Gerade in einem Zeitalter in dem das Wort Kapitalismus so viel mediale Aufmerksamkeit genießt wie heute und dabei positive wie negative Reaktionen mit sich bringt, sollte der Begriff unter Einbeziehung von Entfremdungstheorien und eines zeitlichen Vergleiches reflektiert werden.
Aus den unzähligen Aspekten und Sichtweisen die der Begriff Kapitalismus mit sich bringt soll in der hier vorliegenden Reflexion ein zeitlicher Vergleich im Vordergrund stehen. Dabei wird zunächst der Begriff Kapitalismus allgemein definiert und wenn nötig auf eine zeitliche Veränderung eingegangen. Der Hauptteil dieser Reflexion soll jedoch die Frage beantworten, wie eine Entfremdung im „Kapitalismus“ von ausgewählten Vertretern des 19. beziehungsweise frühen 20. Jahrhunderts dargestellt wurde und ob diese Entfremdungstheorien im 21. Jahrhundert noch aufgegriffen werden, verbessert oder gänzlich verworfen wurden.
Inhaltsverzeichnis
Definition des Begriffes „Kapitalismus“
Entfremdungstheorien am Anfang der Moderne
Karl Marx
Georg Simmel
Max Weber
Sammlung der Entfremdungstheorien
Entfremdungstheorien in der Postmoderne
George Ritzer
Richard Sennett
Rahel Jaeggi
Sammlung der Entfremdungstheorien
Vergleiche
Ritzer vs. Weber, Simmel und Marx
Sennett vs. Simmel
Jaeggi vs. Marx
Konklusion
Literaturverzeichnis
Bibliographien
Internetquellen
Entfremdungstheorien des „Kapitalismus“ im Vergleich
Gerade in einem Zeitalter in dem das Wort Kapitalismus so viel mediale Aufmerksamkeit genießt wie heute und dabei positive wie negative Reaktionen mit sich bringt, sollte der Begriff unter Einbeziehung von Entfremdungstheorien und eines zeitlichen Vergleiches reflektiert werden.
Aus den unzähligen Aspekten und Sichtweisen die der Begriff Kapitalismus mit sich bringt soll in der hier vorliegenden Reflexion ein zeitlicher Vergleich im Vordergrund stehen. Dabei wird zunächst der Begriff Kapitalismus allgemein definiert und wenn nötig auf eine zeitliche Veränderung eingegangen. Der Hauptteil dieser Reflexion soll jedoch die Frage beantworten, wie eine Entfremdung im „Kapitalismus“ von ausgewählten Vertretern des 19. beziehungsweise frühen 20. Jahrhunderts dargestellt wurde und ob diese Entfremdungstheorien im 21. Jahrhundert noch aufgegriffen werden, verbessert oder gänzlich verworfen wurden. Wenn in dieser Reflexion vom Anfang der Moderne die Rede ist, ist dabei die Zeitspanne, ausgehend von der Mitte des 19. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts, gemeint. Die Postmoderne stellt hier den Zeitraum, angefangen vom Ende des 20. bis frühes 21. Jahrhundert, also bis jetzt, dar.
Definition des Begriffes „Kapitalismus“
Die Definition des Kapitalismus am Anfang der Moderne kann nicht als eine einzige gelten. Viel mehr haben unterschiedliche Menschen den Kapitalismus unterschiedlich definiert. Karl Marx beispielsweise sah den Kapitalismus als eine Wirtschaftsweise, in der angehäuftes Geld in Waren investiert wird um dabei mehr Geld zu erzeugen. Weiters sah Marx diese Gesellschaftsformation als eine, in der die Arbeitskraft selbst zur Ware geworden ist und genau dies macht nach ihm die Dynamik im Kapitalismus aus (vgl. Dörre 2012: 489ff).
Max Weber definierte den Kapitalismus als die Bedarfsdeckung einer Gruppe von Leuten durch rationale Unternehmung. Dabei sind alle Organisationen oder Betriebe, welche den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens rechnerisch über Bilanzen und Buchführung kontrollieren, kapitalistischer Natur (vgl. ebd.: 490).
Gleich wie die Definitionen des Kapitalismus am Anfang der Moderne, existieren auch während der Postmoderne zahlreiche Definitionen die den Kapitalismus sowohl als Gesellschaftsform als auch als Weltsystem, als Wachstumsgesellschaft und vieles mehr darstellen, wobei keine als die eine richtige Definition dieses Begriffes anzunehmen ist (vgl. ebd.: 488).
Für diese Reflexion wird auf eine Definition des Kapitalismus aus dem frühen 20. Jahrhundert zurückgegriffen, welche den „Kapitalismus zu einer ‚Schicksalsmacht‘ die die Lebensführung (nicht nur) der Kapitalisten nüchtern-rationalen, auf möglichst exakten quantitiven Kalkulationen beruhenden Zwecksetzungen unterordnet“ (Sombart 1928: 329) macht.
Zu vernachlässigen ist dabei aber nicht die Geschichte des Kapitalismus als solche. Denn diese definiert sich als eine Ausdifferenzierung unterschiedlicher Arbeits- und Tätigkeitsformen, was im Verlauf dieser Reflexion zu beachten ist (vgl. Dörre 2012: 495).
