In der Schule wird der Unterricht zunehmend von Unterrichtsstörungen belastet. In einer Schulklasse besteht die schwierigste pädagogische Aufgabe darin, die Disziplin herzustellen und dann auch aufrecht zu erhalten. Daher erfordert das Disziplinmanagement ein professionelles pädagogisches Handeln und bedient sich Hilfen, wie dem des „Trainingsraum-Konzeptes“ als Time-Out Instrument für den Unterricht. Stefan Balke als deutscher Ziehvater des Trainingsraum-Konzeptes hat den Einsatz mit seiner Adaption des aus den USA entwickelten Programms Responsible Thinking Process von Ford seit 1996 an den Schulen in Deutschland ermöglicht. In Deutschland hat sich mittlerweile auch die Trainingsraum-Methode von Simon und Bründel konzipiert als ein auf dem Ansatz basiertem Programm etabliert. Doch wie wirksam ist das Trainingsraum-Konzept?
Bislang sind so gut wie keine praxisorientierten Evaluationen und wissenschaftlichen Studien vorhanden. Die marginal existenten Studien ziehen vorwiegend ein positives Fazit und sehen eine klare Besserung im Klassenklima und auch bei den im Trainingsraum gewesenen Schülerinnen und Schülern. Dennoch ist das Konzept des Trainingsraum-Programmes gegenwärtig unter Erziehungswissenschaftlern kontrovers diskutiert und wird aber oftmals nicht mit Klassenmanagementprogrammen verglichen.
Die vorliegende Arbeit mit dem Titel „Welche Erziehungsabsicht verbirgt sich hinter dem Konzept des Trainingsraum-Programmes?“ soll insbesondere die Leser und die Interessenten dafür sensibilisieren, sich mit dem Thema „Trainingsraum-Programm“ zu beschäftigen und gleichzeitig zu hinterfragen, ob die Methode hinsichtlich der erzieherischen Absicht, die in dieser Arbeit herausgearbeitet werden soll, sinnvoll für die Anwendung in der Schule ist. Überdies erfolgt die Klärung der Frage, ob das Trainingsraum-Programm als solches überhaupt ein erzieherisches Ziel vorgibt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das „Trainingsraum-Programm“ nach Stefan Balke
2.1 Der Begriff „Unterrichtsstörungen“ im Trainingsraum-Programm
2.2 Die Ziele auf den unterschiedlichen Ebenen
2.3 Der Trainingsraum als zentrales Element
2.4 Ablauf des Programms nach Balke
3. Erzieht das Trainingsraum-Programm oder wird es erzogen?
3.1 Die Erziehung zum eigenverantwortlichen Denken und Handeln im Trainingsraum-Programm
3.2 Das Trainingsraum-Programm als Erziehungsinstrument
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der Schule wird der Unterricht zunehmend von Unterrichtsstörungen belastet. In einer Schulklasse besteht die schwierigste pädagogische Aufgabe darin, die Disziplin herzustellen und dann auch aufrecht zu erhalten. Daher erfordert das Disziplinmanagement ein professionelles pädagogisches Handeln und bedient sich Hilfen, wie dem des „Trainingsraum-Konzeptes“ als Time-Out Instrument für den Unterricht. Stefan Balke als deutscher Ziehvater des Trainingsraum-Konzeptes hat den Einsatz mit seiner Adaption des aus den USA entwickelten Programms Responsible Thinking Process[1] von Ford seit 1996 an den Schulen in Deutschland ermöglicht (vgl. Jornitz 2004, S.98). In Deutschland hat sich mittlerweile auch die Trainingsraum-Methode von Simon und Bründel konzipiert als ein auf dem Ansatz basiertem Programm etabliert. Doch wie wirksam ist das Trainingsraum-Konzept?
Bislang sind so gut wie keine praxisorientierten Evaluationen und wissenschaftlichen Studien vorhanden. Die marginal existenten Studien ziehen vorwiegend ein positives Fazit und sehen eine klare Besserung im Klassenklima und auch bei den im Trainingsraum gewesenen Schülerinnen und Schülern (vgl. Budde 2004, S.211). Dennoch ist das Konzept des Trainingsraum-Programmes gegenwärtig unter Erziehungswissenschaftlern kontrovers diskutiert und wird aber oftmals nicht mit Klassenmanagementprogrammen verglichen.
