Die Verse in Joh 6, 30-35 sprechen mich in vielfältiger Weise an und erinnern mich z. B. daran, dass Gottes Handeln in meinem Leben zumeist mehrdeutig ist (30): Mein Vertrauen auf Gott bleibt trotz Zeichen gefragt. Betroffen macht mich das Zitat aus Psalm 78. In ausweglosen Situationen, etwa bei meiner Stellenuche, zweifle ich in ähnlicher Weise an Gottes Führung. Auch die verschiedenen Arten des Hungers und die damit verbundene Verwechslungsgefahr bezüglich Jesu Verheißungen sind mir bekannt. Der Abschnitt ermutigt mich, meine Aufmerksamkeit immer wieder auf Gott statt auf Menschen auszurichten (32), und immer wieder Jesus als Leben spedendes Brot aufzunehmen.
Inhaltsverzeichnis
I) Persönliche Betrachtung
1. Einfälle zum Text
2. Dreifache Befragung der Verse (Am Beispiel von V.32)
3. Vor-Sätze zum Text
II) Exegetische Arbeit
1. Text
2. Form
3. Ort
4. Wort
5. Ziel
III) Homiletische Besinnung
1. Gemeinde
2. Systematisch-Theologische Reflexion
3. Predigtinvention
IV) Interpretierende Darlegung
V) Anhang (Literaturverzeichnis)
VI) Anhang (Ablauf)
I) Persönliche Betrachtung
1. Einfälle zum Text
Die Verse in Joh 6, 30-35 sprechen mich in vielfältiger Weise an und erinnern mich z. B. daran, dass Gottes Handeln in meinem Leben zumeist mehrdeutig ist (30)[1][2]: Mein Vertrauen auf Gott bleibt trotz Zeichen gefragt[3]. Betroffen macht mich das Zitat aus Psalm 78[4]. In ausweglosen Situationen, etwa bei meiner Stellensuche, zweifle ich in ähnlicher Weise an Gottes Führung[5]. Auch die verschiedenen Arten des Hungers und die damit verbundene Verwechslungsgefahr bezüglich Jesu Verheißungen sind mir bekannt. Der Abschnitt ermutigt mich, meine Aufmerksamkeit immer wieder auf Gott statt auf Menschen auszurichten (32), und immer wieder Jesus als Leben spendendes Brot aufzunehmen.
2. Dreifache Befragung der Verse (Am Beispiel von V.32)
Anhand von Vers 32, wo sich die Übertragung des Bildwortes vom Brot auf Jesus anzudeuten beginnt, sei die Befragung der Verse dargestellt[6]:
a) Vorgang: Jesus gibt weiter, was er von Gott hört[7]. Er positioniert Gott vor Mose und das wahre Himmelsbrot vor bloßem Himmelsbrot. b) Heilsgeschehen: Jesus rückt rettend[8] den Blick zurecht, weg vom Menschen hin zu Gott, von vergänglicher Speise hin zum wahren Brot. c) Betroffenheit: Jesus redet mit mir, schweigt hier nicht. Er will meinen Blick für sich öffnen. Gott „gibt“ (Gegenwart): Gott ist gegenwärtig!
3. Vor-Sätze zum Text
1. Vertrauen gefragt: Gottes Zeichen sind mehrdeutig. 2. In ausweglosen Lagen Gott zu vertrauen fällt schwer. 3. Jesus rückt meinen Blick zurecht. 4. Er ermutigt, sich auf ihn bzw. auf Gott auszurichten. 5. Er, das wahre Brot des Lebens, sättigt den eigentlichen Lebenshunger. 6. Jesus redet hier – er schweigt nicht. 7. Gott gibt jetzt: Er ist in Jesus gegenwärtig! 8. „Offenes Ende“: Jesu Aussage (35) lädt ein, zu ihm zu kommen.
II) Exegetische Arbeit
1. Text
Ins Gewicht fallende textkritische Überlegungen sind nicht vorhanden[9].
