In dieser Arbeit beschäftige ich mich mit der Leitfrage „Inwiefern werden Ebenen gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktion mithilfe eines evolutionären Mehrebenenmodells erklärt?“ und analysiere dabei auf Grundlage eines evolutionären Mehrebenenmodells, ob die gesellschaftliche Wirklichkeitskonstruktion erfolgreich erklärt wurde. Im zweiten Kapitel dieser Hausarbeit beschäftige ich mich mit den Ebenen der gesellschaftlichen Wirklichkeitskonstruktion und erläutere sie jeweils einzeln. Zuerst erkläre ich das Modell, worauf eine Beschreibung der einzelnen Medien-Ebenen folgt: Die Mikro- Medien, die Meso-Medien und die Makromedien. Das dritte Kapitel beinhaltet die einzelnen komplexitätsreduktiven Selektionsstufen: Variation, Selektion und die Restabilisierung. Schließlich verdeutliche ich die Forschungsergebnisse der Hausarbeit in einem Fazit.
Im Jahr 2018 ist es jedem, der ein Smartphone oder Notebook mit Internetanschluss hat, möglich, sich auf eines der Portale im Social Web kostenlos zu registrieren und in permanenter Interaktion mit den Usern zu stehen sowie das Geschehen mit seinem selbstkonstruierten Feedback in Form von ‚Postings‘ zu kommentieren. Im Jahr 2017 nutzt der Durchschnittsbürger der Bundesrepublik Deutschland das Internet 89 Minuten am Tag. Da wir einem permanenten Fluss an Informationen, sowie einer ausgebauten, dynamisierten Kommunikationsstruktur, entgegenstehen, kann es als eines der wichtigsten Medien in unserer Wirklichkeitskonstruktion angesehen werden. Welche weiteren Medien die Gesellschaft nutzt, um die Wirklichkeit zu konstruieren und welche Mechanismen entscheiden, welche Inhalte relevant sind und welche eher weniger, ist bis hierher noch unklar und aufgrund dessen ein Analysegegenstand dieser Hausarbeit.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Ebenen gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktion
2.1. Das Modell
2.2. Mikro-Medien
2.3. Meso-Medien
2.4. Massenmedien
3. Komplexitätsreduktive Selektionsstufen
3.1. Variation
3.2. Selektion
3.3. Restabilisierung
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Jahr 2003 berichten Schenk und Wolf im Auftrag der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg über die Internetnutzungsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland und zeigen mittels einer Klassifikation der Befragten in verschiedene Kategorien einige Auffälligkeiten in der Verteilung des Konsums: 74,5 Prozent aller Befragten nutzen das Internet täglich oder sogar mehrmals die Woche, der größte Teil der Internetnutzer verfügt über ein Haushaltsnettoeinkommen von über 2.000 Euro und 45,6 Prozent hat eine erworbene Hochschulreife oder ein abgeschlossenes Studium. Der größte Teil der Internetnutzer ist mit 69,4 Prozent erwerbstätig. In der Altersspanne von 30-49 Jahren wird das Internet mit 47,9 Prozent am häufigsten genutzt; in der jüngsten Altersgruppe (14-29 Jahre) nutzen nur 33,7 Prozent das Internet. Die Statistik beweist, dass eine Nutzerstruktur im Hinblick auf den Internetkonsum erkannt werden kann und je nach Klassifikation der Befragten das Nutzen des Internets jeweils unterschiedlich verteilt ist (vgl. Schenk/Wolf 2002: 32). Nun stellt sich folgende Frage: Wie sieht die Nutzerstruktur 16 Jahre später aus? Gibt es eine Nutzerstruktur oder wird das Internet vollkommen barrierefrei von der gesamten Ge- Seilschaft genutzt? Mittlerweile kann dem Sektor eine entsprechend größere Relevanz und folglich die Ausbreitung der Kommunikationsbranche, sowie deren wachsender Anteil an der Wirtschaft, zugesprochen werden. Insbesondere das Internet dient als ein globalisiertes Kommunikationsmedium. ״Das Internet ist zu einer wesent- liehen infrastrukturellen Grundlage sozialen Handelns und Verhaltens geworden und eröffnet kollektiven Formationen der unterschiedlichsten