Die vorliegende Arbeit mit dem Titel „Welche Erziehungsabsicht verbirgt sich hinter dem Konzept des Trainingsraum-Programmes?“ soll insbesondere die Leser und die Interessenten dafür sensibilisieren, sich mit dem Thema „Trainingsraum-Programm“ zu beschäftigen und gleichzeitig zu hinterfragen, ob die Methode hinsichtlich der erzieherischen Absicht, die in dieser Arbeit herausgearbeitet werden soll, sinnvoll für die Anwendung in der Schule ist. Überdies erfolgt die Klärung der Frage, ob das Trainingsraum-Programm als solches überhaupt ein erzieherisches Ziel vorgibt. Der Verfasser hat diese Hausarbeit wie folgt gegliedert. Zunächst beinhaltet das Kapitel 1 die Vorstellung des Trainingsraum-Programmes nach Stefan Balke. Hierbei werden die wesentlichen Merkmale und grundsätzlichen Programminhalte vorgestellt. Nur vor dem Hintergrund der genauen Erklärung des Trainingsraum-Programmes kann die Thematik Erziehung auch in Betracht gezogen und differenziert eingeordnet werden. Im zweiten Abschnitt wird dann die zentrale Fragestellung der Hausarbeit konkretisiert. Hinweise für ein Handlungsrepertoire zum Reagieren in Störungssituationen und hinreichende Ratschläge, inwieweit eine wirkungsvolle Prävention gegen Unterrichtsstörungen wirksam erfolgen kann beantwortet diese Arbeit nicht. Die Ergebnisse der Arbeit werden im Fazit zusammenfassend dargestellt.
2. Das „Trainingsraum-Programm“ nach Stefan Balke
In Deutschland unter verschiedenen Namen bekannt geworden, wird das Trainingsraum-Programm in der Mehrzahl der Schulen angepasst und bis zu den grundsätzlichen Merkmalen leicht abgeändert. Im Folgenden soll nun eine kurze theoretische Hintergrunderklärung und Einordnung dargelegt werden.
Die Idee von William T. Powers, als geistigen Vater, stammend bot für die Entwicklung und Erstellung des Originalprogramms von Edward E. Ford, der das Programm in der ursprünglichen amerikanischen Form 1994 in Arizona entwarf, eine Orientierung. Zwei Jahre später wurde das Programm dann auch in Deutschland durch Stefan Balke adaptiert. Als Kurzform bezeichnet das Wort den „Trainingsraum für eigenverantwortliches Denken“. Die Jahre nach 1996 waren von praktischen Erfahrungen geprägt, sodass zusätzliche Überlegungen das ursprüngliche System veränderten. Allerdings ist die Basisidee von Powers immer noch die grundlegende Plattform in dem Programm. In der Landhausschule in Heidelberg wurde das Programm 1997 ebenfalls von Stefan Balke vorgestellt. Seit der Vorstellung wird das Programm sowohl an der Landhausschule als auch an vielen Schulen im Raum Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe als sogenanntes „Arizona-Programm“ betitelt. Dies ist auf Ford zurückzuführen, der wie eingangs erwähnt das Programm in Arizona entwickelte.
Wie zuvor in der Einleitung angedeutet erfuhr das Programm einen zunehmend größeren Zuspruch. Erika Simon und Heidrun Bründel setzten sich für das Programm seit 2003 unter dem Namen „Trainingsraum-Methode“ ebenfalls akribisch ein. Den Vertretern des Konzeptes geht es im Kern darum, den einseitigen Laissez-Faire-Erziehungsstil zu überwältigen und die Disziplin als die Voraussetzung schulischen Lernens zu fördern (vgl. Koch Oehmen 2014, S.1).
