Die nachfolgende Arbeit befasst sich mit der Frage, wie psychisch bedingte Arbeitsausfälle erkannt werden können, und welche vorbeugende Maßnahmen gegen diese ergriffen werden können.
Teil der betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren ist die menschliche Arbeit. Ohne Humankapital wäre betriebswirtschaftliches Agieren nicht möglich. Der Erhalt dieses Faktors zur Sicherstellung des betrieblichen Erfolges ist selbsterklärendes übergeordnetes Ziel.
Um die Tatkraft und das Wohlbefinden des Humankapitals zu gewährleisten und die psychische Gesundheit
im Arbeitskontext zu sichern, bedarf es an gesundheitsförderlichen Maßnahmen. Dies ist in Form der Implementierung von systematischen Gesundheitsmanagement in Betrieben möglich. Großbetriebe sind Vorreiter auf diesem Gebiet und haben eine
Vorbildrolle inne. Hauptauswirkungen der gesellschaftlichen Transformation auf die Arbeitswelt sind Termin- und Leistungsdruck sowie ständige Unterbrechung durch Ablenkungen.
Lösungsansätze sind beispielsweise gemäßigte Flexibilisierungsmaßnahmen, welche sich durch eine entsprechend positiv
wirkende Work-Life Balance als förderlich für die psychische Gesundheit erwiesen. Im Setting Großbetrieb kann eine breite Zahl an Mitarbeitern erreicht werden.
Projektziel ist die Reduktion der Arbeitsunfähigkeiten. Zur Eruierung der aktuellen Lage der angeführten Hauptursachen im Großbetrieb wird eine auf die Themenlage maßgeschneiderte flächendeckende Mitarbeiterumfrage mittels standardisiertem Fragebogen umgesetzt. Basierend auf den Umfrageergebnissen wird ein gemäßigtes Arbeitsflexibilisierungskonzept eingeführt. Durch einen individuellen, frei gestaltbaren Arbeitstag in der Woche wird die Work-Life Balance positiv
gestaltet und die psychische Gesundheit gestärkt. Damit wird den psychischen Belastungsquellen im Setting des Großbetriebes entgegnet.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Verzeichnis der Abbildungen
Verzeichnis der Tabellen
Verzeichnis der Abkürzungen
TEIL 1 – Literaturund Studienanalyse samt Bewertung
1 Einleitung
1.1 Die Bedeutung des Humankapitals im betrieblichen Kontext
1.2 Psychische Belastungen im Arbeitsumfeld des 21. Jahrhunderts
1.3 Ökonomische und humane Folgen psychischer Belastungen
1.4 Flexibilisierung als Lösungsansatz
2 Erläuterung des zentralen Ergebnisses der Recherche
2.1 Notwendigkeit der Sicherstellung des psychischen Wohlbefindens
2.2 Auswahl des Settings und Festlegung der Zielgruppe
2.3 Schlussfolgerungen
TEIL 2 Analysemethode
3 Psychische Gesundheit in Großbetrieben
3.1 Erfolgsparameter und Voraussetzungen eines BGMs
3.2 Fokus Analyse: Wahl des Instrumentariums und der Vorgehensweise
3.3 Der Prozess zur Ermittlung der psychischen Gefährdungsbeurteilung
3.3.1 Planung: Vorbereitung und Festlegen von Tätigkeiten / Bereichen
3.3.2 Analyse: Ermittlung und Beurteilung der psychischen Belastung der Arbeit
3.3.3 Umsetzung: Entwicklung von Zielen und Umsetzung von Maßnahmen
3.3.4 Evaluation: Wirksamkeitskontrolle, Fortschreibung und Dokumentation
3.4 Begründung der ausgewählten Analysemethode im Setting Großbetrieb
3.5 Der standardisierte Fragebogen: Begründung und Darstellung
3.6 Vorund Nachteile der Methode und des Instrumentariums
3.7 Wissenschaftliche Gütekriterien
3.8 Erfolgskriterien und Voraussetzungen für das Analyseinstrumentarium
3.9 Zielund Strategieformulierung