2. Form
Die vorliegende Perikope lässt sich wie folgt gliedern[10]:
V 30-31 Juden: Zeichenforderung und Nennung des Themas (Brot)
V 32-33 Jesus: entgegnende Richtigstellung und Horizonterweiterung
bezüglich des Begriffes „Brot“ (Übertragung Teil 1)
V 34 Juden: Bitte um diese Leben gebende Brot
V 35 Jesus: vollständige Deutung des „Brotes des Lebens“
auf Jesus selbst hin (Übertragung Teil 2)
Der zur Gattung der Streitgespräche zwischen Jesus und den Juden (41) gehörende Abschnitt[11] lässt sich vom unmittelbaren Kontext nur bedingt abgrenzen[12]. Für die Abgrenzung spricht die Einheit durch das Manna-Motiv und die Änderung der Blickrichtung hin auf das wahre Brot vom Himmel (30-35) sowie der Rückblick (36) und der den Vers 35 ausführende Charakter der anschließenden Verse[13]. Ein entscheidender Grund, mit Vers 35 zu schließen, dürfte mit Blick auf die Predigthörer das positiv-einladende, offene Ende sein[14].
3. Ort
Im engeren Kontext der Perikope fallen die ebenfalls das Thema „Brot“ behandelnde Speisung der 5000 (1-14) ins Auge, das Wort von der unvergänglichen Speise (27) und die Übertragung des Begriffes „Brot“ auf „Jesu Fleisch“[15]. Ziel[16] des laut Rein[17] nicht näher zu identifizierenden Verfassers ist es, Jesus Christus als Sohn Gottes (20,30) vor Augen zu malen, damit die Adressaten[18] ermutigt werden, an Jesus zu glauben, sodass sie das ewige Leben haben[19]. Die Perikope steht im ersten Hauptteil des Evangeliums, der Jesu Auseinandersetzungen[20] mit den Juden beschreibt. Der Streit zwischen Jesu Nachfolgern und Judentum kann als Sitz im Leben gelten. Der Skopus liegt in der Vergewisserung der Christen: Jesus allein ist das Brot des Lebens, das wahre Leben.
4. Wort
Die Perikope steht im Zusammenhang der Frage nach der Identität Jesu. Das Volk (22) fordert von Jesus, sich mit einem shmeion auszuweisen, damit es sehen und ihm glauben könne. Diese Forderung ist jedoch ein Widerspruch in sich[21]. Daher liegt die Vermutung nahe, dass sie – entgegen ihrer Behauptung - im Grunde gar nicht glauben wollen[22]. Jesus öffnet den Blickwinkel seiner Zuhörer (32). Er gibt das weiter, was er zuerst von Gott gehört hat[23] und lenkt den Blick weg vom vergänglichen Manna, hin auf das wahre Lebensbrot sowie weg von Mose[24], dem Übermittler, hin auf Gott, den Geber. Auffällig ist zudem der Zeitwechsel (didwsin), mit dem Jesus die Gabe des wahren Lebensbrotes in die Gegenwart versetzt und andeutet: Gott ist – in Christus - gegenwärtig. Brot (artoV) ist neben Wasser das Lebensmittel, das ein Mensch unbedingt zum Leben benötigt[25]. Jesus kümmert sich um die Bedürfnisse des Leibes, wie die Speisung der 5000 zeigt. Zugleich benötigt der Mensch aber eine Speise, die seinen innersten Lebenshunger nach unvergänglichem Leben stillt. Diese Speise kann nur von Gott selbst kommen (33). Die Zuhörer können dieser erweiterten Dimension nicht folgen (34).[26]. Entscheidend ist, wie sich die Zuhörer angesichts der Selbstoffenbarung Jesu in Vers 35 entscheiden. Hier identifiziert Jesus sich mit dem Gottesbrot, das das Leben ist. Er selbst ist das Leben[27]. In dem „egw eimi“ klingt Jesu göttlicher Anspruch mit. In Jesus ist Gott gegenwärtig. Wer zu ihm kommt, hat schon jetzt das ewige Leben.
