Augustinus gilt zu Recht als eine der prominentesten Persönlichkeiten der Spätantike und als eine der großen Figuren der lateinischen Literaturgeschichte. Auf ungefähr 5,2 Millionen Wörter beläuft sich –so schätzt man– sein literarisches Erbe, womit er Platon und Aristoteles, die beiden bedeutendsten Philosophen und Schriftsteller des Altertums, um Längen übertrifft. Die Hymnen und Lobpreisungen, die sich posthum über ihn ergossen, sind lang und vereinigen einige Superlative in sich: So titulierten ihn der irische Bischof Richard Hanson 1985 als „eine(n) der größten Geister, die je auf diesem Planeten gelebt haben“ und der deutsche Theologe Roderich Erwin von Kienitz als „eine(n) der tiefsten Denker des Abendlandes, eine der universalsten Gestalten der Menschheit.“
Doch nicht die bloße Quantität allein ist es, die Augustinus als historische, literarische oder theologische Persönlichkeit zu einer exponierten Stellung verhilft. Vielmehr ist es der Mensch Augustinus und dessen Lebensweg, der die Menschen bereits zu Lebzeiten fasziniert hat. Die Ambivalenz seiner Persönlichkeit, die ständige Suche nach der religiösen „Wahrheit“ und vor allem das jugendliche „Ich“ des späteren Kirchenvaters, das geprägt war durch sexuelle Abenteuer und enge Freundschaften, führten seit jeher zu einem großen Interesse an seiner Person.
Als ambivalent kann auch das Verhältnis Augustins zu Vergil beschrieben werden, das den thematischen Schwerpunkt dieser Arbeit bildet. Dieses war mindestens genauso außergewöhnlich und durch Gegensätze gekennzeichnet wie der Lebensweg des berühmten Kirchenvaters selbst kurvenreich war. Seine Beziehung zu dem berühmten Poeten und Epiker folgte keiner stringenten Entwicklungslinie, sondern sie stellte sich in den unterschiedlichen Lebensphasen des späteren Bischofs von Hippo Regius unterschiedlich dar. Aufgabe dieser Darstellungen soll es sein, das konträre Verhältnis des späteren Christen Augustinus zum Epiker Vergil auf Grundlage der Textstelle conf. 1,13,20 einer genauen Untersuchung zu unterziehen, indem ein besonderes Augenmerk auf den Inhalt der Textstelle und die Wortwahl gelegt werden soll, mit der Augustinus über Vergil und dessen Helden spricht. Wenn in den folgenden Ausführungen aus den Confessiones des Augustinus zitiert beziehungsweise übersetzt wird, so dient die Textausgabe von Martin Skutella (Bibliotheca Teubneriana) als Grundlage.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hinführung
- Der Umgang der Kirchenväter mit paganer Literatur
- Die „Lösung“ des Problems mittels der Chrêsis
- Augustins Umgang mit Vergil
- Untersuchung der Textstelle
- Überblick über die Confessiones und Kontextualisierung der Textstelle
- Analyse der Textstelle conf. I, 13, 20
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das komplexe Verhältnis des Kirchenvaters Augustinus zum römischen Epiker Vergil anhand der Textstelle conf. I, 13, 20. Im Zentrum steht die Analyse von Augustins Wortwahl und der Bedeutung der Textstelle im Kontext seiner Confessiones.
- Die Ambivalenz des Verhältnisses zwischen Augustinus und Vergil
- Der Umgang der Kirchenväter mit paganer Literatur
- Die Rolle der Chrêsis bei der Integration heidnischer Werke in die christliche Welt
- Die Bedeutung der Textstelle conf. I, 13, 20 für die Interpretation von Augustins Werk
- Die Bedeutung von Vergil als Schulautor in der römischen Antike
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt den Leser in die Persönlichkeit und das Werk des Kirchenvaters Augustinus ein und stellt die Thematik des Verhältnisses Augustinus zu Vergil vor. Die Hinführung beleuchtet die Schwierigkeiten der christlichen Kirchenväter im Umgang mit paganer Literatur und die Bedeutung der Chrêsis als Methode der Interpretation heidnischer Texte. Im Kapitel "Untersuchung der Textstelle" wird die Textstelle conf. I, 13, 20 im Kontext der Confessiones analysiert und die besondere Bedeutung der Wortwahl Augustins hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Augustinus, Vergil, Confessiones, Chrêsis, Kirchenväter, pagane Literatur, lateinische Literatur, Spätantike, römisches Kaiserreich, Schulautor, Aeneas, numen, olympische Götter
- Arbeit zitieren
- Master of Education Henning Isenberg (Autor:in), 2017, "Cogebar (...) plorare Didonem mortuam". Eine Untersuchung über Augustus’ konträres Verhältnis zu Vergil auf Grundlage der Textstelle conf. I, 13, 20, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/446900