3.10 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
1 Fragebogeninstrumente zu psychischen Belastungen.(Quelle: EuPD Research 2011)
2 Standardisierter Kurzfragebogen zur Analyse der psychischen Belastung am Arbeitsplatz im Großbetrieb (eigene Darstellung)
Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 1.1: Anstieg der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen
(vgl. DAK, 2013, S. 35) 3
Abb. 1.2: AU-Tage nach Diagnosegruppen (vgl. Badura et al. 2016, S. 279) 4
Abb. 1.3: Ökonomische Arbeitsunfähigkeitskonsequenzen (vgl. BAuA, 2015) 5
Verzeichnis der Tabellen
Tab. 3.1: 7 Schritte-Prozess der GDA zur Gefährdungsbeurteilung psychischer
Belastungen in Großbetrieben (eigene Darstellung) 11
Tab. 3.2: Vorund Nachteile der Methode (vgl. Ducki, 2011, S.165) 15
Tab. 3.3: Projektzielformulierung nach SMART Kriterien (eigene Darstellung) 19
Verzeichnis der Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abstract
Teil der betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren ist die menschliche Arbeit. Ohne Humankapital wäre betriebswirtschaftliches Agieren nicht möglich. Der Erhalt dieses Faktors zur Sicherstellung des betrieblichen Erfolges ist selbsterklärendes übergeordnetes Ziel. Die Transformation der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts, geprägt durch Globalisierung, Digitalisierung und Flexibilisierung, wirkt entsprechend auf die Arbeitswelt und zeigt negative Auswirkungen auf den Faktor Mensch, in Form von steigenden Arbeitsunfähigkeiten aufgrund psychischer Belastungen. Um die Tatkraft und das Wohlbefinden des Humankapitals zu gewährleisten und die psychische Gesundheit im Arbeitskontext zu sichern, bedarf es an gesundheitsförderlichen Maßnahmen. Dies ist in Form der Implementierung von systematischen Gesundheitsmanagement in Betrieben möglich. Großbetriebe sind Vorreiter auf diesem Gebiet und haben eine Vorbildrolle inne. Hauptauswirkungen der gesellschaftlichen Transformation auf die Arbeitswelt sind Terminund Leistungsdruck sowie ständige Unterbrechung durch Ablenkungen. Letzteres insbesondere in Großraumbüros. Die daraus resultierende Müdigkeit, Mattigkeit und emotionale Erschöpfung münden in psychisch bedingte Krankheiten, die zu Arbeitsunfähigkeit führen. Lösungsansätze sind beispielsweise gemäßigte Flexibilisierungsmaßnahmen, welche sich durch eine entsprechend positiv wirkende Work-Life Balance als förderlich für die psychische Gesundheit erwiesen. Im Setting Großbetrieb kann eine breite Zahl an Mitarbeitern erreicht werden. Das Setting eignet sich auch aufgrund der breiten Etablierung von BGM und fördert eine effiziente und effektive Umsetzung. Projektziel ist die Reduktion der Arbeitsunfähigkeiten. Zur Eruierung der aktuellen Lage der angeführten Hauptursachen im Großbetrieb wird eine auf die Themenlage maßgeschneiderte flächendeckende Mitarbeiterumfrage mittels standardisiertem Fragebogen umgesetzt. Basierend auf den Umfrageergebnissen wird ein gemäßigtes Arbeitsflexibilisierungskonzept eingeführt. Durch einen individuellen, frei gestaltbaren Arbeitstag in der Woche (Core-Day) wird die Work-Life Balance positiv gestaltet und die psychische Gesundheit gestärkt. Damit wird den psychischen Belastungsquellen im Setting des Großbetriebes entgegnet. Der Beitrag fördert die Gesundheit des Humankapitals und unterstützt das betriebliche erfolgreiche Agieren.
