Soziales Vertrauen ist ein wichtiges gesellschaftliches Gut, das in der Soziologie bereits häufig untersucht und dabei meistens als Charakteristikum des einzelnen Individuums betrachtet wurde. Dabei definiert sich soziales Vertrauen, welches auch als generalisiertes oder interpersonales Vertrauen bezeichnet wird, als „Glaube, dass man den meisten Menschen Vertrauen kann“ und bezieht sich dabei vor allem auf Individuen außerhalb der engeren Netzwerke von Familie und Freunde. Davon zu unterscheiden, ist das sogenannte partikularistische Vertrauen, welches sich hingegen darauf bezieht, dass man Personen aus seinem Freundeskreis und vor allem der eignen Familie vertrauen kann.
In der bisherigen Forschung, wurde bereits der Einfluss sozialen Vertrauens auf unterschiedlichste Phänomene wie Lebenszufriedenheit, Wirtschaftswachstum, Stabilität von Demokratien, Wahlpräferenzen oder Gesundheit analysiert. Ziel dieser Forschungsarbeit, soll es nun sein näher zu betrachten, welchen Effekt soziales Vertrauen auf Wohlfahrtsstaatpräferenzen hat. Allerdings soll soziales Vertrauen dabei nicht als Individualvariable betrachtet werden, sondern als Kontextressource, die zwischen verschiedenen Wohngebieten variiert und die dort lebenden Personen beeinflusst. Im Detail soll untersucht werden, wie Unterschiede im regionalem sozialen Vertrauen (Makroebene), die Einstellungen der Individuen zum Wohlfahrtsstaat (Mikroebene) beeinflusst. Dabei soll im Besonderen auch auf einen möglichen moderierenden Effekt von ökonomischen Faktoren eingegangen werden. Dieser Zusammenhang war auf Länderebene bereits Thema mehrerer anderer Studien.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Bisherige Forschungsergebnisse
2.2. Hypothesen
3. Daten, Variablen und Methode
3.1. Datensatz und Analysestrategie
3.2. Unabhängige Variablen
3.3. Abhängige Variable
3.4. Kontrollvariablen
4. Deskriptive Analysen
5. Ergebnisse Mehrebenenanalyse
5.1. Zwei Ebenen Model
5.2. Drei-Ebenen-Modell
5.3. Robustheitstests
6. Zusammenfassung und Diskussion
Anhang
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Soziales Vertrauen ist ein wichtiges gesellschaftliches Gut, das in der Soziologie bereits häufig untersucht und dabei meistens als Charakteristikum des einzelnen Individuums betrachtet wurde. Dabei definiert sich soziales Vertrauen, welches auch als generalisiertes oder interpersonales Vertrauen bezeichnet wird, als „Glaube, dass man den meisten Menschen Vertrauen kann“ (Jensen und Svendsen 2011 ร. 3) und bezieht sich dabei vor allem auf Individuen außerhalb der engeren Netzwerke von Familie und Freunde. Davon zu unterscheiden, ist das sogenannte partikularistische Vertrauen, welches sich hingegen darauf bezieht, dass man Personen aus seinem Freundeskreis und vor allem der eignen Familie vertrauen kann (Jensen und Svendsen 2011; Pitlik und Kouba 2015).
In der bisherigen Forschung, wurde bereits der Einfluss sozialen Vertrauens auf unterschiedlichste Phänomene wie Lebenszufriedenheit, Wirtschaftswachstum, Stabilität von Demokratien, Wahlpräferenzen oder Gesundheit analysiert (Beming und Ziller; Delhey und Newton 2003). Ziel dieser Forschungsarbeit, soll es ทนท sein näher zu betrachten, welchen Effekt soziales Vertrauen auf Wohlfahrtsstaatpräferenzen hat. Allerdings soll soziales Vertrauen dabei nicht als Individualvariable betrachtet werden, sondem als Kontextressource, die zwischen verschiedenen Wohngebieten variiert und die dort lebenden Personen beeinflusst. Im Detail soll untersucht werden, wie Unterschiede im regionalem sozialen Vertrauen (Makroebene), die Einstellungen der Individuen zum Wohlfahrtsstaat (Mikroebene) beeinflusst. Dabei soll im Besonderen auch auf einen möglichen moderierenden Effekt von ökonomischen Faktoren eingegangen werden. Dieser Zusammenhang war auf Länderebene bereits Thema mehrerer anderer Studien (vgl. Voicu und Voicu 2011; Jensen und Svendsen 2011; Pitlik und Kouba 2015; Daniele und Geys 2015).
