Ein Autor muss sich nicht zwangsläufig auf eine ausschließliche Gattung mit seinem Werk festlegen; im Gegenteil besteht gegenwärtig eine Tendenz zu sogenannten Mischformen. Auch Didier Daeninckx zählt zu diesen beschriebenen Autoren. Ob auch er in Hors limites solch eine Genremischung umsetzt, wird in der vorliegenden Hausarbeit thematisiert.
Zu diesem Ziel werden zunächst die Begriffe „Kriminalroman“, „Detektivroman“ und „Thriller“ definiert. Anschließend werden die typischen Figurentheorien beider Gattungen vorgestellt, was der darauffolgenden Einordnung als Hilfestellung dient. Daraufhin folgt eine konkrete Analyse der Gattung sowie der Figurenkonstellation in Hors limites. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf Yves Réant, der die Funktion des Detektivs einnimmt, da diese Figur von großer Bedeutung für den Kriminalroman ist.
All dies zielt darauf ab, zu untersuchen, welcher Gattung Hors limites von Didier Daeninckx zugeordnet werden kann und ob Yves Réant eine typische Detektivfigur im Kriminalroman symbolisiert.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Begriffsbestimmung
1.1.Der Kriminalroman
1.2.Der Detektivroman
1.3.Der Thriller
2. Die Figuren im Kriminalroman
2.1. Die Figuren im klassischen Detektivroman
2.2. Die Figuren im Thriller
3. Hors limites
3.1. Gattungsspezifische Einordnung
3.2. Die Figurenkonstellation
3.3. Die Detektivfigur des Yves Réant
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
„Es lässt sich […] feststellen, dass auch die um die Erneuerung des Kriminalro- mans bemühten Autoren der Gegenwart formal innerhalb des durch den Detek- tivroman und den Thriller vorgegebenen Spektrums bleiben, auch wenn sie z.T. neue, interessante Mischformen ausbilden.“1
Dieses Zitat veranschaulicht konkret, dass sich ein Autor nicht zwangsläufig auf eine ausschließliche Gattung mit seinem Werk festlegen muss, sondern dass gegenwärtig eine Tendenz zu sogenannten Mischformen besteht. Auch Didier Daeninckx zählt zu diesen beschriebenen Autoren.2 Ob auch er in Hors limites solch eine Genremischung umsetzt, wird in der vorliegenden Hausarbeit thematisiert.
Zu diesem Ziel werden zunächst die Begriffe „Kriminalroman“, „Detektivro-man“ und „Thriller“ definiert.
Anschließend werden die typischen Figurentheorien beider Gattungen vorge- stellt, was der darauffolgenden Einordnung als Hilfestellung dient.
Daraufhin folgt eine konkrete Analyse der Gattung sowie der Figurenkonstella- tion in Hors limites. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf Yves Réant, der die Funktion des Detektivs einnimmt, da diese Figur von großer Bedeutung für den Krimi- nalroman ist.
All dies zielt darauf ab, zu untersuchen, welcher Gattung Hors limites von Di- dier Daeninckx zugeordnet werden kann und ob Yves Réant eine typische Detektivfigur im Kriminalroman symbolisiert.
1. Begriffsbestimmung
„Quantitativ übertrifft die Kriminalliteratur wahrscheinlich alle anderen Zweige der Literatur“.3 Doch was genau umfasst die Gattung ‚Kriminalliteratur‘?
1.1. Der Kriminalroman
Der Ursprung des Kriminalromans liegt im 19. Jahrhundert und lässt sich auf Edgar Allan Poe zurückführen, der 1841 seine Detektiverzählung The Murder in the Rue Mar- gue veröffentlichte.4 Als Begründer des roman policier, dem französischen Kriminal- roman, gilt Émile Gaboriau mit seinem Fotsetzungsroman L’affaire Lerouge, welcher seit 1863 erschien.5
Der Begriff ‚Kriminalliteratur‘ wird vom lat. Wort crimen, dt. Verbrechen, abgeleitet, dennoch ist er nicht mit der Verbrechensliteratur gleichzusetzen.6 Während in der Ver- brechensliteratur das Verbrechen, seine Motivation, sein Ausmaß sowie seine Strafe im Fokus stehen, behandelt die Kriminalliteratur das Verbrechen auf eine andere Art.7 Zwar spielt auch hier das Verbrechen eine - wenn auch untergeordnete - Rolle, doch im Zentrum des Geschehens stehen die „Anstrengungen, die zur Aufdeckung des Verbre- chens, zur Überführung und Bestrafung des Täters notwendig sind“.8 Dadurch verliert das Verbrechen im Kriminalroman an Wichtigkeit, während literarische Aspekte, wie beispielsweise die Beschreibung der Charaktere und des Milieus an Bedeutung zuneh- men. Damit geht auf formaler Ebene eine umfangreiche Textlänge einher, da die Erzäh- lung Zeit und Raum benötigt, um sich zu entfalten. Daraus lässt sich schließen, dass der Kriminalroman eine gleichrangige Unterkategorie des Romans ist.