Art neue Artikulations- und Aktivitätsmöglichkeiten“ (Dolata/Schrape 2018: 1). Die Angebote im Internet haben sich 2018 im Vergleich zum Jahr 2002, als sich das Internet in einer Stabilisierungsphase befindet und sich zuerst nur in einzelnen Teilen der Gesellschaft bemerkbar macht, um zahlreiche Handlungsmöglichkeiten erweitert (vgl. Schenk/Wolf 2002: 32). Einige neue Strukturen dominieren das Web 2.0: ״[...] Dazu gehören Massenphänomene wie [...] Amazon, Nutzerkollektive von Social-Networking-Diensten wie Face- book, Instagram, WhatsApp oder Snapchat, Publikations- und Rezeptionsnetzwerke auf YouTube, [...] Filesharing, [...] (,Shitstorms‘) oder um Hashtags gruppierte Diskussionszusammenhänge auf Twitter, [...] [auch] organisierter auftretende Interessen- und Produktionsgemeinschaften [...] oder der Erarbeitung freier Inhalte (z.B. Wikipedia) sowie soziale Bewegungen [...] [gehören zu den neu organisierten strukturen im Web] (Dolata/Schrape 2018: 1 ff). 2002 wurde die Internetnutzung noch von Klassifikationen dominiert. Im Jahr 2018 ist es jedem, der ein Smartphone oder Notebook mit Internetanschluss hat, möglich, sich auf eines der Portale im Social Web kostenlos zu registrieren und in permanenter Interaktion mit den Usern zu stehen sowie das Geschehen mit seinem selbstkonstruierten Feedback in Form von ,Postings‘ zu kommentieren. Im Jahr 2017 nutzt der Durchschnittsbürger der Bundesrepublik Deutschland das Internet 89 Minuten am Tag (vgl. Statista: 2018). Da wir einem permanenten Fluss an Informationen, sowie einer ausgebauten, dynamisierten Kommunikationsstruktur, entgegenstehen, kann es als eines der wichtigsten Medien in unserer Wirklichkeitskonstruktion angesehen werden. Welche weiteren Medien die Gesellschaft nutzt, um die Wirklichkeit zu konstruieren und welche Mechanismen entscheiden, welche Inhalte relevant sind und welche eher weniger, ist bis hierher noch unklar und aufgrund dessen ein Analysegegenstand dieser Hausarbeit.
Daher beschäftige ich mich mit der Leitfrage ״Inwiefern werden Ebenen gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktion mithilfe eines evolutionären Mehrebenenmodells erklärt?“ und analysiere dabei auf Grundlage eines evolutionären Mehrebenenmodells, ob die gesellschaftliche Wirklichkeitskonstruktion erfolgreich erklärt wurde? Im zweiten Kapitel dieser Hausarbeit beschäftige ich mich mit den Ebenen der gesellschaftliehen Wirklichkeitskonstruktion und erläutere sie jeweils einzeln. Zuerst erkläre ich das Modell, worauf eine Beschreibung der einzelnen Medien-Ebenen folgt: Die MikroMedien, die Meso-Medien und die Makromedien. Das dritte Kapitel beinhaltet die einzelnen komplexitätsreduktiven Selektionsstufen: Variation, Selektion und die Resta- bilisierung. Schließlich verdeutliche ich die Forschungsergebnisse der Hausarbeit in einem Fazit.
2. Die Ebenen gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktion
Wie Luhmann in seinem Werk ״Die Gesellschaft der Gesellschaft“ schreibt, senkt sich jeden Morgen und jeden Abend unausweichlich das Netz der Nachrichten auf die Erde nieder und legt fest, was gewesen ist und was man zu gewärtigen hat (vgl. Luhmann 1997: 1097). Damit abstrahiert er die Medienkommunikation auf das Wesentliche. Ulrich Saxer beschreibt die Medienkommunikation in modernen Gesellschaften ״[...] als ein sogenanntes soziales Totalphänomen [...] d.h. [die Medienkommunikation] reicht gemäß dieser gängigen Auffassung in alle erdenklichen Schichten des individuellen und kollektiven Seins (vgl. Saxer 1998: 10). In seinem Werk schreibt er davon, dass, zum einen die Gesellschaft turbulent ist, sodass permanent Ereignisse auftauchen, über welche es sich zu berichten lohnt und zum anderen die Massenmedien an sich reflexiv mit ihrem Material umgehen und selbst zum Produzenten werden (vgl. Luhmann 1997: 1097).