Im weiteren Verlauf dieser Forschungsarbeit, werde ich zunächst auf Theorien und bisherige empirische Studien eingehen, die sich mit Ursprüngen von sozialem Vertrauen und seinem Einfluss auf Einstellungen allgemein befasst haben, sowie mit den Detemiinanten, die die Einstellungen des Einzelnen gegenüber Umverteilung bzw. dem Wohlfahrtsstaat bestimmen. Im Anschluss daran, werde ich meine auf Basis der bisherigen Theorien abgeleiteten Hypothesen vorstellen, bevor ich näher auf die für die empirischen Analysen benutzen Daten und Variablen, als auch meine Analyse Strategie eingehen werde. Danach folgen noch einige erste deskriptive Analysen, die die genutzten Daten und Variablen näher beschreiben sollen, bevor ich mit der Darstellung der Zwei-Ebenen- und Drei-Ebenen-Modelle (Kap. 5.1. bzw. 5.2.) fortfahre. Zum Test meines Modells werden dann noch einige Robustheitstest durchgeführt, deren Ergebnisse in Kapitel 5.3. näher beschrieben sind. Die Arbeit schließt mit einer kurzen Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und diskutiert deren Implikationen für mögliche weitere Forschung.
2, Theoretischer Hintergrund
2,1, Bisherige Forschungsergebnisse
Beschäftigt man sich mit den Detemiinanten von sozialem Vertrauen, erkennt man, dass eine enge Verbindung zur Theorie des sozialen Kapitals besteht. Soziales Vertrauen ist, neben sozialen Netzwerken und Normen der Solidarität, eine Manifestation von sozialem Kapital und wird oftmals als Hauptindikator bei Analysen diesbezüglich genutzt (Delhey und Newton 2003; Voicu und Voicu 2011). Wie bereits in der Einleitung erwähnt, kann soziales Vertrauen sowohl als Individualvariable, als auch als Kontextvariable betrachtet werden. Da es Ziel dieser Arbeit ist, soziales Vertrauen als Charakteristikum der Region zu analysieren, werde ich im Folgenden nur kurz auf die individuellen Determinanten eingehen und im Anschluss ausführlicher die gesellschaftlichen Einflussfaktoren beschreiben.
Auf Individuallevel gibt es verschiedene Theorieansätze, um die Entstehung von sozialem Vertrauen zu erklären. Dabei wird soziales Vertrauen allgemein als eine Eigenschaft des Individuums gesehen, welche durch demographische Merkmale wie Alter bzw. Geschlecht oder Lebenserfahrungen beeinflusst wird. Demnach verfügen jene Individuen eher über ein hohes soziales Vertrauen, die positive Erfahrungen gemacht haben und zu den „Gewinnern der Gesellschaft“ gehören (Delhey und Newton 2003, ร.96), während Ereignisse wie Arbeitslosigkeit, Armut oder soziale Ausgrenzung das generalisierte Vertrauen verringern. Gleichzeitig gibt es aber auch die theoretische Annahme, das soziales Vertrauen eine Persönlichkeitseigenschaft ist, die eng mit anderen Charakteristika wie Optimismus und Kontrolle verbunden ist, die bereits in der frühen Kindheit, während der Sozi- alisation, erlernt wird und sich danach kaum mehr verändert (Delhey und Newton 2003; บร!ander 2002; บร!ander 2004).
Beim zweiten Theorieansatz, wird soziales Vertrauen dagegen nicht als Eigenschaft des Individuums gesehen, sondern als ein Charakteristikum der Gesellschaft in der das Individuum lebt (Delhey/Newton 2003; Putnam 2000). Zum einen argumentieren Rothstein und บร!ander (2005), dass Individuen mit hohem sozialem Vertrauen dieses zeigen, weil sie in ihrer Gesellschaft einen hohen moralischen Standard wahmehmen, der ein Gefühl von Solidarität mit Anderen vermittelt und dazu fährt, dass man sich für Schwächere in der Gesellschaft verantwortlich fühlt (Rothstein und บร!ander 2005). Des Weiteren, diskutieren Delhey und Newton (2003) vier verschiedene Theorieansätze bezüglich der Determinanten von sozialem Vertrauen auf Kontextebene. So geht beispielsweise die sogenannte „voluntary organiation theory“ davon aus, das Gesellschaften, in denen es viele Freiwilligenorganisationen gibt, sich auch durch ein höheres soziales Vertrauen auszeichnen. Dies liegt laut den Autoren darin begründet, dass man durch Engagement in Freiwilligenorganisationen und dem damit einhergehendem engen Kontakt zu Anderen, reziprokes Verhalten, Kooperation und Vertrauen erlernt. Die Gültigkeit der „voluntary organisation“ Theorie ist allerdings nicht unangefochten. So berufen sich Rothstein und บร!ander (2005) auf eine empirische Analyse, in der keiner der Indikatoren zum Test dieser Theorie signifikant war und argumentieren stattdessen, dass ökonomische Gleichheit bzw. Ungleichheit, neben Chancengleichheit, Hauptursache für soziales Vertrauen ist.