Entfremdungstheorien am Anfang der Moderne
Karl Marx
Karl Marx bezieht sich bei seiner „Theorie der Entfremdung“ sehr stark auf die Arbeits- und Produktionsweise, die der „neue Kapitalismus“ zu seiner Zeit, hervorgebracht hat. Er verweist dabei auf „[…] die Vergegenständlichung, die Produktion des Arbeiters und in ihr die Entfremdung, den Verlust des Gegenstandes, seines Produkts.“ (Marx 1996: 157)
Dabei stellte Marx vier wesentliche Punkte dar, die als Entfremdung in der kapitalistischen Gesellschaft geltend gemacht werden können, wovon hier nun die relevantesten Punkte näher erläutert werden.
Erstens ist Marx der Ansicht, dass der Mensch sich durch die Knechtschaft der Arbeit nur mehr als physisches Subjekt erhalten kann, das heißt, dass jeder Arbeiter durch seine Arbeit und dabei eben durch das Eingreifen in die Natur, selbst seine Arbeitsressourcen mindert und weiters somit seine Mittel für die physische Subsistenz verkleinert (vgl. ebd.:157).
Aber er sieht nicht nur eine Entäußerung vom Produkt der Arbeit, sondern erkennt auch im Akt der Produktion eine Entfremdung. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Äußerlichkeit der Arbeit gegenüber dem Arbeiter, in anderen Worten, die Arbeit ist keine freiwillige oder befriedigende, sie ist vielmehr aufgezwungen und nur ein Mittel um andere Bedürfnisse zu stillen. Karl Marx schreibt hierbei von „Selbstentfremdung“ (vgl. ebd.: 158-159).
Die Konsequenz dieser Entfremdungen vom Produkt der Arbeit und vom Akt der Produktion ist eine Entfremdung vom Gattungswesen, also eine „Entfremdung des Menschen von dem Menschen“ (ebd.:162).
Karl Marx bezog sich mit seiner Entfremdungstheorie somit auf die Nationalökonomie, die kapitalistische Gesellschaft, und indes auf die Entfremdung durch die Arbeit. Dabei ist aber nicht außer Acht zu lassen, dass man die Marx‘sche Entfremdung auch als Rationalisierungsprozess sehen kann. Wie Hauke Brunkhorst schrieb kann man den Begriff Entfremdung gleichsetzen mit dem „[…] Fremdwerden des von Menschen selbst hervorgebrachten Rationalisierungsfortschritts.“ (Brunkhorst 1997: 21)
Somit wird im weiteren Verlauf dieser Reflexion der Begriff „Entfremdung“ mit jenem der „Rationalisierung“ gleichgesetzt.
Georg Simmel
Georg Simmel nennt die Geldwirtschaft oder das Geld im Rahmen einer Entfremdung und bezieht sich dabei auf die Prozesse und Zustände des Kapitalismus (vgl. Lichtblau 1986: 73).
Bei seiner Theorie spielt die Seele beziehungsweise die subjektive und objektive Kultur eine große Rolle. Subjektive Kultur bedeutet dabei die „Kultur der Individuen“, während objektive Kultur als die „kulturelle Logik der Objekte“ definiert wird und beispielsweise Kunst, Wissenschaft, Religion oder gesellschaftliche Normen darstellt. Dabei ist es vor allem die Indifferenz des Geldes und die des modernen Intellektualismus die dazu beitragen, dass sich subjektive Kultur und objektive Kultur Entfremden (vgl. ebd.: 65f).
Seiner Meinung nach kann die Entfaltung der Seele erst dadurch erreicht werden, dass diese mit objektiver Kultur gefüllt wird. In Anlehnung an Karl Marx beschreibt Simmel eine Entfremdung von Produzenten und Produkten, dass sich der Mensch wegen dieser Entfremdung in der objektiven Kultur des Geistes nicht mehr wiederfindet und dabei die Seele den Weg zu sich selbst nicht mehr findet. Die Tragödie die Simmel in diesem Zusammenhang nennt bezieht sich darauf, dass Kulturentwicklung in einer kapitalistischen Gesellschaft keine Selbstentfaltung mehr darstellt (vgl. Stiburek 2003: 8).
Dabei sieht Simmel die Seele als die „Quelle allen Wertes“. Das Geld sorgt dafür, dass die Rangordnung der Dinge und ihren Werten auf eine reine Quantitätsdifferenz reduziert wird und dabei eine Enthumanisierung der Welt herbeigeführt wird. Weiters wird das Geld als großer Entzauberer angesehen, welcher alle Lebensbereiche durchrationalisiert und auch eine steigende Distanzierung der Menschen untereinander und zu den Dingen herbeiführt (vgl. Lichtblau 1986: 65ff).
Max Weber
Max Weber war der Ansicht, dass sich die kapitalistische Wirtschaftsordnung als Anpassungsprodukt aus dem „Geist“ des Kapitalismus herausgebildet hat (vgl. Weber 2016: 55).
Dabei beschreibt er die kapitalistische Wirtschaftsordnung als Kosmos und unabänderliches Gehäuse, das jedem Einzelnen die Normen seines wirtschaftlichen Handelns aufzwingt. Wer sich dabei nicht anpassen kann oder will beziehungsweise dagegen handelt, wird sich als Arbeitsloser auf der Straße wiederfinden (vgl. ebd.: 43-44).
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