TEIL 1 – Literaturund Studienanalyse samt Bewertung
1 Einleitung
1.1 Die Bedeutung des Humankapitals im betrieblichen Kontext
Unternehmen und Mitarbeiter stehen in einer interdependenten Wechselbeziehung. Das ökonomische Wirtschaften der Unternehmen und die physische und psychische Verfassung der Mitarbeiter sind unbedingte Faktoren für einen nachhaltigen reziproken Erfolg. Das Humankapital stellt die Basis für den wirtschaftlichen Unternehmenserfolg dar. Ohne gesunden Humankapital kann ein Unternehmen nicht erfolgreich agieren. Daraus folgt ein wirtschaftliches Interesse seitens des Unternehmens in Bezug auf das Sicherstellen der physischen und psychischen Gesundheit seiner Mitarbeiter (vgl. Kobi, 2016, S. 63). Gemäß der Satzung der WHO ist Gesundheit nicht nur ein Zustand völligem physischen Wohlbefindens und Abwesenheit von Krankheit, sondern auch von geistigem und sozialem Wohlbefinden (vgl. WHO, 2017, S.1). Gesundheit bezieht sich folglich auch auf das psychische Wohlbefinden. Belastungen der Psyche jeglicher Art sind mitbestimmend für den Gesundheitszustand. Eine Definition und Standardisierung psychischer Belastungen im Arbeitskontext ist international normiert (DIN EN ISO 10075). Diese beschreibt psychische Belastungen als die Summe aller erfassbaren äußeren Einflüsse, die auf den Menschen psychisch einwirken. Zu der Summe der Einflüsse gehören Arbeitstätigkeiten, die kognitive, informationsverarbeitende, motorische, soziale und emotionale Aktivitäten im Arbeitskontext erfordern. Psychische Erkrankungen sind am deutschen Arbeitsmarkt im Vormarsch. Seit der Jahrtausendwende nehmen psychische Erkrankungen im Arbeitskontext kontinuierlich zu. Dies wirkt sich nicht nur auf das Humankapital, sondern auch auf den Betriebserfolg aus (vgl. Punkt 1.2). Die Relevanz und Wichtigkeit des Themas der steigenden psychischen Belastungen am Arbeitsplatz wurde bereits erkannt. Die Berücksichtigung und Überprüfung von psychischer Belastung am Arbeitsplatz beispielsweise, wurde in der 2013 durchge-führten Änderung im Arbeitsschutzgesetz (§4 Nr.1; §5, Absatz 3 Nr. 6) gesetzlich verankert.
1.2 Psychische Belastungen im Arbeitsumfeld des 21. Jahrhunderts
Ursachen des Anstieges der Anzahl an psychisch Erkrankten liegen einerseits im gesellschaftlichen Trend zur Offenheit in Bezug auf psychische Erkrankungen, welche durch Entstigmatisierung und Enttabuisierung geprägt sind und dadurch öffentlich sichtbar gemacht werden. Auch das gewandelte Diagnosevermögen der Ärzte und die medizinische Wertehaltung tragen dazu bei, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen sichtbarer werden und daher sich in Zahlen niederschlagen (vgl. Hasselmann et al., 2018, S. 236 f.). Externe Faktoren, wie die Arbeitsumgebung, das Arbeitsumfeld und die Arbeitsumstände befinden sich im 21. Jahrhundert stark im Wandel. Die heutigen Arbeitsorganisationen sind charakterisiert durch Wandel, Veränderung, dynamische Strukturen und Umfelder: weg vom industriellen Fertigungsfokus hin zur Dienstleistungsorientierung und zu technisch herausfordernden Geschäftsbereichen. Dies führt zunehmend zur Veränderung der klassischen Betriebsund