Diese Arbeit soll sich mit der Frage befassen, ob ein Ausschluss eines epilepsiekranken Kindes oder Jugendlichen unter Berücksichtigung der Problematiken gerechtfertigt werden kann.
Kinder und Jugendliche mit Epilepsien an Regelschulen werden oftmals prinzipiell von Ausflügen oder Klassenfahrten ausgeschlossen. Aufgrund mangelnder Aufklärung über die neurologische Krankheit lehnen Lehrkräfte die Teilnahme eines epilepsiekranken Schülers ab. Nicht zuletzt schreckt sie die Aufsichtspflicht und die Haftung im Falle eines Anfalls ab. Da Epilepsie alleine allerdings kein Ausschlusskriterium für den Besuch einer Regelschule ist und alle Kinder und Jugendliche seit 2009 durch das Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Rahmen der Inklusion das Recht haben, den Schultypus nach ihrer Begabung zu wählen, sind epilepsiekranke Kinder an Regelschulen keine Seltenheit. Ein Verbot zur Teilnahme an Ausflügen und Klassenfahrten gibt dem betroffenen Schüler eine Sonderstellung, die dem inklusiven Gedanken gegenüber steht.
lnhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Risiken auf Klassenfahrten
2.1 Geregelte Medikamenteneinnahme und Notfallmedikation
2.2 Schlafentzug
2.3 Alkoholkonsum
2.4. Einschrankungen bei Aktivitaten
3. Aufsichtspflicht und Haftung
4. Aufklarung Uber die Krankheit
4.1 Lehrkrafte
4.2 MitschUierinnen und MitschUier
5. Eigenverantwortung des Kindes oder Jugendlichen
6. Psychosoziale Folgen eines Ausschlusses
7. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
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1. Einleitung
Kinder und Jugendliche mit Epilepsien an Regelschulen werden oftmals prinzipiell von AusfiUgen oder Klassenfahrten ausgeschlossen. Aufgrund mangelnder Aufklarung Uber die neurologische Krankheit Iehnen Lehrkrafte die Teilnahme eines epilepsiekranken SchUiers ab. Nicht zuletzt schreckt sie die Aufsichtspflicht und die Haftung im Faile eines Anfalls ab. 1 Da Epilepsie alleine allerdings kein Ausschlusskriterium fUr den Besuch einer Regelschule ist und aile Kinder und Jugendliche seit 2009 durch das lnkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Rahmen der lnklusion das Recht haben, den Schul typus nach ihrer Begabung zu wahlen, sind epilepsiekranke Kinder an Regelschulen keine Seltenheit. Ein Verbot zur Teilnahme an AusfiUgen und Klassenfahrten gibt dem betroffe nen SchUler eine Sonderstellung, die dem inklusiven Gedanken gegenUber steht.2
Diese Arbeit soli sich mit der Frage befassen, ob ein Ausschluss eines epilepsiekranken Kindes oder Jugendlichen unter BerUcksichtigung der Problematiken gerechtfertigt wer den kann.
2. Risiken auf Klassenfahrten
Auf Klassenfahrten bestehen mehrere Risikofaktoren, die das Auftreten eines Anfalls pro vozieren konnen. Sofern das Kind als anfallsfrei gilt oder sich in einer stabilen Anfallssitu ation befindet, sollten bei der Befolgung gewisser Regeln nicht mehr Anfalle auftreten als Zuhause oder in der Schule. 3.
Der KUrze dieser Arbeit und dem komplexen Krankheitsbild der Epilepsie geschuldet,
konnen im Folgenden lediglich die am haufigsten auftretenden idiopathischen Epilepsieformen berUcksichtigt werden.
Die haufigste idiopathische Epilepsie stellt die Juvenile Myoklonische Epilepsie dar, deren Anfalle meist direkt nach dem Aufstehen auftreten, besonders nach zu wenig Schlaf. My oklonische Anfalle aur..ern sich in nicht kontrollierbaren kurzen Muskelzuckungen im Arm und Schulterbereich. Die Juvenile Absence Epilepsie tritt besonders bei Kindern zwischen neun und dreizehn Jahren auf. Bei einem Anfall kommt es zu einem kurzen Verlust des Bewusstseins. Der Grand Mal Anfall ist die wohl bekannteste Form der Epilepsie, dade ren Symptome am meisten sichtbar sind. Bei dieser Art Anfall kommt es zu Verkrampfun gen der Muskulatur, gefolgt von Zuckungen in Armen und Beinen. In der Phase danach treten Verwirrung und Schlafrigkeit auf. Ausloser sind ebenfalls Schlafmangel, aber auch insbesondere UbermaP..iger Alkoholkonsum. 4
2.1 Geregelte Medikamenteneinnahme und Notfallmedikation
Eine Medikamente-Dosette zu je einer Woche ist die simpelste Methode, um eine gere gelte Einnahme zu gewahrleisten. Falls mehr als ein Medikament oder mehr als eine Tab lette des gleichen Medikaments Uber den Tag verteilt eingenommen werden mUssen, soli ten die einzelnen Facher fUr die Wochentage zusatzlich eine Abtrennung fUr morgens, mittags, abends und nachts haben.
