In dieser Arbeit soll das Auftreten Ereškigals in den Mythen „Nergal und Ereškigal“, „Inannas/Ištars Gang in die Unterwelt“ und dem „Gilgameš-Epos“ untersucht werden, mit der vordergründigen Frage ob sie als abscheuliches Monster oder doch als ganz ‚normale‘ Göttin dargestellt wird. Hinzu kommt die Frage, wie es den Akteuren der Mythen gelang aus der Unterwelt wieder zu entkommen und der Macht der Ereškigal zu entrinnen. Des Weiteren soll die Unterwelt an sich auch kurze Beachtung finden, vor allem in Bezug auf ihre wichtigsten Bewohner, ihre Topographie und ihrem Aussehen, sowie dem Leben ihrer Bewohner.
Im mesopotamischen Glauben war die Unterwelt keinesfalls ein Ort des Chaos, in den die Verstorbenen nach ihrem Tod gegangen sind. Sie war vielmehr eine geordnete ‚Welt‘, in der aber kein vergleichbarer Lebensstandard vorherrschte wie in der oberirdischen Welt. Ihr konnte im Grunde keiner entkommen. Selbst unsterbliche Götter konnten ihr eigentlich nicht entrinnen, wodurch sie immer über ihre Boten, für die dies nicht galt, zur Kommunikation mit der Unterwelt benutzten. Für Ereškigal war die Situation nicht viel anders. Sie konnte nicht die oberirdische Welt betreten, weshalb sie mit Hilfe ihres Boten Namtar, mit den oberirdischen Göttern in Verbindung trat.
Die jenseitige Welt ist ein „Haus der Finsternis“, „ein Haus, dessen Bewohner des Lichtes entbehren“. Da es, wie bereits erwähnt, von diesem Ort kein Entrinnen gab, nannte man ihn auch kurnugi „das Land ohne Wiederkehr“. Andere Namen waren aber auch „das Haus des Geschickes“ eines jeden Menschen, „das große Haus“, „die Totenstadt“ oder auch „das Haus des Staubes“. Gelegentlich ist auch der Name Kutha zu finden, welches die Nekropole der Stadt Babylon war. Hier befand sich auch der Tempel der Ereškigal é.eri.gal, das „Haus der großen Stadt“.
Ereškigal nun war die Herrin der Unterwelt oder wie ihr sumerischer Name, Ereš-ki-gal bereits sagt, die „Herrin des großen Landes“. Ihr Auftreten in mesopotamischen Mythen und Epen ist zahlreich, aber vor allem im Zusammenhang mit dem Unterweltsgang einer bestimmten Person oder eines Gottes. Andere Namen für sie waren im Laufe der Zeit Al-la-tum, Ama-áb-zi-kur-ra, Gašan-ki-gal, Gù-a-nu-si und Kù-an-ni-si. Sie ist die Gemahlin des Nergal und des Nin-azu. Der Sohn, den sie mit Enlil hat, ist Namtar, welcher gleichzeitig ihr Bote und Wesir ist. Außerdem hat sie eine Tochter Nungalla.
INHALTSVERZEaICHNIS
1. Einleitung
2. Allgemeine Betrachtungen zur Unterwelt
2.1 Topographic und Aussehen der Unterwelt
2.2 Das Leben in der Unterwelt
2.3 Die wichtigsten Gotter der Unterwelt
3. Der Gang in die Unterwelt
3.1 „Nergal und Ereskigal“
3.2 „Istars Hollenfahrt“ bzw. „Inannas Gang in die Unterwelt“
3.3 „Der Gilgames-Epos“ bzw. „Gilgames, Enkidus und die Unterwelt“
4. Schlussbemerkungen
5. Anhang