Durch die Ausdifferenzierung der Medien in Fernsehnachrichten, Zeitungsartikel etc. wird ein Überschuss an Kommunikationsmöglichkeiten erzeugt: Durch die Vielzahl an Medienberichten, die geboten werden, kommt es ״[...] zu einer sehr scharfen Selektion dessen, was mitgeteilt werden kann, und dann noch zu einer Selektion dessen, was (journalistisch bzw. fernsehtechnisch) »gut« mitgeteilt ist (vgl. Luhmann 1997: 1099). Wird in Betracht gezogen, dass ein Teilbereich der medialen Funktion von der Selektion, Mitteilung und Verbreitung der einzelnen Ereignisse innerhalb einer Gesellschaft dominiert wird, liegt der Gedanke nicht fern, dass die Hauptfunktion der Medien die Bildung einer öffentlichen Meinung ist (vgl. Luhmann 1997: 1099). Luhmann schreibt über die öffentliche Meinung, dass sie ״[... ] zur Autopoiesis der Gesellschaft [beiträgt], denn es geht ja um Kommunikation, aber sie formuliert keinen Konsens darüber, was die Gesellschaft ist oder sein soll [...], ihre Funktion liegt nicht in der gesellschaftlichen Integration, sondern darin, ein Beobachten von Beobachtern zu ermöglichen“ (Luhmann 1997: 1099).
In seinem Werk beschreibt er diejenigen Selektionsmechanismen, auf Grundlage welcher die Massenmedien die ״öffentliche Meinung“ reflektieren; dabei unterteilt er die Selektion in Sinndimensionen (Luhmann 1997: 1099): In der Sachdimension werden quantitative Inhalte bevorzugt, d.h. folgenschwere Ereignisse, mit einer großen Anzahl an Betroffenen; dazu zählen Millionenschäden, Tausende von Toten etc. (vgl. Luhmann 1997: 1099). Das zweite Kriterium sei die Neuartigkeit des Berichts: das Ereignis solle über einen überraschungswert und zugleich einen zusätzliChen Informationswert verfügen, um auf der Sozialdimension als ein ״Konflikt“ und darüber hinaus als Gegenstand für eine tiefgründigere Diskussion anerkannt zu werden (vgl. Luhmann 1997: 1100). Ein wesentliches Paradox der medialen Nutzung einer Gesellschaft erklärt Luhmann wie folgt: ״Auf der Ebene dessen, was kommuniziert wird und dessen, was kommunikativ anschlussfähig ist, erscheint die Gesellschaft als eine sich über sich aufregende, sich selbst alarmierende Gesellschaft“ (Luhmann 1997: 1100). Es breitet sich eine gewisse Schizophrenie aus, die dadurch definiert ist, dass die Menschen einerseits an der Änderung teilnehmen können und andererseits gegen ihre Folgen abgesichert werden (vgl. Luhmann 1997: 1100). Als Beispiel dienen die ökologische Frage und das rasche Tempo, in dem sich das Thema auf derjenigen medialen Ebene mit der größten Reichweite einen Platz verschaffen konnte: Dadurch, dass zahlreiche Auswahlleistungen hier zum Ausdruck kommen, wie Z.B. die großen Quantitäten, Berichte über Katastrophen, technisch ausgelöste Ereignisse oder politische sowie gesellschaftliche Stellungnahme zum Thema, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich das Thema einen Platz, nicht nur kurzfristig als Schlagzeile in der gesellschaftsweiten
Gegenwartsbeschreibung, sondern langfristig als ״[...] wir-zentrierte Hintergrund rea- !¡täten stabilisieren, welche sich Z.B. durch eine hohe Glaubwürdigkeit oder eine hohe Anschlussfähigkeit an vorhandene Konzepte auszeichnen. Die gesellschaftliche Realitätskonstruktion unterliegt dabei einem kontinuierlichen evolutionären Wandel, wobei die Selektionskriterien in Richtung gesamtgesellschaftlicher Verbreitung kontinuierlich schärfer werden“ (vgl. Luhmann 1997: 1100; Schrape2013: 296). Auch Luhmann bestätigt, dass der lokale und überlokale Bezug, verbunden mit dem technischen Risiko und der individuellen Betreffbarkeit zur raschen Etablierung als ein gesellschaftlich relevantes Thema und permanenter Gegenstand der Massenmedien beitragen (vgl. Luhmann 1997: 1101). Luhmann fügt hierbei an, dass die Massenmedien aufgrund des hohen Produktionstempos auf ״[...] self fulfilling prophecies [...]“ angewiesen sind, und ihre Inhalte selbstständig und selbstinspirativ erzeugen: Das erfolgt größtenteils durch eigene Beobachtung mit Berücksichtigung der moralischen Uniformität, um sich folglich die Legitimation zu verschaffen, über Skandale und Abartigkeiten berichten zu können (vgl. Luhmann 1997: 1101). VerSchiebungen in Form eines Wertewandels kalkuliert Luhmann mit ein und schreibt gleichzeitig von einer Eigenwertproduktion, womit er relativ stabile Einstellungen, die sich ergeben, wenn eine Operation auf ihre eigenen Resultate angewandt wird, meint. Um auf den Anfang des Kapitels zurück zu kommen und das bereits angeführte Konzept der ״öffentlichen Meinung“ zu vervollständigen, reicht ein Griff auf Luhmanns Zusatz, in dem er behauptet, dass, ״[...] das, was als Resultat der DauerWirksamkeit von Massenmedien entsteht, ״die öffentliche Meinung“, [sich selbst] genügt: Folglich ist es nicht sinnvoll zu fragen, ob die Massenmedien die Realität an sich verzerren, denn sie erzeugen eine Beschreibung der Realität, eine Weltkonstruktion, und das ist die Realität, an der die Gesellschaft sich orientiert“ (Luhmann 1997: 1102).
