anbetracht der landwirtschaftlichen Erträge, bemühten sich die meisten chinesischen Kaiser, die Steuern der Bauern niedrig zu halten.10
Trotzdem lastete insbesondere während Kriegszeiten, als Steuererhöhungen unvermeidlich wurden, die größte Verantwortung auf den Schultern der bevölkerungsreichsten Schicht Chinas – den einfachen Landleuten. Folglich kam es immer wieder zu Revolten und Rebellionen11, welche letztendlich ganze Dynastien zu Fall brachten.
Beispielsweise setzten gegen Ende der Ming-Dynastie (明朝 mingchao, 1368-1644 n. Chr.) den Bauern nicht nur die wachsenden Steuern zu, sondern auch Hungersnöte, Naturkatastrophen, Korruption, die durch den Krieg bedingte „Rekrutierung zum Militär […], [der] Verfall des Unterstützungssystems für die Bedürftigen und [der] Zusammenbruch praktisch aller größeren Bewässerungs- und Flutkontrollprojekte.“12 All dies endete schließlich im Untergang der Ming und im Aufstieg der Qing, deren Kaiser fortan versuchten, aus den Fehlern ihrer Vorgänger zu lernen.
So zeigt uns das Beispiel des Kangxi Kaisers (康熙, 1654-1722 n. Chr.), dem zweiten Kaiser der Qing-Zeit (清朝 qingchao, 1644-1911 n. Chr.), dass sein Vorhaben die Grundsteuern ab 1713 n. Chr. unabhängig von Veränderungen der Bodenpreise und Produktivität partout nicht zu erhöhen13, ebenso zum Scheitern verurteilt war. Denn die lokalen Regierungen litten vor allem gegen Ende der Qing-Zeit zunehmend an chronischem Mangel von Einnahmen, welche in keinster Weise ausreichten, um die grundlegendsten Ausgaben zu decken. Nur durch kontinuierliche „institutionelle Korruption“14, bei der von der kaiserlichen Regierung nicht abgesegnete Steuern von den lokalen Verwaltungen erlassen wurden, konnten die entstandenen Haushaltlöcher gestopft werden.15 Auch verstanden es die lokalen Beamten zunehmend „alle möglichen Sondergebühren und Zuschläge“16 einzuführen, von deren Ausbeute sie einen Teil in ihre eigenen Taschen wirtschafteten, „ihren Vorgesetzten zuschanzten oder als Geschenk nach Peking schickten, um einer allzu genauen Überprüfung ihrer Amtsführung durch die zuständigen Ministerien vorzubeugen.“17
Weitere Ursachen für die Spannungen auf dem Lande und letztendlich auch für die Bauernaufstände, wie dem der Weißen Lotos-Sekte (白蓮教 bailianjiao), welche 1803 n. Chr. niedergeschlagen wurde, waren neben dem Anstieg der Steuerlasten unter anderem „der Mangel an Anbauflächen […] [und] die Landkonzentration in den Händen weniger reicher Großgrundbesitzer (vor allem im Süden) und der damit zusammenhängende Abstieg der Kleinbauern zu Landarbeitern.“18
Letztendlich war es wieder die Lage der Bauern, welche ja eigentlich finanziell entlastet werden sollten, die sich bis zum Untergang der Qing weiter zuspitzte.