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im mesopotamischen Glauben war die Unterwelt keinesfalls ein Ort des Chaos, in den die Verstorbenen nach ihrem Tod gegangen sind. Sie war vielmehr eine geordnete ,Welt‘, in der aber kein vergleichbarer Lebensstandard vorherrschte wie in der oberirdischen Welt. Ihr konnte im Grunde keiner entkommen. Selbst unsterbliche Gotter konnten ihr eigentlich nicht entrinnen, wodurch sie immer uber ihre Boten, fur die dies nicht galt, zur Kommunikation mit der Unterwelt benutzten. Fur Ereskigal war die Situation nicht viel anders. Sie konnte nicht die oberirdische Welt betreten, weshalb sie mit Hilfe ihres Boten Namtar, mit den oberirdischen Gottern in Verbindung trat.1
Die jenseitige Welt ist ein „Haus der Finsternis“, „ein Haus, dessen Bewohner des Lichtes entbehren“. Da es, wie bereits erwahnt, von diesem Ort kein Entrinnen gab, nannte man ihn auch kurnugi „das Land ohne Wiederkehr“. Andere Namen waren aber auch „das Haus des Geschickes“ eines jeden Menschen, „das grofie Haus“, „die Totenstadt“ oder auch „das Haus des Staubes“. Gelegentlich ist auch der Name Kutha zu finden, welches die Nekropole der Stadt Babylon war. Hier befand sich auch der Tempel der Ereskigal e.eri.gal, das „Haus der grofien Stadt“.2
Ereskigal nun war die Herrin der Unterwelt oder wie ihr sumerischer Name, Eres-ki-gal bereits sagt, die „Herrin des grofien Landes“. Ihr Auftreten in mesopotamischen Mythen und Epen ist zahlreich, aber vor allem im Zusammenhang mit dem Unterweltsgang einer bestimmten Person oder eines Gottes. Andere Namen fur sie waren im Laufe der Zeit Al-latum, Ama-ab-zi-kur-ra, Gasan-ki-gal, Gu-a-nu-si und Ku-an-ni-si. Sie ist die Gemahlin des Nergal und des Nin-azu. Der Sohn, den sie mit Enlil hat, ist Namtar, welcher gleichzeitig ihr Bote und Wesir ist. Aufierdem hat sie eine Tochter Nungalla. Epitheta mit denen Ereskigal haufig bezeichnet wurde sind ahat Istar, ahatu rabitu, asibat e-urugal, belit ersiti, hirti naramti Nergal, iltu rabitu, rubatu sirtu, sa e-ri-ja la ra ’imija idikku, sarratu, sarrat aralli, sarrat irsiti und tamtu?3
In dieser Arbeit soll nun ihr Auftreten in den Mythen „Nergal und Ereskigal“, „Inannas/Istars Gang in die Unterwelt“ und dem „Gilgames-Epos“ untersucht werden, mit der vordergrundigen Frage ob sie als abscheuliches Monster oder doch als ganz ,normale‘ Gottin dargestellt wird. Hinzu kommt die Frage, wie es den Akteuren der Mythen gelang aus der Unterwelt wieder zu entkommen und der Macht der Ereskigal zu entrinnen. Des Weiteren soll die Unterwelt an sich auch kurze Beachtung finden, vor allem in Bezug auf ihre wichtigsten Bewohner, ihre Topographie und ihrem Aussehen, sowie dem Leben ihrer Bewohner.
2. Allgemeine Betrachtungen zur Unterwelt 2.1 Topographie und Aussehen der Unterwelt
Zwar lag sie direkt unter der oberirdischen Erde, jedoch war ihr Eingang weit im Westen zu suchen. Es wird gesagt, dass er sich in einer Entfernung von 3600 Meilen befinden muss, was fur die damalige Zeit gleichbedeutend mit einer unendlichen Entfernung war. Die Menschen stellten sie sich, als Stadt mit Palast und einer Stadtmauer mit 7 bzw. 14 Toren vor.