Diese Erkenntnis ist mit Luhmanns Konzept des operativen Konstruktivismus verbunden, welches Schrape in seiner Veröffentlichung ״Social Media, Massenmedien und Öffentlichkeit - Eine soziologische Einordnung“ ergänzend zum evolutionären Mehrebenenmodell aufnimmt (vgl. Schrape 2011: 202). Grob wiedergegeben beschäftigt sich Luhmann in seinem Werk ״Realität der Massenmedien“ (1996) mit der These des operativen Konstruktivismus: ״Die primäre Realität liegt, die Kognition mag darauf reflektieren, wie sie will, nicht in ,der Welt da draußen‘, sondern in den kognitiven Operationen selbst (Luhmann 1996: 16). Die Existenz einer ontologischen Realität als Beobachtungshorizont wird zwar im Gegensatz zum radikalen Konstruktivismus nicht bestritten, sonst hätte ja auch der Begriff der Systemgrenze [...] keinen Sinn (Luhmann 1996: 18). Abstrakt formuliert handelt es sich um das Problem, wie Erkenntnis möglich ist, obwohl die Erkenntnis keinen von ihr unabhängigen Zugang zur Realität hat. Mit Rückbezug auf die Wirklichkeitskonstruktion durch die Massenmedien bietet der Ansatz von Luhmann einen zusätzlichen Denkanstoß zur Frage über die Erkenntnisgewinnung, indem er sagt, dass Massenmedien einen direkten Einfluss auf die Realitätsbildung der Menschen haben und den Menschen auf Grundlage dessen, den einzigen realitätskonstruktivistischen Ansatz in ihrer Orientierung bieten (vgl. Luhmann 1997: 1102). Luhmann beschreibt die Selektionsmechanismen der Massenmedien, indem er in seinem Werk ״Die Gesellschaft der Gesellschaft“ auf die Sinndimensionen zurückgreift und dadurch einen Maßstab für die Auswahl an relevanten Ereignissen setzt. Schrape setzt sich in seiner Veröffentlichung, genauso wie Luhmann, mit der Wirklichkeitskonstruktion auseinander und unterteilt sie in einzelne Ebenen (vgl. Schrape 2013: 295). Anders als Luhmann, berichtet Schrape nicht von einer Öffentlichkeit (Luhmann: ״öffentliche Meinung“), da er den Begriff mit einer ״Fiktion“ in Verbindung bringt, sondern stellt ein Modell der Ebenen gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktion vor. Die Ebenen erklärt er durch Selektionsmechanismen, welche er einem evolutionären Prozess entnimmt und mit dem Mehrebenenmodell verknüpft. Dadurch kann erklärt werden, wie sich einzelne Ereignisse in Form von relevanten Abweichungen langfristig als wir-zentrierte Wirklichkeitsmuster etablieren können (vgl. Schrape 2011: 204 ff.). In diesem Kapitel beschreibe zuerst ich das Modell aus der Veröffentlichung von Schrape und erkläre dann auf Grundlage dessen die einzelnen Ebenen sowie ihren Inhalt und ihre Semantik.