2.1 Der Begriff „Unterrichtsstörungen“ im Trainingsraum-Programm
In der Schulpraxis können Störrungen des Unterrichtsgeschehens in unterschiedlicher Art und Weise auftreten. Im Kontext der Methode „Trainingsraum“, bedeutet diese Begrifflichkeit nach Balke folgendes: „Verhaltensweisen des Schülers, die vom Inhalt und/oder der Form nicht zum Unterricht beitragen, werden als Störungen betrachtet“ (Balke; Hogenkamp 2000, S.84). Demnach folgt auf das fehlerhafte Verhalten eines Schülers eine Unterrichtsstörung. So liegt die Ursache für die Störung des Unterrichts ausschließlich beim Schüler als auslösende Person. Ein Unterricht ohne Störungen „[...] ist von Respekt, Freundlichkeit, Ruhe, Entspanntheit, Konzentration und Aufmerksamkeit [...]“ geprägt (Balke; Hogenkamp 2000, S.82).
2.2 Die Ziele auf den unterschiedlichen Ebenen
Für das Trainingsraum-Programm ist das Definieren von Zielen auf unterschiedlichen Ebenen notwendig. Balke (vgl. 2003, S.35ff.) beschreibt für den schulischen Kontext drei Ebenen von Zielvorstellungen. Es wird ein gesamtes und somit für alle Lehrerinnen und Lehrer geltendes allgemeines Ziel definiert, welches eine Überzeugung in pädagogischer Hinsicht versinnbildlicht. Hiernach erfolgt das Festlegen von Zielen auf der Ebene von pädagogischen Prinzipien, die dazu nutzbringend sind, die allgemeine Überzeugung zu erreichen. Zuletzt geht es um das Ausformulieren konkreter Abläufe, die dazu brauchbar sind, die beiden vorangestellten Ziele für Lehrer und Schüler zu erreichen.
Nach Balke (vgl. 2003, S.28ff.) sind die hauptsächlichen Probleme der Schulen zunächst nicht durch die steigende Gewaltbereitschaft von Schülerinnen und Schülern, sondern durch nicht ausreichende Formen des Umgangs eines Teils der Schülerschaft begründet. Dieses unzureichende Maß an sozialen Umgangsformen ist Balkes Meinung nach auf die Einbuße „emotional intelligent“ zu handeln zurückzuführen. Die emotionale Intelligenz schließt die Fähigkeit ein, Wünsche die sofort erfüllt werden wollen hintenanzustellen, um infolge eines zielstrebigen, aufeinander, aufbauenden Verhaltens essenzielle Wünsche zu realisieren.
Balke (vgl. 2003, S.37) sieht die Entwicklung der persönlichen Fähigkeiten im sozialen Miteinander und bezeichnet diese als allgemeines Ziel für den Unterricht. In drei grundsätzlichen Regeln des Trainingsraum-Programmes drückt sich dieses Ziel aus:
1. „Jede Schülerin und jeder Schüler hat das Recht ungestört zu lernen.“
2. „Jede Lehrerin und jeder Lehrer hat das Recht ungestört zu unterrichten.“
3. „Jede/r muss stets die Rechte der anderen respektieren.“ (Balke 2003, S. 38)
Für die zweite Ebene verbalisiert Balke (vgl. 2003, S.44ff.) pädagogische Prinzipien für die Zielvorstellungen, die dann wiederum das allgemein formulierte Ziel der Schule verwirklichen und festigen sollen.
1. Gerechtigkeit
2. Gruppenfähigkeit
3. Verantwortung
4. Pflichten statt Strafen
5. Disziplin
6. Vertrauen
7. Vorbildfunktion des Lehrers
Mit dem Begriff „Gerechtigkeit“ ist hier vordergründig eine gerechte Verteilung von Lernangeboten sowie von Aufmerksamkeit und Zuwendung des Lehrers an die Schülerinnen und Schüler gemeint aber auch die gerechte Bewertung von Leistungen der Schülerinnen und Schüler fällt hierunter. Nach Balke (vgl. 2003, S.52-56) wird das Gerechtigkeitsprinzip dann verletzt, wenn sich die Lehrkraft während des Unterrichts zum Großteil mit störbereiten Schülerinnen und Schülern und deren Verhaltensproblemen abgeben muss.