5. Ziel
a) Intention: Den Lesern soll neu bewusst gemacht werden, das Jesus selbst das Brot des Lebens ist, um sie zum Bleiben bei bzw. Kommen zu ihm zu ermutigen, damit sie das Leben haben. b) Kerygma: Jesus erklärt seine Identität als Brot des Lebens. Zeichen können darauf hinweisen – bleiben aber mehrdeutig. Das Volk wendet sich gegen Jesu Messianität und gegen Gott selbst, macht sich zum Richter über Jesus und offenbart den eigenen Unglauben. Jesus öffnet den Blick der Zuhörer: hin zu Gott, hin zum Lebensbrot, das zum Leben notwendig ist. Gott ist gegenwärtig. Jesus lädt zu sich, zum ewigen Leben, ein.
c) Idion: Besonders ist die Deutung Speisung der 5000 und zugleich die qualitative Steigerung des verwendeten Begriffes „Brot“ als das das ewige Leben gebende, als Jesus selbst. Formal ist die Perikope ein wichtiger Übergang vom Zeichen des Brotes zum Gedanken an Jesu Selbstopferung und das an Abendmahl.
[...]
[1] In Klammern: Versangaben aus Joh 6 bzw. Vers und Kapitel aus Johannes.
[2] Hinweis Gottes oder aber „zufälliges“ Geschehen ohne Beweiskraft.
[3] Oft vergesse ich Gottes Taten auch wieder oder übersehe den eigentlichen Geber (32). Wie bei der Speisung der 5000 (6, 1-14), die der Zeichenforderung genügt hätte.
[4] Die Väter hofften trotz aller bisherigen Erfahrungen nicht auf Gottes Hilfe.
[5] Verläuft alles glatt, lässt sich leicht glauben. In einer Wüste sieht das anders aus.
[6] Brotrede sowie Kontext antworten auf die Frage „Wer ist Jesus?“. Vgl. Maier 264.
[7] Amen, Amen: Bekräftigung dessen, was Jesus von Gott hört. Kettling.
[8] Bemerkenswert ist, dass Jesu Name („Jahwe ist Hilfe/Heil“ vgl. die Artikel „Joschua“ und „Jesus Christus“, Calwer Bib.) mit seinem Auftrag und Handeln in Einklang steht.
[9] Ein Teil der Lebensbrotrede Jesu in Joh 6,22-71.Vgl. etwa Schnelle 121 Fußnote 31.
[10] Neben inhaltlichen und personenbezogenen Aspekten legt besonders das anaphorische eipon/ eipen (oun) (30;32;34;35) diese Gliederung nahe.
[11] So weiter gefasst mit Nörenberg 84. Eine engere Begrenzung auf das Stichwort „Brot“ an sich (30-51), wie Schnelle angibt, ist genauso gut möglich.
[12] Denn Orts-, Zeit- und Personenwechsel als typische Kriterien liegen nicht vor.
[13] Formal bindet das bereits erwähnte eipon/ eipen (oun) die Verse 30-35 aneinander.
[14] Mit Vers 36 würde den Hörern diese Einladung quasi wieder abgesprochen werden.
[15] Anspielung auf Jesu Sühnetod und das Abendmahl. Die Verbindung zwischen Brot und Jesu Leib bzw. Abendmahl sehen nicht alle Ausleger so. Dennoch überträgt Jesus selbst den Begriff „Brot“ auf sein „Fleisch“. Auch Wilckens („eucharistische Speise“, 100) und Voigt („Lebensbrot im Sakrament“, 327) sehen diesen Zusammenhang.
[16] Vgl. Maier 264: „Wer ist Jesus?“.
[17] Im Folgenden Rein 152 – 155. Der Verfasser des Joh-Ev. ist vermutlich Judenchrist.
[18] Juden- und Heidenchristen um 90-100 n. Chr
[19] Schon im Prolog: Das „Leben“, das Jesus ist, als Charakteristikum Christi. Rein 146.
[20] Sowie Jesu öffentliches Wirken „vor aller Welt“. Rein 144.
