Johann Wolfgang von Goethe beklagte im Urfaust (1775) das Schicksal der armen Margarete, die von Heinrich Faust verführt und das eigene Kind aufgrund der ausweglosen Situation ermordete. Vorlage für diese tragische Gestalt war die Verurteilung der Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt im Jahr 1772. Etwa 11 Jahre später war der Jurist Goethe maßgeblich an dem Todesurteil eines jungen Mädchens namens Johanna Catharina Höhn beteiligt, die im Affekt ihr Kind getötet hatte. Diese drei Ereignisse liegen zeitlich gesehen äußerst dicht beieinander, so dass eine wechselseitige Beeinflussung nahe liegt. Wie kann es sein, dass der Autor im "Faust I" die Verurteilung der Kindsmörderin Gretchen – basierend auf der realen Leidensgeschichte der Susanna Margaretha Brandt – als ungerechtes Urteil anklagt, sich aber ein paar Jahre später selber für die Hinrichtung einer Kindsmörderin ausspricht? Hat Goethe mit zweierlei Maß gemessen und seine juristische Tätigkeit strikt von der schriftstellerischen getrennt?
Die Hausarbeit soll den Zusammenhang zwischen Realität und Fiktion herstellen und Goethes Verhaltensweisen in beiden Situationen darstellen. In Kapital 2 bis 2.2 werden die historischen Gegebenheiten umrissen. Es wird das Verbrechen der Kindstötung definiert sowie die rechtlichen Grundlagen im Fall einer Verurteilung im Staat Weimar. Anschließend wird explizit die Rolle des Juristen Johann Wolfgang von Goethe im Fall der Kindsmörderin Johanna Catharina Höhn beschrieben. Kapitel 3 bis 3.2 behandelt die literarische Verwendung des Kindsmordmotivs. Einleitend wird der Einfluss und die Umsetzung der Kindsmorddiskussion des 18. Jahrhunderts in der Literatur beschrieben, um anschließend eine der berühmtesten literarischen Kindsmörderinnen, das Gretchen in Goethes "Faust I", darzustellen. Im Folgenden widmet sich ein Abschnitt dem Pendant zu Gretchen, der Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt. Kapitel 4 beschäftigt sich schließlich mit ausgewählten Äußerungen von Autoren und Geisteswissenschaftlern zu Goethes konträre Rolle als Jurist und als Autor.
Das Fazit soll schließlich versuchen zu klären, weshalb Goethes juristischen Taten in der Öffentlichkeit so wenig bekannt sind und warum es schwierig ist, eine Erklärung für sein zwiespältiges Verhalten zu finden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Kindsmord im Zeitalter der Aufklärung
- Die Rechtspraxis des 18. Jahrhunderts in Fällen von Kindstötung am Beispiel Weimar
- Der Jurist Goethe im Fall der Kindsmörderin Johanna Catharina Höhn.
- Die Kindsmörderin' als Motiv der schönen Literatur
- Gretchen, Goethes fiktionale Kindsmörderin
- Goethes wahres Gretchen: Die Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt.
- Kritische Stimmen zu Goethes Rolle als Jurist und Autor
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht das Motiv des Kindsmords in Johann Wolfgang von Goethes Faust. Der Tragödie erster Teil. Dabei wird besonders Goethes widersprüchliches Verhalten als human denkender und inhuman handelnder Mensch beleuchtet. Die Arbeit analysiert Goethes Rolle als Jurist und Autor im Kontext der Kindsmorddebatte der Aufklärung.
- Der Einfluss der Kindsmorddebatte auf Goethes Werk Faust
- Goethes Rolle als Jurist im Fall der Kindsmörderin Johanna Catharina Höhn
- Die literarische Darstellung des Kindsmordmotivs in Faust
- Die historischen und sozialen Bedingungen des Kindsmords im 18. Jahrhundert
- Kritische Auseinandersetzung mit Goethes Doppelrolle als Jurist und Autor
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Thematik der Hausarbeit vor: den Kindsmord in Faust. Der Tragödie erster Teil und Goethes widersprüchliches Verhalten als human denkender und inhuman handelnder Mensch. Es werden die zentralen Ereignisse, die im Fokus der Arbeit stehen, beschrieben: Goethes literarische Auseinandersetzung mit der Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt im Urfaust und seine Rolle als Jurist im Fall der Kindsmörderin Johanna Catharina Höhn.
Kindsmord im Zeitalter der Aufklärung
Dieses Kapitel beleuchtet den Kindsmord als Verbrechen im Kontext der Aufklärung. Es werden die rechtlichen Rahmenbedingungen des 18. Jahrhunderts in Weimar, die Rolle des Juristen Goethe im Fall der Kindsmörderin Johanna Catharina Höhn und die Debatte um die Abschaffung der Todesstrafe bei Kindsmord im Kontext der Humanisierung des Strafrechts dargestellt.
Die Kindsmörderin' als Motiv der schönen Literatur
Dieses Kapitel behandelt die literarische Verwendung des Kindsmordmotivs im 18. Jahrhundert. Es wird die Bedeutung und der Einfluss der Kindsmorddiskussion auf die Literatur beleuchtet und Goethes Faust im Kontext dieser Debatte analysiert. Insbesondere wird auf die Figur Gretchen und die historische Person der Susanna Margaretha Brandt eingegangen.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter, die in dieser Hausarbeit behandelt werden, sind: Kindsmord, Aufklärung, Humanismus, Strafrecht, Faust, Goethe, Gretchen, Susanna Margaretha Brandt, Johanna Catharina Höhn, Literatur, Recht, Moral, Doppelrolle.
- Arbeit zitieren
- Lisa Sofie Mros (Autor:in), 2008, Das Motiv des Kindsmords im "Faust. Der Tragödie erster Teil", München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/494617