Die kommunistische Agrarrevolution nach 1949 war geprägt von der Befreiung der Bauern von den Großgrundbesitzern und von der gleichmäßigen Landumverteilung unter der Bevölkerung. So erhielten „auch bisher landlose Bauern eigenes Ackerland“19 und konnten ihrer Funktion als bloße Landarbeiter entkommen. Auf diese Weise fand die neue Regierung großen Zuspruch im ländlichen Raum.20
Allerdings ging es bei der Landverteilung nicht darum, „dem einzelnen Pflüger das Eigentum an dem von ihm bestellten Land zu sichern.“21 Stattdessen stand eine „bessere Organisation der landwirtschaftlichen Produktion“22 im Fokus, wobei künftige Ernteüberschüsse dem Staat zukommen sollten, mit dem Ziel, irgendwann auch die landwirtschaftlichen Steuern erlassen zu können.23
Die steuerliche Last, die jedoch weiterhin auf den Bauern lag, lässt sich gut daran erkennen, dass Staatsausgaben, wie finanzielle Unterstützung und Zuschüsse, für den landwirtschaftlichen Sektor weit geringer waren, als das Steuereinkommen, das der Staat von eben diesem bezog.24
Zudem war seit der maximalen Expansion Chinas das Ackerland unmittelbar vor dem „Großen Sprung“ (大躍進 dayuejin, 1958-1961 n. Chr.) langsam, aber stetig geschrumpft und beeinflusste die Situation der Bauern zusätzlich negativ. Ursachen dieses Rückgangs „waren eine Reihe staatlicher Entscheidungen mit verheerenden Auswirkungen auf Ökologie und Umwelt, wie etwa unkontrollierte Abholzung, schlecht geplante Staudämme und massive Umweltverschmutzung durch die Industrie, und […] der fortgesetzte Bau neuer Wohnsiedlungen, Fabriken, Straßen und Bahnlinien.“25 Zwar konnte der Einsatz „neue[r] Nutzpflanzensorten, intensivere und effizientere Bodennutzung, Bewässerung sowie der Einsatz von Kunstdünger diesen Rückgang bis zu einem gewissen Grad ausgleichen“26, aber nicht ganz aufhalten.
Von 1950 bis zum Tod Mao Zedong ´s (毛澤東, 1893-1976 n. Chr.), schaffte es die chinesische Landwirtschaft nicht, die Produktivität der landwirtschaftlichen Betriebe dementsprechend zu verbessern, dass es dem ganzen Land wirtschaftlich und gesellschaftlich zugutekam oder zumindest der Lebensstandard der Bauern gesteigert werden konnte.27 Die Steuern lasteten immer noch schwer auf den Landwirten und bei der Steuereintreibung begünstigten die verantwortlichen, lokalen Vertreter immer noch ihre eigenen Verwandten zum Leidwesen der anderen.28 Die Kluft zwischen Land- und Stadtgebieten wurde zwischen den späten 1990ern und dem Jahr 2000 nicht nur im Hinblick auf das zunehmende Einkommensgefälle vertieft, sondern zudem auch durch die kontinuierlich wachsenden Unterschiede im Bildungswesen, Gesundheitswesen und anderen sozialen Einrichtungen.29
[...]
1 vgl. Gernet, Jacques: Die chinesische Welt, Frankfurt am Main (1979), S. 60.
2 vgl. ebd., S. 78.
3 vgl. ebd., S. 66.
4 Gernet (1979), S. 221.
5 vgl. ebd.
6 vgl. ebd., S. 222.
7 ebd.
8 ebd., S. 314.
9 ebd., S. 352.
10 vgl. Bernstein, Thomas P. / Lü, Xiaobo: Taxation without Representation in Contemporary Rural China, Cambridge (2003), S. 20.
11 vgl. ebd., S. 23.
12 Spence, Jonathan D.: Chinas Weg in die Moderne, München (2001), S. 37.
13 vgl. Bernstein / Lü (2003), S. 21.
14 vgl. ebd.
15 vgl. Bernstein / Lü (2003), S. 21.
16 Spence (2001), S. 98.
17 vgl. ebd.
18 vgl. Gernet (1979), S. 448.
19 Klein, Thoralf: Geschichte Chinas. Von 1800 bis zur Gegenwart, Paderborn u.a. (2007), S. 56.
20 vgl. Ash, Robert: „Squeezing the Peasants: Grain Extraction, Food Consumption and Rural Living Standards in Mao´s China“, in: The China Quarterly, Vol. 188, London (2006), S. 959-998, hier: S. 960.
21 Klein (2007), S. 187.
22 ebd.
23 vgl. ebd.
24 vgl. Ash (2006), hier S. 964.
25 Spence (2001), S. 804.
26 ebd.
27 vgl. ebd., S. 993.
28 Klein (2007), S. 181.
29 vgl. OECD (Hg.): „China“, in: OECD Review of Agricultural Policies, Vol. 40, London (2005), hier: S. 9 und 17.