Diese Frage wurde so erstmals 1985 von Udo Michael Krüger gestellt, als den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten durch zwei von APF (Aktuell Presse-Fernsehen) in Hamburg ausgestrahlte Nachrichtensendungen eine private Konkurrenz im Bereich aktueller Informationssendungen erwuchs. Seit Einführung des dualen Systems hat sich die deutsche Fernsehlandschaft stark verändert. Durch einen härteren Konkurrenzkampf um Einschaltquoten und eine zunehmende Kommerzialisierung haben sich besonders im Hinblick auf die politische Berichterstattung weitreichende Konsequenzen ergeben. In der Diskussion um Entpolitisierungstendenzen im Fernsehen gehen die Meinungen jedoch weit auseinander. Bruns und Marcinkowski kamen in ihrer 1997 veröffentlichten Längsschnittstudie "Politische Information im Fernsehen" zu dem Ergebnis, dass von einer Entpolitisierung auf programmstruktureller Ebene "keine Rede sein kann" und dass Nachrichtensendungen politischer geworden seien. Seit der Veröffentlichung des von der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten in Auftrag gegebenen Forschungsberichtes "Fernsehen in Deutschland 1998 - 1999" von Hans-Jürgen Weiss und Joachim Trebbe, die eine zunehmende Unterhaltungsorientierung und eine Reduktion der Politikanteile in den Fernseh-Vollprogrammen, sowohl bei den privaten als auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, feststellten, hat diese Debatte an Intensität und Schärfe zugenommen. So forderte Wolfgang Thierse in der ZEIT "Information darf nicht zu Infotainment verkommen" und wirft den privaten Sendern Defizite in der politischen Berichterstattung und übertriebene Unterhaltungsfokussierung vor. RTL-Geschäftsführer Gerhard Zeiler streitet eine solche Entwicklung ab und behauptet "Tatsache ist: Wir haben mehr Nachrichten denn je."
Im Folgenden soll nun die Entwicklung der Programmstrukturen seit Einführung des dualen Systems 1984 anhand von drei Studien eingehender betrachtet werden. Zunächst soll allerdings geklärt werden, wie sich "Entpolitisierung" zum Zweck der Messung strukturieren lässt und welche Bedeutung und Funktion "Politik" im Fernsehen hat, um einerseits den Begriff näher einzugrenzen und andererseits die Tragweite der Debatte aufzuzeigen.
Inhaltsverzeichnis
- Fragestellung: Entpolitisierung als Programm?
- Funktion der Politikberichterstattung und Strukturierung des Begriffes „Entpolitisierung“
- Entpolitisierungstendenzen in Deutschland: Ein Analysenvergleich
- Programmanalyse der ARD/ZDF-Medienkommission seit 1985
- Methodik
- Quantitative Entwicklung
- Inhaltlich-thematische Entwicklung
- Ergebnis
- Längsschnittstudie von Bruns und Marcinkowski 1997
- Methodik
- Quantitative Entwicklung
- Inhaltlich-thematische Entwicklung
- Ergebnis
- Kontinuierliche Fernsehprogrammanalyse der GöfaK* seit 1998
- Methodik
- Inhaltlich-thematische Entwicklung:
- Fernsehpublizistik
- Nachrichtensendungen
- Hauptnachrichtensendungen 1999
- Ergebnis
- Programmanalyse der ARD/ZDF-Medienkommission seit 1985
- Formal-gestalterische Betrachtung: Infotainment
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung von Entpolitisierungstendenzen im deutschen Fernsehen seit Einführung des dualen Systems 1984. Sie analysiert, inwieweit sich die politischen Funktionen des Fernsehens verändert haben und ob ein Rückgang politischer Berichterstattung feststellbar ist. Die Arbeit stützt sich auf verschiedene Studien und Programmanalysen, um quantitative und qualitative Veränderungen zu belegen.
- Entwicklung der Programmstrukturen im deutschen Fernsehen seit 1984
- Definition und Strukturierung des Begriffs „Entpolitisierung“
- Analyse quantitativer und qualitativer Veränderungen in der politischen Berichterstattung
- Bewertung der Auswirkungen von Kommerzialisierung und Konkurrenz auf die politische Berichterstattung
- Vergleich verschiedener Studien und Forschungsergebnisse zum Thema Entpolitisierung
Zusammenfassung der Kapitel
Fragestellung: Entpolitisierung als Programm?: Dieses einleitende Kapitel stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Existenz von Entpolitisierungstendenzen im deutschen Fernsehen. Es verortet diese Frage im Kontext der Einführung des dualen Fernsehsystems und des damit einhergehenden Wettbewerbs zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern. Die kontroversen Meinungen verschiedener Akteure und Studien werden vorgestellt, um die Komplexität des Themas und die Notwendigkeit der Untersuchung zu unterstreichen. Die unterschiedlichen Perspektiven von Wissenschaftlern und Medienmanagern werden gegenübergestellt, um den Ausgangspunkt der Analyse zu definieren.
Funktion der Politikberichterstattung und Strukturierung des Begriffes „Entpolitisierung“: Dieses Kapitel erläutert die politischen Funktionen des Fernsehens, die sich aus den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts ableiten. Es definiert den Begriff „Entpolitisierung“ und differenziert zwischen quantitativen, inhaltlich-thematischen und formalen Betrachtungsweisen. Die Bedeutung der Untersuchung von Entpolitisierungstendenzen wird hervorgehoben, da ein möglicher Rückgang politischer Berichterstattung die demokratischen Funktionen des Fernsehens gefährden könnte. Die verschiedenen Ansätze zur Messung und Definition von Entpolitisierung werden detailliert beschrieben, um die Methodik der folgenden Analysen zu begründen.