Als zweites, nennen Delhey und Newton (2003) die Theorie der sozialen Netzwerke, die davon ausgeht, dass die Anzahl der Kontakte bzw. Freunde ein Indikator für die soziale Integration des Individuums in die Gemeinschaft ist. Diese Einbindung in lokale Netzwerke, geht wiederum einher mit einer höheren Verfügbarkeit von Unterstützung im Falle von persönlichen Krisen und steigert somit das Vertrauen in die Mitmenschen. Des weiterem kann zur Erklärung von variierendem sozialem Vertrauen zwischen Regionen, die „community theory“ herangezogen werden, die von einer Korrelation zwischen sozialen Vertrauen und verschiedenen Eigenschaften der Regionen ausgeht. Demnach, sollte es Variationen im regionalem sozialem Vertrauen in Bezug auf die Größe der Region, der Zufriedenheit mit der Region und der wahrgenommenen Sicherheit geben. Die „societal theory“, als vierte beschriebene Theorie, legt im Gegensatz zur „community theory“, ihren Fokus nicht auf einzelne Gemeinden bzw. Regionen, sondern auf die Länderebene und argumentiert für den signifikanten Einfluss von wahrgenommenen Konflikten und Polarisation zwischen Gruppen in einer Gesellschaft. Demnach führen große Einkommensungleichheiten, soziale Spannungen zwischen sozialen Klassen oder auch eine hohe ethnische Diversität zu einer Verringerung des sozialen Vertrauens (Delhey und Newton 2003; Welch et al 2005).
In der bisherigen Forschung zum Thema Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat, gibt es ebenfalls verschiedene Theorieansätze, die ihren Fokus, wie die Theorien zum sozialem Vertrauen, entweder auf den Einfluss individueller Eigenschaften oder den Effekt von Länderfaktoren legen. Auf der Ebene der individuellen Eigenschaften beziehen sich Erklärungen zu Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat meistens entweder auf Ideologien oder Wertevorstellen des Individuums oder die Annahme des Eigeninteresses (Voicu und Voicu 2011). Der Untersuchungsgegenstand beim ersten Ansatz war in bisherigen Studien hauptsächlich der unterschiedliche Einfluss von politischen und materialistischen Werten. So zeigt sich sowohl eine stärkere Zustimmung zum Wohlfahrtsstaat bei Materialisten, als auch bei Personen, die politisch eher links gerichtet sind. Die Theorie des Eigeninteresses argumentiert dagegen, dass die Zustimmung zur staatlichen Sozialpolitik größer bei jenen Personen ist, die von dieser besonders profitieren. Zu diesen Gruppen zählen vor allem Ältere und Rentner, Personen mit niedrigen sozialem Status und Bildungsniveau, sowie Frauen und Arbeitslose. Um diese Faktoren und ihren möglichen meditierenden Einfluss auf den Zusammenhang zwischen sozialen Vertrauen und Einstellungen gegenüber dem Wohlfahrtsstaat zu berücksichtigen, werde ich diese in den Analysen als Kontrollvariablen auf Individualebene in die Analysen integrieren (siehe Kapitel 3.4.). Bezüglich der Länderfaktoren, lag der Fokus vergangener Studien zu meist auf der Untersuchung des Effekts des Wohlfahrtsstaattyps oder ökonomischen Faktoren wie Arbeitslosenquote und Einkommensungleichheit (Voicu und Voicu 2011; Rothstein und Uslander 2005). Bisherige Studien zeigten, dass die Zustimmung zur Umverteilung in sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaaten besonders hoch ist, moderat in konservativen und mediterranen Wohlfahrtsstaaten und nur niedrig in den Liberalen (Rothstein und Uslander 2005). Während der Wohlfahrtsstaattyp konstant für alle Regionen eines Landes ist, können die ökonomischen Faktoren nicht nur zwischen Ländern, son- dem auch zwischen Regionen innerhalb eines Landes signifikant variieren, was die Relevanz begründet, diese als Kontrollvariablen auf Kontextebene in den Analysen zu berücksichtigen.