Arbeitsformen. Als Folge von Globalisierung und Digitalisierung lockern sich feste Raumund Zeitstrukturen und streben nach Anpassung an die neuen Umweltbedingungen (vgl. Zacharias et al., 2016, S. 28). Aufgrund des Strukturwandels in Richtung Dienstleistungsgesellschaft findet eine Änderung des Belastungsprofils statt. Dadurch bestimmt sind die körperlichen und umgebungsbedingten Belastungen gesunken und die psychischen und organisationsbedingten Belastungen gestiegen (Peter, 2012, S.79). Belastungsfaktoren können einerseits aus dem Arbeitsinhalt und andererseits aus den Arbeitsbedingungen resultieren (vgl. Metz, Rothe, 2017, S. 7). Die eindeutige Zuordnung der Ursachen für psychische Erkrankungen ist nicht gegeben. Ursachen sind tendenziell multikausal und nicht ausschließlich auf die Belastung aus der Arbeit, also deren Inhalt oder Bedingungen, zurückführbar, und daher von externen Faktoren bedingt. Weitere Ursachen psychischer Belastung sind unterschiedliche individuelle Bewältigungsund Bewertungsstrategien im Umgang mit belastenden Situationen, welche unterschiedliche Auswirkungen auf die individuelle psychische Gesundheit mit sich ziehen. Diese Faktoren sind intern, also persönlichkeitsbedingt (vgl. Wiese, Syndicus, 2016, S. 16). Gemäß der deutschen Bundesanstalt für Arbeitsmedizin und Arbeitsschutz (vgl. BAuA, 2017, S. 32) steht fest, dass Veränderung heute fixer Bestandteil der täglichen Arbeitsumgebung ist. Der Erhalt neuer Arbeitsmittel, die Umsetzung neuer Organisationen, der Abbau von Mitarbeitern oder die Änderung im Beschäftigungsverhältnis hin zu freien Mitarbeitern sind Themen, mit denen der heutige Mitarbeiter konfrontiert ist. Veränderung speist den Mangel an Sicherheit und Stabilität. Die Belastungen, die daraus resultieren treffen auf den Arbeitnehmer. Die BAuA bestätigt, dass psychische Belastungen aus verschiedenen arbeitsrelevanten Bereichen entspringen. Diese sind die unmittelbare Arbeitsumgebung, wie beispielsweise Lärm oder Licht und die Arbeitsmittel, wie mangelnde technische Ausstattung. Die Arbeitsablaufgestaltung, die Arbeitsorganisation, die Arbeitsaufgabe und soziale Faktoren, wie beispielsweise das Betriebsklima (vgl. BAuA, 2017). Der Fehlzeiten-Report 2016 der BAuA zeigt, dass die Ursachen vorwiegend auf die zunehmende Arbeitsbelastung und die Konsequenzen der digitalen Transformation zurückzuführen sind, beispielsweise Arbeitsdichte und Komplexität, Multitasking-Anforderungen, Terminund Leistungsdruck, Arbeiten an der Leistungsgrenze, rasches Arbeiten, Stress, erhöhte Leistungsanforderungen, Störungen bei der Arbeit, ständiges Unterbrochen und Abgelenkt werden oder anhaltender Druck an Weiterbildung und Qualifizierung (vgl. Hasselmann et al, 2018, S. 232). Diese breite Palette von ursächlichen Komponenten wird von Erwerbstätigen als belastend angegeben. Allen voran steht starker Terminund Leistungsdruck , welcher von über einem Dritten aller Erwerbstätigen (Männer 34,8%, Frauen 38,4%) als belastend eingestuft wird. Ferner ist das Unterbrechen der Arbeit und das Gestört werden belastend für 31% der Frauen und 25% der Männer (vgl. BAuA, 2017, S. 27 ff.).