Entpolitisierungstendenzen in Deutschland: Ein Analysenvergleich: Dieses Kapitel analysiert drei verschiedene Studien zur Entwicklung der politischen Berichterstattung im deutschen Fernsehen. Es werden die Methodik, die Ergebnisse und die jeweiligen Schlussfolgerungen jeder Studie detailliert beschrieben und kritisch bewertet. Die quantitative Entwicklung des Anteils von Informationssendungen am Gesamtprogramm wird genauso untersucht wie die inhaltlich-thematischen Veränderungen und die formal-gestalterischen Aspekte. Die unterschiedlichen Ergebnisse der Studien werden gegeneinander abgewogen und ihre Implikationen für die Forschungsfrage diskutiert. Der Fokus liegt auf der Synthese der Ergebnisse und deren Bedeutung für das Gesamtverständnis der Entwicklung der politischen Berichterstattung.
Formal-gestalterische Betrachtung: Infotainment: Dieses Kapitel befasst sich mit dem Phänomen des Infotainments und dessen Einfluss auf die politische Berichterstattung. Es analysiert, wie die Vermischung von Information und Unterhaltung die Präsentation politischer Themen beeinflusst und welche Folgen dies für die politische Meinungsbildung haben kann. Der Fokus liegt auf der formalen Gestaltung der Sendungen und deren Auswirkungen auf die Wahrnehmung und den Konsum von politischen Informationen. Die verschiedenen Aspekte von Infotainment und seine potentiellen Konsequenzen für die politische Kommunikation werden ausführlich diskutiert.
Schlüsselwörter
Entpolitisierung, Fernsehprogramm, politische Berichterstattung, Medienkommission, ARD, ZDF, quantitative Analyse, qualitative Analyse, Infotainment, Meinungsbildung, Kommerzialisierung, Duales System, öffentliche Funktionen des Fernsehens, Längsschnittstudie, Programmanalyse.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Entpolitisierungstendenzen im deutschen Fernsehen
Was ist das Thema der Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Entwicklung von Entpolitisierungstendenzen im deutschen Fernsehen seit Einführung des dualen Systems 1984. Sie analysiert Veränderungen in den politischen Funktionen des Fernsehens und einen möglichen Rückgang politischer Berichterstattung.
Welche Forschungsfrage wird gestellt?
Die zentrale Forschungsfrage lautet: Gibt es Entpolitisierungstendenzen im deutschen Fernsehen und wenn ja, in welchem Ausmaß?
Welche Methoden werden verwendet?
Die Arbeit stützt sich auf verschiedene Studien und Programmanalysen, um quantitative und qualitative Veränderungen in der politischen Berichterstattung zu belegen. Es werden sowohl quantitative Daten (z.B. Anteil von Informationssendungen) als auch qualitative Aspekte (z.B. inhaltliche und formale Gestaltung) untersucht.
Welche Studien werden analysiert?
Die Arbeit analysiert drei verschiedene Studien: die Programmanalyse der ARD/ZDF-Medienkommission seit 1985, die Längsschnittstudie von Bruns und Marcinkowski 1997 und die kontinuierliche Fernsehprogrammanalyse der GöfaK* seit 1998. Die Methodik, Ergebnisse und Schlussfolgerungen jeder Studie werden detailliert beschrieben und kritisch bewertet.
Wie wird der Begriff „Entpolitisierung“ definiert?
Der Begriff „Entpolitisierung“ wird differenziert betrachtet: quantitativ (Rückgang des Anteils politischer Sendungen), inhaltlich-thematisch (Veränderung der Themen und deren Behandlung) und formal (z.B. Einfluss von Infotainment).
Welche Aspekte der politischen Berichterstattung werden untersucht?
Die Analyse umfasst die Entwicklung der Programmstrukturen, quantitative und qualitative Veränderungen in der politischen Berichterstattung, den Einfluss von Kommerzialisierung und Konkurrenz, und den Einfluss von Infotainment auf die Präsentation politischer Themen.
Welche Rolle spielt Infotainment?
Ein eigenes Kapitel widmet sich dem Phänomen Infotainment und seinem Einfluss auf die politische Berichterstattung. Es analysiert die Vermischung von Information und Unterhaltung und deren Auswirkungen auf die politische Meinungsbildung.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
Die Arbeit synthetisiert die Ergebnisse der verschiedenen Studien und diskutiert deren Implikationen für das Verständnis der Entwicklung der politischen Berichterstattung im deutschen Fernsehen. Konkrete Ergebnisse werden in den Kapiteln zu den einzelnen Studien dargestellt.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Entpolitisierung, Fernsehprogramm, politische Berichterstattung, Medienkommission, ARD, ZDF, quantitative Analyse, qualitative Analyse, Infotainment, Meinungsbildung, Kommerzialisierung, Duales System, öffentliche Funktionen des Fernsehens, Längsschnittstudie, Programmanalyse.
Welche Bedeutung hat die Arbeit für die Demokratie?
Ein möglicher Rückgang politischer Berichterstattung könnte die demokratischen Funktionen des Fernsehens gefährden. Die Arbeit trägt dazu bei, dieses Risiko besser zu verstehen und zu bewerten.
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- Dipl.-Kfm. Robert Bayerlein (Author), 2001, Entpolitisierung als Programm ?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/4787