Eine Studie, die sich bereits explizit mit dem Zusammenhang von sozialem Vertrauen und Wohlfahrtsstaateinstellungen in europäischen Ländern befasst hat, sieht soziales Vertrauen als eine notwendige Bedingung für die Ermöglichung von Geldtransfers in Wohlfahrtsstaaten, da diese die Erwartung erhöht, dass auch andere ihren Beitrag leisten und das Risiko von Free Rider Problemen reduziert wird (Jensen und Svendsen 2011). In ihrer Studie argumentieren die Autoren, das es zwei Typen von sozialen Vertrauen gibt, das generalisierte und das partikularisti- sche, die erklären, warum Personen in verschiedenen Wohlfahrtsstaatarten bereit zur monetären Umverteilung sind. Dabei definieren Jensen und Svendsen (2011), generalisiertes soziales Vertrauen als Vertrauen in Personen außerhalb von Familie und Freundeskreis, welches die große Bereitschaft zur Umverteilung in sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaaten erklärt. Auf der anderen Seite, steht das parti- kularistische soziale Vertrauen, dass als „Vertrauen in den wohlbekannten Anderen“ (Jensen und Svendsen 2011, ร. 4) definiert ist und laut den Autoren erklärt, warum Umverteilung in konservativen Wohlfahrtsstaaten funktioniert. In Ländern mit diesem Typ Wohlfahrtsstaat, sind die wohlfahrtsstaatlichen Programme familiär orientiert, so dass die Bürger zu deren Finanziemng bereit sind, Steuern und Sozialversichemngsbeiträge zu bezahlen, weil sie darauf abzielen, die traditionelle Familie als „kleinste soziale Einheit “ (Jensen und Svendsen 2011, ร. 5) zu unterstützen.
In der Studie von Voicu und Voicu (2011) sehen diese soziales Vertrauen, neben sozialen Netzwerken, als eine informelle Forni von sozialem Kapital und untersuchen dessen Effekt auf Wohlfahrtsstaateinstellungen im Vergleich zu formellen Sozialkapital wie Vertrauen in Institutionen und dem Engagement in Freiwilligenorganisationen. Ihre Ergebnisse zeigen, dass generalisiertes soziales Vertrauen einen negativen Effekt auf die Einstellung zum Wohlfahrtsstaat hat und begründen dies damit, dass Individuen mit einem hohen sozialen Vertrauen über viele soziale Kontakte, sowie über ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit verfügen und sich daher weniger auf staatliche Unterstützungssysteme verlassen. Gleichzeitig argumentieren die Autoren aber auch, dass generalisiertes soziales Vertrauen Misstrauen gegenüber Mitmenschen, sowie die Erwartung von Sozialmissbrauch reduzieren sollte und so zu einem höheren Zustimmungswert zu Sozialprogrammen führen könnte und regen zu weiterer Forschung diesbezüglich an.
Interessant ist auch die Stadie von Algan et al. (2015), die die Größe des Wohlfahrtsstaates, gemessen an den Sozialausgaben, in Abhängigkeit vom sozialen Vertrauen untersuchen und mit ihren Ausführungen, sowohl die starke Zustimmung zum Wohlfahrtsstaat in Ländern mit hoher, als auch mit niedriger Ausprägung von sozialen Vertrauen erklären können. Im Detail zeigen die Autoren, dass transparente und effektive Wohlfahrtsstaaten nur unterstützt werden, wenn ein hoher Anteil vertrauensvoller Individuen in der Gesellschaft lebt. Gleichzeitig, können aber auch intransparente Wohlfahrtsstaaten überleben, da sie von einem hohen Anteil nicht vertrauensvoller Bürger unterstützt werden, die von sozialen Leistungen profitieren wollen, ohne sich an den Kosten dieser zu beteiligen.
