"Hiroshima mon amour", der erste Spielfilm des Regisseurs Alain Resnais, gilt als einer der Hauptvertreter der Nouvelle Vague. Es ist ein Film, der sich dem Verhältnis zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Erinnern und Vergessen essayistisch annähert. Er erzählt von der Liebe und dem Krieg, von der Unaufhörlichkeit und der Unmöglichkeit, von der ewigen Ambivalenz.
Auf dem Filmfestival 1959 in Cannes, wo Hiroshima mon amour im Rahmenprogramm gezeigt wird, erregt der Film großes Aufsehen und gewinnt den Internationalen Pressepreis. Er gilt als Film, der die Grenzen des Filmischen aufbricht und "verschiedene mediale Schreib- und Sehweisen, Diskurs- und Genreformen integriert" (Winter 2007: 183) und richtungsweisend die Modernität der Tonfilmära begründet. Ursprünglich als Dokumentarfilm über die Atombombe von dem Auftrag gebenden Produzenten geplant, gelingt Resnais in Zusammenarbeit mit Marguerite Duras, die das Drehbuch schreibt, ein Film, der Melodrama, Liebeskomödie und Dokumentarfilm in einem ist. In ihm sind zwar die Schrecken des Krieges spürbar, die persönliche Liebesgeschichte trägt aber den Sieg über die übermächtige Geschichte der Atombombe hinaus.
Die Liebesbeziehung zwischen einer Französin und einem Japaner zeigt die nicht überwundenen persönlichen Erfahrungen des Krieges, die in der ersten großen Liebe der Frau zu einem deutschen Besatzungssoldaten begründet liegen. Die Liebesaffäre zwischen den zwei Protagonisten dient als Hauptstrang der Handlung des Films, als roter Faden, von dem die politischen und historischen Konflikte als visuell separierte Rückblenden ausgehen. Die arbiträre Begegnung zwischen der Französin, einer Schauspielerin, die für Dreharbeiten nach Hiroshima gekommen ist, um einen Film über den Frieden zu drehen, und dem Japaner beleuchtet zwei unterschiedliche geschichtliche Ereignisse: zum einen die Zeit der deutschen Besatzung in Frankreich während des Zweiten Weltkrieges, zum anderen den Abwurf der Atombombe über Hiroshima, was zu Kapitulation Japans und dem Ende des Krieges führte. Die deutsche Besatzung in Frankreich dauerte von 1940 bis 1944. Nachdem Frankreich im sogenannten "Blitzkrieg" ungewöhnlich schnell von Deutschland besiegt wurde, wurde das Land von der deutschen Administration in zwei Teile unterteilt. Der nördliche Teil wurde dauerhaft unter deutsche Besatzung gestellt.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Die Französin als Wahl-Japanerin: Spannungsverhältnisse
- i. Milieu de mémoire, lieu de mémoire.
- ii. Kulturelles und kommunikatives Gedächtnis zweier Nationen
- iii. Offizielle vs. private Erinnerung: Unvereinbar?
- iv. Der Japaner und der Deutsche: Vermischung der Identitäten
- v. Imagined Community: "Elle" zwischen Japan und Frankreich
- a) Vorübergehende Aufhebung der nationalen Grenzen
- b) Zugehörigkeit oder Abgrenzung?
- III. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht, warum die namenlose Protagonistin "Elle" in Hiroshima ihre Vergangenheit erstmals erzählt und dort verarbeitet. Die Arbeit prüft die These, dass die Begegnung mit dem Japaner die Aufarbeitung ermöglicht, da eine Aufarbeitung in Frankreich aufgrund persönlicher Kriegserfahrungen unmöglich war. Das Spannungsverhältnis zwischen offizieller und privater Erinnerung erschwert die Aufarbeitung und Identitätsfindung.
- Erinnerung und Vergessen im Kontext des Zweiten Weltkriegs
- Konflikt zwischen privater und öffentlicher Erinnerung
- Identitätsfindung und nationale Zugehörigkeit
- Der Einfluss von Ort und Begegnung auf die Traumaverarbeitung
- Vergleichende Betrachtung der Erinnerungskulturen Frankreichs und Japans
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung: Die Einleitung stellt den Film "Hiroshima mon amour" als Hauptvertreter der Nouvelle Vague vor und beschreibt ihn als essayistische Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Gegenwart, Erinnerung und Vergessen. Der Film erlangte auf dem Filmfestival von Cannes 1959 große Anerkennung und gilt als bahnbrechend für die Modernität des Tonfilms. Die Liebesgeschichte zwischen einer Französin und einem Japaner dient als roter Faden, von dem aus die politischen und historischen Konflikte als Rückblenden dargestellt werden. Die Handlung beleuchtet die deutsche Besatzung Frankreichs und den Atombombeneinsatz in Hiroshima.
