Das Thema Terrorismus bestimmt seit vielen Jahren die Berichterstattung international in großem Maße. Es ist dadurch auch wissenschaftlicher Betrachtungsgegenstand verschiedenster Fachrichtungen geworden. Trotz vieler wissenschaftlicher Arbeiten zu diesem Thema sind weiterhin viele Fragen offen. Im Rahmen dieser Arbeit soll ein Überblick über die ökonomische Sichtweise gegeben werden.
Ergebnis der Arbeit ist ein Überblick über die ökonomische Sicht auf das Thema Terrorismus unter Berücksichtigung aktueller Forschungsarbeiten aus verschiedenen Themenbereichen. Verschiedene Modelle und Metriken werden in diesem Zusammenhang vorgestellt.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
1 Der Terrorismus aus ökonomischer Sicht
1.1 Definition Terrorismus
1.2 Motivation und Hintergründe von Terroristen
1.3 Terrorismus messbar machen
1.3.1. Kennzahlen
1.3.2. Kosten
1.3.3. Ökonomische Analyse aus Sicht des Terroristen
2 Maßnahmen gegen Terrorismus
2.1 Militärische Abschreckung
2.2 Positive Anreize für Aussteiger
2.3 Mediale Diffusion
2.4 Zusammenfassung Gegenmaßnahmen
3 Terrorismus und Migration
4 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Onlinequellen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 - Todesopfer je Terroranschlag,
Einleitung
Das Thema Terrorismus bestimmt seit vielen Jahren die Berichterstattung international in großem Maße. Es ist dadurch auch wissenschaftlicher Betrachtungsgegenstand verschiedenster Fachrichtungen geworden. Trotz vieler wissenschaftlicher Arbeiten zu diesem Thema sind weiterhin viele Fragen offen. Auch ist es noch nicht gelungen, eine Lösung oder Ansätze zur Entspannung der aktuellen Konflikte zu finden.
Im Rahmen dieser Arbeit soll ein Überblick über die ökonomische Sichtweise gegeben werden. Ziel ist es in diesem Kontext, einen Einstieg in das Thema zu ermöglichen und Lesern Ansatzpunkte für weitere Vertiefungen zu geben. Es ist nicht der Anspruch der vorliegenden Arbeit, die angesprochenen Themenbereiche vertieft zu betrachten oder eigenständige Ansätze zu entwickeln.
Zum Einstieg in die Thematik wird ein Überblick über die Definition des Begriffs Terrorismus sowie die Handlungsweisen von Terroristen und Ansätze zur Messbarmachung des Themas gegeben. In diesem Kontext wird die terroristische Entscheidungsfindung mithilfe eines Angebot-Nachfrage-Modells abgebildet. Diese Darstellung wird im Folgenden verwendet, um die Auswirkungen verschiedener Gegenmaßnahmen einzuschätzen. Die Auswirkungen von Terrorismus auf andere Themen werden danach am Beispiel von Migration aufgezeigt. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der aufgeführten Inhalte.
Ergebnis der Arbeit ist ein Überblick über die ökonomische Sicht auf das Thema Terrorismus unter Berücksichtigung aktueller Forschungsarbeiten aus verschiedenen Themenbereichen. Verschiedene Modelle und Metriken werden in diesem Zusammenhang vorgestellt.
1 Der Terrorismus aus ökonomischer Sicht
1.1 Definition Terrorismus
Der Begriff Terrorismus ist bislang weder wissenschaftlich noch juristisch eindeutig definiert. Neben vielen idealistisch geprägten Definitionen gibt es aufgrund der verschiedenen Erscheinungsformen von Terrorismus keine allgemein akzeptierte Definition.[1] Für die vorliegende Arbeit soll eine möglichst allgemeingültige Definition genutzt werden. Grundlage für diese sind verschiedene juristische Definitionen großer Institutionen, die im Folgenden vorgestellt werden.