Von besonderem Interesse für das vorliegende Projekt, ist die Studie von Daniele and Geys (2015), da diese zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen sozialem Vertrauen und Wohlfahrtsstaateinstellungen, ebenfalls die vierte Welle des European Social Survey von 2008 nutzen (zur näheren Beschreibung der Daten siehe Kapitel 3). Im Detail analysieren Daniele und Geys, wie sich das generalisierte soziale Vertrauen und die wahrgenommene Fairness Anderer, auf die Zustimmung zu Steuererhöhungen zwecks Finanzierung von Sozialleistungen auswirkt. Ihre Ergebnisse zeigen sowohl einen positiven Effekt von generalisiertem sozialen Vertrauen, als von Fairness auf die Zustimmung zur Umverteilung. Dies lässt die Interpretation zu, dass Personen mit stärker ausgeprägtem generalisierten sozialem Vertrauen eher bereit sind höhere Steuern zu bezahlen, wenn diese der Finanzierung von Sozialleistangen dienen. Wichtig ist in der Studie von Daniele und Geys (2015) auch das institutionelle Vertrauen, welches misst, wie groß das Vertrauen der Bürger in staatliche Institutionen wie etwa die Polizei, das Rechtssystem oder das Parlament ist. So kontrollieren die Autoren bei ihren Analysen für den Effekt von institutionellen Vertrauen auf Individual- und Kontextniveau, wobei bei letzterem der sogenannte CPI (Corruption Perception Index) als Proxy genutzt wird und testen ebenfalls auf eine mögliche moderierende Wirkung von institutionellen Vertrauen auf den Effekt von sozialen Vertrauen bzw. Fairness auf die Wohlfahrtsstaateinstellung. Dabei zeigt sich, dass der beobachtete positive Zusammenhang von sozialem Vertrauen und wahrgenommener Fairness der Mitbürger, unabhängig vom institutioneilen Vertrauen ist. Gleichzeitig zeigen die Autoren aber auch, dass für beide unabhängigen Variablen eine signifikant positive Interaktion mit dem Corruption Perception Index besteht, welche einen positiven Zusammenhang zwischen Wohlfahrtsstaatunterstützung und Fairness bzw. sozialen Vertrauen in Ländern mit geringer Korruption bestätigt. Weiterer Beleg für die Wichtigkeit des institutionellen Vertrauens für die Zustimmung zum Wohlfahrtsstaat, liefert ebenfalls die Studie von Rothstein und บร!ander (2005). Hier zeigen die Analysen, dass institutionelles Vertrauen, zusanmien mit geringer Ungleichheit in der Gesellschaft und generalisiertem sozialen Vertrauen notwendig ist, damit universalistische Wohlfahrtsstaatprogramme erfolgreich implementiert werden können. Begründet wie die große Bedeutung von institutionellen Vertrauen dabei im Hinblick auf drei Aspekte. So benötigen universale Wohlfahrtsstaatprogramme zur Finanzierung mehr durch Steuern finanzierte Mittel, die die Bürger nur bereit sind zu zahlen, wenn sie vertrauen haben, dass diese Gelder von der Regierung zum Wohl der Allgemeinheit eingesetzt werden. Außerdem führt Korruption, als Indikator für aggregiertes institutionelles Vertrauen, zu größerer Ungleichheit und Misstrauen in einer Gesellschaft, was für die erfolgreiche Einführung von universalen Wohlfahrtsstaatprogrammen hinderlich ist. Darüber hinaus, widersprechen universale Wohlfahrtsstaatprogramme dem Credo von korrupten bzw. unehrlichen Regierungen, die eher um das Wohl einer kleinen Elite, als dass der breiten Gesellschaft besorgt sind (Rothstein und Uslander 2005).
Sucht man nach Gemeinsamkeiten zwischen Detemiinanten von sozialem Vertrauen und Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat, erkennt man in beiden Forschungsgebieten, die Bedeutung von ökonomischen Faktoren wie Arbeitslosigkeit und Einkommensungleichheit. Beide nehmen als Lebenserfahrungen und gesellschaftliche Charakteristika, Einfluss auf die Bildung von sozialen Vertrauen und Wohlfahrtsstaatpräferenzen.
2.2. Hypothesen
Auf Basis der zuvor beschriebenen Ergebnisse in vorherigen Studien, habe ich mehrere Hypothesen spezifiziert, die darauf abzielen, sowohl einen negativen, als auch einen positiven Zusammenhang zwischen sozialem Vertrauen als Kontextressource und individuellen Wohlfahrtsstaateinstellungen zu überprüfen. Des Weiteren, wurden ebenfalls zwei Hypothesen aufgestellt, um den Einfluss ökonomischer Faktoren, hier am Beispiel von regionaler Arbeitslosigkeit, zu testen.
