Der Annalist des Klosters Lorsch berichtet für das Jahr 794 von einer Synode Karls des Großen in Frankfurt, auf der der Mönch Tassilo Karl unter Tränen um Verzeihung für seine Untreue und um Versöhnung bat. Tassilo verzichtete endgültig auf alle Ansprüche auf die bairische Herzogswürde für sich und die Agilolfinger und übertrug dem König seinen gesamten Besitz in Bayern. Eine seltsame Szene! Tassilo und seine ganze Familie lebten schon seit sechs Jahren in Klosterhaft, nachdem die Reichsversammlung 788 in Ingelheim ihn wegen Untreue und Fahnenflucht verurteilt und abgesetzt hatte. Warum ließ Karl den ehemaligen Herzog Tassilo III. von Bayern noch einmal öffentlich auftreten und auf eine Würde verzichten, die er schon lange nicht mehr innehatte?
Zur Beantwortung werde ich nach der Vorstellung der Quellenlage und des Forschungsstandes zunächst eine kurze Erläuterung der besonderen Stellung des „ducatus Baiuvariorum“ und der Agilolfinger im Frankenreich geben. Es folgen die Schlüsselszenen in der Biographie des Herzogs im Spiegel der Quellen und der aktuellen Forschung. Auf der Basis der Erkenntnisse und der Ereignisse der Jahre nach der Absetzung sollten die Motive zu erkennen sein, die den Auftritt während der Frankfurter Synode erklären.
Inhalt
Einleitung
1. Quellenlage und Forschungsstand
2. Das Ducatus Baiuvariorum im 8. Jahrhundert
2.1 Die autonome Stellung Bayerns im Frankenreich
2.2 Die Agilolfinger und ihr Konflikt mit den Karolingern
3. Der Sturz Tassilos III. im Spiegel der Quellen
3.1 Der Herrschaftsbeginn im Zeichen der fränkischen Vormundschaft
3.1.1 Die Frage der Vasallität (748 und 757)
3.1.2 Die Frage der Fahnenflucht von 763
3.2 Unabhängigkeit und Amicitia mit Karl dem Großen
3.3 Die Wende in Karls Politik und Tassilos Absetzung
3.3.1 Der Sturz in die Vasallität 787
3.3.2 Der Ingelheimer Prozess
3.4 Die Abdankung während der Frankfurter Kirchensynode von 794
Fazit
Abb.1 Das Bairische Stammesherzogtum um 788.
Abb.2 Stammbaum Tassilos III.