Das Ziel ist, eine sachliche Grundlage für die in weiteren Kapiteln folgenden Betrachtungen zu schaffen. Hierfür wird in Kauf genommen, dass in der erarbeiteten Definition nicht alle möglichen Aspekte von Terrorismus aufgegriffen werden, sondern lediglich einen Ausgangspunkt für die Abgrenzung des Themas geschaffen wird.
Die Vereinten Nationen haben den Begriff 2004 wie folgt definiert:
Unter Terrorismus fallen "Straftaten, [..] auch gegen Zivilpersonen, die […] den Tod oder schwere Körperverletzungen [..] verursachen [sollen], oder Geiselnahmen, die mit dem Ziel begangen werden, […] Personen in Angst und Schrecken zu versetzen, eine Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen"[2].
Diese Definition wird 2011 vom Special Tribunal for Libanon mit einigen nationalen Gesetzgebungen verglichen und erweitert:
“(i) the intent (dolus) of the underlying crime and (ii) the special intent (dolus special is) to spread fear or coerce authority; (iii) the commission of a criminal act, and (iv) that the terrorist act be transnational.”[3]
Hauptaussage dieser beiden Definitionen ist die Einstufung von Terrorismus als Verbrechen.
In den USA findet die Definition aus dem United States Code Anwendung.
„the term “terrorism” means premeditated, politically motivated violence perpetrated against noncombatant targets by subnational groups or clandestine agents“[4]
Gemeinsam sind diesen drei Definitionen folgende Kennzeichen:
- Fokus von Gewalt auf zivile Ziele
- Nutzung von Terrorismus zur Erreichung eigener Ziele
Daher wird basierend auf den vorgestellten Definitionen wird für die vorliegende Arbeit folgende Definition verwendet:
Terrorismus bezeichnet die Ausübung von Gewaltverbrechen gegen Zivilpersonen mit dem Ziel, Angst zu verbreiten.
Terrorismus ist nach dieser Definition keine idealistische Ausrichtung sondern eine Methode, um bestimmte Ziele zu erreichen. Diesen Ansatz wählt auch Shapiro. Er beschreibt Terrorismus als eine von verschiedenen Taktiken, die eine Gruppe ergreifen könne.[5]
1.2 Motivation und Hintergründe von Terroristen
Im Folgenden wird ein Verständnis für grundlegende Beweggründe geschaffen. Hierfür werden verschiedene Motivationen, Strategien und Hintergründe von Terroristen aufgeführt.
Im Hinblick auf die Ergreifung terroristischer Maßnahmen differieren die Gründe für Einzelpersonen stark. Trotzdem lassen sich aus der Vielzahl der Gründe einige Hauptbeweggründe ableiten.
Zu diesen zählen ein gewaltbereites Umfeld, gruppendynamische Radikalisierungseffekte und individuelle psychologische Gründe. Das Umfeld begründet hierbei vor allem einen Einstieg in politisch motivierte Gewalt. In der Gruppe greifen verschiedene gruppendynamische Effekte, die auch bei an sich gemäßigten Gruppen zu einer Radikalisierung führen können. Diese beiden Faktoren kommen vor allem dann zum Tragen, wenn die einzelne Person für diese zugänglich ist und aufgrund individueller Veranlagungen stark nach Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe streben lassen.[6]
Um die Vorgehensweisen einschätzen und die möglichen Gegenmaßnahmen abwägen zu können werden die Motivationsmuster von Terroristen betrachtet. Gemäß einer Betrachtung von Frey könne ein Terrorist sowohl extrinsisch als auch intrinsisch motiviert sein. Bei einer extrinsischen Motivation stünden Belohnungen sowie der Gewinn von Ansehen im Vordergrund. Dagegen läge der Fokus bei intrinsischer Motivation in den zu Grunde liegenden Überzeugungen und sei kaum durch äußere Anreize zu beeinflussen. Die Auswirkungen dieser Betrachtungen werden im Folgenden bei der Betrachtung des ökonomischen Modells aufgezeigt.[7]
Zu beachten ist im Hinblick auf die folgenden Betrachtungen, dass es empirische Anzeichen gibt, dass die Entscheidung für oder gegen einen terroristischen Anschlag durch die Terroristen rational getroffen wird.[8] Diese Beobachtung dient als Grundlage für die Anwendung des im Folgenden vorgestellten ökonomischen Modells.