Das eigene Interesse hinter das in der aktuellen Gruppe vorhandenen Interesses bei einer Konflikterscheinung zurückzustellen, deutet Balke (vgl. 2003, S.44) als Gruppenfähigkeit. Das Zurückstellen eigener Freiheit und die Übernahme von Pflichten und das dazugehörige Erledigen einer Sache zeigt das Übernehmen von Verantwortung. Dieses ermöglicht den Schülerinnen und Schülern aufgrund des eignen Handelns und der eigenen Anstrengungen Erfolge zu erzielen. Das Erzielen von Erfolgen führt nach Balke (vgl. 2003, S.44f.) zu einem Anstieg des Selbstwertgefühls und Anspruchsniveaus aber auch zu einer Besserung der Stellung und des Ansehens innerhalb der Gruppe. In der Pädagogik sind jedoch Strafen kein berechtigtes Mittel auf Regelverletzungen, hingegen beharrt er darauf sich die „bestehende Eigenverantwortlichkeit bewusst zu machen und die Folgen weiterer Verstöße im Vorhinein zu bedenken und ernst zu nehmen“ (Balke 2003, S. 51). Disziplin besagt im ursprünglichen Sinn „eine Sache erst auseinanderzunehmen, um sie dann vollständig zu begreifen.“ In der Folge von Disziplin ergibt sich so die Einhaltung von Regeln für Balke (vgl. 2003,S.40f.). Es ist notwendig, dass sich die Schülerinnen und Schüler für das Erreichen von Verständnis und für die Ergründung einer freiwilligen Sache an die Ordnung des Unterrichts halten.
Eine Voraussetzung für die Einhaltung der Regeln in der Klasse macht Balke (vgl. 2003, S.63) im Vertrauen fest. Für die Bildung eines solchen Vertrauens ist es unumgänglich, dass die Schülerinnen und Schüler und die Lehrerinnen und Lehrer die zuverlässige Einhaltung der Regeln wahren und Verletzungen der Regeln konsequente Reaktionen nach sich ziehen. Schülerinnen und Schüler können aus den Verhaltensweisen der Erwachsenen mit denen sie leben wichtige Erkenntnisse für das Erlernen entsprechender Fähigkeiten bzw. für die Entwicklung emotionaler Intelligenz herausfiltern, meint Balke (vgl. 2003, S.64). Ebenso hat das Verhalten von Lehrerinnen und Lehrern eine Modellfunktion für die Schülerinnen und Schüler und muss daher genauso freundlich und an die bestehenden Regeln orientiert ablaufen. Im Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen als auch mit anderen Schülerinnen und Schülern sollten die erwarteten Regeln deckungsgleich Beachtung finden. Konflikte in Bezug auf die pädagogischen Prinzipien sollten vornherein diskutiert werden. Dies ermöglicht auch die plötzliche Entscheidungsfindung unter Zeitdruck in konkreten Situationen im Klassenzimmer. Folglich erfährt der Lehrer oder die Lehrerin eine wachsende Akzeptanz durch die Schülerinnen und Schüler. Die konkreten Abläufe in der dritten Ebene repräsentieren den Trainingsraum-Ablauf, der eine Gewährleistung für die Durchführung auf den beiden vorherigen Ebenen 1 und 2 sichern soll (vgl. Balke 2003, S.35).
2.3 Der Trainingsraum als zentrales Element
Der Trainingsraum als wichtigstes Teil und wirklicher Kern des ganzen Konzeptes sollte möglichst ein mit einzelnen Tischen bestückter ruhiger Raum in der Nähe des Lehrerzimmers sein. Ein feststehendes Team von bis zu sechs Mitgliedern, dass die Ideen des Trainingsraum-Programmes grundsätzlich mitträgt kann abwechselnd die Betreuung im Trainingsraum leisten. Die nachfolgenden Regeln sollten gut sichtbar im Trainingsraum platziert sein:
1. „Sitz an deinem Platz, sei ruhig und störe nicht die anderen!“
2. „Du musst einen Plan ausarbeiten, bevor du in den Klassenraum zurückkehren kannst!“
3. „Für die Besprechung des Plans musst du warten, bis du aufgerufen wirst!“
4. „Wer im Trainingsraum stört, wird nur einmal ermahnt!“ (Balke 2003, S.104)
[...]
[1] Wird folgend mit RTP abgekürzt