1.3 Ökonomische und humane Folgen psychischer Belastungen
Die daraus resultierenden Konsequenzen sind vielfältig und haben humane und wirtschaft-liche Folgen. Der Anstieg der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen zwischen 1997 2012 ist laut Deutscher Krankenkasse der Angestellten überproportional (vgl. Abb. 1.1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1.1: Anstieg der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen (vgl. DAK, 2013, S. 35)
Psychische Erkrankungen sind heute bereits die häufigste Ursache von Frühberentungen (vgl. BAuA 2014). Festzustellen ist, dass allgemeine Müdigkeit, Mattigkeit und Erschöpfung unter den Erwerbstätigen weit verbreitet sind. Durchschnittlich leidet schon jeder zweite Erwerbstätige an diesen Symptomen (Männer 43,9%, Frauen 54,5%). Hinzu kommt die emotionale Erschöpfung, an welcher jeder 5. Erwerbstätige leidet (Männern 17,7%, Frauen 24,3%) (vgl. BAuA, 2017, S. 29). Herauszuheben ist das Phänomen Burn-Out, welches respektive ein Überlastungssyndrom im Zusammenhang mit der Arbeit ist. Laut AOK Versicherungsdaten steigt Burnout seit 2004 bis dato stetig an. Krankheitstage aufgrund von Burn-Out stiegen um das 9-fache zwischen 2004 und 2010 (vgl. WIdO, 2011). Bereits 11,6% (Männer 9%, Frauen 14,9%) der durchschnittlichen jährlichen Arbeitsunfähig-keitstage gehen auf psychische Belastung und Verhaltensstörungen zurück (vgl. BAuA, 2017, S. 41f). Der aktuelle Fehlzeiten-Report des Wissenschaftliches Institutes der AOK 2017 zeigt, dass die Anzahl der Arbeitsausfälle in den letzten 10 Jahren aufgrund psychischer Belastungen überproportional anstieg (vgl. WIdO, 2017). 10,5% der Ausfalltage entfallen auf psychische Erkrankungen und steigen kontinuierlich (vgl. Abb. 1.2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1.2: AU-Tage nach Diagnosegruppen (vgl. Badura et al., 2016, S. 279)
Dies deckt sich mit den statistischen Daten der GKV, wobei 11,6% aller AU-Tage auf Psychische Störungen und Verhaltensstörungen zurückzuführen sind. Frauen (14,9%) sind stärker betroffen als Männer (9%) (BAuA, 2015, S. 41f). Arbeitsunfähigkeitstage resultieren in Mehrkosten für das betriebliche Unternehmen. Laut einer Schätzung der BAuA (basierend auf Daten der GKV) fielen im Jahr 2015 1,6 Millionen Erwerbsjahre aus. Dieser Ausfall resultiert in Produktionsausfall, welcher sich mit 64 Milliarden Euro zu Buche schlägt, in dem man das durchschnittliche Gehalt der Arbeitnehmer mit dem Ausfall an Erwerbsjahren multipliziert. Arbeitsunfähigkeit ist folglich teuer. Im Jahr 2015 betrug der Verlust an Bruttowertschöpfung durch Arbeitsunfähigkeit 113 Milliarden Euro (vgl. Abb. 1.3). Geht man davon aus, dass 11,6% der Ausfallstage auf psychisch bedingte Gesundheitseinschrän-kungen zurückzuführen sind, beläuft sich der Wertschöpfungsverlust in diesem Bereich auf 12 Milliarden Euro.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1.3: Ökonomische Arbeitsunfähigkeitskonsequenzen (vgl. BAuA, 2015)
1.4 Flexibilisierung als Lösungsansatz
Flexibilisierung ist eine mögliche Antwort auf die Entgrenzung der Arbeit aufgrund der Digitalisierung, Globalisierung und der Internationalisierung. Der Umgang mit neuen Konzepten ist eine betriebswirtschaftliche und soziale Konsequenz (vgl. Pöser, Bernhardt, 2013, S. 25f). Flexibilisierung korreliert positiv mit der Work-Life Balance. Eine gewisse Beeinflussbarkeit schafft Zufriedenheit und Entspannung (vgl. BAuA, 2017, S. 59f.). Die Betonung der BAuA liegt auf „gewisse“. Die BAuA betont, dass weder keine noch starke Flexibilisierung das Optimum darstellen. Flexible Arbeitszeitsysteme orientieren sich an der chronometrischen, chronologischen und örtlichen Dimension der Ausführung der Arbeit. Es können Flexibilisierungen in Bezug auf die Arbeitsstunden (Vollzeit, Teilzeit, Sabbatical), in Bezug auf die Art (Gleitzeit, Werkvertrag, Schichtarbeit) und bezüglich der örtlichen Dimension (Arbeitsplatzlokalisation) stattfinden (vgl. Oechsler, 2000, S. 300). Vorteile von Flexibilisierungstendenzen liegen in der Reduktion der individuellen physischen und psychischen Belastung, in der Erhöhung der Arbeitsmotivation durch Rückgang der Fehlzeiten und Fluktuation sowie in Wettbewerbsvorteile am Markt. Mitarbeiter können ihre persönlichen Bedürfnisse besser berücksichtigen und eine Work-Life Balance schaffen. Sie ermöglicht auch die Anpassung an den individuellen Biorhythmus und die Lebensphase (vgl. Oechsler 2000, S.300).