[21] 1. Gottes Zeichen sind meist mehrdeutig. Sie gestatten dem Menschen, diese Hinweise zu übersehen (Vgl. u. a. de Boor 197 „zweischneidig“.) 2. Die Juden sahen erst am Tag zuvor ein Zeichen - sie müssten Jesus glauben. (Schnelle 123 vermutet einen Widerspruch. Die Zeitangaben (22;26) zeigen jedoch einen Gesamtzusammenhang auf. Das Vergessen göttlicher Taten ist geradezu ein Kennzeichen der Israeliten (Ps. 78,42) und der Menschen überhaupt. Vgl. Maier 271.) 3. Die Juden wollen Jesus prüfen, machen sich also zum „Richter“ über ihn. (De Boor 197. Vgl. im Folgenden auch De Boor 198 und Maier 271f.)
[22] Eindrücklich: die Berufung auf die Väter. Das Volk offenbart, wes Geistes Kind es ist. Es zitiert Ps. 78, 24, übersieht jedoch, dass dort Brot und Wachteln fast in einem Atemzug genannt werden. Die Forderung nach Wachteln entpuppte sich bereits früher als nicht gottgefällig (Ps. 87, 29-31). Der Psalm zeigt, dass die Israeliten trotz Gottes Zuwendung ihm immer wieder „trotzten“(40), „sündigten“ (32) und ihn „kränkten“ (41). Wenn sich Jesu Gegenüber auf ihre Väter berufen, geben sie damit zu, voller Unglaube zu sein. Das Volk stellt nicht „nur“ Jesu Messianität infrage. Die Brotforderung richtet sich gegen Gott selbst (Ps. 87, 18-20!). Hier geht Jesu Selbstoffenbarung eine „Selbstoffenbarung“, ein „Offenbarungseid“ des Volkes voraus.
Die Brisanz von Ps. 78 hat auch Maier 271f. entdeckt. Diese Entdeckung geht aber darüber hinaus. Hier steigert Ps. 78 die Brisanz ins Unermessliche. Die Israeliten „versuchten“ (Ps. 78,18) Gott, indem sie ihn herausforderten: „Kann Gott wohl einen Tisch bereiten […]?“ (19) Noch deutlicher: „kann Gott aber auch Brot geben“? (20) Somit richtet sich der Angriff nicht nur gegen den dem Volk bisher „unbekannten“ Sohn Gottes. Der Angriff des Unglaubens richtet sich gegen den bisher bekannten Gott selbst – und wird damit vollends zum unglaublichen Angriff.
[23] amhn, amhn, nach Kettling, Unterricht. Vgl. auch Wilckens 101.
[24] Seltsam scheint, dass Jesus Mose erwähnt, obwohl weder in Ps. 87,24 noch in Ex. 16,4, worauf die Juden mit ihrer Forderung anspielen, von Mose die Rede ist. Der Geber des Brotes vom Himmel ist eindeutig Gott. Möglich ist, dass diese eigentlich klare Aussage der Schrift in der Gedankenwelt der Juden mit Auslegungen des Midrasch vermengt waren, wonach Mose als „der erste Erlöser“ galt, der das Manna habe herabkommen lassen. Gegen diese Überhöhung Moses könnte sich Jesus hier wenden. Vgl. Voigt 326.
[25] Vgl. Lichtenberger 203.
[26] Sie missverstehen Gottes Brot als Brot für die irdischen Bedürfnisse. Dieses Missverständnis ist jedoch an sich nicht negativ, da Jesu Deutung es zurechtbringt. Auch die Samariterin (4,15) missversteht das Wort vom lebendigen Wasser. Hier wechselt Jesus das Thema, um ihr die Augen zu öffnen. Vgl. auch Schulz 105, de Boor 199. Aus psychologischer Sicht könnte ein gewolltes Missverständnis seitens Jesu als Stilmittel eingesetzt sein, um die Nachhaltigkeit der Deutung zu verstärken.
[27] Das Leben an sich zu sein ist eigentlich eine Eigenschaft Gottes.