H 1: Individuen, die in Regionen mit hohem sozialem Vertrauen leben, sollten weniger misstrauisch gegenüber ihren Mitmenschen sein und daher einen höheren Zustimmungswert zum Wohlfahrtsstaat aufweisen (Positiver Zusammenhang).
H2: In Regionen mit ausgeprägtem sozialen Vertrauen, sollte dieses zu einer höheren wahrgenommenen Unterstützung außerhalb staatlicher Regulation führen und daher die Zustimmung für einen starken Wohlfahrtsstatt geringer ausgeprägt sein (Negativer Zusammenhang).
H3a: Hohe regionale Arbeitslosigkeit sollte das Misstrauen gegenüber den Mitmenschen erhöhen und daher einen negativen Effekt auf den Zusammenhang zwischen sozialem Vertrauen und Wohlfahrtsstaateinstellungen haben (negativer Effekt).
H3b: Hohe regionale Arbeitslosigkeit reduziert die wahrgenommene Unterstützung außerhalb staatlicher Regulation und sollte daher den negativen Zusammenhang zwischen sozialem Vertrauen und Wohlfahrtsstaatpräferenzen abschwächen (Positiver Effekt).
Abbildung 1: Erwarteter Zusammenhang gemäß spezifizierter Hypothesen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
In Abbildung 1, sind noch einmal alle in den Hypothesen erwarteten Zusammenhänge und Effekte, sowie deren Richtung graphisch dargestellt. Dabei bezieht sich der obere Teil der Grafik auf die Kontextebene, also hier insbesondere die Regio- nen, während der untere Bereich, den erwarteten Zusammenhang auf Individualebene anzeigt.
3. Daten, Variablen und Methode 3.1. Datensatz und Analysestrategie
Für die Analyse der zu vor erläuterten Fragestellung und Hypothesen, nutze ich die vierte Welle des European Social Surveys (ESS) aus dem Jahr 2008. Diese eignet sich besonders für meine Analysen, da sie nicht nur Fragen zum sozialem Vertrauen beinhaltet, sondern in jenem Jahr ein Schwerpunktmodul mit Fragen zum Thema Wohlfahrtsstaat enthält. Der Datensatz enthält neben Individualdaten, auch Angaben zum regionalen Kontext und zwar sowohl auf Länder- und Regionalebene, als auch für die verschiedenen NUTS Regionen (NUTS 1, NUTS2, NUTS3). Diese Daten sind erforderlich, da ich ein Multilevel Modell analysieren möchte, dass aus drei Ebenen besteht. Auf der ersten Ebene befinden sich die Individuen, die wiederum in Regionen genestet sind (Ebene 2), die in sich in verschiedenen Ländern befinden (Ebene 3). Der von mir genutzte Datensatz enthält insgesamt 24 Länder und 218 Regionen, wobei die Anzahl der Regionen zwischen den Ländern variiert, da sich die Informationen zu den Regionen auf unterschiedliche NUTS Level beziehen (siehe Tabelle 1). Es ist anzumerken, dass nicht alle sich im Originaldatensatz befindlichen Länder mit in den Analysedatensatz übernommen wurden. Dies ist zum einen Israel, da für dieses Land lediglich Informationen auf Länderebene, nicht aber auf Regionenebene vorliegen, sowie Zypern, dessen Regionen keinem NUTS Level zugeordnet sind. Des Weiteren wurden Russland, die Ukraine und die Türkei ebenfalls aus dem Datensatz entfernt, da für diese Länder zu einigen wichtigen Variablen (z.B. der regionalen Arbeitslosenquote) keine Informationen vorliegen und somit die Hypothesen für diese Länder nicht komplett getestet werden könnten.