Das in der Definition aufgeführte Ziel der Verbreitung der Angst ist oft durch im Hintergrund liegende Ziele begründet. Diese sind vor Allem die Verbreitung der eigenen Ideologie oder auch die Erreichung konkreter politischer Ziele. Die Verwendung terroristischer Methoden und der Verbreitung von Angst zur Erreichung dieser Ziele hat sich in der Vergangenheit für terroristische Organisationen bewährt, da sie mit geringem materiellen Aufwand für eine große Reichweite zur Verbreitung der eigenen Ansichten geführt hat.[9]
Strategisch liegen hierbei oft fünf Vorgehensweisen zu Grunde. Zu diesen zählen[10]:
- Zermürbung Hierbei wird durch terroristische Anschläge Druck auf eine Regierung ausgeübt, sodass diese sich gezwungen sieht, die Politik zu verändern, um immer weitere Anschläge zu verhindern.
- Einschüchterung Durch Einschüchterung wird versucht, Druck direkt auf die Bevölkerung aufzubauen, um diese kontrollieren zu können.
- Provokation Hintergrund dieser Strategie ist die jeweilige Regierung dazu zu verleiten, selbst mit Gewalt gegen die Terroristen vorzugehen. Durch die Provokation starker Gewalt wird die Vertrauensbasis der Bevölkerung zur Regierung geschädigt und die Regierung verliert die Unterstützung der Bevölkerung. Hierdurch wird der jeweilige Staat destabilisiert.
- Spoilers Bei dieser Strategie werden terroristische Anschläge gezielt als verhandlungsverhinderndes Mittel eingesetzt. Ziel ist es, Misstrauen zwischen den am Konflikt beteiligten Parteien zu erzeugen, um so Friedensverhandlungen zu unterbinden.
- Überbieten Durch Terroranschläge demonstriert eine terroristische Organisation Stärke, um sich gegenüber anderen Organisationen hervorzutun und so vermehrt Unterstützung gewinnen zu können. Im Fokus steht hier auch das Anwerben von neuen Sympathisanten.
1.3 Terrorismus messbar machen
Das Ziel von Terrorismus ist die Verbreitung von Angst. Um die Auswirkungen die seitens der Terroristen hierfür eingesetzten Mittel einschätzen zu können, soll das Thema im Folgenden im Hinblick auf vorliegende Kennzahlen und mögliche Metriken betrachtet werden.
1.3.1. Kennzahlen
Lediglich die Anzahl von terroristischen Anschlägen zu nennen ist eine unzureichende Metrik. In dieser Betrachtung wären alle Aktionen berücksichtigt, ausgehend von der Geiselnahme und anschließender Freilassung einer einzelnen Person bis hin zu großen Anschlägen wie z. B. dem Angriff vom 11.09.2001 in den USA. Diese Bandbreite an verschiedenen Fällen verhindert, dass ein Bezug zur Entwicklung von Terrorismus nur anhand der Anzahl geschaffen werden kann.
Eine Aussage über die Entwicklung des Wesens terroristischer Aktionen kann besser durch die Betrachtung der Todesopfer getroffen werden. 2016 beläuft sich diese Anzahl auf 25.673 Menschen.[11] In
Abbildung 1 ist die Anzahl der Todesopfer pro Terroranschlag in den Jahren 2007 bis 2016 dargestellt.
