Strafrecht im afrikanischen Gewohnheitsrecht umfasst gleich mehrere Dimensionen. Zum einen stellt sich die Frage, wie Gewohnheitsrecht in Afrika entstanden, verstanden, weiterentwickelt bzw. kolonial beeinflusst und schließlich gelebt wurde (und heute noch wird). Gewohnheitsrecht wird in der Regel mündlich überliefert, seine Geschichte geht über viele Generationen, während es sich durch seine flexible Natur an die sozioökonomischen Gegebenheiten der tragenden Gesellschaft anpassen konnte. Recht als Ausfluss der Kultur der normunterworfenen Menschen spiegelt die spezifischen ökonomischen Lebensumstände und gesellschaftlichen Werthaltungen wider (vgl. HAZDRA 1999: 11). Ein Grundverständnis über die traditionellen Gesellschaftsformen Schwarzafrikas und ihre jeweilig unterschiedlichen sozioökonomischen Rahmenbedingungen ist daher eine unverzichtbare Voraussetzung für die weitere Untersuchung des Gewohnheitsrechts und innerhalb diesem des Strafrechts. Zum anderen impliziert das Strafrecht, zumindest aus europäischer Sicht, eine strenge Organisation von Gerichten. Gewaltenteilung, Straftatbestände, Strafverfahren und Strafvollzug sind per Gesetz geregelt und kodifiziert; zwischen Zivilrecht und Strafrecht (öffentliches Recht) wird ausdrücklich unterschieden. Will man hingegen das traditionelle afrikanische Strafrecht, also Ordnungs- und Konfliktslösungsmechanismen untersuchen, muss die europäische Brille abgelegt und sich auf die Gesellschaftsformen und die Weltanschauung der ind igenen afrikanischen Bevölkerung eingelassen werden. Denn überraschenderweise sind viele Stämme egalitär und akephal strukturiert, d.h. führerlos. Das Strafrecht dieser Stämme und das der so genannten kephalen Protostaaten, die bereits gesellschaftlich stratifiziert sind, unterscheidet sich grundsätzlich. Die Weltanschauung traditioneller Ethnien ist meist kosmologisch ausgeprägt und vom Glauben an das Übernatürliche, an Magie und Hexerei durchzogen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Vorstaatliche Gesellschaftsformen
- 2.1 Jägergesellschaften
- 2.1.1 Religion und Recht
- 2.2 Segmentäre Gesellschaften
- 2.2.1 Hexerei und Magie, Religion und Moral
- 2.2.2 Kosmologie und Strafrecht
- 2.3 Protostaaten
- 2.3.1 Strafrecht
- 3. Koloniales Einwirken
- 4. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert das Strafrecht im afrikanischen Gewohnheitsrecht und untersucht die komplexen Wechselwirkungen zwischen traditionellen Gesellschaftsformen, kosmologischen Weltanschauungen und der Entwicklung des Rechts im kolonialen Kontext.
- Das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Recht, insbesondere selbstregulative Ordnungs- und Konfliktslösungsmechanismen in verschiedenen Gesellschaften.
- Die Verbindung zwischen kosmologischer Weltanschauung und traditionellem Strafrecht, einschließlich kosmologiebezogener Straftaten und Strafverfahren.
- Der Einfluss des Kolonialstaatsrechts auf das traditionelle afrikanische Strafrecht.
- Die Auswirkungen des Rechtspluralismus, insbesondere des Stadt-Land-Gegensatzes, auf die indigene afrikanische Bevölkerung.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die vielschichtigen Dimensionen des afrikanischen Gewohnheitsrechts. Sie beleuchtet die Entstehung und Entwicklung des Gewohnheitsrechts in Afrika und seine Anpassungsfähigkeit an die spezifischen sozioökonomischen Gegebenheiten. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Rolle der traditionellen Gesellschaftsformen und ihrer Auswirkungen auf das Strafrecht.
Das zweite Kapitel untersucht verschiedene vorstaatliche Gesellschaftsformen in Afrika: Jägergesellschaften, segmentäre Gesellschaften und Protostaaten. Hierbei werden die unterschiedlichen ökonomischen und sozialen Ordnungen dieser Gesellschaften und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung verschiedener Rechtsformen, einschließlich des Verhältnisses zu Religion und Magie, herausgearbeitet.
Im dritten Kapitel werden die Jägergesellschaften genauer betrachtet, wobei die Mbuti als exemplarischer Fallbeispiel dienen. Der Fokus liegt auf ihrer egalitären Gesellschaftsstruktur, der Rolle von Religion und Recht sowie den Besonderheiten ihrer Lebensweise und sozialen Normen.
Das vierte Kapitel widmet sich den segmentären Gesellschaften. Die Analyse konzentriert sich auf die Rolle von Hexerei und Magie, die Bedeutung von Religion und Moral sowie die Beziehung zwischen Kosmologie und Strafrecht.
Schlüsselwörter
Afrikanisches Gewohnheitsrecht, traditionelle Gesellschaftsformen, Jägergesellschaften, segmentäre Gesellschaften, Protostaaten, Kosmologie, Hexerei, Magie, Religion, Moral, Strafrecht, Kolonialismus, Rechtspluralismus, Stadt-Land-Gegensatz.
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- Anonym (Autor:in), 2005, Strafrecht im afrikanischen Gewohnheitsrecht, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/46288