2 Erläuterung des zentralen Ergebnisses der Recherche
2.1 Notwendigkeit der Sicherstellung des psychischen Wohlbefindens
Der Faktor Mensch ist eine Schlüsselfunktion in der unternehmerischen Wertschöpfungs-kette. Dies bringt Fokusierungsbedarf auf das Humankapital mit sich. Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Selbstregulation, Kreativität oder Innovation und der Umgang mit Veränderung sind Themen, mit denen sich die heutigen Mitarbeiter und Unternehmen auseinandersetzen müssen (vgl. Schmidt, Diestel, 2015, S.1). In diesem Sinne ist die Sicherstellung eines nachhaltig physisch und psychisch gesunden Humankapitals von tragender Relevanz. Ins Besonders, da das Humankapital heute wichtiger Faktor in der vorherrschenden Serviceund Dienstleistungsgesellschaft des 21. Jahrhunderts ist. Der Erhalt, die Förderung und die Prävention des Humankapitals durch entsprechende Initiativen des BGMs, leisten einen Beitrag zur Gesundhaltung der Mitarbeiter und folglich der betrieblichen Effizienz (vgl. Harris, 2016, S. 1). Komponenten wie, das Gefühl, dass die Tätigkeit wichtig ist, die gute Zusammenarbeit mit Kollegen, die Einbettung in das soziale System oder das Erhalten von Unterstützung bei der Arbeit, sind tragende positive Faktoren, die das psychische Wohlbefinden beeinflussen (vgl. BAuA, 2017, S. 31). Die Verschlechterung des Gesundheitszustandes hat negative Konsequenzen für die Arbeitswelt aufgrund der Auswirkung auf die Arbeitsleistung und Präsenz.
2.2 Auswahl des Settings und Festlegung der Zielgruppe
Die Umsetzung von BGM ist je nach Unternehmensgröße auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Im Fokus liegt das Großunternehmen. Was als Großbetrieb zu verstehen ist, wird im §267 HGB definiert. Die Einteilung wird mittels Abgrenzungskriterien wie Höhe der Bilanzsumme, Beschäftigungszahl und Umsatz vorgenommen. Laut einer Umfrage der deutschen Unfallversicherung haben 2/3 der Großunternehmen, welche als Vorreiter gelten, BGM umgesetzt. Dieses ist strategisch ausgerichtet, holistisch betrachtet und gut verankert (vgl. BAuA, 2015, S.12). Organisation, Experten und Maßnahmen sind gut etabliert. Es wurde erkannt, dass präventive Maßnahmen als positiver nachhaltiger Beitrag fungieren (vgl. BAuA, 2015, S. 8). Die besseren Strukturen, personellen Ressourcen und das verstärkte Vorhandensein von Vertretungen der Arbeitnehmer zeigen, dass BGM in Großunternehmen bereits gut etabliert werden konnte. Durch die höhere Anzahl der Mitarbeiter und integriertes Gesundheitsmanagement kann Effizienz und Effektivität erreicht werden (vgl. Ternès et al., 2017, S. 8f.). Da Großunternehmen bereits eine gute Infrastruktur in Bezug auf das BGM besitzen, oft Experten vorhanden sind, die notwendigen Ressourcen und finanziellen Mitteln aufweisen, wird diese Zielgruppe herangenommen, um ein explizit auf die psychischen Belastungen und deren Hauptursachen fokussiertes neues Umfragekonzept zu testen. Die nachfolgende Analyse wird im Setting Großbetrieb durchgeführt. Als Zielgruppe fungieren flächendeckend deren Mitarbeiter. Ferner ist die Auswahl des Settings Großbetrieb auch in scheinbar höheren Fehltagen aufgrund von Großraumbüros, welche in Großbetrieben anzutreffen sind, begründet. Eine schwedische Studie zeigt, dass Mitarbeiter in Großraumbüros doppelt so viele Fehltage aufweisen (vgl. Danielsson et al., 2014, S. 139ff). Die Schweizer SBiB-Studie stützt dieses Studienergebnis. 25 Prozent der Befragten fühlen sich in ihrer Arbeit häufig gestört in Großraumbüros. Hauptgründe der Reizüberflutung sind Gespräche und Telefonate anderer, welche zwangsläufig mitgehört werden und der Durchgangsverkehr. Mitarbeiter fühlen sich unter ständiger Beobachtung, die Ablenkung ist groß und die Produktivität sinkt (vgl. SBiB, 2010).