Bei der Analysestrategie, orientiere ich mich an der Vorgehensweise von Hox (2010) und werde zunächst ein leeres Modell, das sogenannte Random Intercept Only Modell (MO), spezifizieren, welches lediglich die abhängige Variable welfare und die Regionen-ID id_r enthält. Die Regionen ID wurde dabei aus den in Datensatz vorhandenen Regionen Variablen der einzelnen Länder rekodiert. Wichtig, ist die Berechnung des leeren Modells deshalb, da sich daraus der inil traclass Correlation Coefficient (ICC) berechnen lässt, der anzeigt wie viel der erklärten Varianz auf die Kontextebene zurückzufiihren ist. Außerdem dient die Ausgabe der Maßzahlen AIC und BIC für Modell MO als Vergleich für die Modellgüte der
Tabelle 1: Länder, Regionen und NUTS-Level
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
weiteren Modelle. Im zweiten Schritt, werde ich dem Modell die unabhängigen Variablen und die Kontrollvariablen auf Individualniveau hinzufügen und ein Random Intercept Model berechnen (Ml), bevor im nächsten Schritt dann eine Modell Spezifizierung mit allen Individual- und Kontextvariablen (М2) erfolgt. บท! zu testen, ob der Effekt von individuellen sozialen Vertrauen auf Wohlfahrtsstaateinstellungen zwischen Kontexten variiert, wird ein Random Slope Modell, sowohl ohne (M3a), als auch mit Kovarianz (M3b) zwischen Slope und Intercept spezifiziert, welche mittels Likelihood Ratio Tests mit Modell М2, sowie untereinander verglichen werden. Zum Abschluss der Zwei-Ebenen Modelle, wird auf den möglichen Einfluss der Interaktion von regionalem sozialen Vertrauen und regionaler Arbeitslosigkeit (M4) untersucht.
บท! den Ländereffekt zu berücksichtigen, werden im nächsten Teil der Analysen, das Null-Modell, das finale Random Slope Modell und das Modell mit Interaktionsterm, noch einmal mit einer zusätzlichen Länder-ID gerechnet, welche aus den vorhanden Variable entry generiert wird. Außerdem sei erwähnt, dass zum Abschluss der Analysen, noch mehre Robustheitstest durchgeführt werden, die die Stabilität des Zusammenhangs zwischen sozialem Vertrauens und Wohlfahrtsstaatpräferenzen überprüfen sollen.
3.2. Unabhängige Variablen
Als unabhängige Variable wurde auf Individualebene die Indexvariable trust (Cronbach's a= 0.77, Korrelationstabelle siehe Tabelle Al) aus den drei Items pplfair, ppltrst und pplhlp gebildet. Im Detail, wurden die Befragten auf einer 11- Punkt Likert Skala von 0 bis 10, nach ihrer Zustimmung zu folgenden Aussagen gefragt: a.) Most people can be trusted or you can Ί be too careful, b.) Most people try to take advantage of you, or try to be fair, c.) Most of the time people helpful, or looking out for themselves. Dabei sind die Variablen bereits so codiert, das höhere Werte größere Zustimmung anzeigen. Die neu gebildete Variable trust zeigt ทนท wiederum, für jeden Befragten den Mittelwert aus allen drei ursprünglichen Variablen an. บท! neben den! individuellen sozialen Vertrauen, auch den Einfluss des sozialen Vertrauens auf Kontextebene zu untersuchen, wurden aus der zuvor gebildeten Indexvariable, Gruppenmittelwerte für jede Region gebildet und diese in einer neuen Variable (trust) gespeichert (siehe Tabelle 2). Wie bereits in den Hypothesen erwähnt, soll auch auf eine mögliche Interaktion zwischen Arbeitslosigkeit und aggregierten sozialen! Vertrauen getestet werden, wozu die Variable regunemp (siehe Kapitel 3.4. Kontrollvariablen) genutzt wird.
Tabelle 2: Bildung der unabhängigen Variablen
Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten
3.3. Abhängige Variable
Als abhängige Variable, wurde die Variable welfare generiert, welche einen Wertebereich von 0 (Not governments’ responsibility at all) bis 10 (Entirely governments ' responsibility) hat. Diese ist eine Indexvariable (Cronbach's a=0.84, Korrelationsmatrix siehe Tabelle A2), gebildet aus sechs Items mit Fragen nach Ein- Stellungen zu Teilaspekten des Wohlfahrtsstaats. Die Befragten wurden danach gefragt, ob die Regierung verantwortlich ist für den Lebensstandard der Älteren und den der Arbeitslosen, für die Gesundheitsvorsorge und die Kinderbetreuung, sowie für die Schaffung vor Arbeitsplätzen und die Möglichkeit einer beruflichen Auszeit zur Betreuung kranker Familienangehöriger. Eine Übersicht mit allen Variablen, die zur Bildung der abhängigen Variable welfare genutzt wurden, ihrem Wertebereich und der genauen Fragestellung, ist zur besseren Übersicht in Tabelle 3 dargestellt.