Abbildung 1 - Todesopfer je Terroranschlag[12],[13]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Betrachtung zeigt, dass sich die Anzahl der Todesopfer je Terroranschlag in den letzten Jahren stark erhöht haben. Daraus lässt sich folgern, dass sich die Methoden verändert haben. Daraus resultiert auch eine Veränderung der Kosten, die aufgrund terroristischer Anschläge entstehen. Im Folgenden werden diese Kosten näher betrachtet.
1.3.2. Kosten
Die durch Terrorismus entstehenden Kosten sind schwer einzugrenzen. Neben direkt ermittelbaren Kosten wie Schäden an Gebäuden oder der medizinischen Versorgung von Opfern müssen auch indirekte Kosten berücksichtigt werden. Zu diesen gehören beispielsweise die verlorene Produktivität von Todesopfern, die psychologischen Folgen bei Opfern und Angehörigen oder Schäden am Image von Beteiligten.[14]
Weitere Kosten entstehen durch (vorbeugende) Gegenmaßnahmen wie z. B. die Arbeit von Geheimdiensten, militärische Operationen oder anderen Methoden. Einige dieser Methoden werden in Abschnitt Error! Reference source not found. Error! Reference source not found. dargestellt.
Die Höhe der Kosten für die Gegenmaßnahmen kann nur schwer bestimmt werden, da viele hierfür benötigte Informationen, wie beispielsweise Budgets von Geheimdiensten, nicht öffentlich zugänglich sind.[15]
Eine weitere zu berücksichtigende Größe sind entstehende ökonomische Folgen aus den Anschlägen. Diese können auf verschiedene Arten ermittelt werden. Eine Möglichkeit ist die von McCollister et. al. dargestellte Methode. In ihrer Studie führen diese vier Hauptkostenarten auf. Zu diesen gehören die Hilfe für Opfer, Kosten für das Justizsystem, Opportunitätskosten durch die ausbleibende Wirtschaftsleistung der Kriminellen und psychologische Faktoren bei Opfern und Angehörigen.[16] Für diese Kategorien sei es möglich, aus Daten verschiedener Datenbanken, hauptsächlich Krankenberichte und Kostenaufstellungen, die Kosten pro Verbrechen zu berechnen. Für die psychologischen Folgen wird hierfür eine Umrechnungstabelle verwendet.[17]
Dieser Ansatz bietet eine Möglichkeit, die im Folgenden vorgestellten Modelle mit Metriken zu hinterlegen und so die verschiedenen Auswirkungen und Maßnahmen vergleichbar zu machen.
1.3.3. Ökonomische Analyse aus Sicht des Terroristen
Um die im Folgenden betrachteten Maßnahmen im Hinblick auf ihre Wirkung einschätzen zu können, wird ein rationales ökonomisches Handlungsmodell zu Grunde gelegt. Dieses geht davon aus, dass seitens der Terroristen rational entschieden wird, ob ein Anschlag durchgeführt werden soll oder nicht. Als Grundlage für das Modell dient das von Frey und Lüchtinger vorgestellte Angebot-Nachfrage-Modell.[18]
[...]
[1] Vgl. Saul (2015), 1.
[2] UN Sicherheitsrat (2004), 61.
[3] Special Tribunal for Lebanon (2013), 3.
[4] United States Congress (2017).
[5] Vgl. Shapiro (2012), 6.
[6] Vgl. Ozer (2007), 64.
[7] Vgl. Frey und Luechinger (2003), 266.
[8] Vgl. Shapiro (2012), 7.
[9] Vgl. Kydd und Walter (2006), 1.
[10] Vgl. Shapiro (2012), 8.
[11] Vgl. Institute for Economics and Peace (2017), 14.
[12] Vgl. Statista (2018a).
[13] Vgl. Statista (2018b).
[14] Vgl. Institute for Economics and Peace (2017), 83.
[15] Vgl. Frey (2018), 31.
[16] Vgl. McCollister, French und Fang (2010), 99.
[17] Vgl. McCollister, French und Fang (2010), 104.
[18] Vgl. Frey und Luechinger (2003), 265.