Ein Blister des jeweiligen Medikaments zur gesonderten Verwahrung bei der Betreuungs person kann zusatzlich Sicherheit geben, falls die Dosette abhandenkommt.
Eine schriftliche Anleitung zur Medikamenteneinnahme muss der Betreuungsperson grundsatzlich vorliegen. Selbiges gilt fUr eintagige AusfiUge. lm Faile einer aktiven Epilep sie muss darUber hinaus ein Notfallmedikament mitgenommen werden. 5
2.2 Schlafentzug
Schlafmangel provoziert Anfalle, da er die Krampfschwelle senkt. In einem Zimmer mit mehreren Kindern bei mehrtagigen AusfiUgen kann die Nachtruhe durch die Zimmermit bewohner gestor! werden. Um dies zu vermeiden, erfordert es die Mitarbeit der MitschU Ier, damit die Nachtruhe eingehalten wird.
Nachtfahrten mit Bus und Zug sollten ebenfalls vermieden werden. Bei Klassenfahrten ins Ausland kann ein Flug fUr das betroffene Kind oder Jugendlichen in Betracht gezogen werden. 6
2.3 Alkoholkonsum
Klassenfahrten in hoheren Schulklassen und Abschlussfahrten sind zumeist unvermeid bar mit Alkoholkonsum verbunden. Alkohol bei epilepsiekranken Jugendlichen kann je doch schnell zur Gefahr werden, da Alkohol einerseits die Krampfschwelle senkt und gleichermar..en die Anfallsbereitschaft erhoht. Alkoholkonsum geht zusatzlich haufig mit dem Risiko des Schlafmangels einher. Trotz besseren Wissens kann der Jugendliche durch Gruppenzwang oder Angst vor Ausschluss diese Risikofaktoren vernachlassigen. 7
2.4. Einschrankungen bei Aktivitaten
Kinder und Jugendliche mit Epilepsie sind bei gewissen Aktivitaten eingeschrankt, um deren Sicherheit zu gewahrleisten.
Bei einem Krampfanfall im Wasser kann mangelnde Aufsicht zu lautlosem Ertrinken fUh ren, da das Kind bei bestimmten Anfallsformen nicht in der Lage ist, sich bemerkbar zu machen. lm Schwimmbad ist eine eigene Aufsichtsperson, bestenfalls mit Erfahrung als Rettungsschwimmer, notwendig. Beim Schwimmen in Seen oder anderen !rUben Gewas sern ist die Gefahr zusatzlich erhoht. Hier benotigt es neben einer Aufsichtsperson auch den Einsatz von Schwimmhilfen, die bei einem Anfall das Untergehen verhindern. 8
Bei Fahrten mit dem Fahrrad besteht das Risiko, bei einem Anfall zu sturzen. Hier muss die Helmpflicht unbedingt eingehalten werden. Sturzrisiko besteht ebenso beim Klettern. Dementsprechend muss Klettern ohne ausreichende Absicherung vermieden werden. 9
3. Aufsichtspflicht und Haftung
Mit ln-Kraft-Treten der UN Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 und den daraus resultierenden ,Anstrengungen zur Realisierung eines inklusiven Bildungssystems"10 ge wann die Frage nach der rechtlichen Situation der Medikamentengabe an Regelschulen mehr Bedeutung. Grundsatzlich gilt, dass Medikamentengabe nur dann erlaubt ist, wenn der Erziehungsberechtigte mit der Schule oder einer Betreuungsperson innerhalb der Schule diese schriftlich vereinbart hat. Die Vereinbarung muss einen detaillierten Plan zum Zeitpunkt und zur Dosis beinhalten, sowie eine Anleitung, wie das Medikament zu verabreichen ist. Letzteres kommt zum Tragen bei der Notfallmedikation. Hierbei ist es fUr die Betreuungsperson unerlasslich zu wissen, nach welcher Anfallsdauer das Medikament verabreicht werden muss. Vor allem bei verschreibungspflichtigen Medikamenten ist es ratsam, einen unterschriebenen Medikations- und Notfallplan des behandelnden Fach arztes und moglicherweise dessen Telefonnummer vorzulegen, um im Zweifelsfall RUck sprache halten zu konnen.