Den Mittelpunkt der Unterweltsstadt bildet ihr Palast, der von sieben Mauern umgeben war. Hierher ruhrt auch der Glaube an die sieben Tore, wo jedes von jeweils einem Pfortner bewacht wird. Der Glaube an die 14 Tore konnte darin begrundet sein, dass man sich die Mauern als Ringmauern vorstellen muss, die von zwei Seiten jeweils sieben Tore hatten. Diese Vorstellung wird jedoch nur im Mythos „Nergal und Ereskigal“ in der Amarna-Version erwahnt.4 Der Zweck dieser Tore ist naheliegend, sie sollen unerwunschte Besucher fernhalten, wodurch den Toren wohl auch eine gewisse magische Komponente zugesprochen werden darf. Nach dem Durchschreiten der Tore gelangt man schlussendlich in einen Vorhof, von dem aus noch das bit narmaki, das Badehaus, in welchem verschiedene Reinigungsriten durchgefuhrt wurden, erreicht werden kann.5
Wie bereits erwahnt musste der Tode viele Meilen zurucklegen um in die Unterwelt zu gelangen. Aber wie sollte er das bewerkstelligen? Fur seine Uberfahrt wurde ihm ein Modell eines Segelbootes mit ins Grab gelegt; aufierdem wurde den Totengeistern, die als kleine Figurchen dargestellt worden waren, genugend Proviant gegeben, damit sie den Toten in Ruhe ziehen lassen. Des Weiteren wurde das Grab des Toten in Richtung Westen ausgerichtet.6
Die Grenze, die der Tote bei seiner Reise uberwinden musste, bildete der Unterweltsfluss mit dem sumerischen Namen Illurugu, „Fluss der den Menschen entgegenfliefit“. Ein weiterer Name fur ihn war Hubur, der mit Hilfe eines Pfortners, welcher Humut-tabal, „nimm eilends fort“ oder Ursanabi hiefi, durchquert werden konnte. Dieser Fluss soll insgesamt sieben Nebenarme gehabt haben, da er ebenfalls der Ort der Schicksalsbestimmung war. Zum Schluss sei noch der Unterweltsozean Apsu erwahnt, uber welchen Ea herrschte.7
2.2 Das Leben in der Unterwelt
Sie ist ein Ort „dessen Bewohner das Licht entbehren mussen“, wo „Staub ihr Essen und Lehm ihre Speise“ ist (asibusu zummu nur a asar epru bubussina akalsina titti).8 Des Weiterhin steht am Beginn von Istars Hollenfahrt, wo uns einen guten Einblick in das Dasein in der Unterwelt gewahrt wird, geschrieben: „Staub liegt auf den Turen und Riegeln“ (eli dalti u sikkuri sabuh epru) (IH 8), „ich werde getrubtes Wasser trinken wie Bier“ (titta kima sikari asatta me dalhuti) (IH 33). Jedoch scheinen dies nicht die einzigen Speisen in der Unterwelt zu sein, da wohl eher nicht anzunehmen ware, dass Ereskigals Anteil am Festmahl der Gotter nur aus Staub, Lehm und getrubten Wasser bestand. Hinzukommt, dass Nergal von Ea vor seinem Abstieg gewarnt wurde, dass er weder Brot, Fleisch noch Rauschtrank in der Unterwelt konsumieren soll (II 41 ff.).9
Aber nicht nur Ereskigal, sondern auch Konigen scheint es in der Unterwelt recht gut zu ergehen. Dies wird vor allem Sichtbar am Beispiel der Konige von Ur. Sie liefien sich mit ihrer gesamten Entourage und kostbaren Gegenstanden begraben.10
Das schrecklichste Schicksal erleiden jedoch die Toten die nicht ordnungsgemafi bestattet wurden, eines unnaturlichen Todes starben oder aber der Anonymitat anheimgefallen sind. Diese befanden sich in einem Zwischenzustand, da ihnen der Eintritt ins Totenreich verwehrt blieb; d.h. sie hatten zwar das diesseitige Leben beendet, konnten aber ihr jenseitiges Leben nicht beginnen und wurden somit zu unruhestiftenden Totengeistern. Einer der gefahrlichsten Totengeister war aber ein Fotus, da dieser noch ohne Namen war und somit undefinierbar war, wodurch er nicht beschwort werden konnte.11
2.3 Die wichtigsten Gotter der Unterwelt
Die altesten Uberlieferungen bezeugen, dass die Unterwelt von einer Gottin, Ereskigal, beherrscht worden sei. Jedoch schob sich im Laufe der Zeit ein Gott an ihre Stelle und herrschte mit ihr parallel oder auch allein. Dieser war Nergal, „der Herr des Grabes“. Des Weiteren wird noch der Gott Erra, der Gott der Seuchen und des Kriegsgemetzels, erwahnt. Dieser war jedoch seit Mitte des 2.Jts. v. Chr. so eng mit Nergal verbunden, dass erzusammen mit ihm verehrt wurde. Ihre Funktion war jedoch stets die Gleiche. Sie sollten das Bose und Unheil bannen und an einem sicheren Ort einsperren.12