2.3 Schlussfolgerungen
Die Wichtigkeit von BGM zeigt der GKV Leitfaden „Prävention“, welcher auf die psychosozialen Belastungen verweist und aufzeigt, dass an individuellen aber auch an organisationsbezogenen Faktoren (personenund bedingungsbezogen) angesetzt werden soll. Das BGM hat folglich das Arbeitsumfeld, die Arbeitsinhalte als auch die individuellen persönlichen Bewältigungskompetenzen zu betrachten, um maßgeschneiderte individuell flexible Lösungen anzubieten (vgl. Klenke, 2016, S. 18). Wie einleitend ausgeführt, ist die Basis für wirtschaftlichen Erfolg ein gesundes Humankapital. Aufgrund des Vormarsches der psychischen Erkrankungen scheint diese Basis gefährdet zu sein. Die multikausalen Ursachen, wie Arbeitsinhalt, -bedingungen oder individuelle Bewältigungsstrategien sind unterschiedlich adressierbar. Persönlichkeit und individuelle Bewältigung von Belastungen sind schwer formbar. Diese Annahme basiert auf der Tatsache, dass Persönlichkeits-merkmale etwas relativ Stabiles (vgl. Weber, 2010, S. 199 ff.) und folglich nicht kurzfristig, nachhaltig beeinflussbar sind. In Bezug auf die Arbeitsbedingungen, also das Umfeld und den Inhalt, wird der steigende Terminund Leistungsdruck sowie die Belastung durch ständige Unterbrechungen der Arbeit in Großraumbüros herausgenommen, da diese Fak-toren häufigstes Belastungsmerkmal sind. Das Mindern des Leistungsund Termindrucks sowie das ungestörte Arbeiten hat zum Ziel, die psychische Gesundheit zu schützen und Müdigkeit, Erschöpfung und steigende Burn-Out Zahlen zu reduzieren und vorzubeugen. Ziel ist die psychische Gesundheit zu stabilisieren, zu fördern und somit durch ein gesundes Humankapital die AU-Tage und Frühberentungen zu minimieren. Dies wirkt sich positiv auf das wirtschaftliche Betriebsergebnis aus, aufgrund von geringeren Arbeitsunfähigkeits-tagen. Als präventive betriebliche Gesundheitsvorsorge ist Bedacht auf das Arbeitsumfeld, welches Terminund Leistungsdruck sowie das Unterbrochen werden verursachen, zu nehmen. Das BGM setzt an verhältnisbezogenen Faktoren an, da diese leichter beeinfluss-bar sind. Um ungestörtes Arbeiten, den Umgang mit Terminund Leistungsdruck positiv zu gestalten, wird ein maßgeschneidertes, individuelles Arbeitszeitflexibilisierungskonzept basierend auf den Analyseergebnissen als Gesundheitsförderungsmaßnahme abgeleitet. Die Maßnahmenumsetzung wird im Setting Großbetrieb aufgrund der guten Etablierung von betrieblichen BGM-Strukturen erleichtert. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Umgang mit der Methodik bekannt und das Bewusstsein der Mitarbeiter vorhanden ist. Diese können flächendeckend in der Umfrage erreicht werden. Dies ermöglicht als gute Ausgangsbasis, ein neues Analyseinstrument vorzustellen und auszutesten. Ziel ist eine gewisse freie Arbeitszeitgestaltungsmöglichkeit, welche die Vorund Nachteile von Flexi-bilisierung gegeneinander abwägt und entsprechend ausbalanciert.