Nichtsdestotrotz herrscht keine Einigkeit über die konkrete Begriffsbestimmung der Kriminalliteratur.9 Es gibt diverse Definitionsversuche, welche allerdings häufig Fragen offen lassen. Eine aussagekräftige Definition, welche die bisherigen Überlegungen prägnant zusammenfasst, ist jene von Vogt: „‚Kriminalroman […] ist die Genrebe-zeichnung für längere Erzählwerke, die thematisch auf die Ursachen u. Umstände, bes.aber die Aufdeckung von Verbrechen […] gerichtet und mehr oder weniger eng an ein standardisiertes Erzählmuster gebunden sind‘“.10
Des Weiteren existieren Subgattungen der Kriminalliteratur, deren Grenzen oft fließend verlaufen.11 Auch hier gibt es keine Übereinstimmung unter den Literaturwissenschaft- lern. So wird die Kriminalliteratur laut Tzvetan Todorov in drei Romantypen gliedern:„der klassische Kriminalroman oder Rätselroman (roman à énigme), der schwarze Ro- man (roman noir) und der Spannungsroman (roman à suspense)“.12 Nach dieser Kate- gorisierung konzentriert sich der klassische Kriminalroman auf ein intellektuelles Rät- sellösen, der schwarze Roman auf die Präsentation eines „realen“ Verbrechens in der Gesellschaft und der Spannungsroman zielt darauf ab, das Opfer in den Mittelpunkt zu stellen, wodurch Angst und Spannung beim Leser ausgelöst werden sollen.13
Eine weitere etablierte Gattungsdifferenzierung ist die Unterteilung des Krimi- nalromans in „zwei idealtypische Stränge“, den Detektivroman sowie den Thriller.14 Diese beiden Subkategorien werden im Folgenden näher erläutert, da sie als Grundlage der folgenden Analyse dienen.
Ungeachtet dessen welcher Kategorisierung man folgt, lässt sich übereinstimmend festhalten, dass „die wichtigste Intention des Kriminalromans [darin besteht], den Leser mit Spannung zu unterhalten“15. Dabei stellt die Art des Spannungsaufbaus ein wichti- ges Kriterium im Hinblick auf die Genrezuordnung dar.16 Zudem lassen sich weitere distinktive Merkmale feststellen, welche die Kategorisierung erleichtern.
1.2. Der Detektivroman
Der Aufbau des idealtypischen Detektivromans folgt der Formel: „Topographie (Mili- eu) – Mord – Opfer – Detektiv – Ermittlung – Mörder – Enthüllung“.17 Somit ist unab- dingbar, dass zu Beginn des Detektivromans ein Verbrechen, bzw. Mord geschieht, welchem eine zentrale Rolle in der Erzählung zukommt. Er dient nämlich als Rätsel und initiiert die Handlung der Hauptfigur, die Detektion.18 Daraufhin folgt das Enträtseln des Verbrechens, indem der Detektiv eine Fahndung beginnt, welche aus einigen aufei- nanderfolgenden Etappen besteht: Beobachtungen, Verhören, Beratungen, Verfolgun- gen sowie schlussendlich der Überführung des Täters.19 „Die Inszenierung der Überfüh- rungsszene“ leitet den Schlussteil der Erzählung ein, welcher sich der Aufklärung des Mordes widmet.20 Dabei besteht die Aufgabe des Detektivs darin, den Täter öffentlich zu überführen und den Tathergang zu rekonstruieren.21 Insgesamt verfolgt der klassi- sche Detektivroman das Ziel, den Leser zu unterhalten, indem Anreize zum Mitdenken geschaffen werden und falsche Fährten gelegt werden. Zudem zielt er darauf ab, den Leser immer wieder zu verblüffen.22 In diesem Zusammenhang lässt sich auch ein wei- terer wichtiger inhaltlicher Aspekt des Detektivromans feststellen: das „‚fair play‘“.23
Dabei geht es darum, Chancengleichheit zwischen Detektiv und Leser zu schaffen, wel- che dem Leser die Möglichkeit bietet, das Rätsel durch eigene intellektuelle Anstren- gung gemeinsam mit dem Detektiv zu lösen. Aus diesem Grund dürfen dem Leser keine Indizien und Fakten vorenthalten werden, aus denen Schlussfolgerungen für die Lösung des Falles gezogen werden können.24
Die inhaltliche Ebene des Detektivromans lässt sich mithilfe der Elemente „Ac-tion“, „Analysis“ und „Mystery“ beschreiben, welche nach Ulrich Schulz-Buschhaus als die drei strukturellen Grundelemente des Kriminalromans determiniert werden.25 Der Begriff „Action“ meint die eigentlichen Handlungselemente des Kriminalromans, in denen beispielsweise Verbrechen, Flucht, Verfolgung usw. erzählt werden. Die „Analy- sis umfasst all jene Elemente, die dem Detektivroman den ‚Charakter einer Denksport- aufgabe‘ geben, [...]“.26 Demzufolge handelt es sich dabei um die intellektuellen An- strengungen, welche für die Lösung des Rätsels erforderlich sind. Während die „Ac- tion“-Abschnitte erzählt werden, können die analytischen Passagen „nur besprochen werden“.27 Das dritte Element „Mystery“ bezeichnet „jene planmäßige Verdunkelung des Rätsels, die am Schluss einer sensationellen Erhellung Platz macht“.28 Dieses Ge-heimnis dient als Analyseanlass und zieht sich durch die gesamte Narration. Im Detek- tivroman überwiegen die miteinander einhergehenden Elemente „Analysis“ und „Mys- tery“, während die „Action“ in den Hintergrund rückt.