II. Die Französin als Wahl-Japanerin: Spannungsverhältnisse: Dieses Kapitel analysiert die komplexen Spannungsverhältnisse, die die Protagonistin erlebt. Es untersucht Konzepte wie "lieu de mémoire" (Erinnerungsort) nach Pierre Nora, um die Bedeutung von Orten für die kollektive Identität zu beleuchten. Die Theorien des kulturellen und kommunikativen Gedächtnisses nach Jan Assmann werden angewendet, um die offiziellen und privaten Erinnerungen der Protagonistin und der beiden Nationen zu vergleichen und zu kontrastieren. Der Begriff der "imagined community" (vorgestellte Gemeinschaft) nach Benedict Anderson wird herangezogen, um die Zugehörigkeit und Abgrenzung der Protagonistin zu den jeweiligen Nationen zu untersuchen. Die Kapitel unterstreichen die Schwierigkeit der Protagonistin, ihre Vergangenheit in Frankreich zu verarbeiten, und beleuchten, wie die Begegnung mit dem Japaner ihr eine neue Perspektive und die Möglichkeit der Aufarbeitung eröffnet.
Schlüsselwörter
Hiroshima mon amour, Nouvelle Vague, Erinnerung, Vergessen, Trauma, Identitätsfindung, lieu de mémoire, kulturelles Gedächtnis, kommunikatives Gedächtnis, imagined community, Frankreich, Japan, Zweiter Weltkrieg, deutsche Besatzung, Atombombe, Kollaboration.
Häufig gestellte Fragen zu "Die Französin als Wahl-Japanerin: Spannungsverhältnisse in Hiroshima mon amour"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Hausarbeit analysiert den Film "Hiroshima mon amour" und untersucht, warum die namenlose Protagonistin ("Elle") in Hiroshima ihre traumatische Vergangenheit erstmals erzählt und verarbeitet. Im Mittelpunkt steht die These, dass die Begegnung mit dem Japaner die Aufarbeitung ermöglicht, da dies in Frankreich aufgrund persönlicher Kriegserfahrungen und des Konflikts zwischen offizieller und privater Erinnerung unmöglich war.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt zentrale Themen wie Erinnerung und Vergessen im Kontext des Zweiten Weltkriegs, den Konflikt zwischen privater und öffentlicher Erinnerung, Identitätsfindung und nationale Zugehörigkeit, den Einfluss von Ort und Begegnung auf die Traumaverarbeitung und einen Vergleich der Erinnerungskulturen Frankreichs und Japans. Konzepte wie "lieu de mémoire", kulturelles und kommunikatives Gedächtnis und "imagined community" werden angewendet, um die komplexen Spannungsverhältnisse der Protagonistin zu analysieren.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit gliedert sich in drei Kapitel: Die Einleitung stellt den Film "Hiroshima mon amour" und seine Bedeutung vor. Kapitel II, "Die Französin als Wahl-Japanerin: Spannungsverhältnisse", analysiert die komplexen emotionalen und identitätsbildenden Herausforderungen der Protagonistin im Kontext ihrer Vergangenheit und ihrer Begegnung mit dem Japaner. Die Schlussbetrachtung fasst die Ergebnisse zusammen.
Welche theoretischen Konzepte werden verwendet?
Die Arbeit stützt sich auf die Theorien von Pierre Nora ("lieu de mémoire"), Jan Assmann (kulturelles und kommunikatives Gedächtnis) und Benedict Anderson ("imagined community"), um die Erinnerungsprozesse, die nationale Identität und die Zugehörigkeit der Protagonistin zu untersuchen.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Hiroshima mon amour, Nouvelle Vague, Erinnerung, Vergessen, Trauma, Identitätsfindung, lieu de mémoire, kulturelles Gedächtnis, kommunikatives Gedächtnis, imagined community, Frankreich, Japan, Zweiter Weltkrieg, deutsche Besatzung, Atombombe, Kollaboration.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die Traumaverarbeitung der Protagonistin im Kontext ihrer französischen und japanischen Erfahrungen zu verstehen und die Bedeutung von Ort und Begegnung für diesen Prozess herauszuarbeiten. Der Konflikt zwischen öffentlicher und privater Erinnerung sowie die Herausforderungen der Identitätsfindung werden dabei im Detail untersucht.
- Arbeit zitieren
- Larissa Schräder (Autor:in), 2015, Erzählte Bilder, erinnerte Welt in Resnais' "Hiroshima mon amour", München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/494803