Pan und McLeod beschreiben die Massenkommunikation wie folgt: ״The very nature of mass communication processes compels multilevel consideration“ (Pan/McLeod 1991: 140). Nimmt man letztere Überlegung als Grundlage einer Untersuchung der Kommunikationsstruktur und erkennt die Überlegung von Pan und McLeod als ein Axiom an, so kommt man zur Erkenntnis, dass der einzige Maßstab für eine erfolgsführende Analyse ein Mehrebenenmodell ist. Schrape (2011) scheint im oben angeführten Modell diesen Ansatz zu verfolgen und verwendet für die Analyse der gesellschaftlichen Wirklichkeitskonstruktion ein Mehrebenenmodell. Formal betrachtet verfügt das Modell über eine zunehmende Asymmetrie nach oben und ist pyramidenartig in vier einzelne Teilbereiche gegliedert: Auf unterster Ebene angefangen mit der Individualkommunikation, die zu den Mikromedien zusammengefasst wird, darauf aufbauend die Mesomedien (sachliche, soziale, räumliche Sphäre), wie ״communi- ties, issue publics, network domains“ etc., u.a. auch Social Media. Auf der dritten Ebene ordnet Schrape den Massenmedien die Funktion als ״gesellschaftsweite Gegenwartsbeschreibung“ zu und zuletzt, in einer Minderheit vertreten und dennoch an der Spitze der Pyramide, die langfristigen wir-zentrierten Wirklichkeitsmuster (vgl. Quelle: Schrape 2011, 2013). Langfristige wir-zentrierte Wirklichkeitsmuster sind alle Hintergrundüberzeugungen und kollektive geteilte Realitätssichten, die über die situative Gegenwartsbeschreibung hinausgehen, also zum Beispiel politische Grundhaltungen, das moderne Zeitverständnis, das Bewusstsein einer gemeinsamen Kultur, das Mengen- und Zahlensystem, auch die Sprache etc. Letztere sind Entwicklungen, welche im Laufe der menschlichen Kultur- und Kommunikationsgeschichte erst sukzessive entstanden sind und sind zudem das Produkt vielzähliger sozialer Aushandlungsprozesse. Sie bieten heute Orientierung in der individuellen und gesellschaftlichen Wirklichkeitskonstruktion (vgl. Schrape 2011: 200 ff.).
2.2. Mikro-Medien
Auf der Mikro-Ebene findet die Individualkommunikation statt: Die individuelle mediale Kommunikation steht im Vordergrund (vgl. Quelle Schrape 2011). In dieser Art von Mediennutzung können bestimmte Nutzungsmuster erkannt werden: ״Die Nutzungsmuster entwickeln sich aus situativen Nutzungsepisoden heraus, die ständig wiederholt werden. Wer jeden Morgen eine regionale Tageszeitung liest, hat meist mit ein paar Ausgaben der Zeitung angefangen. Langfristig entwickeln sich daraus schließlich subjektive Medienbewertungen und -kompetenzen“ (Hottner 2010: 30). Der Uses-and-Gratifications-Ansatz beantwortet die Frage, was Menschen mit Medien machen und beinhaltet den Grundgedanken, dass ״[...] Rezipienten [...] anhand ihrer Bedürfnisse und Interessen aktiv [entscheiden], ob, in welchem Umfang und zu welchem Zweck sie die Medien nutzen [...]; sie sind Schlüsselfiguren im Kommunikationsprozess, handeln zielgerichtet und zweckrational und entscheiden dabei selbst, ob ein Kommunikationsprozess stattfindet oder nicht (vgl. Hottner 2010: 36). Während des Auswahlprozesses liegt die Funktionalität im Vordergrund und ergreifen selbstständig die Initiative bei der Auswahl sowie Nutzung bestimmter Medien, die sozialen und psychologischen Faktoren fließen in die Auswahl mit ein. Die Mikro-Ebene kann einerseits auf das Nutzungsverhalten des Rezipienten analysiert werden und andererseits kann der analytische Schwerpunkt ein ganz anderer sein: Welche Medien werden der Mikro-Ebene zugeordnet und herrscht dort eine Interaktion? Schrape schreibt, dass „[…] individualkommunikative Medien wie E-Mails oder Chats […] vordringlich für den bidirektionalen Austausch verwendet werden (Schrape 2013: 277). So hat beispielsweise auch das „[…] (Mobil-) Telefon […] die Individualkommunikation flexibilisiert“ (Schrape 2010: 284).
[...]