Die tatsachliche Ubernahme dieser Aufgaben geschieht jedoch immer auf freiwilliger Basis. Jede Betreuungskraft kann, wenn sie sich nicht im Stande fUhlt diese Verantwortung zu Ubernehmen, die Medikamentengabe ablehnen oder auch eine frUher getroffene Ver einbarung auflosen. Wenn es im Zuge einer Medikamentengabe zu einem Schaden am Kind kommt, handel!es sich rechtlich gesehen um einen Unfall, der von der gesetzlichen Unfallversicherung, in der aile Kinder versichert sind, getragen wird. Sollie die Hilfe unter lassen worden sein, besteht kein Leistungsanspruch an die Unfallversicherung. In diesem Fall Ubernimmt die Krankenkasse, bei der das Kind versichert ist, die Behandlungskosten. Die Betreuungsperson ist nach den Regelungen zur Haftungsbeschrankung § 104 SGB VII grundsatzlich von zivilrechtlicher Haftung ausgeschlossen. Dies gilt auch, wenn ein Medikament fehlerhaft verabreicht wurde, jedoch nicht bei grober Fahrlassigkeit oder Vor satz. Bei einer Verletzung der Betreuungsperson wahrend der Medikamentengabe zahlt dies als Arbeitsunfall und wird entsprechend von der Unfallversicherung Ubernommen-"
4. Aufklarung Uber die Krankheit
Der bayerische Landtag forderte bereits 1997 die ,Epilepsieaufklarung an bayerischen Schulen" in ,alle[n] padagogischen und Ausbildungs- und Forderungsbereiche[n]"(siehe Anhang) und machte Epilepsie im Zuge der lnklusion nicht mehr nur zur Angelegenheit von Forderschulen.12
Zur Unterstutzung und Aufklarung der Lehrkrafte wurde vom Landesverband Epilepsie Bayern e.V. das sogenannte Lehrerpaket veroffentlicht, das medizinische, schulische und soziale Aspekte von Epilepsie beinhaltet. Das Paket bietet zudem PDF Dateien fUr einen personlichen Fragebogen zu Epilepsie, einen Handlungsplan mit Vereinbarung fUr das Verhalten bei einem Anfall, einen Leitfaden fUr Elterngesprache und einen Leitfaden zur Beobachtung und Beschreibung von Anfallen. Kopiervorlagen zur Thematisierung von Epilepsie im Unterricht finden sich ebenfalls. Das 104-seitige Dokument steht frei zum Download unter www. epilepsie-lehrerpaket.de zur VerfUgung.13
4.1 Lehrkrafte
Das Lehrerpaket bietet den Lehrkraften umfassendes theoretisches Wissen und schafft eine Grundlage fUr das weitere Vorgehen mit dem betroffenen SchUler und dessen Eltern. Die Vorlage zum AusfUIIen beim Elterngesprach gibt Sicherheit, keine notwendigen As pekte zu vergessen und ermoglicht eine Ubersichtliche Dokumentation des Gesprachs. Erganzend gibt es einen personlichen Fragebogen, der Auskunft Uber das Anfallsgesche hen gibt.
Das Dokument ,Handlungsplan bei einem epileptischen Anfaii/Arztliche Verordnung" fUr die Gabe eines Medikaments wird von den Eltern beziehungsweise dem behandelnden Facharzt erstellt und der Lehrkraft vorgelegt. Aile drei Parteien mUssen diesen Plan unter-schreiben und sich mit den aufgefUhrten Vereinbarungen einverstanden erklaren. Der,Leitfaden und Protokollbogen zum Erkennen und Beschreiben von Anfallen" dokumen tiert Warnsignale vor dem Anfall wie AngstgefUhl und Kopfschmerzen, Eigen- und Fremdwahrnehmung wahrend des Anfalls wie Schwindel und Zuckungen und beschrie bene beziehungsweise beobachtete Zustande wie Angst oder Scham nach dem Anfall. Die einzelnen Punkte sind tabellarisch dargestellt und bieten in einer zweiten Spalte Platz fUr eigene Beobachtungen.
[...]
1 vgl. E.b.e epilepsie bundes-elternverband e.v. (2015) 5.9.
2 vgl. Fey, Wittig-Mollner, Cinar und Rating (2015).
3 vgl. E.b.e epilepsie bundes-elternverband e.v. (2015) 5.9.
4 vgl. Sons (2019).
5 vgl. E.b.e epilepsie bundes-elternverband e.v. (2015) 5.9.
6 vgl. E.b.e epilepsie bundes-elternverband e.v. (2015) 5.10.
7 vgl. ebd.
8 vgl Droge, Thorbecke und Brandt (2011) 5.23.
9 vgl. Droge,Thorbecke und Brandt. (2011) 5.24.
10. Thorbecke und Francois (2017) 5.9.
11 vgl. Thorbecke und Francois (2017) S.9ff.
12 vgl. E.b.e epilepsie bundes-elternverband e.v. (2015).
13 vgl. Wittig-Mollner (2017).