Tabelle 3: Bildung der abhängigen Variable
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.4, Kontrollvariablen
Bei den Kontrollvariablen lässt sich, wie bei den unabhängigen Variablen, ebenfalls eine Unterteilung in Individual- und Kontextvariablen vornehmen. Auf Individualebene wurde zum einem für das Geschlecht kontrolliert, wobei die ursprüngliche Variable zur besseren Identifikation, in gender umbenannt und reko- diert wurde, so dass sie den Wert o flir männliche und 1 flir weibliche Befragte annimmt· Die Kontrolle flir Geschlechterunterschiede bezüglich Präferenzen zur Umverteilung ist sinnvoll, da sich in bisherigen Studien gezeigt hat, dass Frauen höhere Zustimmungswerte zum Wohlfahrtsstaat aufweisen (Voicu und Voicu 2011). Außerdem wird mit der Variable age flir das Alter der Individuen kontrolliert und um für mögliche nicht lineare Effekte des Alters zu kontrollieren, wurde zusätzlich die Variable age2 generiert, die das quadrierte Alter anzeigt. Des Weiteren wird die Variable mar stat genutzt, um Unterschiede auf Basis des Familienstands zu kontrollieren. Hierzu wurde die im Datensatz vorhandene Variable maritala rekodiert, so dass sie Kategorien flir verheiratete, geschiedene, verwitwete und ledige Befragte umfasst. Um flir das Bildungsniveau der Befragten zu kon- trollieren wurde die Variable edulvla in educ umbenannt und die fehlenden Werte rekodiert. Es handelt sich dabei um eine kategoriale Variable, die auf Basis des ISCED zwischen fünf Kategorien unterscheidet und die Befragten bezüglich ihres höchsten Bildungsabschlusses unterteilt. Außerdem wird zur Kontrolle für das Einkommen, die Variable income genutzt, die das monatliche Haushaltsnettoeinkommen des Befragten anzeigt. Zusätzlich wurde, um für die Religiosität der Befragten zu kontrollieren, die Variable reli in das Modell aufgenommen, welche auf einer Skala von 0 bis 10, die Ausprägung der Religiosität der Person anzeigt. Unterstützung für die Aufnahme dieser Variable in das Model, liefert der Text von Be'ery und Ben-Nun Bloom (2015), die argumentieren, dass der Glaube an Gott, die Zustimmung zur staatlichen Umverteilung erhöht. Als letzte Kontrollvariable auf Individualniveau, wird für den derzeitigen Erwerbsstatus des Befragten kontrolliert, um zu überprüfen, ob ein Befragter nur deshalb einen höheren Zustimmungswert zur Umverteilung hat, da er auf Grund von eigener Arbeitslosigkeit besonders davon profitiert (Theorie des Eigeninteresses). Da diesbezüglich keine Variable im Datensatz vorhanden war, habe ich die Variable unemployed generiert, die den Wert 1 annimmt, wenn der Befragte in den letzten sieben Tagen erwerbslos war und 0 in allen anderen Fällen. Zur Identifikation jener, die arbeitslos sind, habe ich die beiden vorhanden Variablen U empli und uempla verwendet, die erfragen, ob der Befragte in den letzten sieben Tagen arbeitslos war und aktiv bzw. nicht aktiv nach einer Arbeit gesucht hat. Befragte, die auf einer der beiden zuvor genannten Variablen den Wert 1 haben, erhielten im Gegenzug auch für die Variable un employed den Wert 1, Befragte, die dagegen auf beiden Variablen den Wert 0 hatten, erhalten für die Variable unemployed den Wert 0.
Auf Kontextebene wurde zum einem für die regionale Arbeitslosenquote (regun- emp) kontrolliert. Dazu wurden für die einzelnen Regionen Multileveldaten von der Intemetseite des European Social Survey (ESS) heruntergeladen und dem Individualdatensatz hinzugefügt. Außerdem wurde für das regionale GDP kontrolliert, um den Einfluss der wirtschaftlichen Lage in der Region zu erfassen. Die Daten hierzu stammen, genau wie die Daten zur regionalen Arbeitslosigkeit, ebenfalls vom ESS. Aufgrund seiner hohen nummerischen Ausprägung, wurde das regionale GDP durch 1000 geteilt und in dieser transformierten Form (r_gdp2) in das Modell aufgenommen, um eine leichtere Interpretation der Koeffizienten zu ermöglichen.
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