Ereskigal erhielt die Unterwelt, laut dem Mythos „Gilgames, Enkidu und die Unterwelt“, im Zuge der Aufteilung nach der Weltschopfung. Sie war keine typische Unterweltsgottin, da ihr jegliche schaudererregende Zuge fehlten, die in anderen Vorstellungen den Gott bzw. die Gottin des Jenseits auszeichnen.13 So z.B. wurde Hades im griechischen Glauben mit Epitheta, wie nsXmpioq „der Ungeheure, Furchtbare“ oder auch ada^aazog „der Ungebandigte“, versehen, die bei Ereskigal fehlen. Sie nahm mehr die Rolle einer Verfuhrerin ein, deren Charme keiner entgehen konnte.14 Ihre Hauptfunktion bestand jedoch darin die Toten zu empfangen und sie in den Regeln und Pflichten des Jenseits zu unterweisen. Sie gebot des Weiteren uber die Anunnaki, welches ein Oberbegriff fur die Gotter der Unterwelt ist. In spaterer Zeit aber, als Nergal sich in den Machtbereich der Ereskigal geschoben hatte, wird auch er als Herrscher diese Gruppe genannt.15
Der Gott Nergal ist ein Geschopf, das vom Aussehen ausgehend, mehr an einen Unterweltsbewohner erinnert. Er wird beschrieben als buckeliger und lahmer Gott.16 Er war Unterweltsgott, Kriegsgott, Lichtgott, Gestirnsgott, Pestund Seuchengott/Krankheitsgott, aber auch Gott der Fruchtbarkeit und Vegetation. Diese Wesenszuge vertrat er jedoch nicht zur selben Zeit, sondern im Laufe seiner Geschichte. Das Besondere an ihm ist, dass er eigentlich ein oberirdischer Gott war, der in der Gotterhierarchie keine bedeutende Rolle spielte und nur durch Verstofie gegen Normen in die Unterwelt kam.17
Ein weiterer Unterweltsbewohner der hier genannt sei, ist Namtar, dessen Name mit ,Schicksalsbestimmer‘ zu ubersetzen ist. Er war nicht nur Wesir und Bote der Ereskigal, sondern auch Herrscher uber die 60 Krankheiten und somit Botschafter des Todes.18 Zuletzt seien nun noch die sieben Torwachter erwahnt, deren Aufgabe es war den Zugang zur Unterwelt zu kontrollieren. Ihre Namen finden sich in KAR 142 IV 12-15: dne-dug, dki-sar, den-da-surim-ma, den-uru-ul-la, den-dmku-ga, den-du6-suba, den-nu-gU-gU, 7 date sa deres-kigal. Nedu ist der Oberpfortner oder auch als „Pfortner der Erde“ beschrieben. Er hatte einen Lowenkopf und die Fufie eines Vogels. Es folgen Endasurina, „Herr, der die Hutte schutzt“, Endukuga, „Herr der reinen Wohnung“ und Endusuba, der „Herr der glanzenden Wohnung“.
[...]
1 B. Groneberg, Die Gotter des Zweistromlandes. Kulte, Mythen, Epen (Dusseldorf 2004) 197.
2 V. Haas, Magie und Mythen in Babylonien. Von Damonen, Hexen und Beschworungspriestern (Gifkendorf
1986) 88.
3 K. Tallqvist, Akkadische Gotterepitheta. Mit einem Gotterverzeichnis und einer Liste der pradikativen
Elemente der sumerischen Gotternamen, SO 7 (Helsingforsiae 1938) 307/308.
4 V. Haas (Gifkendorf 1986) 89.
5 M. Hutter, Altorientalische Vorstellungen von der Unterwelt. Literarund Religionsgeschichtliche Uberlegungen zu „Nergal und Ereskigal“, OBO SA 63 (Freiburg, Gottingen 1985) 160/1.
6 V. Haas (Gifkendorf 1986) 94.
7 V. Haas (Gifkendorf 1986) 95.
8 N. H. Walls, Desire, discord and death. Approaches to ancient Near Eastern myth (Bosten 2001) 141.
9 M. Hutter (Freiburg, Gottingen 1985) 162.
10 V. Haas (Gifkendorf 1986) 102.
11 V. Haas (Gifkendorf 1986) 105/6.
12 V. Haas (Gifkendorf 1986) 95/96; B. Groneberg (Dusseldorf 2004) 199.
13 M. Hutter (Freiburg, Gottingen 1985) 73-75.
14 N. H. Walls (Bosten 2001) 143.
15 B. Groneberg (Dusseldorf 2004) 197; N. H. Walls (Bosten 2001) 134.
16 B. Groneberg (Dusseldorf 2004) 197.
17 M. Hutter (Freiburg, Gottingen 1985) 70,73.
18 M. Hutter (Freiburg, Gottingen 1985) 75, S. H. Hooke, Babylonian and assyrian religion (London 1953) 32.