TEIL 2 Analysemethode
3 Psychische Gesundheit in Großbetrieben
3.1 Erfolgsparameter und Voraussetzungen eines BGMs
Der Erfolg, die Wirksamkeit und die Nachhaltigkeit eines BGMs ist von einer systematischen Vorgehensweise und der Orientierung an vier Prozessschritten (Analyse, Planung, Umsetzung, Evaluation) abhängig. Weitere wesentliche Erfolgskomponenten sind eine effektive Kommunikation, die Leitung durch eine Steuerungsgruppe und der Setting-Ansatz (vgl. Bernhardt, Hegmann, 2004, S. 1f.). Die Analysephase im BGM ermöglicht die systematische Erfassung des Analysegegenstandes der psychischen Gesundheit der Beschäftigten und gibt ein Bild vom Istzustand. Basierend auf den Analyseergebnissen können Handlungsbedarfe abgeleitet und Zielparameter für die Maßnahmen erstellt werden. Die Analyse ist auch die Grundlage für die abschließende Evaluation, zum Ermitteln des Implementationserfolges und gilt als Basis für die kontinuierliche Verbesserung (vgl. Walter, 2010, S. 156). Instrumente für die Analyse sind vielfältig. Die Kombination von mehreren Instrumenten, welche auf die Bedingungen, das Unternehmen und die Mitarbeiter Bezug nehmen, ist wichtig und sorgt für einen holistischen Blick (vgl. Bernhardt, Hegmann, 2004, S. 5ff). Zweck der Analyse ist es, mittels geeigneten Instrumenten, Informationen über den tatsächlichen Stand des Terminund Leistungsdrucks sowie dem Faktor des Gestörtwerdens im Setting des Großbetriebes, zu gewinnen, um diese zu deuten und zu verarbeiten. Damit wird ermöglicht, die Wechselwirkung zwischen tatsächlichen und subjektiven Einschätzungen zu eruieren. Ferner bedarf das BGM einer Steuerungsgruppe, welche den Gesamtprozess koordiniert und intern kommuniziert. Sie formuliert die Ziele, plant und organisiert die Maßnahmenumsetzung, erarbeitet ein Evaluationskonzept und sorgt für die Kontrolle des Erfolges der Maßnahmen. Kommunikation spielt eine wichtige Rolle und bedarf in Großbetrieben der Einbindung der Unternehmenskommunikation und eine starke Kooperation und Abstimmung. Mangelt es an Kommunikation, mangelt es auch am Erfolg der Implementation. Eine Vorabinformation der Mitarbeiter über das Projekt und die Sinnhaftigkeit ist unabdingbar. Eine Zielgruppenorientierung erhöht den Erfolg (vgl. Bernhardt, Hegmann, 2014, S. 5ff.). Erfolgsfaktoren der Umsetzung gemäß der Luxem-burger Deklaration (ENWHP, 2007, S.4) sind Partizipation, Integration, Projektmanagement und Ganzheitlichkeit. Die Sicherstellung der Partizipation der gesamten Belegschaft, die holistische Integration in allen Unternehmensbereichen, die Systematik der Durchführung sowie der Aspekt der Ganzheitlichkeit, welcher sowohl verhaltensals auch verhältnisorientierte Maßnahmen umfasst, und das Abwickeln als Projekt sind wichtige Erfolgsparameter. Der Setting-Ansatz, das heißt die Ausrichtung der gesundheits-förderlichen Maßnahmen nicht nur an persönlichen individuellen Gegebenheiten, sondern auch an betrieblichen Strukturen, erhöht die Wirksamkeit. Kernparameter des Setting-Ansatzes sind beispielsweise die Eingrenzung der Zielgruppe, das Aufzeigen von möglichen Zugangswegen, die Verbindung von verhältnisund verhaltensorientierten Maßnahmen, übergreifende Kooperation und Kommunikation und das Entwickeln von gesundheits-förderlichen Kompetenzen (vgl. Bernhardt, Hegmann, 2014, S. 3f.).
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