Auf struktureller Ebene lässt sich ein weiteres charakteristisches Merkmal des Detektivromans erkennen: seine analytische Erzählweise. Dies bedeutet, dass das Ge- schehen voranschreitet, während es sich auf bereits Vergangenes bezieht, weshalb der Erzählung einerseits eine umgekehrte Chronologie zugrunde liegt.29 Andererseits ver- läuft die Detektivarbeit chronologisch, das heißt sie ist zukunftsgerichtet. Daraus lässt sich schließen, dass der Detektivroman auf einer „‚Doppelstruktur‘“ basiert, in der zwei Handlungsstränge aufeinander treffen, deren Zeitachsen entgegengesetzt verlaufen. 30
Dies dient als Voraussetzung des gattungsspezifischen Spannungssaufbaus, welcher sich in zwei Kategorien differenzieren lässt. Zunächst wird im Detektivroman immer eine Rätselspannung erzeugt, die sich auf das bereits Geschehene, das analytisch Er- zählte, bezieht.31 Des Weiteren existiert eine Zukunftsspannung, die sich auf die vor-wärts gerichtete Zeitachse, somit also auf die Lösung des Rätsels, richtet.32 Demzufolge ist die Spannung im Detektivroman ebenfalls eher intellektueller Natur.
Bedingt durch Struktur und Inhalt neigt der Detektivroman zu einem eher be- grenzten Umfang.33
1.3. Der Thriller
Auch der Thriller folgt einer Strukturformel, die sich allerdings etwas offener gestaltet als die des Detektivromans. Er beginnt mit der „Hinführung zum Verbrechen (Motivati- on des Täters, Planung) [, woraufhin das] Verbrechen [sowie die] Verdunkelung des Verbrechens (oft durch weitere Verbrechen) [folgen]“.34 Demzufolge ist der Ausgangs- punkt des Thrillers nicht ein vollendetes Verbrechen, sondern seine Vorbereitung wel- che zur Ausführung hinführt. Bei der ausgeführten Tat muss es sich nicht zwangsläufig, wie im Detektivroman, um einen „einfachen“ Mord handeln, sondern die Art des Ver- brechens kann variieren.35 Es spiegelt aber immer das Resultat einer Planungsphase wieder, welche der Leser aktiv „als Zeuge“ mitverfolgen kann.36
[...]
1 Nusser, Peter: Der Kriminalroman, Stuttgart 2004, S.21.
2 Vgl. Müller, Elfriede/ Ruoff, Alexander: Histoire noire. Geschichtsschreibung im französischen Krimi- nalroman nach 1968, Bielefeld 2007, S.60.
3 Nusser, Peter: Der Kriminalroman, S.7.
4 Vgl. ebd., S. 84.
5 Vgl. ebd., S.87.
6 Vgl. ebd., S.1.
7 Vgl. ebd., S.1.
8 Ebd., S.1.
9 Vgl. Kniesche, Thomas: Einführung in den Kriminalroman, Darmstadt 2015, S.8.
10 Ebd., S.8
11 Vgl. Hüttl, Gudrun: Spuren des Kriminalromans in der französischsprachigen Gegenwartsliteratur. Eine Analyse ausgewählter Erzähltexte, Graz 2009, S.6.
12 Ebd., S.6.
13 Vgl. ebd., S.22.
14 Nusser, Peter: Der Kriminalroman, S.2.
15 Ebd., S.21.
16 Vgl. ebd., S.21.
17 Vgl. Hüttl, Gudrun: Spuren des Kriminalromans in der französischsprachigen Gegenwartsliteratur. Eine Analyse ausgewählter Erzähltexte, S.10.
18 Vgl. Nusser, Peter: Der Kriminalroman, S.24.
19 Vgl. ebd., S.25-29.
20 Ebd., S.29.
21 Vgl. ebd., S.29.
22 Vgl. ebd., S.30.
23 Vgl. ebd., S.26.
24 Vgl. ebd., S.26.
25 Vgl. ebd., S.30.
26 Ebd., S.30.
27 Ebd., S.30.
28 Ebd., S.31.
29 Vgl. ebd., S.31.
30 Kniesche, Thomas: Einführung in den Kriminalroman, S.14.
31 Vgl. Nusser, Peter: Der Kriminalroman, S.32.
32 Vgl. ebd.,S.32.
33 Vgl. ebd., S.6.
34 Kniesche, Thomas: Einführung in den Kriminalroman, S.16.
35 Vgl. Nusser, Peter: Der Kriminalroman, S.51.
36 Ebd., S.51.